In den letzten 6 Wochen war mir folgendes klar geworden; Ich hatte genauso an Dario geklebt, wie er an mir. Er war nicht nur abhängig von mir gewesen, nein. Ich war es auch von ihm gewesen. Sehr sogar. Es hatte immer etwas sehr Schönes und Heimisches zu wissen, dass man jemanden in seinem Leben hatte, der alles für dich tun würde.
Und Dario war derjenige gewesen. Er wäre für mich durchs Feuer gelaufen. Auch, wenn diese Obsession seinerseits nicht gesund für ihn war, hatte es mich sehr gut fühlen lassen. Jetzt, 6,5 Wochen nach unserer offiziellen Trennung und keinem Kontakt zu ihm, sank mir ein, wie krank ich mich in diesem Sinne verhalten hatte.
Wir hatten immer nur an Darios Ängste gehangen und über seine Probleme geredet, aber dass ich mich ähnlich verhalten hatte, hatte niemanden interessiert. Niemanden, außer Dad. Und ich sah es jetzt auch. Warum sonst, war ich dazu bereit gewesen, mit Dario zusammenzuziehen und ihn irgendwann zu heiraten. Wie oft hatte ich über seine Aussetzer hinweggesehen? Und das nur, weil mich die Angst, jemanden wieder so zu verlieren, wie ich es bei Mom getan hatte, angetrieben hatte.
Um komplett ehrlich zu bleiben, es waren zwar 6 Wochen vergangen und ich konnte mehrheitlich wieder am Handy sein und alte Fotos oder Nachrichten lesen, ohne zu heulen, doch vermissen tat ich ihn trotzdem. Zugeben tat ich es nicht gerne, doch es wurde von Tag zu Tag einfacher. Das Studium lief gut, ich hatte neue Leute kennengelernt und Wesley und ich verbrachten mittlerweile noch mehr Zeit miteinander, als wir damals hatten, wo ich noch mit ihr zusammengewohnt hatte.
Mir fiel gerade auf, dass ich log... Also, Dario und ich hatten vor 3 Wochen kurzen Kontakt gehabt. Ich hatte ihm alles Gute zum Geburtstag gewünscht und gefragt, wie es ihm ging. So herzlos und strikt, ihm an seinem 17. Geburtstag nicht zu schreiben, konnte ich nicht sein.
Mehr als ein Dankeschön und ein simples «Geht», hatte ich nicht zurückbekommen. Er hatte auch nicht gefragt, wie es mir ging, nichts. Übel nahm ich ihm das nicht. Er hasste seinen Geburtstag. Dass da eine so trockene Antwort zurückkam, hatte ich bereits gewusst. Und überhaupt etwas von ihm zu hören, war für mich mehr als genug gewesen. Es mochte krass klingen, doch Darios Geburtstag war für mich mittlerweile wie eine Bestätigung für mich selbst, dass er es wieder ein Jahr länger geschafft hatte.
Ich wusste keine Details, aber laut Medien und Spotify, lief es gut. Er hatte ein Album für den Juli angekündigt. Sein erstes richtiges Album unter Vertrag. Ich konnte es kaum erwarten. Auch, wenn ich etwas Angst vor den Songtexten hatte. Na ja...
Ich denke, für mich war es auch um Welten einfacher, zu wissen, was er machte und wo er war, da er berühmt war. Er selbst, konnte natürlich nicht im Internet nachlesen, was ich machte und wo ich war. Ich war da also im Vorteil. Und zu meinem Vorteil sah ich, wie Dario an Gewicht zugenommen hatte. Seine Wangen waren wieder voller, seine Augenringe nicht mehr so tief und er strahlte. Ehrlich, er sah gut aus.
Bei einem Interview bei Jimmy Kimmel hatte ich gesehen, dass er ein Tattoo an seiner rechten Schulter begonnen hatte. Er überdeckte so die Narben vom Zirkelvorfall. Was es werden sollte, wusste ich nicht. Ich wollte es auch nicht mit dem Stalken übertreiben. Kurz, er sah besser aus. Mittiger. Konnte man das so nennen? Zentriert und im Gleichgewicht.
Mittlerweile hatte ich es auch gewagt, mein Instagram wieder öffentlich zu machen, denn es war nun klar und kein Geheimnis mehr, dass Dario Corrado single war und ich niemanden mehr im Weg stand. Es kehrte Ruhe ein. Ich konnte wieder ganz normal Dinge posten und meine DMs lesen, ohne Drohungen oder private Fragen zu erwarten.
Klar, gab es immer wieder jemand, der etwas unter meine Fotos schrieb. Ich bekam nicht gerade wenig zu lesen, dass es sowieso eine Frage der Zeit war, dass Dario mich verlassen würde. Aber, da ich die Wahrheit kannte, reagierte ich nicht darauf.
Mein Profil war jetzt schon 2 Wochen wieder öffentlich und ja, die ersten paar Tage waren krass gewesen, doch Dario hatte darauf reagiert und in seiner Story gepostet, dass er dachte, seine Fans wären keine Kinder und dass man sich aus Sachen heraushalten sollte, von denen man keine Ahnung hatte. Typisch Rio, aber gut.
Ich hatte soeben meine letzte Vorlesung für diese Woche hinter mir und räumte meine Sachen weg. Wesley würde nachher vorbeikommen und dann würden wir uns für heute Abend fertig machen. Sie wollte mir ein neues Restaurant zeigen und ein Abend ohne Zwillinge schadetet nie. Ich leistete etwas Vorarbeit und sprang bereits unter die Dusche. Im Wandspiegel erblickte ich das Feuerzeug um meinen Hals. Ich hatte es noch nicht geschafft, diese Kette auszuziehen.
Das Kätzchen, das eingraviert war, ließ mich sanft auflächeln. Mittlerweile war ich so weit, dass ich, wenn ich an Darios und meine Zeit zurückdachte, nur noch lächeln konnte. Ich schätzte unsere gemeinsame Zeit sehr und hatte auch sehr viel aus ihr gelernt. Klar, hatten wir viel durchgemacht, doch ich würde es mir immer wieder wünschen. Ohne seinen Suizidversuch, natürlich. Aber irgendwie war dieser auch der Zeitpunkt gewesen, wo Dario das erste Mal richtige Hilfe annehmen konnte. Ach, keine Ahnung.
Mit dem Handtuch auf dem Kopf machte ich meiner Freundin die Tür auf und hetzte dann zurück ins Bad. «Boah, hier riecht's krass nach Bodylotion.» Mein Fehler. «Auch dir hallo.» Sie legte ihre Tasche auf meinen Esstisch und folgte mir ins Bad. «Ready?» Ich zeigte auf mein Spiegelbild. «Seh' ich so aus? Wo gehen wir eigentlich genau hin?» «Dieses Restaurant ist neu. Gleich beim Time Square. Hab' mit Mühe und Not noch einen Tisch für vier gekriegt.»
«Für vier?» Ich steckte den Föhn ein. «Sei mir nicht böse, aber ich hab' Chase eingeladen.» Chase, Wesleys potenzieller Freund. Sie hatte ihn vor vier Wochen an der Uni kennengelernt. «Also darf ich das fünfte Rad am Wagen spielen?» Da hatte ich nicht viel dagegen. «Das vierte, trifft's wohl eher...» Ich sah Wesleys noch ungeschminkten Augen verwirrt durch den Spiegel an.
Es dauerte einige Sekunden, bis ich kapierte, warum sie mich dabeihaben wollte. «Man, Wes. Ich hab' doch gesagt, dass ich das im Moment nicht will.» «Ja, aber du vereinsamst doch. Und Chases Kumpel ist voll lieb. Er hat auch eine Trennung hinter sich und möchte jetzt direkt nichts Neues. Vielleicht werdet ihr ja super Freunde oder so. Da muss ja nicht gleich was Ernstes daraus werden.» Ich schüttelte den Kopf und rieb mir meine Nase.
Die Neugier war schon da... «Wie heißt er?», fragte ich leise nach. «Nathanael, aber Nathan oder Nate reicht seiner Meinung nach vollkommen aus.» Okay... «Wie sieht er aus?» Wesley musste etwas lachen. Ja, sorry. Fragen durfte man wohl und vielleicht war es echt an der Zeit, meine Scheuklappen langsam zur Seite zu legen.
«Er ist ziemlich sportlich gebaut, weil er Football spielt und er ist eher mittelgroß. Vielleicht so, wie Dom und Quill.» Also kleiner als Dario... Wesley flickte mir mit ihrem Zeigefinger an die Stirn. «Vergleich' ihn nicht mit dem Ex. Das kommt nie gut.» Wie hatte sie das jetzt-, Okay...
«Er hat dunkelbraune Haare und braune Augen. Warte, ich hab' auch ein Foto. Er ist der beste Kumpel von Chase.» Es fühlte sich wie fremdgehen an, denn alleine nur schon daran zu denken, einen anderen Typen interessant zu finden als Dario, war mir neu.
Dieser Nathan sah nett aus, echt. Aber er überwältigte mich jetzt nicht. Den Rest musste er mit seiner Persönlichkeit wettmachen. Und, wenn die zum Heulen war, hatte er verloren. Eine gute Persönlichkeit würde ihm zum Schreien heiß machen. Eine schlechte bewirkte das Gegenteil. So funktionierte die liebe Noè.
«Also gibst du dem eine Chance?» Ich zuckte mit den Schultern. «Wenn's sein muss. Aber du weißt-,» «Ja, ich weiß. Aber vertrau' mir. Das wird ein cooler Abend.» «Du wirst mich auch nicht alleine sitzenlassen, damit du mit Chase abhauen und vögeln gehen kannst?» «Nein, sicher nicht. Das würde ich dir nicht antun. Vor allem könnte ich dich niemals mit einem Typen alleine lassen, den du noch nicht gut kennst.»
Guess what, guys? Nathan und ich standen gegen 23 Uhr verdammt nochmal ALLEINE vor diesem scheiß Restaurant und schauten verloren durch die Gegend. «Ich werde Wesley umbringen», murmelte ich nur und ich band mir meine Haare zurück. Nathan war echt nett, aber jeder konnte zu Beginn nett wirken.
«Ich kann dich nach Hause bringen, wenn du willst.» Ich schaute zu ihm auf und nickte nur, «Das wäre nett, ja. Hat Chase dir auch versprochen, dich nicht alleine zu lassen?» «Nope... Aber ich kann mich nicht darüber beschweren. Du bist keine schlechte Begleitung.» «Wie schmeichelnd. Ich fühle mich geehrt.»
«Du studierst wie Wesley auch Psychologie, oder?» Ich nickte und folgte ihm. Er führte uns weg vom belebten Time Square. «Du spielst Football, oder?» «Was hat mich verraten?» «Dein Quadratkopf.» Er lachte auf und holte mich mit einem Arm um meinen Rücken vom Straßenrand weg. Der in New York war leider tatsächlich nicht der sicherste Ort für eine junge Dame.
«Nein, Wesley hat mich etwas vorinformiert. Sie hat auch gesagt, dass du eine Trennung hinter dir hast und so.» Sein Lächeln verfiel. «Jup...» Ich hob meine Faust an und boxte ihm ganz leicht in den Oberarm. «Same, dude.» Er wurde neugierig. «Echt?» «Jup...», machte ich ihn nach.
«Na dann hoffe ich aber, dass deine um einiges besser als meine abgelaufen ist.» «Wieso? Was ist denn passiert?» Jetzt machte er mich neugierig. «Sie ist mir fremdgegangen mit meinem großen Bruder.» «Ach du Scheiße», rutschte es mir raus und wir bogen die nächste Strasse ab, um die nächste Bahnstation zu erreichen.
«Ja... Was war's bei dir?» «Unsere Leben sind drastisch in zwei unterschiedliche Richtungen gegangen. Ich studiere hier und er ist jetzt gefühlt überall, aufgrund seiner Karriere.» Nathan fragte schnell nach. «Was macht er denn?» «Musik.» Und zu meinem Vorteil leuchtete oben am Hochhaus Darios Werbung für sein erstes Album. Ich schaute es mir kurz an und zu meiner Überraschung funktionierte Nathans Quadratkopf verdammt gut. «Er?» «Yes... Ist nicht wirklich gesund für mich, ihn immer wieder sehen zu müssen.»
«Ihr seid aber gut auseinander?» Ich nickte nur wieder. Nathan begleitete mich bis zu meinem Studio und hoch zu meiner Tür. Es lag eine gewisse Spannung in der Luft, weshalb ich versuchte, sie zu lockern. «Keine Angst, du kommst nicht so rüber, als würdest du hier schlafen wollen.» Er grinste schüchtern auf. «Gut, ich hatte schon Angst.»
Ich schloss meine Tür auf und drehte mich nochmals zu ihm um. «Danke fürs Heimbringen. Falls du Wes und Chase noch siehst, kannst du beiden einen Mittelfinger von mir zeigen.» «Werde ich machen, aber-,» Er rieb sich den Nacken und lehnte sich unsicher in meinen Türrahmen.
«Denkst du-, also kann ich deine Nummer haben? Ich weiß, wir beide haben gerade eine Trennung hinter uns, aber ich denke, du bist krass nett und gechillt drauf. Ich bin jetzt im Moment eh nicht auf eine Beziehung aus, aber ja... Freunde?» Ich musste leise kichern, weil er sich ziemlich zum Affen machte, aber gab dann nach. Von mir aus.
«Du bist auch nett und gechillt drauf», konterte ich und gab ihm meine Nummer. Eine Stimme in meinem Kopf schimpfte mich aus, aber ich tat doch nichts Falsches. Oder? Oder sollte ich das hier nicht tun? Ich meine, Nathan schien echt lieb und ein guter Kumpel wäre er doch auch. Man... Das war doch alles Neuland für mich.
«Also, wir sehen uns.» Ich sagte ihm tschüss und schloss dann die Tür hinter mir ab. Meine Schuhe ausziehend, erwischte ich mich dabei, wegen des Idioten lächeln zu müssen. Man, Wesley... Aber nein, es stand mir zu, neue Leute kennenzulernen. Ich war mir sicher, Dario hatte da auch schon wen neues.
Ich meine, so wie er aussah und wie bekannt er mittlerweile war. Bei ihm standen die sicher Schlange... Man, daran hätte ich mich nicht erinnern sollen. Ich machte mein Radio an und verdrehte die Augen. Natürlich musste jetzt Infernal Embrace laufen... Was auch sonst?
Irgendwie gut für Noè, aber es fühlt sich komisch an...
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