Kapitel 27
Logan hat gewonnen, wenn auch nur knapp, aber die Hauptsache ist, dass er es getan hat. Der gestrige Abend war genauso brutal wie der Vorherige Freitag. Ich stand hinter dem Tresen und habe von Weitem zugeschaut, wie er wortwörtlich um sein Leben kämpft. Die Liste habe ich natürlich im Vorhinein geändert und dabei hat mich auch keiner erwischt. Diese Woche musste Logan gegen Frederik Clarkson kämpfen, der trotz seines niedrigen Ranges überdurchschnittlich gut im Kämpfen war. Für einen Augenblick habe ich in Erwägung gezogen, dass Logan gegen Frederik verliert, aber stattdessen hat er all seine Reserven rausgeholt und den Typen fertig gemacht.
Jetzt stehe ich vor Kessis Wohnung. Selbst wenn man auf der Straße steht, dringen die Bässe der Musik zu einem durch. Sie hat mir vorhin die Adresse geschickt und nun stehe ich hier. Normalerweise bin ich nicht der größte Fan von Partys. Erst recht nicht, wenn ich so gut wie niemanden kenne. Wenn ich ehrlich bin, denke ich gerade daran, einfach umzudrehen und mir irgendeine glaubwürdige Ausrede einfallen zu lassen. Gleichzeitig schäme ich mich für diese Gedanken. Es wird schon gut gehen.
Sie wohnt nicht weit von Logan's Wohnung entfernt, höchstens Fünf bis Zehn Minuten. Das Gebäude ist dementsprechend ähnlich gebaut und besteht aus Beton, der eine kühle und trostlose Atmosphäre ausstrahlt. Kessi hat mich vorgewarnt, nicht zu lange alleine durch die Gegend zu laufen, weil die Straßen um diese Uhrzeit nicht gerade sicher sind. Also laufe ich zur Haustür des Wohnblocks und klingele. Wenige Sekunden später springt die Tür auf und ich blicke in ein geräumiges Treppenhaus. Ich gehe in den 4 Stock und bleibe vor Nummer 11 stehen. Ein Grinsen zieht sich über mein Gesicht. Auf den Fensterbrettern reihen sich Topfpflanzen aneinander, an der Wand hängen Bilder von Hunden und vor der Wohnungstür liegt ein bunter Fußabtreter mit der Aufschrift „Bei den Nachbarn gibt es mehr zu holen". Das alles passt perfekt zu Kessi.
Der Schlüssel liegt unter der Fußmatte, weil man die Klingel nicht über die Musik hinaus hören würde.
Ich schließe auf, legen den Schlüssel zurück und stehe mitten in einem menschenüberfüllten Flur. Fast jeder hat einen roten Plastikbecher in der Hand, unterhält sich mit Anden Leuten oder tanzt zur Musik. Da ich Kessi auf den ersten Blick nicht erkennen kann, dränge ich mich durch die Menschenmasse hindurch. Eines steht fest: Morgen steht ein Rundumputz an. Die Wohnung riecht nach den typischen Gerüchen, Alkohol und unterschiedliche Deos wie auch Parfüms.
Die Wohnung ist überraschend groß. Sie hat mindestens Fünf Zimmer und die Flure sind geräumig. Sie hat mir erzählt, dass sie mit Freunden zusammen wohnt. In der Küche sehe ich endlich ihren Haarschopf. Sie steht bei zwei Typen, die mir vage bekannt vorkommen. Sie studieren bestimmt zusammen mit Kessi an derselben Uni.
„Scar, da bist du ja endlich", empfängt sie mich liebevoll, und zieht mich in eine Umarmung.
„Hey." Ich komme mir etwas fehl am Platz vor und weiß nicht, was ich mit meinen Händen machen soll.
„Darf ich vorstellen? Das sind Peter und Phil, Freunde von mir."
Phil ist soweit ich weiß Logan's bester Freund und Peter habe ich auch schon mal im Hilten gesehen.
Phil grinst mich schief an. „Du bist also die berühmte Scarlett Evans. Schön dich endlich persönlich kennen zu lernen." Kessi boxt ihm mit einem vorwurfsvollen Blick gegen die rechte Schulter.
„Ich bin mir nicht sicher, ob ich wissen möchte, was das berühmt auf sich hat", scherze ich und versuche somit die Anspannung aus der Situation zu nehmen. Es funktioniert.
Nun meldet sich auch Peter zu Wort „Nichts schlimmes. Logan hat mal erzählt, dass die Idee von dir kommt, Oscar hinter Gitter zu bringen"
„Ihr wisst davon?", frage ich perplex. Mir war nicht klar, dass Logan wirklich mit den anderen darüber redet. Ich dachte immer, dass er meine Idee für naiv gehalten hat.
„Klar." Phil kommt mir etwas näher, damit die anderen Feiernden uns nicht hören könne „Wir sind sogar dabei und wollen helfen."
Ich lächle die drei an. „Echt? Das ist ja super."
„Logan will irgendwann ein Treffen abmachen, da können wir ungestört reden", bestätigt Kessi meine Frage. „Aber jetzt wird erstmal gefeiert, Freunde."
Jubelnd gehen die drei ins Wohnzimmer und ich folge ihrem Beispiel. Dort haben sich die meisten Gäste ums Sofa versammelt. Wie auf fast jeder Party wird „Wahrheit oder Pflicht" gespielt. Ich habe noch nie viel von diesem Spiel gehalten, weil im Endeffekt eh alle bei Wahrheit lügen und es immer dieselben Pflichtaufgaben sind. Zum Glück sehen Kessi, Phil und Perter nicht so aus, als wollten sie mitspielen. Stattdessen steuern sie den Billardtisch an, der in der hinteren Ecke steht.
Sobald wir am Tisch ankommen, wird uns schon ein Becher in die Hand gedrückt. Ich rieche an der Flüssigkeit, die sich als Wodka entpuppt. Im Moment habe ich Alkohol echt nötig und schlucke die brennende Flüssigkeit in einem Rutsch runter, woraufhin die Umstehenden mir zujubeln. Sofort spüre ich wie das angenehme Gefühl der Entspannung und Gelassenheit einsetzt.
Die Regel lautet, dass bei jedem Stoß, wo man keine Kugel einlocht, ein Shot geext werden muss. Dementsprechend bin ich bereits nach der Sechsten Runde ziemlich dicht und auch die Anderen sind nicht mehr annähernd nüchtern.
Wir tanzen und singen zu den Liedern und vergessen alles um uns herum. Auch Phil und Peter steigen mit ein und liefern eine schräge Karaokevorstellung, die alle zum Lachen bringt. Die beiden können echt nicht singen.
„Wo hast du diese Tanzmoves her?", fragt mich Peter, als wir zu „Good Feeling" von Flo Rida tanzen. Mittlerweile ist mein Schamgefühl und die schüchterne Scarlett komplett verschwunden und ich habe einfach gute Laune.
„Das frag ich mich auch." Meine Stimme ist undeutlich und Peter muss sich anstrengen, um mich verstehen zu können. Ich frage mich schon seitdem ich vor der Haustür stand, was die Nachbarn zu dieser Feier sagen. Bisher hat sich keiner über die Laute Musik beschwert, was ein echtes Wunder ist. Meine Eltern meckern mich schon an, wenn ich in meinem Zimmer Musik über die Anlage anmache. Das ist auch einer der Gründe, weshalb ich meine Musik nur laut anmachen kann, wenn ich alleine bin.
„Du kannst echt gut tanzen", erwidert Peter und kommt meinem Ohr ziemlich nahe, damit ich seine Worte auch über den Lärm hinaus verstehen kann. Dicht an dicht gedrängt tanzen auch die anderen Anwesenden zu den Beats. Kessi und Phil sind irgendwohin verschwunden, wo sie ihre Ruhe haben. Schon seit einer halben Stunde, aber das stört mich nicht.
„Danke, kann ich nur zurückgeben", antworte ich etwas zu spät.
Auch wenn es bereits Elf Uhr ist, kommen immer mehr Leute in die Bude. Mittlerweile ist es aber auch schon so voll, dass es langsam eng wird und die Luft total stickig ist.
„Ich gehe kurz an die frische Luft"
Phil nickt mir zu und fixiert einen Punkt hinter mir.
„Ich komme mit." Sagt eine bekannte Stimme. Mit wackeligen Schritten drehe ich mich zu Logan um.
„Was machst du hier?"
Ein Lächeln umspielt seine vollen Lippen „Du musst schon deutlicher sprechen, wenn ich dich verstehen soll, Kleines."
„Was. Machst. Du. Hier?"' frage ich, und ziehe jedes Wort bedacht in die Länge.
Logan's Lächeln wird breiter und seine grauen Augen wirken im Moment dunkler als sonst. Er trägt sein tägliches Outfit, das ihn heiß aussehen lässt. Augenblicklich habe ich die Situation in meinem Zimmer vor meinen Augen. Wie ich mit meinen Fingern über seine weiche Haut streiche und die Salbe verteile... Oh man, ich habe echt zu viel Alkohol intus.
„Ich bin schon seit einer Stunde hier, du hast mich nur nicht gesehen. Komm mit, wir gehen raus. Die Luft hier drinnen ist ekelhaft." Logan greift nach meiner Hand, und so betreten wir das leere Treppenhaus.
„Warum hast du nichts gesagt?" Wir gehen in die unteren Stockwerke, wobei Logan mich stützen muss, damit ich nicht umkippe. Mittlerweile hat auch mein Schluckauf eingesetzt, den ich immer bekomme, wenn ich betrunken bin.
„Du warst beschäftigt. Hätte ich denn was sagen sollen?"
„Neeein!", antworte ich eine Spur zu schnell um glaubhaft zu klingen, denn irgendwie hat er Recht. Ich hätte mich gefreut wenn er etwas gesagt hätte und mit auf die Tanzfläche gekommen wäre.
Wieder grinst er mich schief an. Mittlerweile haben wir die Wohnblocktür erreicht und machen einen Schritt in die angenehm kühle Nachtluft. „Du bist eine schlechte Lügnerin."
„Garnicht Wahr!" Im selben Moment stolpere ich über die Bordsteinekannte, doch Logan fängt mich noch rechtzeitig auf. Mit einem spitzen Schrei lande ich in seinen Armen. Unsere Gesichter sind nur noch wenige Zentimeter voneinander entfernt. Mein Blick gleitet automatisch zu seinen Lippen, die fürs Küssen gemacht sind. Logan scheint an dasselbe zu denken.
Sobald ich ihm wieder in die Augen schaue, sehe ich dasselbe Verlangen darin, wie man es bestimmt auch in meinen sehen kann. Uns trennen nur noch wenige Zentimeter.
„Logan..." Weiter komme ich nicht, weil er im selben Moment die Distanz zwischen uns überbrückt, und seine Lippen auf meine treffen.
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