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...you'll find me

(Ich wollte eigentlich ein anderes Lied hintun, aber dann bin ich auf die Pianoversion von 'I need u' gestossen und...omg. Ich kann es euch zu dem Kapitel hier nur empfehlen^^ )

Und trotz allem wollte ich immer noch leben...tief leben, alles Mark des Lebens aussaugen, so hart und satanisch leben, dass alles, das nicht Leben war, in die Flucht geschlagen wurde.

[Henry David Thoreau, Sammelband]

Jimin Pov.

"Geht es dir wieder etwas besser?"

Die Stimme klang tief und leicht rau. Ich kannte sie nicht- auch wenn mir der dunkle, samtige Unterton augenblicklich einen leichten Schauer über den Rücken gleiten liess. Die Stimme klang tiefer und auch ansonsten vollständig anders als die Jungkooks, aber gerade befand ich noch genug im leichten Halbschlafdelirium, sodass mir weder das noch den konkreten Gedanken an ihn etwas ausmachten. Im Gegenteil. Das dunkle Timbre glitt direkt in mein Herz und setzte sich in diesem auf solch eine beruhigende Art und Weise fest, dass sämtlich meiner Glieder sich unwillkürlich etwas aus ihrer inzwischen fast schon dauerhaften Anspannung lösten und mein Kopf ein wenig mit all den Schuldgefühlen zurücktraten. Zum ersten Mal seit Wochen fühlte ich mich nicht mehr rastlos und verzweifelt, sondern fast schon als wäre...als wäre doch noch alles gut. 

Was für ein seltsamer Gedanke.

Wer auch immer da gesprochen hatte, besass wohl eine der schönsten Klangfärbungen der Welt- war diese Stimme überhaupt noch menschlich?  Vielleicht gab es entgegen allem, an das ich je geglaubt hatte, ja doch einen göttlichen Himmel und wenn ich die Augen öffnen würde, dann würde diese Engelstimme zum Singen anheben und Jungkook wäre bei mir.

Oder all das mit der Überdosis war nur ein absolut schrecklicher Traum gewesen und wenn ich aufwachen würde, wäre die Stimme zwar nicht mehr da, aber dafür mein Freund.

Jungkook...er wäre bei mir und ich würde mich nie mehr mit ihm streiten. Ich würde dafür sorgen, dass es zwischen uns wunderschön wäre und vor allem würde ich ihm nie mehr so etwas antun.

Jungkook...

Mein Kopf war so gefüllt mit wunderschönen Erinnerungen an ihn, dass ich beinahe versucht war, mich breit lächelnd an den Urheber dieses wundervollen Klanges zu schmiegen und noch ein wenig weiter vor mich hin zu träumen- als mir der Inhalt seiner Botschaft bewusst wurde. 

Ob es wieder etwas geht.

Und diese machte mich nicht nur augenblicklich rasend, sondern brachte mich auch heftiger als gewollt in die Wirklichkeit zurück.

"Wie soll es mir denn schon besser gehen? Ich bin verantwortlich für den Tod meines Freundes, du-",blinzelnd öffnete ich meine Augen und sah mich empört nach der Quelle des Gesprächs umzusehen, um die Person aufs Feinste zusammenzustauchen...und erstarrte.

"Tae??"

Vor mir befand sich mein früherer Kindheitsfreund, des Weiteren meine ersten richtigen Liebe und der Grund, wegen dem ich bemerkt hatte, dass ich auf Jungs stand, war und lächelte mich vorsichtig an.

"Stets zu Diensten, Captain Park." Er setzte zu einer leichten Verbeugung an und hob den imaginären Kosarenhut zum Gruss von seinen hellblondgefärbten Haaren. Wie früher, als wir als Kinder gemeinsam stets so taten, als wären wir Piraten. Als wäre, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen hatten (das lag nun schon über ein Jahrzehnt zurück) alles genau gleich geblieben.

 Als wäre das hier immer noch ein Spiel.

"Du...", verwirrt blinzelte ich, viel zu überrumpelt von dem Ganzen, um noch länger wütend zu sein. "Was machst du denn hier?"

Der Blondhaarige räusperte sich und einen kurzen Augenblick meinte ich so etwas wie Verzweiflung und Unsicherheit in seinem Blick vorzufinden. "Ähm, ich wollte dich...Jimin, ich...das mit deinem Freund tut mir so leid. Und ich wollte auch nicht wissen, ob es dir gut geht, sondern ob es irgendwie geht- ich meine, ich bin kein Idiot, also irgendwie schon, aber nicht so sehr...und ich hab dich in den letzten Jahren immer gesucht, weil ich dich vermisst habe- shit, es tut mir so leid, dass ich dich erst jetzt finde, ich hätte mir vermutlich keinen schlechteren Zeitpunkt aussuchen können, aber meine Tante arbeitet dort und hat mir gesagt, dass du...und ich...ich bin jedenfalls so unendlich glücklich, darüber, dich wiederzusehen, weil du- du...und wenn ich irgendetwas für dich tun kann, dann bitte sag-"

Entschlossen unterbrach ich sein wirres Gestammel. "Taehyung. Mir geht es gerade echt scheisse...aber es tut gut, dich wiederzusehen."

Er starrte mich aus grossen Augen an und schluckte gut hörbar.

"W-wirklich?"

"Wirklich."

Auf seinen Wangen breitete sich ein sanfter Rotschimmer aus und unwillkürlich- obwohl die Verzweiflung in mir immer noch am präsentesten war und ich mir mehr als sicher war, dass ich bei dem kleinsten falschen Wort sogleich wieder in Tränen ausbrechen würde- trotz all dem konnte ich mir bei diesem Anblick ein kleines Lächeln nicht verkneifen.

Denn auch wenn ich mit Jungkook immer mehr als nur glücklich gewesen war, hatte ein kleiner Teil von mir ihn überall die Jahren hinweg echt vermisst. Nicht nur ihn als Person, sondern auch unsere Freundschaft.

Augenblicklich, nachdem dieser Gedanke meinen Kopf durchzog, spürte ich augenblicklich schneidende Schuld in aufsteigen. Der Moment, in dem ich erfahren hatte, wie es um Jungkook stand, lag gerade mal ein paar Tage zurück. Und ich hatte nichts Besseres zu tun, als darüber nachzudenken, wie sehr ich den Jungen, in den ich vor ihm verliebt gewesen war, vermisst hatte?

Ich war so erbärmlich.

Und vor allem...Jungkook...er...er war...

Ich spürte wie meine Unterlippe schon wieder zu zittern begann.

Vor allem hatte ich nach der...Sache mit Jungkook und mir nicht das Recht, mich einfach von dem nächstbesten Jungen in den Armen halten zu lassen. Strenggenommen waren wir zwei ja immer noch irgendwie zusammen...der Gedanke war gleichsam beruhigend und grausam. Ich wollte meinem Süssen nicht dadurch bei mir haben, dass ich bloss an ihn dachte oder in seiner Todesanzeige erwähnt wurde. Ich wollte richtig bei ihm sein! 

Ich...ich wollte zu ihm...

Ich schob die kuschelige Decke auf mir zur Seite und richtete mich von der Couch auf, auf der ich lag. Erst jetzt bemerkte ich, dass ich mich nicht mehr in dem Leichenschauhaus befand sondern einer Wohnung. Sie war sehr bunt eingerichtet und aufgrund der vielen Bilder, für die Taehyung schon immer sehr geschwärmt hatte, vermutete ich einmal, dass es seine war. In jeder anderen Situation wäre ich noch so gerne geblieben, aber gerade wurde mir alles einfach zu viel.

Kaum, dass ich mich erhoben hatte, stand auch der Blondhaarige von dem Sessel mir gegenüber auf.

"W-willst du schon wieder gehen?" Erneut war da wieder diese Unsicherheit in Taes Stimme; Nicht weltbewegend gross, aber dennoch mit solchem Umfang, dass er sich beinahe schon verletzlich anhörte. Hatte er schon immer so geklungen?

Ich hatte ihn schon so lange nicht mehr gesehen und beim letzten Mal war er noch ein unerschrockener, kleiner als Pirat verkleideter Junge gewesen. Auch wenn ich nicht umhin kam, zu bemerken, dass er in der Zeit dazwischen fast noch niedlicher geworden war...nicht nur darin, dass er mich gerade so bedingungslos bei sich aufgenommen hatte, sondern auch in seinem Aussehen- stop. Wieso dachte ich plötzlich an solchen Scheiss?

Empört und auch ein wenig beschämt über meine Gedanken, merkte ich, wie ich unwillkürlich immer wütender wurde. Was fiel Taehyung eigentlich ein, erst jetzt wieder bei mir aufzukreuzen, genau jetzt? Und vor allem, was brachte er mich auch dazu zu denken, dass er süss sei? Jungkook war süss...aber doch nicht mein alter Kindheitsfreund, den ich seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hatte!

Aufgebracht blitzte ich den Blondhaarigen vor mir an. Taehyung schrumpfte unter meinem Blick förmlich zusammen und begann damit, sich mit der Hand in den Nacken zu fahren. Eine Angewohnheit, die er schon früher immer hatte, wenn er nervös war. "Jimin, es tut mir so leid, ich wollte dich nicht überrumpeln! Natürlich musst du nicht bleiben, wenn du nicht willst- oh gott, ich hab dich ja vorhin einfach so mitgenommen, tut mir leid, ich wollte bloss nicht, dass dir was geschieht...aber ich kanns auch vollkommen verstehen, wenn du jetzt sauer bist, ich dachte bloss, vielleicht würde es dir ja helfen, über das mit deinem Ex zu reden-"

"Dieser 'Ex' hat einen Namen", presste ich aus zusammengepressten Zähnen hervor, selbst wenn ein kleiner Teil von mir wusste, dass Taehyung diese Wut gerade gar nicht verdiente, "und worüber willst du denn schon reden? Soll ich dir davon erzählen, wie es war, im Spital aufzuwachen, keine Ahnung zu haben, was passiert war und dann plötzlich hören, dass der eigene Freund versucht hat, sich umzubringen? Willst du hören, wie es sich anfühlt, wenn die Person, die du über alles liebst, monatelang in immer noch besser ausgerüstete Krankenhäuser kommt und trotzdem die ganze Zeit noch im Koma liegt? Oder wie man mit der Zeit immer in noch mehr Wartezimmer auf gute Nachrichten zu wartet, jedes Mal noch mehr enttäuscht wird und trotzdem nicht damit aufhören kann, zu warten? Als wäre die Hoffnung plötzlich nichts Gutes mehr, sondern bloss noch ein grausamer Strick, an dem man sich langsam selbst immer mehr und mehr aufhängt, weil man tief in sich schon weiss, dass es überhaupt keine Chance mehr gibt? Oder interessiert dich nur, warum er es getan hat? Tja, das kann ich dir sagen: Der Grund war ich. "

Taehyungs Augen weiteten sich noch ein wenig mehr und er schluckte schwer. "Jimin, gib dir doch nicht die Schuld-"

"Nein, nichts da mit ich sollte mir nicht die Schuld geben!", schrie ich schon fast. Die Verzweiflung und Wut in mir nahm immer mehr zu, ballte sich zusammen und brach schliesslich in aller Wucht hinaus. "Du hast doch absolut keine Ahnung, also tu jetzt gefälligst nicht so, als wüsstest du auch nur irgendetwas! Es war meine Schuld. Ich...ich war so verloren und einsam, auch wenn ich mit Jungkook zusammen war. Ich hab mich gehasst, ich wollte nicht so sein, wie ich war, also hab ich jedes Mal, wenn alles auch nur etwas zu überwältigend und schwierig für mich wurde, gesagt, dass ich sterben wollen würde. Oder dass Jungkook und ich uns gemeinsam umbringen sollten, wenn es mir besonders schlecht ging...aber ich hab das doch nie ernst gemeint, verdammt!"

Tränen. Schon wieder diese dummen Tränen auf meinen Wangen. Ein Teil von mir wollte sie wegwischen und damit aufhören, meine Gefühle hinauszuschreien. Mich mit einem Messer zu verstecken, so wie ich es in den letzten Jahren immer getan hatte, wenn es mir schlecht ging- aber gleichzeitig wusste ich auch, dass ich das Reden jetzt brauchte.

"Ich bin bloss nicht mit der Welt und der Trauer in mir klargekommen. Und das Ritzen und all die Sprüche à la, dass ich sterben wollen würde und so ein Scheiss, waren bloss mein Versuch, irgendwie damit umzugehen. Ich mein, ich hasse mein Leben manchmal so unfassbar sehr- aber das heisst doch noch lange nicht, dass es tatsächlich enden soll!
Eine Auszeit davon, ja. Eine Auszeit von all dem Schmerz und Stress wäre manchmal wirklich schön. Aber dafür auch noch meinen Freund aufzugeben oder das ganz normale Glück, das einem befällt, wenn man morgens aufwacht und weiss, dass ein neuer Tag beginnt...d-das wollte ich doch nie wirklich..."

Ich merkte, wie ich abzuschweifen begann und wiederholte deswegen nochmal leise: "Ich hab das Leben gefürchtet und verabscheut, aber das bedeutet doch nicht, dass ich den Tod deswegen gleich liebte.
Wieso zur Hölle sollte irgendjemand den Tod denn auch lieben? Das Leben kann beschissen sein, ja. Aber ich weiss mit Sicherheit auch, dass es wunderschön, leicht und lustig sein kann, besonders mit Jungkook...über das was nach dem Tod geschieht wissen wir gar nichts. Wieso also etwas manchmal zwar nicht immer vollständig perfektes für etwas ganz sicher grausames aufgeben?" 

Ich schluckte schwer und richtete meinen Blick gen Boden. Bei dem, was ich gleich sagen würde, wollte ich nicht sehen, wie Tae mich danach ansehen würde.

"Es...es war bloss so viel einfacher, ständig nur darüber zu reden, dass ich mich wirklich umbringen wollen würde, als tatsächlich etwas an meinem Leben zu ändern. Und ich bin ja eigentlich ja auch einigermassen gut klargekommen.
Ich hatte meinen Freund, das Leben, meine dämlichen und absolut unlustigen Selbstmordsprüche und wenn es mir tatsächlich schlecht ging, dann ritzte ich mich. Aber Jungkook...ich glaube, er hat das alles für absolut ernst genommen."

Gedankenverloren strich ich mir ein paar vereinzelte Tränen von der Wange weg. Da war inzwischen keinerlei Wut oder Verzweiflung mehr in mir. Nur noch Trauer.

Unendlich grosse Trauer.

"Er hat mich manchmal gesehen, wenn ich mich geschnitten hab. Ich wollte ihm immer sagen, dass er weggehen sollte, dass er sich auch nicht so kaputt machen sollte wie ich mich...aber da war eben auch dieser kleine Teil in mir, der ernsthaft geglaubt hat, das Ritzen könnte ihm genauso über Trauer helfen wie mir. Also habe ich abgesehen von ein paar lächerlichen Widerworten nichts dagegen getan, wenn er sich auch mit einem Messer neben mich gesetzt hat. Dabei war er noch nicht mal traurig! Und ich glaube, er hat sich da zum Teil auch etwas zusammengesponnen, aus all den Sachen die ich sagte und tat. Manchmal träumte er davon, dass wir gemeinsam auf einer Lichtung in einem Wald campen waren und ich ihn zuerst küsste und dann umbringen wollte. Ich glaub, wir haben in diesen Träumen manchmal auch gesungen oder so, denn er summte manchmal später noch wochenlang Over the rainbow vor sich hin. Ich hab diese Träume nach einer Weile dann auch angefangen, so zu nennen, Over the rainbow. Nicht nur aufgrund der inkohärenten Schlüssen, die er manchmal aus seinen Träumen gezogen für eine wirkliche Gefahr hielt, obwohl sie überhaupt nicht da waren. Sondern auch, weil ich ihm dahin nicht folgen konnte. Over the rainbow war Jungkooks Reich, seine nächtliche Mystifikation. 

Und ich konnte ihn vor rein gar nichts darin beschützen. 

Ich meine, gegen Träume ist ja nichts einzuwenden. Aber sobald man die Realität und seine Schlafgedanken nicht mehr auseinander halten kann, können sie auch gefährlich werden. Und...", ich schluckte, "ich glaube, genau das ist Jungkook passiert. In einem Streit zum Beispiel hat er mich dafür angeschrien, dass ich ihm gesagt haben sollte, er müsste sich ritzen, dabei hab ich das nie getan. Aber in seinen Träumen scheinbar schon. Und das- das er mir wirklich sowas zutraute, tat so verdammt weh, dass ich mich gar nicht traute, ihn darauf anzusprechen, dass das überhaupt gar nicht stimmte.

Natürlich hat Kookie mir auch nie von Over the rainbow erzählt, aber...mein Süsser redet im Schlaf.

Das Schlimmste ist, ich kann es ihm ja noch nicht einmal übelnehmen, dass er so dachte, dass mein Freund scheinbar wirklich Angst vor mir hatte. E-es hat ja meistens vermutlich auch ziemlich eindeutig so gewirkt, als müsste er das auch, oder? 

Und das bloss, weil ich immer viel zu feige dazu war, zu sagen, dass das einzige, mit dem ich auf dieser Erde wirklich überhaupt nicht klarkam, ich war. Nicht das Leben, der Tod oder gar Jungkook. Bloss ich selbst." 

Erneut brach ich ab. Ein verbittertes Lächeln zierte meine Lippen Das alles tatsächlich jemandem zu sagen, war noch viel schwieriger, als ich gedacht hatte. Andererseits erzählte ich das hier auch nicht irgendjemandem, sondern Taehyung. Tae, meinem Tae. Dem Jungen, der selbst mit 11 immer noch mit seiner Piratenaugenklappe rumlief und der mich meine gesamte Kindheit über immer so gut verstand wie sonst niemand...diese Erkenntnis half mir dabei, schliesslich doch zögernd weiterzureden. 

"Weisst du, in den letzten Wochen unserer Beziehung...da lief es nicht gut. Kookie und ich haben uns wegen jeder Kleinigkeit in die Haare gekriegt, auch wenn ich immer noch keine Ahnung habe, woran das lag. Es hat uns beide immer sehr mitgenommen, wenn wir uns stritten. Und eines Abends, nach einem besonders grossen Streit, bekam ich Kopfschmerzen. Nicht gerade höllisch schmerzende, aber dennoch so starke, dass ich beschlossen habe, etwas Dafalgan zu nehmen.

Ich bin mit den Pillen und einem Glas Wasser ins Schlafzimmer gelaufen. Ich weiss nicht, wieso ich sie nicht schon in der Küche eingenommen hab oder warum ich nicht geahnt hatte, dass mein Freund es falsch auffassen könnte. Ich...ich war bloss so schrecklich müde von unserem ganzen Streit und hab nicht nachgedacht.
Nicht, als ich ins Zimmer reinkam und Jungkooks Augen sich weiteten, als er die Pillen sah. Oder als er sagte, dass er nochmal auf die Toilette müsste. Und...und selbst dann noch nicht, als ich die restlichen Kopfschmerzpillen schliesslich wieder im Badezimmerschrank versorgte und dabei bemerkte, dass sämtliche Schlaftabletten fehlten.

Ich dachte, er würde sie nur nehmen, damit er nicht davon träumen würde, wie ich mich mit ihm auf dieser Wiese umbringen wollen würde. Oder von Over the rainbow generell.
Damit er überhaupt nicht träumen würde.

Als ich wieder ins Schlafzimmer kam, hab ich mich bei ihm für den Streit entschuldigt. Ich weiss noch, wie verwundert ich war, als mein Freund gar nicht mehr wütend schien. Im Gegenteil, Jungkook hat mich sogar angelächelt und behutsam in seine Arme gezogen. Gesagt, dass ab jetzt alles wieder gut werden würde- und das zwar genauso, wie ich es mir immer gewünscht hätte, das waren seine Worte. Danach schlief er ein. 

Erst da wurde ich stutzig. Jungkook schlief ansonsten nie so schnell ein. Ich stand also erneut auf, um nachzusehen, wo er der Rest der Schlafpillen hingetan hatte, aber ich hab nur zwei auf dem Nachttisch gefunden. Ich nahm sie in die Hand und hielt verzweifelt Ausschau nach den anderen- und dann wurde mir urplötzlich alles schwarz vor Augen und im nächsten Augenblick befand ich mich im Krankenhaus."

"Was ist passiert?" Taes dunkle Stimme, die während meiner gesamten Aufzählung stets geschwiegen hatte, durchbrach so plötzlich die Stille, dass ich unwillkürlich zusammenzuckte.

"Die Ärzte sagen, es hängt damit zusammen, dass ich so oft Blut verlor. Ich- vielleicht hat Jungkook ja gesehen, wie ich mit den Pillen in der Hand am Boden lag und sich daraus und aus seinen Träumen eine eigene Version zusammengereimt. Wir haben uns am Ende so oft gestritten, vielleicht dachte er ja, dass, das ich immer gesagt habe, wäre wahr...dass für Jungkook und mich alles besser werden würde, wenn wir tot wären. Aber ich hab das nicht so gemeint, verdammt! Ich wollte doch nie wirklich, dass wir...oder er..."

Meine Augen brannten und mein Herz stand kurz davor, in der ganzen Schuld zu verbrennen. Ich sprach dennoch weiter. Wie eine dumme Maschine, die zu rein gar nichts anderem fähig war. Das hatte ich wohl schon immer am besten gekonnt: Zu reden, über Suizid, Tod, Leben und weitere Dinge, die ich nicht begriff, ohne auch nur darüber nachzudenken.
Ich will sterben, ich will sterben- wie viele Leute haben das noch bedingungslos als ihr Mantra gegen den Schmerz angenommen, ohne auch nur im geringsten die absolute Grausamkeit und Endgültigkeit dieser Worte zu verstehen?

Oder was diese Botschaft mit anderen Menschen anstellen konnte. Wie tief sie eigentlich komplett Unbeteiligte in ein abstrus verstricktes Netz aus Verzweiflung, Lügen und Blut hinabziehen konnte, aus dem man nicht mehr herausfand- wenn man nicht darüber redete.

"Mein Süsser...er hatte auch kein wirklich einfaches Leben. Oft aus dem Nichts heraus Panikattacken oder grundlos Angst, dass ich ihn verlassen würde...vielleicht waren diese zusammengereimten Vorstellungen für ihn ja erträglicher als die Wirklichkeit, meine tatsächliche Anwesenheit? Ich weiss es nicht, ich weiss es echt nicht, es ist bloss so- scheisse, wieso musste das auch passieren? Wieso hab ich nicht schon viel früher bemerkt, dass es meinem Freund auch nicht gut ging, wieso hab ich nicht mit ihm darüber geredet? Ich dachte immer, Over the rainbow wäre nicht so schlimm für ihn, eine einfache, unschuldige Ausflucht seiner Träume von seinem sonstigen Alltag, aber...in Wahrheit habe ich erst gemerkt, dass ich ihn bereits schon daran verloren hatte, als es schon zu spät war.

Wenn wir am Ende miteinander geredet hätten, wirklich geredet, nicht nur über solche dumme Sachen wie Suizid oder Streitgründe oder das Wetter- ich w-weiss nicht, wie es dann wäre, aber es wäre definitiv alles anders gekommen. Ich hätte mit ihm reden müssen! Dafür sorgen, dass alles gut wird, wenn ich schon so ein Chaos angerichtet habe. Ich...ich hätte-"

Ein lauter Schrei brach aus mir heraus und verzweifelt schluchzend presste ich meine Arme um meinen Körper. Taehyung war innerhalb weniger Sekunden bei mir und legte vorsichtig einen Arm um mich, aber ich stiess ihn weg. Jungkook hatte mich immer umarmt, um mich zu trösten. Jungkook sollte mich umarmen...nicht jemand anderes!

Erneut krümmte ich mich vor Verzweiflung zusammen, wollte mich vollkommen dem Schmerz in mir hingeben, aber eine Hand an meiner Schulter hielt mich davon ab, vollständig zusammenzubrechen.

"Jimin." Taes Stimme an meinem Ohr klang nicht mehr unsicher, sondern absolut ernst- fast, als wäre in den letzten Minuten, in denen ich gesprochen hatte, zu einem anderen Mensch geworden. "Jimin, sieh mich bitte an."

Als ich keine Anstalten machte, meinen tränenverhangenen Blick nach oben zu richten, glitt Taes Hand von meiner Schulter zu meinem. Langsam und mit solcher Behutsamkeit, als fürchtete er, ich würde auch nur bei der geringsten schnellen Bewegung zerbrechen, hob er meinen Kopf an, sodass ich nun gar nicht anders konnte, als ihm in die Augen zu sehen.

"Das, was du da gerade erzählt hast ist schrecklich und es ist so unendlich schwierig, richtig damit umzugehen...aber ich will, dass du mir jetzt einfach eine Frage beantwortest."

Mein Herz begann zu rasen. Würde Tae mich jetzt dafür verurteilen, mich fragen, wie ich es wagen konnte, nachdem ich sowas getan hatte, noch weiterzuleben? Unsicher sah ich zu ihm herüber, die Tränen strömten immer noch wie in Bächen über mein Gesicht.

"Was...was für eine Frage denn?"

"Ob du diese Gedanken immer noch hast."

Ich blinzelte. "Was?"

"Ich fragte, ob du diese Gedanken, dass dein Leben schrecklich ist und du dem nur durch Ritzen entkommen kannst, immer noch hast, Jimin." Taehyungs Stimme klang nun nicht mehr nervös, sondern absolut ernst. Geradezu drängend.

Langsam spürte ich, wie siedend heisse Wut in mir hochstieg. "Ist das gerade wirklich dein Ernst?"

"Ja...?" Inzwischen klang Taehyungs Stimme zwar immer noch erschreckend sachlich, aber nicht mehr halb so selbstsicher. Die Situation gerade schien auch ihn ziemlich zu überfordern, aber das war mir gerade egal. 

"Du- ich erzähle dir das alles und deine einzige Reaktion darauf ist so eine dämliche Frage? Du verurteilst mich nicht? Oder zeigst es nicht?" Ich wusste, dass ich aufhören musste. Mit diesen Vorwürfen und der Wut in meiner Stimme- Tae konnte schliesslich überhaupt gar nichts für das, das ich getan hatte. Im Gegenteil, er hatte mich ja sogar zu sich nachhause gebracht, während andere mich einfach liegen gelassen hätten. Aber...ich konnte nicht aufhören. 

Ich war schon so lange bloss noch still und am rumflennen. Ich war dumm, ich war klein und ich konnte meinen Freund ja noch nicht einmal vor seinen Träumen retten...wenn diese Verzweiflung in mir seit Jungkooks Tod sich nicht endlich in Worten Platz schlug, dann zerplatzte ich. Egal, wie gemein diese Worte schlussendlich auch sein mochten.

"Ich hab meinen Freund mit meinen Sprüchen von und über Suizid umgebracht, Taehyung! Was läuft denn bitte bei dir falsch, dass du mich nicht dafür hasst und stattdessen sowas fragst?"
Taehyungs Blick blieb unbewegt, auch wenn er bei meinen Worten mehrmals gut sichtbar zusammenzuckte.

"Du hast ihn nicht umgebracht, Jimin. Du hast bloss darüber geredet...die Person, die das ganze schliesslich ausgeführt hat, war er selbst, nicht du."

"Ach, und das sollte es auch nur in geringster Weise besser machen? Was kommt als nächstes, willst du mir dann auch noch einen verfickten Orden dafür verleihen, dass er tot ist? Oder sagen, dass es überhaupt nicht meine Schuld wäre...realisierst du überhaupt, was du da für einen Blödsinn laberst?", fassungslos schüttelte ich den Kopf. "Es geht hier doch nicht darum, was ich denke oder dass ers  selbst genommen hat; Es geht darum, dass mein Freund tot ist und das wegen mir!"

"Beantworte mir jetzt bitte einfach die Frage."

"Ach, und wieso sollte ich?", höhnte ich, immer noch mit Tränen in den Augen. "Weil du ja über all die Jahre ständig bei mir warst und auch sonst alles über mein jetziges Leben weisst?"

Mir tat gerade alles so weh. Nicht nur wegen Jungkook, stellte ich überrascht fest...sondern auch, weil Tae mich mit dem Umzug seiner Familie verlassen und nie auf meine Briefe geantwortet hatte. Wieso mass er sich also an, sich jetzt so zu verhalten, als wären all die Jahre, in denen ich ihm nachgeweint hatte und ihn mein Fortbleiben scheinbar überhaupt nicht kümmerte, als wären all diese Jahre dadurch ungeschehen gemacht, dass er ausgerechnet jetzt so auftauchte?

So, als wäre nichts geschehen. Als hätte, dass er mir nie Briefe geschrieben hatte und mein Herz damit auf die absolut grausamste Art und Weise herausgerissen hatte, dass erst Jungkook es wieder verheilen konnte, keinerlei Bedeutung für ihn.

Die Verzweiflung in mir stieg an, tarnte sich als Wut und brach sich in meinen Worten Bann. "Ich habe mich geirrt. Du bist niemand, dem ich das alles erzählen sollte...du bist bloss ein Arschloch, Kim Taehyung!"

Der Blondhaarige zuckte so stark zusammen, als hätte ich ihn geschlagen. 

Als Taehyung weitersprach klang seine Stimme gebrochen. Hatte ich ihm also doch etwas bedeutet? Nein- ich verdrängte den Gedanken so schnell wie möglich. Wenn ich ihm etwas bedeutet hätte, dann hätte er sich schon viel früher wieder bei mir gemeldet.

"J-jimin...hast du diese Gedanken jetzt noch oder nicht?" Tae sah stur zu Boden, scheinbar bemüht, mir nicht in die Augen zu sehen. Was zur Hölle sollte dieses Getue...wollte er jetzt einen auf unschuldig machen?

"Ja", brüllte ich, "ja, ist es das, was du hören wolltest? Dass ich diese Gedanken zwar noch habe und all den Scheiss, aber nicht mehr so oft, damit du dann einen auf Helden machen kannst und sagen, 'Oh, dann hat sich der Tod deines Ex aber doch GELOHNT'?
Als wäre Jungkook eine blosse Spielfigur- nicht jemand, der sich beim Schlafen immer so süss an mich geschmiegt hat, mit dem man stundenlang über alles reden konnte und der zwar nicht vollkommen, aber so nahe an Perfektheit war, wie es auch nur ging?
Als hätte er nicht gelebt, wäre ein blosses Mittel in deinem abstrusen Spiel, in dem du so tust, als hättest du dich jemals auch nur je wirklich für mich interessiert! Tja, da muss ich dir in einer Sache wohl recht geben, auch wenn es mir gerade so leid tut wie sonst nichts", meine Stimme zitterte leicht, "seit Jungkooks Tod ist- diese Gedanken versuch ich meistens zur Seite zu schieben. Aber das heisst verdammt noch einmal nicht, dass Jungkooks Tod irgendetwas anderes als komplett schrecklich und unfair ist, falls das das ist, was du mit deiner dämlichen Frage eben anzweifeln wolltest! Jungkook hat nämlich sehr wohl gelebt- und das tausendmal besser als du es jemals tun wirst, Taehyung."

Mein Atem ging schwer und ich war mir mehr als nur sicher, dass aus meinen Augen förmlich Funken sprühten. War Tae jetzt endlich still? Meine Wut hatte mich für einen Augenblick lang so in Rage versetzt, dass ich jegliche Geräusche und sonstige Eindrücke der Aussenwelt komplett ausblendete. Langsam hob ich meinen Blick, um zu ihm hinüber zu sehen, rechnete geradezu schon mit einer Faust in meinem Gesicht. Aber Taehyung stand zu meiner Überraschung immer noch an der gleichen Stelle wie vorher. Seine Schultern waren in sich zusammengesunken und er...fiepte?

Verwirrt runzelte ich die Stirn. Seit wann machte Taehyung denn bitte einen auf Hund?

Ich wollte ihn gerade empört fragen, was ihm einfiel, diese Situation zu verlächerlichen, als ein weiteres Geräusch aus seinem Mund drang. Dieses Mal klang es allerdings eher nach einem Wimmern.

Ein weiteres Wimmern war zu hören, verwandelte sich allerdings sogleich auch schon in ein herzzerreissendes Schluchzen. Taehyungs Körper begann zu beben, sein Brustkorb bewegte sich in unnatürlicher Schnelle immer wieder hoch und hinunter und immer elender klingende Geräusche entrangen seinen Lippen. Obwohl sein Blick immer noch stur zu Boden gerichtet war, erkannte ich auch, wie ein paar vereinzelte Tropfen zu Boden fielen. 

Meine Wut wich augenblicklich einem erneuten Anfall von Schuldgefühlen. Hatte ich ihn gerade- nein. Das konnte nicht sein. Wieso sollte er den auch wegen etwas, dass ich gesagt hatte, weinen; Wenn ich ihm doch noch nicht einmal so viel bedeutet hatte, dass er auch nur auf einen meiner vielen Briefe an ihn antwortete?

"Tae...was-"

Der Blondhaarige liess mich gar nicht erst ausreden. Er richtete sich auf, strich sich mit einer beinahe schon trotzigen Bewegung hastig über die Wange (ich musste mich zusammenreissen, um ihn bei dem Anblick nicht ganz, ganz fest in die Arme zu nehmen) und setze erneut zum Reden an.

"Du", er unterbrach sich selbst mit einem erneuten Schluchzer, "du bist so stark, Jimin."

...Was. Zur. Hölle.

Erneut flammte die Wut in mir etwas wieder auf. Wollte Taehyung mich eigentlich komplett verarschen? Ich erzählte ihm, was ich getan hatte, ich schrie, heulte, beschimpfte ihn...wieso sagte er mir denn nicht endlich, dass alles, was ich über meine Schuld gesagt hatte, stimmte? Ich wollte, dass er es sagte. Oder dass ich hier das Arschloch wäre, ich mich endlich aus seiner Wohnung verpissen sollte. Wieso stritt er nicht mit mir, ging auf meine bösen Worte ein, als wäre es unvermeintlich, an ihnen vorbeizukommen, wie Kookie und ich es in den letzten Wochen unserer Beziehung immer getan hatten? Taehyung sollte mich endlich auch anschreien, er sollte mit mir aneinandergeraten...war es denn wirklich zu viel verlangt, dass er das tun würde? Ich war so lange mit mir und meinen Gedanken allein, dass ich mir geradezu schon wünschte, jemand würde alles, dass ich von mir dachte, nun endlich auch bestätigen. Damit ich mir tatsächlich sicher sein konnte. Damit ich mir noch mehr vor Augen führen konnte, dass ich es nachdem, was ich Jungkook angetan hatte, nie mehr verdienen würde, glücklich zu sein. 

Aber ich wollte doch nicht so einen absoluten Blödsinn von Taehyung hören! Ich war nicht stark. Ich war ein feiger, dummer Vollidiot.

Ich war erneut schon wieder kurz davor, meinen früheren besten Freund für diesen Satz blindlings und wütend anzufauchen, aber dessen immer noch andauerndes Schluchzen hielt mich zurück. Vielleicht hatte er ja einen schweren Tag gehabt oder in seinem Leben war auch etwas Grausames geschehen...erneut stiegen Schuldgefühle in mir hoch. Es war nicht richtig von mir gewesen, meine Verzweiflung an ihm auszulassen. Nicht nur, weil der Blondhaarige überhaupt gar nichts für Jungkooks Tod konnte...vor allem, weil es Taehyung war, den ich da so sinnlos und gemein angeschrien hatte.

Wir hatten uns über zehn Jahre lang nicht gesehen, ja...aber er war mein bester Freund gewesen und meine erste Liebe. Dass dazwischen zwar viel Zeit lag und nun zudem auch schon lange nur noch Jungkook mein Herz gehörte, änderte an diesen Tatsachen gar nichts. 

Überhaupt nichts.

Vorsichtig und auch etwas ängstlich, trat ich zu dem immer noch weinenden Taehyung hinüber und legte etwas unbeholfen beide Arme um ihn. Er erstarrte, schmiegte sich aber ein paar Sekunden später schon ganz fest an meinen Brustkorb. Etwas überrumpelt von seiner plötzlichen Reaktion wollte ich zunächst ein wenig zurückweichen, aber verharrte schlussendlich doch regungslos an ihn gepresst. Taehyung fühlte sich so zerbrechlich in meinen Armen an- ein Effekt, der durch sein Schluchzen nur noch verstärkt wurde- dass ich überrascht feststellen musste, wie sich in mir plötzlich der dringende Drang festigte, ihn eine Ewigkeit lang zu umarmen.

Oder zumindest so lange, bis er wieder so schön und glücklich lächeln würde wie am Anfang unseres Wiedersehens.

Ich zog ihn noch ein wenig näher zu mir und musste ich unwillkürlich ein wenig lächeln. Als wir klein waren hatten Tae und ich andauernd miteinander gekuschelt. Wenn ich bei ihm übernachtete, es gewitterte und wir beide vor lauter Angst beinahe schon vergingen- manchmal sogar auf der Strasse, auch wenn meine Mutter das gar nicht gerne sah. Wenn ich es mir genau überlegte, dann war meine Kindheit nicht nur komplett Taehyung-durchzogen, sondern auch gefüllt mit all unseren Umarmungen...es fühlte sich gut an, das nun wiederholen zu können.

Nach einer Weile, in der ich den Jüngeren so sanft wie nur irgendwie möglich an mich geschmiegt hatte, verstummte sein Schluchzen wieder. Prüfend schob ich ihn wieder etwas von mir, um nachzuschauen, ob noch Tränen über seine Wangen liefen, aber ich fand keine mehr vor.

Unwillkürlich zogen sich meine Mundwinkel nach oben und ich lächelte Taehyung leicht unsicher an. "Geht es wieder ein bisschen?"

Er nickte...und strahlte zurück.

Ohne dass ich irgendetwas dagegen tun konnte vertiefte sich mein Lächeln bei dem Anblick augenblicklich noch mehr. Ich hätte ihn Ewigkeiten beim Lächeln anstarren können- bevor ich allerdings in Gefahr kam, genau das zu tun, blinzelte ich einmal kurz hastig und versuchte, mich wieder auf Wichtigeres zu konzentrieren.

"Taehyung- wieso hast du eigentlich gewein-"

Der Blondhaarige liess mich gar nicht ausreden, schüttelte bloss abwehrend den Kopf.

"Nichts, es ist nichts...aber ich hab vorhin nicht fertig reden können. Du bist so stark und ich will nur, dass du das weisst."

"Ich bin nicht stark, ich bin schuld an Jungkooks Tod!", brach es nun doch eigentlich heftiger als gewollt aus mir heraus. Schuldbewusst zuckte ich zusammen, als ich realisierte, dass ich meine Stimme nun doch wieder etwas lauter erhoben hatte, obwohl ich mir eigentlich vorhin vorgenommen hatte, meine Verzweiflung nicht mehr an Tae auszulassen.

"Ich bin schuld daran", wiederholte ich erneut, dieses Mal allerdings schon etwas ruhiger. "Es tut mir leid, dass ich dich angeschrien habe, aber an dieser Tatsache kannst du nichts ändern, Taehyung."

Der Blondhaarige schwieg einen Augenblick, bis er danach zu meiner grossen Überraschung zu nicken begann. "Ja, da hast du recht, ich kann daran nichts ändern- aber ich kann dir beweisen, dass deine Schuld ganz wo anders liegt als bei Jungkooks Tod."

Verwirrt blinzelte ich. "Aha, und das heisst...?"

"Das heisst, dass du nicht dafür gerade stehen musst, dass er nun nicht mehr lebt, sondern dass er nun nicht mehr lebt, sondern dafür, dass er in der Zeit, in der er er es doch tat, glücklich gewesen sein musste."

Ich starrte Taehyung einen Augenblick lang an. Mit so einer Antwort hatte ich nun wirklich überhaupt nicht gerechnet.

"Aber das stimmt nicht, verstehst du das denn nicht? Wenn er bei mir glücklich gewesen wäre, dann hätte er sich doch nicht meinetwegen umgebracht!"

"Ich kannte ihn nicht und kann das deswegen vermutlich auch nicht so gut beurteilen, aber...Jimin, ich glaube, du unterschätzt ein wenig, was für eine unfassbar grosse Sache ein Selbstmord ist. Sowas macht man nicht bloss, weil jemand anderes ein paar mal ein paar Sprüche darüber macht. Damit man überhaupt fähig ist, sich so etwas Grausames und Endgültiges anzutun, muss man bereits schon vorher selbst völlig hoffnungslos und zerstört sein. Du hast von seinen Träumen erzählt, diesem Over the rainbow, du hast gesagt, dass er oft dann geträumt hat, dass du ihn oder dich umbringen wolltest. Aber das waren seine Träume, Jimin, das war nicht deine echte Person. Und wenn man oft davon träumt, wie jemand sich umbringen will, dann geht es einem selbst vielleicht auch nicht so gut. Ich meine, ich hab Jungkook nie gekannt und will hier auch keineswegs urteilen, aber dann hat das nach einer Weile auch nichts mehr mit dir selbst etwas zu tun, sondern mit seiner Vorstellung von dir. "

Taehyung sah mich ernst an. "Ausserdem war er dein Freund, Jimin. Du kannst mir nicht sagen, dass nicht allein das schon ihm zu den glücklichsten Menschen der Welt hätte machen müssen."

"Was?" Trotz des ernsten Thema konnte ich mir bei Taes letzten Sätzen ein kleines Grinsen nicht verkneifen. "Hör doch auf zu schleimen."

"Ich sage nur die Wahrheit." 

Ich schluckte und sah dann schnell etwas verlegen weg. Denn obwohl ich mir eigentlich mehr als nur sicher gewesen war, dass der Jüngere bloss scherzte, um die Stimmung ein wenig fröhlicher zu machen, war da eben eine Ernsthaftigkeit in seiner tiefen Stimme gewesen, die mir einen Schauer über den Rücken rieseln liess.

Zu meiner Erleichterung sprach Taehyung allerdings auch schon weiter, bevor ich mich genauer damit auseinander setzen musste, ob Taehyung das eben nun wirklich ernst gemeint hatte.

"Ich meine...vermutlich ist es nicht nur verständlich, sondern auch menschlich, dass du gerade Schuldgefühle hast. Du hast Fehler gemacht, ja. Aber zu einer Beziehung gehören immer zwei dazu. Also bitte...lass nicht zu, dass diese Schuldgefühle dein gesamtes Leben bestimmen werden. Das was du gerade durchmachst, ist beschissen, keine Frage- aber auch wenn ein Lebensabschnitt manchmal so dunkel wie nur irgendwie möglich scheinen kann, so heisst das nicht, das man aufgeben muss. Oder direkt an all dem Schrecklichen schuld ist. Man weiss ja nicht, was am nächsten Tag passieren wird. Vielleicht wird er genauso hart sein wie der heutige. Aber es besteht eben auch die Chance, dass er zwar all der Schmerz im Leben aufwerten wird. Nicht verschwinden lassen wird, das ist absolut unmöglich; Aber erträglicher macht."

Ich wollte ruhig bleiben, ehrlich. Taehyung hatte es nicht verdient, dass ich meine Wut schon wieder an ihm ausliess...aber war es dann auch wirklich so verwunderlich, dass ich mich schon wieder über ihn aufregte, wenn er solche dumme Sachen sagte?

Jungkook war tot, gottverdammt. Tot! Wie konnte Tae es da bitte wagen, zu behaupten, dass das irgendwann auch nur ein bisschen erträglicher für mich sein würde?

"Ach ja, und woher willst du das jetzt bitte wissen? Ernsthhaft, du ergibst keinen Sinn, Tae. Jedes Mal, wenn ich denke, man kann vernünftig mit dir reden, kommst du mit solchem Schwachsinn wie, dass ich stark wäre und alles gut wird- was soll das? Wir haben uns seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen, du weisst nichts über mein jetziges Leben und ich glaube auch nicht, dass dein Freund sich wegen Sachen, die du ihm über den Tod erzählt hast, dazu genötigt fühlte, sich umzubringen, egal, ob Jungkook nun glücklich war oder nic-"

"Ich weiss es wegen dir, Jimin." Abwertend fuchtelte ich mit den Händen, sodass Tae automatisch ein paar Schritte rückwärts treten musste und funkelte den Jüngeren immer noch böse an. "Nein, darum geht es doch jetzt nicht, Tae- warte, was?"

°°°

Diese Story ist einfach auf #31 in ShortStory- omg, what :00 (auch wenn ich ehrlichgesagt immer noch nicht weiss, nach welchen Kriterien Wattpad das entscheidet...höchtwahrscheinlich würfeln die das xD)

Aber, ehrlich, vielen Dank! Dafür, dass diese Story eigentlich nur aus einer überdramatische Anthologie von heulenden Menschen mit unrealistisch schnellen Stimmungsschwankungen besteht, haben das hier wirklich viele gelesen. Ihr seid toll! <3 ><

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