Verstecken
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Die Sonne brannte auf meiner Haut. Das Boot bat mir zu wenig Platz, weswegen ich ans Ufer sprang. Nervös tiegerte ich auf und ab, wobei ich ohne Unterlass auf meiner Unterlippe herumkaute. Ich biss sogar alle paar Minuten auf meine Daumennägel, eine dumme Angewohnheit von der ich angenommen hatte sie bereits vor Jahren abgelegt zu haben. Das ranzige Motel warf einen langen Schatten auf die halbvertrocknete Grünfläche. Zu heiß in der Sonne, zu kühl im Schatten. Wundervoll.
Das dünne Shirt über dem Bikinioberteil half mir nur bedingt. Kiara schien ebenfalls unruhig zu sein, während Pope die Ruhe selbst war. Wie lange warteten wir bereits? Abgestellt sein wie ein Wachposten machte mich irre.
Angespannt starrte ich die Tür an hinter der unsere Kumpanen verschwunden waren nur um Sekundenbruchteile danach die Umgebung abzuscannen und den Vorgang zu wiederholen, als könnte ich ansonsten etwas elementares verpassen.
"Komm runter, Kahlen! Sie sind alt genug um auf sich selbst aufzupassen.", rief mir Pope in einem beschwichtigenden Tonfall zu.
An meinem Daumennagel nagend mit erhobener, linker Augenbraue drehte ich mich langsam zu ihm um.
"Und das glaubst du wirklich?", spottete ich.
Vielleicht konnten sie auf sich gestellt überleben, doch sich von Ärger fernzuhalten lag ihnen nicht im Blut. Ich wartete darauf, dass das Motel gleich in die Luft ging, weil einer von ihnen sich einen Joint angezündet hatte, während eine undichte Gasleitung neben ihnen verlief. Mein Kopfkino ließ mich wahnsinnig werden. Leise lachend verdrehte Kie die Augen. Mit einem freundlichen Lächeln klopfte sie einladend auf den Platz neben sich.
"Beruhig dich! Es wird schon alles gut gehen. Setzt dich zu uns!", lockte sie mich.
Ihre Einladung war wie der Ruf der Sirenen und ich wäre ihm beinah nachgekommen, hätte ich nicht aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrgenommen. Alamiert drehte ich mich um meine eigene Achse. Nein! Nein, nein, nein, nein, nein! Das war die sinnbildliche Explosion, der Ärger den ich befürchtet hatte. Ein weiß blauer Polizeiwagen fuhr vor. Der Anblick der Karosse der Gesetzeshüter ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Wir drei warfen unw alamierte Blicke zu. Kie kletterte gefolgt von Pope aus dem Boot.
"Worauf wartest du? Ruf sie an!"
Pope schien einen wichtigen Aspekt vergessen zu haben. Immerhin die, mit mir, zweite Frau im Bunde erinnerte sich an das kleine Problem, welches als Folge des Hurricane aufgetreten war.
"Das geht nicht! Kein Netz."
Die Cops stiegen aus. Wir mussten zusehen wie sie auf den Teil des Gebäudes zusteuerten in dem sich die Rezeption befand. Zu unserem Unglück kam in dem Moment ein Mitarbeiter aus dem Gebäude. Sie sprachen ihn an.
Mir brach der Schweiß aus. Meine Hände ballten sich zu Fäusten.
"Scheiße!", fluchte ich.
Jetzt oder nie. Ich konnte es noch vor ihnen schaffen. An meiner Highschool war ich zwei Jahre lang im Laufteam gewesen. Keines der anderen Mädchen hatte mich schlagen können. Ich wäre schnell genug. Sie hatten wir den Rücken zugewandt. Das war meine beste Chance. Ohne eine Sekunde länger zu zögern sprintete ich über den matschigen Rasen. Die Sohlen meiner Turnschuhe gruben sich bei jedem Schritt in den weichen Boden bis ich den asphaltierten Weg erreichte, der zur schmalen Eingangstür führte. Ich schlüpfte hindurch und jagte die Treppen hinauf. Der Steinboden war nass. Der Sturm hatte allem Anschein nach Wasser in das Erdgeschoss eindringen lassen. Ich war gezwungen mein Tempo zu drosseln, um nicht auszurutschen.
Zimmer 26.
Zimmer 26.
Die Zimmernummer wiederholte ich wie ein Mantra gedanklich bei jedem hastigen Atemzug. Mit meinem Körpergewicht stemmte ich die Tür zu dem Gang auf, der zu den Zimmern im zweiten Stock führte. Ich erlaubte mir einen flüchtigen Blick über das Geländer in den Innenhof zu werfen. Ihr Auto noch an Ort und Stelle, jedoch fehlte von den beiden Cops jede Spur. Sie mussten direkt hinter mir im Treppenhaus sein. Ich nahm die Beine in die Hand, während meine Augen die Nummern an den Türen nach der Richtigen absuchten. Zimmer 26 musste das Letzte sein. In ihm waren JJ und John B verschwunden. Mit einem Ruck stieß ich die Tür auf.
"Heilige Scheiße!", rief John B lautstark aus. Seine Worte unterstreichend legte er eine Hand über sein rasendes Herz. "Alter, K! Hast du sie nicht mehr alle?!", motzte er.
Ungläubig deutete ich auf JJ und ignorierte seine Frage.
"Wieso hast du eine-? Wieso hat er eine Knarre?"
"Geil, oder? Ich sehe heiß damit aus. Hab ich recht?", dreckig grinsend posierte der blonde Idiot mit diesem Ding.
"Sag mal bist du komplett bescheuert?!", zischte ich. "Die Cops kommen! Sieh zu das du das Teil los wirst! Und wisch deine Fingerabdrücke ab!"
"Wie? Warte, was? Die Bullen sind hier?", JB war ja heute ein Blitzmerker.
"Was denkst du wieso ich den ganzen Weg hier hoch gelaufen bin? Seht zu das ihr eure Ärsche hochbekommt! Es wird Zeit zu verschwinden."
Ich warf einen Blick aus der offenen Tür nur um die beiden Polizeibeamten zu sehen, die bereits den Außenflur entlang auf uns zusteuerten.
"Fuck!", fluchte ich.
Die Tür zog ich zu, wobei ich sie so leise wie möglich hinter mir ins Schloss zog.
"Und was soll das jetzt?", JJ runzelte seine normalerweise faltenlose Stirn.
Die Augen weit aufgerissen legte ich einen Finger an meine Lippen. Wir saßen knietief in der Scheiße.
"Sie sind hier."
Sofort kamen die Jungs eiligt zu mir gelaufen.
"Hier? Du meinst hier hier?", flüsterte John B zurecht alamiert.
"Ja, verdammt! Sie waren direkt hinter mir und jetzt sind sie fast vor der Tür."
"Was sollen wir tun? Uns in der Dusche verstecken?", schlug John B vor.
JJ bis sich auf die Lippen, während er den Kopf schüttelte.
"Nee, kannst du vergessen. Dort werden sie garantiert nachsehen."
Von draußen drangen Stimmen zu uns ins Zimmer. Uns lief die Zeit davon. Panisch sah ich mich um. Ich verspürte keinerlei Bedürfnis in den Knast zu wandern und oder mir eine Vorstrafe einzuhandeln. Es musste einen Ausweg geben. Mein suchender Blick fand das Fenster. Kein Fluchtweg, aber vielleicht ein Versteck. Ich stürmte an den Jungs vorbei hob die dreckigen, abgeranzten Jalousien mit einer Hand an und entriegelte das Fenster. Es klemmte als ich versuchte es aufzuschieben.
"Ihr könntet mir ruhig helfen anstatt nur rumzustehen und zuzugucken!", ächtze ich angestrengt.
John B und JJ lösten mich ab. Ich trat einen Schritt zurück. Sie bekamen das Fenster schließlich auf. Jemand machte sich von außen am Türschloss zu schaffen. JJ gab mir non verbal ein Zeichen, scheuchte mich als Erste auf das kleine Vordach, das fast zu schmal war, um darauf Halt zu finden. Er kletterte mir nach. John B bildete das Schlusslicht und schloss möglichst leise hinter uns das Fenster. Flach atmend drückte ich mich an die kühle, faulig riechende Steinwand. Die Außenfassade war von nahem nicht angenehmer anzusehen. Mit wenigen, winzigen Seitwärtsschritten arbeitete ich mich bedacht bis zu einer Fallrinne vor. Hochwachsende Ranken pikten gegen meine nackten Unterschenkel. Wie ein Klammeraffe krallte ich mich an dem Rohr fest, während ich versuchte nicht nach unten zu sehen. Höhenangst war keine Phobie unter der ich litt, dennoch fürchtete ich mich vor einem Fall aus dem zweiten Stock, der definitiv Folgen mit sich bringen würde.
Das Herz schlug mir bis zum Hals.
JBs gestikulierendes Herumgewedel bekam ich zunächst nur aus den Augenwinkeln mit. Ich presste meine Wange gegen die Mauer, um an JJ, der dicht neben mir stand und dessen Kopf mir ansonsten die Sicht versperrte vorbeisehen zu können. Angestrengt versuchte ich von seinen Lippen zu lesen, doch lockere Strähnen meiner rotbraunen Haare, die sich aus meinem Zopf gelöst hatten, wehten mir ins Auge. Ich hatte keine Hand frei, um sie beiseite zu wischen. Erfolglos versuchte ich sie aus meinem Gesicht zu pusten ohne meinen Brustkorb dabei allzu sehr aufzublähen. JJ, der bis eben in die Richtung seines besten Freundes gestarrt hatte, drehte seinen Kopf zu mir. Grinsend schob er mir die Haare hinters Ohr. Wie er dabei seine Balance behielt war beeindruckend. Seine Haut brannte auf meiner, als er seinen Arm um mich herum legte und selbst nach dem Fallrohr griff. Vorsichtig glitt er weiter in meine Richtung bis er mehr oder weniger hinter mir stand. Mein Körper spannte sich an. Zunächst überrumpelt hielt ich den Atem an, doch allmählich verstand ich was diese Aktion sollte, was John B uns zu sagen versucht hatte. JJ hatte zu nah am Fenster gestanden. Der Platz hier draußen war nicht zum herumlungern gemacht. Für eine Person war auf dem Vorsprung kaum genug Platz, geschweige denn für zwei. John B hatte seine Seite für sich alleine. Ich konnte nirgendwohin. Zu größten Teilen links von mir drückte mich JJ gegen die Hauswand. Rechts, kaum zwei Fuß weit hinter dem Fallrohr der Regenrinne, klaffte der Abgrund. Gewissermaßen hatte es etwas beruhigendes an sich, dass JJs warmer Körper zwischen mir und dem Meter tiefen Fall stand. Der Geruch nach Gras, nicht das welches auf Wiesen wächst, Salzwasser und Schweiß stach mir in die Nase. Für mich roch JJ nach Sommer. Gewissermaßen roch er nach dem Gefühl, das ich mit Outer Banks verband. Arbeit, Blut und Schweiß, aber auch Spaß, Partynächte, Wellenreiten und warme Sommerbriesen.
Aus dem Motelzimmer hörte ich eine Männerstimme. Versuchsweise verlagerte ich mein Gewicht, um zumindest zu versuchen zu sehen was im Inneren vor sich ging. Alles was es zur Folge hatte war ein Missgeschick. Ich rutschte mit einem Fuß ab. JJ zuckte hinter mir zusammen. Mit meinem Rücken stieß ich gegen seinen angespannten Arm, der sich an dem Regenrohr festhielt. Er drehte leicht seinen Oberkörper, griff über meinen Kopf hinweg und hielt sich mit beiden Händen fest. Seine Fußspitzen zeigten weiterhin zur Fassade. Durch diese unmögliche Verrenkung bewahrte er beide von uns vor einem Krankenhausaufenthalt. Das Rohr ächtzte. Ich lag für eine Sekunde mit einem Großteil meines Gewichts auf ihm. Er hielt uns fest bis ich erneut Halt gefunden hatte. Sein keuchender Atem streifte meine Wange. Der Erleichterung folgte ein lautes Scheppern. Entgeistert blickte ich über meine Schulter zu JJ, der seine Augen zusammenkniff. Seine Lippen waren zu einer dünnen, weißen Linie zusammengepresst.
"Du hast nicht wirklich diese scheiß Waffe eingesteckt und sie gerade verloren!", wisperte ich grantig.
Meine Stimme war kaum mehr als ein Windhauch. Keiner hätte sie gehört, allerdings saß JJ mir förmlich auf der Schulter. Er würde alles hören. Jedes Wort, jedes Wispern, jeden Atemzug, vermutlich sogar jeden Herzschlag.
"Hättest du nicht versucht den Falling Man zu machen wäre sie mir nicht aus der Tasche gefallen.", murmelte er an meinem Ohr.
Adrenalin rauschte durch meinen Körper. Ängstlich schloss ich meine Augen und betete optisch mit der hässlichen Fassade des Drecksmotels zu verschmelzen.
Ich zählte.
Zehn.
Fünfundzwanzig.
Fünfunddreißig.
Vierzig.
JJs Atem ging ungleichmäßig. So cool er auch immer tat, er war auch nur ein Mensch. Menschen hatten Angst, selbst der taffe Maybank.
Eine kleine Unendlichkeit schien zu vergehen, bis die Cops endlich die Tür hinter sich schlossen und wir zurück ins Zimmer klettern konnten. Noch beim Anblick des Motels hätte ich niemals erwartet eine solch unglaubliche Freude und Erleichterung zu verspüren eines dieser Schlafgemächer betreten zu dürfen. Beinah hätte ich mich auf das Bett geschmissen, dessen Bettbezüge definitiv schon einmal bessere Zeiten gesehen hatten. Wir forderten unser Glück nicht weiter heraus. Nachdem wir eine Minute lang ausgeharrt hatten waren wir schnellstmöglich verschwunden. Ich hatte es eilig gehabt so schnell wie möglich zurück auf das kleine Motorboot zu kommen. Ohne darüber nachzudenken fiel ich Kie um den Hals. Sie schlang ihre dünnen, geräunten Arme um mich.
"Was habt ihr euch dabei gedacht?", säuselte sie in mein Haar.
Ich atmete tief aus. Die Anspannung löste sich ein wenig auf. Wir lösten uns voneinander. Sogar ein kleines Lachen entfläuchte meinen Lippen.
"Glaub mir, geplant war dieser Stunt mit Sicherheit nicht!"
"Naja, wir sind froh, dass es euch gut geht.", selbst Pope legte kurz einen Arm um mich und zog mich an seine Seite.
Ich erlaubte mir mich für einen Moment an ihn zu schmiegen. Er war definitiv der Ruhepol unserer Gruppe.
JJ löste das Tau vom Ufer. Nachdem er an Board gesprungen war klopfte Pope ihm auf die Schulter.
"Ihr habt Glück gehabt, Alter! Für einen Moment dachte ich das verdammte Rohr würde brechen."
In dem Augenblick in dem ich ausgerutscht war und mein Leben vor meinem inneren Auge an mir vorbeiziehen sah hatte ich erwartet zu fallen, nur um Sekunden später zu befürchten JJ mit mir zu reißen. Ich hatte den Abfluss für das Regenwasser knarren gehört. Es hätte auch ganz anders laufen können.
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Mein jetziges Cover ist von mir selbst gestaltet. Allerdings liegt darin eindeutig nicht meine Stärke. Wenn einer von euch Ideen hat für ein Cover, das Summer Vibes versprüht würde ich mich sehr darüber freuen^^
Wie fandet ihr das Kapitel?
Ideen was als Nächstes geschieht?;)
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