Kapitel 13
Die letzten Tage habe ich ununterbrochen darüber nachgedacht, wie ich aus diesem Deal aussteigen kann. Ich möchte keinesfalls hinter dem Rücken meiner Eltern an die Ersparnisse gehen und diese dann an Oscar weitergeben. Aber leider habe ich kein Mitspracherecht.
Mittlerweile ist es Donnerstag und mir bleiben nur noch weniger als 12 Stunden übrig, bis mich Logan abholt. Wir haben noch keine Uhrzeit abgemacht aber ich werde mich erst heute Abend in das Büro meines Vaters schleichen können. Am hellen Tage sind zu viele Angestellte im Haus, sodass es unmöglich ist, unbemerkt Geld zu klauen.
Sechs Wochen. Das sind insgesamt Sechzigtausend Euro. Wie verdammt nochmal soll ich so viel Geld entwenden, ohne erwischt zu werden? Im Notfall muss ich wohl oder übel einige meiner Schmuckstücke im Internet vertickern. Aber bis heute Abend schaffe ich das auf keinen Fall. Also sollte ich möglichst spät, also kurz vor Sonnenuntergang, in Dads Büro einsteigen.
Dad ist heute nicht zu Hause. Momentan wohnt er für eine Woche in unserer Zweitwohnung in New York, da er dort an Geschäftsessen teilnehmen muss.
Nächste Woche steht wieder eine Benefizveranstaltung an. Stundenlanges Lächeln und langweilige Gespräche mit Leuten, die Leute kennen, die wieder Leute kennen. Es ist zum kotzen.
Meine Zimmertür öffnet sich einen Spalt, und der Kopf meiner Schwester lugt herein.
"Hey, was gibt's?", frage ich.
"Da ist jemand im Wohnzimmer und wartet auf dich."
Abrupt setze ich mich auf. Ich habe mich mit niemandem verabredet. "Wer?"
"Ein Junge", flüstert Spencer und kichert peinlich berührt. Wenn es Rowan ist, dann schmeiße ich ihn hochkant aus dem Haus. Er ist hier schon oft einfach aufgetaucht, ohne mir vorher bescheid zu sagen. Meine Eltern haben sich natürlich total gefreut und wenige Minuten später saßen wir alle schweigend am Tisch und haben zusammen gegessen. Komischer Wiese war der Tisch jedes Mal bereits für Fünf Personen gedeckt. Da steckten definitiv Mom und Dad hinter.
"Ist es Rowan?", frage ich mit genervtem Unterton.
Spencer schnalzt empört mit der Zunge. "Nein! Den hätte ich selber rausgeschmissen." Ich muss über ihre Worte lachen, denn sie kann ihn genauso wenig leiden wie ich. "Der Junge sieht viel besser aus."
Mit meiner Sporthose und dem Oversizehoodie laufe ich die imposanter Marmortreppe hinunter und gehe schnurstracks ins Wohnzimmer.
Im Türrahmen bleibe ich wie angewurzelt stehen. Auf dem Sofa sitzt Logan! Mit seiner schwarzen Hose und dem schwarzen Shirt sticht er auffällig aus dem weißgehaltenen Zimmer heraus.
"Was willst du hier?", frage ich mit verschränkten Armen. "Ich dachte, dass du mich erst dann abholst, wenn ich dir schreibe."
Logan steht auf und rückt die Kissen gerade. Seine Augen scannen mich von oben bis unten. Gleichzeitig fange ich an zu schwitzen. "Der Plan hat sich geändert, Kleines. Wir haben nur noch wenige Stunden Zeit." Ein mulmiges Gefühl breitet sich in meiner Magengegend aus. Ich braue die Zeit. Es sind noch zu viel Leute im Haus und Mom kann auch jeden Moment wiederkommen.
Ich schnaube. "Und das konntest du mir nicht am Telefon sagen." Ich senke meine Stimme. "Das Geld muss ich erst noch besorgen."
Logan kommt mit großen Schritten auf mich zu und lächelt schief. "Ich bin so nett und helfe dir. Außerdem fand deine Schwester mich nett."
Nett? Bestimmt nicht. Wenn Spencer wüsste, dass Logan mich erpresst, dann hätte sie sicherlich ganz andere Seiten gezeigt.
"Sie ist 12 Jahre alt und kennt dich nicht.", Die Verachtung in meiner Stimme ist leicht rauszuhören.
Logan kommt noch einen Schritt näher. "Achso, und du kennst mich?"
Mit seiner Größe und dem guten Aussehen schüchtert er mich ein, aber das werde ich ihm bestimmt nicht zeigen. Selbstsicher mache ich einen Schritt auf ihn zu und balle meine Hände zu Fäusten. Jetzt sind nur noch wenige Zentimeter Platz zwischen uns. "Du erpresst mich, bist hier eingebrochen und verhälst dich wie ein Arsch. Ich muss dich nicht besonders gut kennen, damit ich mir ein Bild von dir machen kann."
Für den Bruchteil einer Sekunde taucht ein verletzter Ausdruck auf seinem Gesicht auf, der jedoch genau so schnell wieder verschwunden ist, wie er aufgetaucht ist. Im selben Moment bereue ich meine Worte. War ich zu gemein? Stopp, daran darf ich überhaupt nicht denken. Mitleid ist das letzte, was Logan verdient hat.
"Du irrst dich, Kleines. Es ist mir aber egal, solange du machst, was Oscar von dir will", flüstert er dicht an mein Ohr. Diese Geste bringt mich total durcheinander.
"Du meinst wohl eher, was du von mir willst."
Er setzt wieder dieses selbstverliebte Lächeln auf. "Das auch."
Ich studiere sein Gesicht, denn eines steht Fest: Dieses Lächeln ist eine Mauer. Eine Mauer die er aufgebaut hat, damit niemand näher an ihn rankommt, als dass ihm lieb ist. Ich kenne mich damit aus. Vor meinen Eltern und auf all den Veranstaltungen mache ich nämlich dasselbe. Ich setzte eine Maske auf, die jeden Außenstehenden das denken lässt, was ich will. Anders überlebt man es nicht in unseren Kreisen mit all den stinkreichen Familien.
"Wo finden wir die 10 Riesen?", fragt Logan und holt mich damit aus den Gedanken. Verwirrt und peinlich berührt wende ich den Blick ab und bringe Distanz zwischen uns.
"Wir müssen in Dad's Büro. Aber es ist noch zu viel Personal im Haus. Wir können jeden Moment erwischt werden", antworte ich etwas zu spät.
"Ich stehe schmiere."
"Dann hoffe ich für dich, dass du besser als dein Kumpel bist." Der hat sich nämlich echt bescheuert angestellt.
Daraufhin fängt Logan an zu schmunzeln. Nicht eingebildet oder abschätzig. Es ist ein echtes Lachen. Ich versuche mich nicht anstecken zu lassen. Ich versuche es wirklich. Aber letztendlich kann ich ein winziges Lächeln nicht unterdrücken.
Bevor die Situation noch komischer wird, drehe ich mich um und laufe ins Zweite Stockwerk. Logan geht dicht hinter mir und ich rieche permanent seinen Duft nach Wind und Aftershave.
Vor der Tür bleibe ich stehen. "Du wartest hier. Sobald du Schritte hörst, sagst du mir bescheid. Verstanden?" Er nickt und ich verschwinde im Büro.
In der Mitte steht ein riesiger Schreibtisch. Ich weiß, dass Dad in einer der Schubladen Bargeld liegen hat. Sobald ich eigenes Geld habe, werde ich es einfach zurückpacken und niemand wird's bemerken.
Ich reiße jede einzelne Schublade auf, aber hinter jeder befinden sich nur Mappen und Unterlagen.
"Hast du's?", durchbricht Logans Flüstern die Stille. Ich habe mich so sehr erschrocken, dass mein Puls sofort in die Höhe rast.
"Nein!", rufe ich genauso leise hinterher.
Die nächste Schublade lässt sich nicht öffnen. Bingo. Das muss sie sein. Die Schlüssel hängen hinter einem unserer Familienportraitas an der Wand. Klischee, ich weiß. Mit zittrigen Fingern greife ich nach dem Bund. Es sind bestimmt über 20 Schlüssel. Shit. Mir bleibt nichts anderes übrig, als jeden einzelnen auszuprobieren.
Mittlerweile bin ich schon einige Minuten im Büro meines Vaters und ich werde von Minute zu Minute aufgeregter.
"Scarlett, da kommt jemand!", ruft Logan. Shit. Ich habe bereits die Hälfte der Schlüssel ausprobiert. So kurz vor dem Ziel gebe ich nicht auf.
Ich drehe mich zur Tür um und blicke direkt in seine weit aufgerissenen Augen. "Lenke die Person ab!"
"Wie das denn?"
"Mach einfach, ich bin gleich so weit", flüstere ich.
Mit einem genervten Stöhnen wendet er sich ab und verschließt lautlos die Tür hinter sich.
"Was machen Sie hier?", höre ich die Stimme einer der Angestellten. Es ist Dana, sie arbeitet als Putzkraft, ist Ende Zwanzig und die einzige Person neben meinem Vater, die das Büro zum Putzen betreten darf. Mit angehaltenem Atem versuche ich den passenden Schlüssel zu finden. Auf einaml öffnet sich die Schublade. Ich habe anscheinend den Richtigen gefunden.
"Hey." Antwortet Logan mit verführerischer Stimme. "Ich habe mich verirrt. Ich kann Scarletts Zimmer nicht finden. Sie wissen schon... Ihre Eltern sind gerade nicht da und wir haben etwas Zeit für uns Zwei. Bitte Dana, verpetze uns nich."
Mit offenem Mund bleibe ich mitten in meiner Bewegung stehen. Deutet er gerade an, mit mit Sex gehabt zu haben? Wenn meine Eltern davon mitbekommen, bin ich geliefert!
Dana kichert. "Natürlich nicht. Ich habe nichts gesehen. Kommen sie mit, ich bringe sie zurück."
Logans Antwort kann ich nicht verstehen. Bestimmt ist das auch besser so. Mit schnellen Handgriffen greife ich nach einem Bündel Hunderter. Anschließend warte ich einen Moment, bis die Luft rein ist und gehe lautlos in die Richtung meines Zimmers. Selbst vom Weiten höre ich das mädchenhafte Kichern von Dana und Logan.
Sein Charme hat mir gerade den Arsch gerettet.
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