Sturmschäden |2|
Mit geschlossenen Augen lag ich auf einer der integrierten Bänke, wobei mein Kopf auf Kiaras Schoß ruhte. Ihre Finger flochten gelangweilt kleine Zöpfe in meine Haare. Ich empfand das Frisiert werden als äußerst angenehm. Ein freudiges Kribbeln durchlief meinen Körper, während ich die Sonnenstrahlen genoss. Das war das Paradis. Musik schallte aus einer Box. John B diskutierte mit JJ. Pope stand hinterm Steuer. Der Sumpf war heute menschenleer. Nach dem Sturm hatten die Bewohner der South Side, die sonst hierher kamen, genug mit der Behebung der Sturmschäden zu tun. Die Kooks wiederum waren sich zu fein mit ihren Yachten durch dieses Gebiet zu fahren. Mir sollte es recht sein. Besser für die Umwelt. Ein wenig Abstand zu den üblichen Rivalitäten zu bekommen tat gut. Bereits nach kurzer Zeit hatte ich selbst gesehen wie sich Kooks und Pouges regelmäßig die Köpfe einschlugen. Meiner Meinung nach war das ein hirnloses Theater. Hätten die Reichen mehr Respekt und den Anstand zumindest höflich zu ihren Angestellten zu sein und die Bewohner der South Side weniger die Tendenzen Regeln zu brechen könnten wir problemlos nebeneinander koexistieren. Mr Moralez, mein Arbeitgeber und ich waren der Beweis dafür. Ebenso unsere Freundschaft mit Kie. Wenn ein Mädchen, das mit einem Silberlöffel im Mund geboren worden war eine Pouge werden konnte war alles möglich.
"Gott, das ist so heiß!"
Genervt öffnete ich ein Auge. Mit seinem Bier in der Hand und den Beinen hochgelegt starrte JJ in unsere Richtung. Zwei Frauen in Shorts und Bikinioberteilen reichten schon, damit ihm einer abging. Wow. Provokativ leckte ich über die Fingerspitze meiner rechten Hand und hielt sie an meinen linken Oberarm wobei ich ein zischendes Geräusch nachahmte.
"Jap. Brandheiß. Und kleine Jungs verbrennen sich die Finger, wenn sie mit dem Feuer spielen. Also lass es!"
Kie lachte. John B und Pope hielten sich noch zurück, doch ich konnte das Lachen hinter ihren vorgehaltenen Fäusten dennoch sehen. Pope räusperte sich.
"Nimm dich in Acht, Mann!"
Wie üblich war JJ nicht lange beleidigt. Nachdem er aufgeschaubt hatte stand er auf. Die Bierflasche im Anschlag schlug er sich zum Bug des Boots vor.
"Soll ich euch einen Trick zeigen?"
Die Frage war offenbar rethorischer Natur, den um 'Nein' zu sagen blieb keine Zeit und vermutlich hätte er sowieso jeden Einwand ignoriert. Erfolglos versuchte er am vordersten Teil des Bugs stehend mithilfe des Fahrtwindes die alkoholische Flüssigkeit in seinen Mund laufen zu lassen. Sie flog überall hin nur nicht dort rein. Das Bier spritzte zu uns herüber. Als die ersten Tropfen mich trafen sprang ich erschrocken auf. Ein wenig unelegant kam ich auf die Beine. Kiara hielt sich die Hände vor ihr Gesicht.
"Igitt! JJ, ich bekomme das ganze Zeug in die Haare.", beschwerte sie sich.
Mir ging es nicht besser. Meine Haut war inzwischen von dem stinkenden Gebräu benetzt. Angewidert rümpfte ich die Nase. Das Bier klebte an mir. Ich wollte den blonden Idioten gerade anschnauzen mit diesem waghalsigen Mist aufzuhören, als ich durch einen enormen Ruck, der durch das Boot ging, den Halt und somit auch den Boden unter den Füßen verlor. Ungebremst krachte ich auf das Deck. Mit meinen Armen hatte ich instinktiv versucht meinen Sturz abzufangen, was darin resultierte, dass ich zwar meinen Oberkörper, insbesondere meinen Kopf vor dem Aufprall schützte, mir jedoch trotzdem Arme und Knie aufschürfte. Sie bekamen das Meiste ab. Das Brennen der Schürfwunden setzte augenblicklich ein. Zischend sog ich die Luft ein.
"Pope!", knurrte ich.
"Jo, Pope! Was sollte das?", harkte John B nach.
Nachdem ich mich aufgerappelt hatte half ich Kie auf die Beine. Nicht nur ich hatte mich der Länge nach hingelegt. Als ich nach vorne sah, um Pope böse anzufunkeln zählte ich automatisch durch. Kie stand neben mir und richtete ihr Bikinioberteil, John B hangelte sich zu unserem Schlaukopf durch. Einer fehlte. Ach du Scheiße! Ich rannte nach vorne an Pope und John B vorbei und spähte über den Rand ins Wasser. Erleichtert atmete ich aus. Zwar stellte er sich tot, doch sein Gesicht ragte aus dem Wasser heraus und sein Brustkorb hob und senkte sich. JB sah glucksend über meine Schulter.
"JJ, lebst du noch?", fragte er seinen besten Freund.
Dieser stöhnte auf.
"Ich glaube meine Fersen haben meinen Hinterkopf berührt."
Leise auflachend verdrehte ich die Augen.
"Selbst Schuld! Was balancierst du auch da vorne rum?"
Meine Worte klangen schroff, doch man konnte meine Erleichterung aus ihnen heraushören. Mühevoll half ich John B unseren Trottel wieder an Board zu bieten, während Pope im Versuch sich zu verteidigen erklärte, dass wir wohl auf eine Sandbank gestoßen waren. Agatha musste den Boden verändert haben. Das Bier, das JJ 'gerettet' hatte nahm ich an mich. Mit einem lauten Klirren stellte ich die mehr leere als volle Flasche in die Kühltruhe.
"Kein Bier mehr für dich heute nach dieser Aktion.", bestimmte ich.
War ich der Spielverderber der Gruppe? Vermutlich. Allerdings hatte ich gerade sein Leben an mir vorbeiziehen sehen.
JJ grunzte und verdrehte theatralisch die Augen.
"Ja, Mama."
"Sind alle okay?", erkundigte sich John B, weswegen ich den Blickkontakt zu JJ abbrach.
Wir bejahten.
"Noch alles dran.", bestätigte ich.
Die Schürfwunden waren nicht unbedingt hübsch, aber ich würde sie überleben.
"Leute?", Popes Stimme ging beinah unter. "LEUTE?!", wiederholte er lauter. "Ich glaube dort unten ist ein Boot." Er beugte sich noch ein Stückchen weiter vor, um eine bessere Sicht zu erhalten. "Das ist ein Boot!"
Wir wechselten alle einen Blick, dann liefen wir zu Pope rüber. Wie die Lemminge spähten wir in einer Reihe in das Wasser. Verblüfft betrachtete ich die Umrisse. Das war tatsächlich ein Boot und dazu kein kleines Fischerbötchen. Das hier spielte in einer ganz anderen Liega.
"Glaubt ihr dort unten sind Leichen?"
Ich betrachtete JJ von der Seite mit einem Ausdruck, der sagen sollte: 'Ist das dein Ernst?' Er zuckte als Antwort lediglich mit den Schultern.
"Was? Kann doch sein."
"Na schön!", ich stemmte kurz die Hände auf die Hüften bevor ich meine Shorts abstreifte und auf eine der Sitzbänke stieg. JB hielt mir die Hand hin, als hätte er Angst ich könnte fallen. Ich kletterte auf den schmalen Rand des Bootes. "Es gibt nur eine Möglichkeit das herauszufinden."
Mit einem Kopfsprung durchbrach ich die Wasseroberfläche und die kalten Wogen verschluckten mich.
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