Kapitel 12
Nachdem ich und Scarlett das Café verlassen haben, ist sie so schnell wie möglich mit ihrem Auto davon gefahren. Sie hat das Thema überraschend gut aufgenommen. Ich habe mit Geschrei, Rumgezicke oder Tränen gerechnet, aber nicht mit ihrer gefassten Art. Ich hätte es sogar verstanden, wenn Scarlett mir eine runtergehauen hätten. Ich erpresse sie nicht gerne und mir macht die ganze Sache keinen Spaß, aber mir bleibt schließlich nichts anderes übrig.
Am Freitag steht mein Erster Kampf an. Ich bin jetzt schon aufgeregt, selbst wenn es noch Tage hin ist. Ich hätte Oscar beinahe angefleht, dass er einen Anderen in den Ring schickt. Jemanden, der mehr Körpermasse besitzt. Ich habe mich erbärmlich gefühlt. Oscar hat mich stattdessen dreckig angelacht und mir gedroht, mich fertig zu machen, wenn ich nicht teilnehme oder gewinne.
Ein Kampf geht so lange, bis einer der Kämpfer KO auf dem Boden liegt und man darf sich nicht ergeben geschweige denn kneifen. Dieser Kerl fuckt mich so ab, dass ich ihm am Liebsten die ekelhafte Fresse polieren würde.
Ich bin sogar auf Scarlett sauer. Nicht weil sie so unsympathisch ist, denn das ist sie irgendwie nichtmal, sondern weil ich eifersüchtig bin. Eifersüchtig auf ihr Leben, ihre Freunde und ihre positive Art. Anscheinend hat selbst sie Probleme, denn ansonsten würde sie nicht im Hilten arbeiten, aber trotzdem würde ich gerne wenigstens für einen Tag mit ihr tauschen. Bisher haben mich dessen hohe Lebensstandards angeekelt, aber mittlerweile komme ich in meinem eigenen Leben nicht mehr zurecht. Zum entspannen greife ich nach Alkohol oder Gras, auch wenn ich weiß wie dumm das ist. Aber es hilft mir beim weiterzumachen. Es hindert mich daran, einfach aufzugeben.
Seufzend steige ich in meine eigene Rostkiste und fahre zurück nach Downtown. Oscar hat mich zu sich gerufen, damit ich ihm von meinem und Scarletts treffen berichten kann. Dass sie für mich die Kämpferliste manipulieren soll, werde ich nicht erwähnen.
Ich biege gerade auf den löchrigen Waldweg ab, als mir das baufällige Haus am Ende der Straße ins Auge fällt. Oscars Versteck und Hauptsitz. Hier werden die meisten Geschäfte abgeschlossen oder Pläne geschmiedet. Es ist einige Minuten von Downtown entfernt, sodass keiner in die Nähe kommt.
Ich steige aus und gehe auf das Gebäude zu. Die Stille die mich umgibt, ist beinahe beängstigend. Der abgelegene Parkplatz ist bis auf zwei weitere Autos leer, anscheinend sind heute die Meisten unterwegs. Ich öffne mit meiner Pinkarte die Eingangstür. Im selben Moment überrollt mich der Geruch von Gras, Zigaretten und abgestandener Luft.
Der enge Flur führt in Vier weitere Zimmer und hinter dem Wandregal befindet sich eine geheime Tür, die in den Keller führt. Dazu hat jedoch keiner außer Oscar zutritt. Ich will nicht wissen, was er dort unten anstellt. Leute betreten den Raum, aber nicht alle kommen unbeschadet wieder zurück.
Ich laufe schnurstracks auf das Büro am Ende des Gangs zu und Klopfe Vier Mal. Ein Zeichen, dass es einer von uns ist.
"Herein", ruft die kehlige Stimme meines Bosses. Quitschend öffnet sich die Tür und ich stehe vor einem riesigen Schreibtisch, hinter dem Oscar sitzt und ein Glas Scotch trinkt. Er deutet mit der Hand an, dass ich näher kommen soll. Eine unangenehme Stille breitet sich zwischen uns aus. Ich höre meinen eigen Herzschlag.
Oscar räuspert sich. "Hat das Mädchen zugestimmt?"
"Ja. Ich habe ihr erklärt was sie machen muss, wenn sie nicht auffliegen möchte", erkläre ich meinem Boss. Er stellt sein leeres Glas auf den Tisch und dreht sich zu mir um. Oscars linke Gesichtshälfte ist mit einer Narbe verziert, dessen Hintergrundgeschichte ich nicht kenne. Seine kalten Augen fixieren mein Gesicht und meine Nervosität steigt von Sekunde zu Sekunde.
"Das ist gut. Hast du schon für Freitag geübt?", fragt er mich mit durchdringendem Blick. Dabei kommt er auf mich zu und bleibt wenige Zentimeter vor mir stehen. Wie stellt er sich so eine Übung vor? Soll ich wahllos Leute verprügeln und hoffen, dass ich keinen umbringe?
"Nein, aber...", antworte ich etwas zu spät.
Oscar unterbricht mich. "Es gibt kein Aber, Logan." Seine Hände greifen nach meinem Krangen vom Shirt und drückt mich gegen die Wand. Für einen kurzen Moment fehlt mir Luft zu Atmen. "Ich vertraue dir. Aber wenn du diese Kämpfe nicht gewinnst oder wie eine Memme kämpfst, dann musst du mit den Konsequenzen leben. Verstanden? Ich gebe mich nicht mit Verlierern ab. Dafür ist meine Zeit zu kostbar. Und wenn du versagst, bloß weil du keine Zeit zum Üben hattest und dich lieber durch die Weltgeschichte fickst, dann wirst du mich auf eine Andere Art kennenlernen. Dann bin ich nicht mehr so nett wie jetzt." Mit einem heftigen Ruck lässt er mich los und wendet sich von mir ab. Dabei knallt mein Kopf gegen die Steinwand. Ein pochender Schmerz fährt durch meinen Schädel. Ich will automatisch die Augen zusammenkneifen, reiße mich aber zusammen. Die Genugtuung schenke diesem Typen keinesfalls. Nett? Was zum Teufel hat man Oscar in seiner Kindheit angetan, dass nett für ihn so aussieht. Der spinnt doch vollkommen.
"Natürlich, Boss." Noch nie in meinem Leben habe ich mich kleiner gefühlt, als in diesem Moment. Oscar hat die Kontrolle über mich und meine Familie. Ich sollte Oscar zeigen wie sehr ich ihn hasse und windelweich prügeln. Die Wut in mir wächst jeden Tag weiter ins unermessliche, an dem er sich in mein Leben einmischt.
"Das hoffe ich für dich. Bisher gefällst du mir nämlich und ich möchte nicht schon wieder einen Ersatz suchen müssen." Mir wird schlecht aber ich unterdrücke die aufkommende Übelkeit. "Ich habe außerdem noch einen Job für dich und Phil. Nächste Woche findet eine Benefizveranstaltung statt, wo sich die Reichsten der Reichen aufhalten. Dillan Sullivan ist auch auf der Gästeliste. Ich muss etwas mit ihm... klären. Holt ihn ab." Abholen heißt so viel wie entführen.
Eigentlich mache ich so einen Scheiß nicht mehr aber ich habe keine andere Wahl. Also nicke ich meinem Boss zu und gehe so schnell wie möglich aus seinem Büro.
Sobald ich in meinem Auto sitze, atme ich tief durch. Ich schaffe das. Ich hole mein Handy aus der Hosentasche und gehe auf meinen und Phils Chat.
Ich: Wir haben nächste Woche einen neuen Auftrag
Wenige Sekunden später trifft seine Antwort ein
Phil: Was ist es dieses Mal?
Ich: Wir sollen Dillan Sullivan abholen.
Phil: Langsam habe Ich darauf keine Lust mehr
Phil ist ebenfalls notgedrungen in Oscars Gang gelandet. Er brauch genau wie ich mehr Geld um seine Familie zu finanzieren
Ich: Ich auch nicht. Wir bringen es einfach schnell hinter uns und dann gucken wir weiter.
Phil: Okay
Ich: Hast du Bock auf ein Bier vorbeizukommen?
Phil: Klar, bin in Zwei Stunden da.
Ich schmeiße mein altes Handy auf den Beifahrersitz und fahre nach Hause.
Gegen Neun Uhr klingelt es an der Wohnungstür. Die letzten Stunden habe ich Filme geguckt und überlegt, wie ich aus der ganzen Sache aussteigen kann. Letztendlich bin ich nicht schlauer als vorher.
"Bro, was geht?", begrüßt mich Phil.
Ich lasse ihn in die Wohnung und verschließe die Tür hinter uns. Die Tür besitzt Drei Schlösser. In unserem Viertel der Stadt ist es gefährlich und man sollte als Frau nach Sonnenuntergang nicht mehr alleine in der Gegend umherlaufen. Mom und Hannah sind heute Abend bei unseren Großeltern zu besuch, weshalb wir die Wohnung für uns haben.
"Alles klar. Bin nur etwas gestresst", gestehe ich. Mit Zwei Flaschen Bier lassen wir uns aufs Sofa fallen und starten einen weitere Folge von Prison Break.
"Was wolltest du eigentlich heute bei Oscar?", durchbricht Phil die Stille. Bisher habe ich ihm noch nichts von den Kämpfen erzählt. Einerseits schäme ich mich, anderseits habe ich vor seiner Reaktion angst. Ich fahre mit frustriert durch die Haare.
"Ich soll am Freitag im Ring kämpfen." Die Worte sind raus und gleichzeitig wird mir erst richtig bewusst, was mir bevorsteht.
"Du sollst was?! Logan, das ist selbstmord!" Phil greift nach der Fernbedienung und stellt den Fernseher auf stumm. "Nicht, dass du nicht stark bist, aber gegen die Meisten der Typen hast du nur eine winzige Chance. So winzig wie das beste Stück von Jakob." Jakob ging in unsere Klasse und wurde für seine 5cm echt krass gehänselt. Wahrscheinlich hatten die Meisten keinen größeren.
"Ich weiß, deswegen habe ich auch Scarlett gebeten, die Liste so zu verändern. Dann muss ich nur gegen Rangniedrige kämpfen", antworte ich mit monotoner Stimme.
"Sind Scarlett und Blue dieselbe Person? Diese heiße Braut aus dem Hilten?"
Ich schnaube. "Ja." Phil fand Scarlett schon am Ersten Abend interessant aber weil Oscar selber gefallen an ihr gefunden hat, musste er die Finger von ihr lassen.
Phil wirft mir ein schiefes Grinsen zu. "Und mit gebeten meinst du nicht zufällig erpresst?"
Natürlich muss er mir das unter die Nase reiben. "Kann sein. Jedenfalls will Oscar jeden Donnerstag von Scarlett Zehntausend Euro haben, die er dann auf mich setzen kann. Und ich bin der Chauffeur und Babysitter"
Phil blickt mich mit großen Augen an. "Oh. Das ist scheiße."
Und wie!
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