Kapitel 25
"Also", sagt Logan und lässt sich geradewegs auf mein Bett fallen. "Hast du schon eine Idee für den Vortrag?"
Ehrlich gesagt habe ich bis jetzt noch keinen einzigen Gedanken daran verschwendet. Zur Zeit steht mein gesamtes Leben auf dem Kopf und ich habe wichtigere Dinge zu tun, als mich mit einem toten Mann zu beschäftigen, der irgendwann mal irgendwo gelebt hat und irgendwas weltbewegendes getan haben soll. Aber wenn ich auf der Brown angenommen werden möchte, dann brauche ich gute Noten.
"Wenn ich ehrlich bin, nein." Ich stehe etwas fehl am Platz mitten in meinem Zimmer. Was soll ich machen? Soll ich mich auch aufs Bett setzen? Oder an meinen Schreibtisch.
Als könnte Logan meine Gedanken lesen, grinst er mich schief an. "Du kannst dich zu mir setzte, ich beiße nicht. Außer du willst es."
Ich schnaube. "Nur in deinen Träumen."
"Dann muss ich mich wohl damit zufrieden geben." Sein Grinsen wächst immer weiter an.
Ich verschlucke mich an der Limo, die wir uns aus der Küche mitgenommen haben. Meine Reaktion scheint ihm zu gefallen und er fängt an zu lachen. Leider kann auch ich mein Grinsen nicht länger verkneifen, was meinem Ego garnicht gefällt. Also versuche ich schnell das Thema zu wechseln.
"Wir könnten über Rosa Parks erzählen."
"Über wen?" Logan sieht nicht so aus als würde er sie kennen.
"Sie wurde berühmt, weil ihr ihre Füße wehtaten."
Logan lacht. "Bin ich jetzt auch berühmt, weil meine Faust von den Kämpfen wehtut?"
"Nein, Rosa Parks war eine dunkelhäutige Frau, die sich geweigert hat ihren Platz im Bus an einen weißen Mann weiterzugeben, wie es das Gesetzt des Bundesstaates Alabama vorschrieb. Sie wurde festgenommen, eins führte zum anderen, und am Ende hat man die Gesetze zur Rassentrennung für Verfassungswidrig erklärt. Sie hat großes Bewegt." Ich beuge mich etwas weiter zu Logan und krame mein gesamtes Selbstbewusstsein zusammen. Mit zittriger Hand schiebe ich sein Shirt an der Rechten Seite nach oben und fahre mit dem Zeigefinger federleicht über die Stelle, wo ich weiß, dass sich dort die Blessuren befinden. Womit ich nicht gerechnet habe ist, dass sobald meine Finger auf die empfindliche Haut oberhalb seiner Hüfte treffen, sich genau dort eine Gänsehaut ausbreitet. "Außerdem bezweifle ich, dass deine Hand das einzige ist, was dir wehtut", flüstere ich.
Logan schiebt meine Hand beiseite und zieht das Shirt wieder runter. "Da ist nichts."
Ich schnaube. "Das sah mir aber nicht nach nichts aus. Du solltest es wenigstens eincremen und bandagieren, sonst wirst du morgen höllische Schmerzen ertragen müssen."
"Wie ich schon gesagt habe, ich spüre keinen Schmerz." Mich nervt sein Ego. Er tut so, als wäre es etwas schreckliches, wenn er zugeben würde, dass er Schmerzen hat. Ist sein Ego so groß?
Ohne zu antworten, gehe ich in das anliegendes Badezimmer, wo seit meiner Kindheit ein Notfallset liegt. Egal ob beim fangen spielen im Garten oder wenn ich mit meinen Pupen Tee getrunken habe, ich kam am Ende immer mit Schrammen bei Mom an, die sie verarzten musste.
Sobald ich mich wieder neben Logan setze, straft er mich mit einem genervten Blick "Du musst nicht..."
"Sei nicht kindisch und mache dein T- Shirt ein Stück nach oben, damit ich es bandagieren kann." Woher ich diesen Mut und das Selbstbewusstsein habe, weiß ich nicht. Eigentlich bin ich eher für meine schüchterne Art bekannt.
Doch anstatt den Saumen nach oben zu ziehen, zieht er sein Shirt komplett aus und ein oberkörperfreier Typ sitzt vor mir.
Bis heute habe ich sowas nur am Strand oder in Zeitschriften gesehen. Meine erste und letzte Beziehung hatte ich mit 15, die gerade mal Zwei Monate gehalten hat und hauptsächlich aus Nachrichten und langweiligen Küssen bestand. Dementsprechend weiß ich gerade verdammt nochmal nicht, wo ich hinschauen soll. Ich spüre förmlich wie mein Kopf rot anläuft. Trotzdem kann ich den Blick nicht abewenden. Klar, beim Kämpfen hat er auch kein Oberteil an, aber da waren auch hundert andere Leute um uns versammelt und ich war so aufgeregt, dass ich nicht so sehr darauf geachtet habe. Jetzt sind wir alleine.
"Habe ich dich in Verlegenheit gebracht?", fragt Logan mit einem wissenden Grinsen im Gesicht und reißt mich zurück ins Hier und Jetzt.
"Nichts, was ich noch nie gesehen habe. Und jetzt sei still."
Ich greife nach der Creme und verteile sie großflächig über seinem Hüftknochen. Dabei versuche ich an alles zu denken, nur nicht an Logan. Ich denke an Eis, an Bücher, an Schule... und an Logan. Shit.
So schnell wie möglich verbinde ich die Stelle, doch mir entgeht dabei nicht seine Reaktion. Jedes mal wenn ich ihn berühre, atmet er schnell ein, zuckt leicht oder eine Gänsehaut breitet sich auf seiner Haut aus. Es erfüllt mich auf irrsinnige Weise mit stolz. Er hasst mich also doch nicht so sehr, wie er immer vorgibt. Leider beruht das auf Gegenseitigkeit.
"Danke", sagt Logan und wirkt dabei total ehrlich. Das selbstgefällige Grinsen ist aus seinem Gesicht verschwunden und er lächelt mich ehrlich an.
"Kein Ding, ist nichts Besonderes."
Nachdem ich seine Wunde verarztet habe, beschäftigen wir uns mit dem Referat. Wir durchforsten das Internet nach Informationen über Rose Parks und gucken uns eine kurze Dokumentation an, die hauptsächlich ihr Leben wiedergibt. Als ich klein war, hat mir Grandma von ihr erzählt. Bis dahin wusste ich noch nichtmal, dass es früher eine Zeit gab, wo dunkelheutige als minderwertig bezeichnet wurden. Ich war eben noch klein. Umso älter ich wurde, desto mehr habe ich mich mit Politik und Geschichte beschäftigt. Seitdem sehe ich diese Frau als eine Art Vorbild.
Ich dachte immer, dass Logan zu den Menschen gehört, die mehr Muskeln als Gehirnzellen besitzen, aber zu meiner Überraschung ist er total schlau und hat gute Ideen, die wir zusammen umsetzen.
"Ich glaube das reicht für heute" Wir sitzen bereits beinahe drei Stunden vor dem Laptop und durchsuchen das Internet. Uns bleibt trotzdem noch eine Stunde, bis wir zu Oscar kommen sollen. "Und jetzt?", frage ich.
Im selben Moment fängt Logans Magen an zu knurren. Das ist meine Antwort.
Logan lacht. "Wollen wir unterwegs bei KFC anhalten?"
"Bitte nicht KFC. Ich war erst gestern mit Kessi dort", stöhne ich. Ich kann einfach keine Chicken Wings mehr sehen.
"Mit Kessi? Ich wusste garnicht, dass ihr euch kennt."
"Bis gestern kannten wir uns auch nicht. Sie ist mir zufällig über den Weg gelaufen und wir haben uns sofort gut verstanden."
Logan steht auf und streckt seinen Körper. Nach dem langen sitzen tut auch mein Rücken weh. "Sie ist eine von den Guten und hat mir schon oft aus der Klemme geholfen."
"Ich weiß, hat sie mir erzählt", antworte ich zögerlich und ziehe meine Schuhe an.
Eine Frage schwirrt schon seit Stunden durch meinen Kopf und brennt mir auf der Zunge. Es ist mir unangenehm, das Thema anzuschneiden, weil er sicherlich fragen wird, woher ich von ihr weiß, aber das ist mir gerade egal. "Hast... Weiß deine Freundin von Oscar und den Kämpfen?"
Logan blickt mich ungläubig an. "Meine was?"
"Deine Freundin. Ich habe euch letztens zufällig am Park gesehen. Ihr habt euch geküsst." Oh man, wie peinlich. Ich hätte einfach meinen Mund halten sollen.
Logan kommt näher und bleibt grinsend vor mir stehen. "Spionierst du mir etwa nach, Scarlett Evans?"
Ich verdrehe genervt die Auge. "Drehe mir nicht alle Wörter im Mund um. Ich war mit Ivy und Spencer Enten füttern. Es war Zufall."
"Mag sein, aber Sierra ist ganz bestimmt nicht meine Freundin und sie weiß auch nichts von den Kämpfen." Im selben Moment fällt eine klitzekleine Last von meinen Schultern.
"Achso", ist das einzige was ich antworte und gehe zum Auto. Logan läuft mir hinterher.
Auf der Fahrt gehen wir hauptsächlich das anstehende Treffen durch.
"Und dieses Mal kommst du sofort zurück, ich habe keine Lust schon wieder jemanden drohen zu müssen. Klar?", fragt mich Logan als wir vor dem alten Backsteingebäude zum Stehen kommen.
"Ich brauche keinen Babysitter, der auf mich aufpasst."
"Das sah letzte Woche aber anders aus", antwortet er und wendet sich mir zu. "Ich will nicht streiten, Scar. Komm einfach sofort wieder zurück und gehe den Leuten im Haus aus dem Weg."
Es ist das erste Mal, dass er mich mit meinem Spitznamen anspricht. Irgendwie gefällt es mir.
"Natürlich."
Mit diesen Worten gehe ich aufs Haus zu. Im inneren riecht es wie beim letzten Mal nach Gras, Alkohol und Schweiß. Eine ekelhafte Kombination wenn man mich fragt. Es ist unheimlich still. Keine Stimmen sind zu hören und auch keine anderen Geräusche, die auf weitere Besucher hinweisen.
Wie beim letzten Mal klopf ich an die massive Bürotür.
"Herein", dringt Oscars Stimme zu mir durch. Mit zittrigen Händen öffne ich die Tür. Oscar steht vor dem barrikadierten Fenster, dementsprechend sehe ich auch nur seinen Rücken.
"Hallo." Ich höre mich selbstbewusster an, als dass ich mich fühle.
Oscar dreht sich zu mir um und blickt direkt in meine Augen. "Hast du das Geld?" Tja, er kommt direkt auf den Punkt.
"Ja. Hier" Den Bündel schmeiße ich auf den Tisch.
Oscar schnaubt und kommt mir gefährlich nahe. „Beim nächsten Mal erweist du mir etwas mehr Respekt, verstanden? Ich kann dein Leben zur Hölle machen." Oscars Gesicht ist nur noch wenige Zentimeter von meinem entfernt. "Entweder bin ich dein Freund oder Feind, das entscheidest du. Aber über die Konsequenzen bestimme ich."
Er schubst mich brutal aus der Tür und knallt sie hinter mir zu. Was zum Teufel war das gerade? Meine Wut kommt immer weiter an die Oberfläche. Ich muss ruhig bleiben. Er bekommt schon noch, was er verdient.
Ich laufe so schnell wie möglich zum Auto zurück, ohne dieses Mal von Fremden angesprochen zu werden.
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