14. Kapitel
«Das kann's doch nicht sein! Der Junge kann seit Tagen herumliegen und jetzt will er immer noch nicht!? Ich kann nicht hundertmal Termine und Interviews absagen, nur weil er launisch ist und keinen Bock hat. Dario, komm! Aufstehen!» Barbara riss mir die Decke weg und meine Kissen auch.
Lex versuchte ihr beizubringen, dass ich noch immer krank war und eine noch längere Pause brauchte. Ich hatte mich seit dem Zwischenfall mit Noè und Marco kein einziges Mal mehr gerührt. Ich lag schon seit 3 Tagen in diesem Bett und hatte vor, hier drinnen zu verrecken. Ich konnte und wollte nicht mehr.
Ich wusste nicht, ob Noè eventuell nach mir gefragt hatte, ich hatte keine Ahnung, was Marco trieb, und ich wagte gar nicht erst daran zu denken, was Santiago tat, denn er hatte nur gesagt, dass er mit Marco reden wollte. Fand ich persönlich unnötig, weil ich ja echt Scheiße gebaut hatte und nun gerecht so behandelt wurde.
Dass Marco mich nun hasste, konnte ihm niemand übelnehmen. Ich hatte Noè nicht nur verarscht, sondern auch auf gewisse Art und Weise ausgenutzt. Emotional missbraucht, war die beste Beschreibung. «Dario, aufstehen!» Sie langte nach meinem Handgelenk und begann zu ziehen, doch ich konnte mich bei bestem Willen nicht wehren. Auch, wenn meine Armbänder zu rutschen begannen.
Ich war zu schwach, hatte endgültig aufgegeben. Ich wartete ehrlich gesagt auf meinen Gnadenstoß. «Was reißen Sie da so an ihm rum?» Ich begann sogar schon Stimmen zu hören, die gar nicht hier in New York sein konnten. Oder doch? «Und wer sind Sie? Ich versuche, die Managerin dieses Sauerklumpens zu sein, aber er will sich ja nicht mehr regen.»
«Ich bin sein Vater.» Ich schaute hastig auf und erblickte Santiago vor dem Bett stehen. Barbara ließ mich augenblicklich los und schluckte eher unbeholfen. «Darios Vater?» «Ja, Vater. Er hat auch einen. Dachten Sie etwa, er sei aus einem Ei geschlüpft, oder was?»
Wenn Santiago hier war, konnte Kelly auch nicht weit sein und tatsächlich, sie trat ein und eilte direkt zu mir, als sie mich erblickt hatte. «Und wer sind Sie?» «Kelly Parker. Darios Therapeutin.» «Ex-Therapeutin», korrigierte ich sie und ich erschrak mich selbst mit meiner kratzigen Stimme.
«Und wenn ich Sie nun bitten darf, mich mit meinem Patienten allein zu lassen?» Kelly zeigte zur Tür und forderte Barbara dazu auf, zu gehen. «Er muss den Flug um 16 Uhr dringend erwischen. Das ist alles. Mehr will ich nicht von ihm. Sein Fahrer ist um 14:30 Uhr vor dem Hotel.» Kelly lächelte und hockte sich zu mir ans Bett. «Werden wir beachten, danke.»
Und dann forderte sie auch Lex dazu auf, zu gehen, doch Santiago ließ nicht mit sich diskutieren. Er fixierte mich mit seinen Augen an und schüttelte den Kopf. «Das Star-Leben lässt dich nicht wirklich wie ein Star aussehen.» Ich suchte nach der Decke, die Barbara mir weggezogen hatte und deckte mich wieder zu. «Und so fühlen, tu' ich mich auch nicht», ergänzte ich ihn.
«Wie fühlst du dich denn, Dario?» Kelly legte eine Hand auf meinen Oberarm. «Wie das größte Arschloch auf Erden.» «Was ist denn genau passiert?» «Das ist nicht wichtig», schielte ich zu Santiago und deckte mich noch weiter zu. «Ich hab' Noè verletzt und ihr Vertrauen gebrochen. Fertig.»
«Bist du fremdgegangen?», fragte Dad nach und ich verdrehte nur meine Augen. «Nein, ich bin nicht so wie du.» Kelly deutete ihm, den Mund zu halten und nicht zu kontern, und schaute mich einige dann Sekunden einfach nur an. Ich nutzte diese Sekunden, um ihr zu sagen, was ich von ihrem Besuch hielt, doch sie verpisste sich trotzdem nicht.
«Lex hat mir eben erzählt, dass du wieder Probleme mit dem Essen hast.» «Die waren nie weg. Man, ich mag jetzt keine Therapiestunde haben!» Ich schob Kelly vom Bettrand und sie musste aufstehen. «Willst du denn nicht wissen, was Noè gesagt hat?» Huh? Ich schaute wieder unter der Decke hervor.
«Wenn du keine Therapiestunde willst, ist das vollkommen okay. Wir können auch so darüber reden. Schließlich habe ich dir versprochen, dass ich immer ein Ohr für dich offen haben werde.» Santiago schaute sich das Zimmer genauer an. Ein beeindrucktes Nicken.
Ich schaute ihm genervt hinterher und deutete dann einmal durchs Zimmer. «Sieh mal. Man kann auch Kohle machen, ohne dafür den eigenen Sohn prügeln und vernachlässigen zu müssen», spielte ich auf sein Studium und seine Karriere als Architekt hin.
Er ignorierte mich und Kelly suchte wieder meinen Blick. Ach ja, sie wartete auf eine Antwort. «Was spielt's denn überhaupt noch für eine Rolle, was Noè gesagt hat? Die Sache ist gegessen. Sie hasst mich jetzt und Marco hat endgültig den Schlussstrich gezogen. Gut für sie... Schließlich mache ich sie nur kaputt.»
Kelly seufzte und rieb sich ihren Schoß. «Sie hat gesagt, dass es sie sehr schockiert und verletzt hat, dass du zu solchen Mitteln – was auch immer für Mittel – gegriffen hast, aber sie hasst dich nicht. Und Dario, du weißt, dass ich die Wahrheit sage. Noè könnte dich doch niemals hassen. Und sie hat gesagt, ich soll dir ausrichten, dass du auf dich aufpassen sollst, bis sich das wieder gelegt hat und Marco nicht mehr so am Rad dreht. Plus, sie braucht etwas Zeit, weil sie zuerst verarbeiten muss, was das genau war und wieso es passiert ist. Aber sie möchte irgendwann darüber reden. Mit dir. Zu zweit. Wie zwei junge Erwachsene.»
Mein Herz blutete und zog. Ich fiel benommen zurück in meine Kissen und zog die Decke über meinen Kopf. «Ich will mich nicht allzu sehr einmischen, aber ich kann eins sagen; wenn du es wirklich ernst meinst und Noè nicht verlieren möchtest, ist Marco im Moment derjenige, den du am meisten überzeugen musst.»
Santiago kam wieder zu uns. Er hatte vorher noch das ganze Zimmer einmal abgecheckt. «Noè weiß, dass es dir leid tut. Sie kennt und liebt dich. Wer zweifelt, ist Marco. Und mein Fehler damals war, dass ich nach der Sache mit Amilias Vater aufgegeben habe. Ich habe nicht versucht, es wieder geradezubiegen. Du brauchst nicht auf mich zu hören, aber den Ratschlag würde ich ernst nehmen.»
Keine Ahnung, wie die beiden das schafften, aber sie zogen mich auf die Beine und Kelly suchte mir frische Klamotten raus, während Santiago einen auf Vater machte. Lustig. Man könnte fast denken, er wäre mein Vater...
«Marco ist übrigens hier. Er ist bei Noè.» «Echt jetzt?» «Mhm.» Kelly deutete auf die Klamotten, welche ich niemals anziehen würde. Was hatte sie da bitteschön herausgesucht? Ich lief selbst zum Schrank und suchte was wesentlich Bequemeres raus. All das andere Zeug musste ich noch packen. Da konnte sie helfen, aber beim Rest nicht. Zum Glück war sie nur Therapeutin und keine Stylistin geworden.
«Habe mich mit ihm unterhalten. Er ist immer noch ziemlich wütend.» Wann war der Typ denn bitte nicht wütend auf mich? Und es ging mir gegen den Strich, dass er hier war. Ich hatte Noè noch vor meinem Abflug nach LA abfangen wollen. Ich würde diesen Staat nicht verlassen können, ohne ihr ins Gesicht gesagt zu haben, dass es mir leidtat. Impulsives und gestörtes Verhalten hin oder her, ich besaß noch immer Vernunft und diese verdiente sie hochgradig. Schließlich hatte ich sie ausgenutzt. Ich hatte-, Man...
Ich log Kelly und Santiago an und sagte ihnen, dass ich noch zu Lex' ins Zimmer ging, um meine Medikamente zu nehmen, bevor ich zum Flughafen fahren würde, doch in Wirklichkeit zog ich mir die Kapuze ganz tief ins Gesicht und mit der dunklen Sonnenbrille auf der Nase, quetschte ich mich beim Hinterausgang raus.
Ich aß ein paar kleine Kekse von der Minibar, damit ich es überhaupt zu Noès WG schaffen konnte und stolperte eins zusammen und durch die Gegend, weil ich mich kaum traute, den Kopf und Blick anzuheben. Würde mich jemand erkennen, wäre alles vorbei.
Ich hatte das Glück, das ich nicht klingeln musste, denn die Tür unten stand offen. Ich hetzte das Treppenhaus hoch und lauschte oben an der Tür. Ich konnte keine männliche Stimme hören, weshalb ich mal so mutig war und klingelte. Mein Herz raste und als ich Schritte schlurfen hören konnte, setzte es gefühlt alle paar Schläge aus.
Eine verschlafene Noè mit tiefen Augenringen stand vor mir. Sie blinzelte benommen und schniefte. Hatte sie geweint? Ihre Augen waren ganz rot. «Dario?» Sie blinzelte verwirrt und schaute paranoid um sich. «Hi...» «Was machst du hier? Ich-,» Ich traute mich nicht, mich selbst einzuladen, weshalb ich unbeholfen im Treppenhaus stehenblieb und nach den richtigen Worten suchte.
«Ich brauche noch Zeit, Dario. Ich kann das jetzt nicht klären.» Sie schüttelte den Kopf und hielt sich an der Tür fest, die sie langsam wieder schließen wollte, doch ich trat dazwischen. «Wir müssen nichts klären. Noch nicht. Ich-, es ist nur-, Ich kann nicht gehen, ohne-,» Jemand klopfte unten seine Schuhe aus und räusperte sich. Ich brauchte nicht zweimal hinzuhören, um zu wissen, dass es Marco war.
Ich schaute übers Geländer runter und hörte ihn die Treppen hochkommen, weshalb ich mich verkrampft herunterschluckend rasch wieder an Noè wandte. «Ich kann New York nicht verlassen, ohne dir zu sagen, dass-,» «Dario? Was machst du denn hier?» Ich mied Marcos Blick und fixierte weiterhin Noè an, als er neben mir stehenblieb und mich ganz genau von der Seite beobachtete. Ich brauchte gar nicht erst nachzuschauen. Sein Blick war wütend.
Ich verlor die Fähigkeit, mich auf Englisch auszudrücken, weshalb ich auf Noès schwache Italienischkünste setzte. «Mi dispiace tanto, Micina. So cosa ho fatto e mi sta distruggendo. Voglio solo dirti che mi dispiace.» Sie sah mich bloß an und strich sich ihre offenen Haare hinter die Ohren. Hoffentlich hatte sie mich verstanden. Sie musste mich verstanden haben.
Und dann, sie nickte ganz schwach und lächelte traurig. «Du hast Nerven, hier aufzutauchen, Dario.» Ich trat zur Seite und mied Marcos Blick noch immer. Ich wollte ihn nicht anschauen. «Ich reiße mich gerade echt am Riemen, aber ich würde dich am liebsten in der Luft zerreißen.» Da war er nicht der Einzige. Mir ging es genauso. Ich wollte mich auch zerstören und fertigmachen.
«Bin schon wieder weg», murmelte ich dann nur und wollte an ihm vorbei, doch er hob seine Hand an und sperrte mir den Weg ab. Ich zuckte zurück. Ich wollte nicht, doch sein Auftreten erinnerte mich an Zeiten, wo ich mich noch nicht hatte wehren können. Er merkte es selbst und ließ seine Hand wieder sinken.
Er ließ mich vorbei und stellte sich zu Noè in den Türrahmen. Ich lief die Treppen runter, doch mein Name erklang ein weiteres Mal. Marco. «Dario.» Ich zuckte wieder zusammen und stoppte unsicher in meinen Schritten. Ich schaute neben ihm an die Wand und auf den Boden. Blickkontakt lud einem nur dazu ein, mir eine zu knallen. So war es früher zumindest, gewesen.
«Du hast Mist gebaut. Wirklichen Mist. Aber ich schätze es, dass du Manns genug bist, um dich hier persönlich entschuldigen zu kommen. Ich werde diesen Vorfall nicht so schnell vergessen, aber diese Entschuldigung auch nicht.» Meine Augen trafen die von Noè und dann wagte ich es, diese ihres Vaters zu finden. «Mhm...», meinte ich nur.
Die Spannung in diesem Treppenhaus kappte mir die Luft ab, weshalb ich unten, wieder an der frischen Luft, tief ein- und ausatmete und mir benommen die Stirn rieb. Mein Herz raste. Ich konnte nicht glauben, dass er mich nicht an die Wand genagelt hatte. Ich hatte das Gefühl gehabt, er würde mir gleich eine reinhauen.
Wenn er mehr vom Vorfall wüsste und genau wissen würde, wie ich Noè verascht hatte, hätte er es sicherlich getan. Nicht nur einmal. Schließlich hatte ich es auf eine Art und Weise getan, welche für ihn noch gar nicht infrage kam. Er wusste nicht, dass Noè und ich den Schritt gewagt hatten. Zu meinem Vorteil.
Ich schaute mich kurz um und fand niemanden, der verdächtig aussah, weshalb ich es wagte, zurück zum Hotel zu gehen, doch keine 20 Meter später tauchte jemand neben mir auf. Mit dem Handy direkt auf meine Fresse gerichtet. «Dario, wo warst du gerade, man? Was suchst du bei der Uni?» Ich sah kurz auf und erblickte einen nervigen Paparazzo. «Geht dich nichts an», meinte ich dann nur und lief weiter.
«Damn, nicht gut drauf, oder was? Warst du bei einem Mädchen? Geht deine Freundin hier zur Uni?» Ich rümpfte meine Nase und ignorierte ihn. Mit einem würde ich schon klarkommen, doch es wurden immer mehr, weshalb ich Lex meinen Standort schickte. Ich war nicht mehr weit vom Hotel entfernt, aber es wurde mir etwas zu viel. Die ganzen Kameras und Handys im Gesicht. Und die Fragen, die zu weit gingen.
«Du siehst echt fertig aus, Alter. Stress im Paradies?» «Was hältst du von Billies Kommentar?» Ich sah auf. «Billie?» «Billie Eilish.» Was? Sie hatte etwas über mich gesagt? Ich zuckte dann nur mit den Schultern und erblickte Lex, der mit rotem Kopf zu mir hetzte. Er war nicht allein. Er schirmte mich direkt ab und Lachen ertönte. «Hast du dich etwas heimlich hinausgeschlichen?» Lustig, lustig.
Ich folgte Lex, denn die anderen, die ihm halfen, waren mir egal und fremd. «Und wirst du echt mit Nessa Barrett kollaborieren?» Ich blieb still. «Kannst du etwas über deinen Arztbesuch sagen? Nimmst du Drogen? Hast du jetzt mit dem Rauchen aufgehört?» Gekreische ertönte und ich drängte mich an Leuten vorbei in das Auto, das auf mich wartete.
Drinnen saßen Kelly, Santiago und Rico. Ich sagte nur leise hallo und verzog mich auf die Rückbank. «Wo warst du?» «Wo wohl? Bei Noè.» «Alles gut? Was ist passiert?» «Hab' mich entschuldigt und fertig.» Hände schlugen gegen die Scheiben und wir schraken allesamt zusammen.
«Das ist krank», meinte Dad nur und schaute die Menge vor dem Hotel verblüfft an. «Das kannst du laut sagen, Santiago. Das wird von Tag zu Tag schlimmer. Vor paar Monaten ging's ja noch», schüttelte Lex den Kopf.
Ich blieb still und schaute nachdenklich nach draußen. Ob mich diese Leute da draußen auch noch feiern würden, wenn sie wüssten, was für ein Arschloch und wie krank ich war? Nein, oder?
Mal schauen, wie sich das außpielt. Was meint ihr? Werden sich die beiden trennen?
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