Kapitel 4
- ein paar Tage nach dem Ball -
Heidi!", mache ich mehr oder minder auf meine Wenigkeit aufmerksam.
Die Gastgeberin schaut auf und mustert mich eine Zeit lang. Allmählich fühle ich mich unwohl. Früher war sie zu Anfang mehr als gewöhnungsbedürftig für unsere Jungstruppe, jedoch fing ich an sie zu mögen. Wir alle wussten auf Anhieb, sie war die Richtige für Peter. Seit sie sich kennen, können sie gar nicht ohne den anderen. Dann stiehlt sich ein breites, aufrichtiges Lächeln auf ihre Lippen und sie schließt die Arme um mich. „Wo hast du deine Schwestern gelassen?"
„Zuhause", antworte ich. Warum sollte ich die drei zu einem Treffen unter alten Freunden mitnehmen?
„Bring sie das nächste Mal doch gerne mit."
„Wird es denn ein nächstes Mal geben?", hake ich nach, ohne es böse zu meinen.
„Na, das hoffe ich doch. Das war längst überfällig. Schon seit Jahren habe ich versucht, Peter dazu zu überreden. Es ist viel zu lange her, dass wir uns gesehen haben."
„Das wäre schön. Ein weiteres Treffen meine ich", stimme ich ihr zu. Peter ist ein Glückspilz, denn mit seiner Freundin hat er den besten Fang gemacht. Heidi mit ihren dunkelbraunen Haaren, den ebenso braunen Augen, dem schlanken, hübschen Körper, dem freundlichen Lächeln, dem überdrehten, manchmal übertrieben freundlichen Charakter und dem Schweizer Akzent konnte nicht anders als jeden in die Arme zu fallen. Man könnte sagen, sie war wie der Schneemann Olaf, sie liebte Umarmungen. Wenn jemand sie nicht mochte oder sie das Gefühl bekam, dass jemand sie nicht mochte, ließ sie das nicht auf sich sitzen, nein, sie tat alles dafür, dass man sie mochte. Das konnte manchmal leider auch zum Problem werden. So war es jedenfalls immer in meinen Erinnerungen gewesen und mir schien sie nicht sehr verändert. Vielleicht war sie noch glücklicher als sonst. Der Peter wäre ein Idiot, wenn er sie gehen lassen würde. Obwohl ich nichts außer freundschaftlicher Gefühle für sie empfand, würde ich meinen damaligen Kumpel eigens verprügeln müssen, wenn er diese Dummheit begehen würde, sich von ihr zu trennen.
„Ich hörte, du gehst jetzt mit Anyas Tochter?"
„Ne, wir haben bloß ein Date."
„Aha, so so. Magst du sie?"
„Ich weiß es nicht. Wie ist das mit dir und Peter? Ihr seid doch zusammen, oder?", lenke ich ab.
„Sind wir, ja. Aber nicht ablenken, Freundchen, ich durchschaue das, auch wenn ich keine Polizistin bin."
„Noch bin ich ebenso kein Polizist."
„Aber ich bin mir sicher bald. Wenn man euch Jungs nicht annimmt, wären sie schön blöd."
Jemand, es ist natürlich Hunter, legt anschmachtend die Hände um Heidi. „Du bist heiß geworden, meine Schöne." Die lacht jedoch nur und schüttelt ihn höflich ab. „Vorsicht, oder willst du ein blaues Veilchen von Peter? Denk dran, er hat schon, bevor wir zusammen waren, Kämpfe für mich ausgetragen. Wovon ich zu Anfang nichts wusste."
„Meist verstehe ich nicht, wieso du dich für diesen Döddel entschieden hast."
Wieder lacht sie nur, dann umarmt sie Hunter. „Sag doch einfach, schön dich zu sehen, Heidi. Denn ich freue mich, dich zu sehen. Und he, ich dachte, du wärst gerade mit..."
„Nope, nicht mehr. Mein Herz gehört nur einer Person: Connor", unterbricht er mit dieser äußerst interessanten, unerwarteten Nachricht.
„Unserem Wolf? Du machst Witze. Weißt du denn gar nicht, mit wem er heute hier aufkreuzt? Mit dieser blöden Kuh, Prinzessin Superhochnäsig und zugleich beste Freundin von Nevis - Liora."
„Ich gebe die Hoffnung nicht auf", erwidert er mit einem so belustigten Unterton, dass ich es ihm kaum abkaufen kann. Doch wir werden je unterbrochen von Connor mit seiner Begleitung.
„Heini, hallo, das habe ich gehört. Vielen Dank, du, du..."
„Liora, bitte nicht", bittet der Wolf eben jene Begleitung.
„Mein Name ist Heidi, nicht Heini und ich sage nur die Wahrheit", kontert unsere Freundin. Überrascht wechseln Hunter und ich Blicke. Sie hat mit der Zeit mehr Wums bekommen, ihre niedliche Schüchternheit überwunden. Peter tat ihr gut, tut es noch immer und umgekehrt ist es wahrscheinlich genauso. Die zwei sind ein Traumpaar, waren es schon immer gewesen. Früher habe ich sie beneidet. Das zwischen ihnen war wahre Liebe. In Nevis' Gesicht hat sich der gleiche Neid widergespiegelt, wobei wir uns dennoch für beide gefreut haben, dass sie sich fanden.
Peter kommt zu uns und begrüßt erst die Jungs, dann streichelt er besänftigend über die Oberarme seiner Freundin und zu guter Letzt verbeugt er sich einer Prinzessin würdig vor Punzels Tochter. Hochnäsig wie sie ist würdigt sie ihn erst keines Blickes, aber Connor fleht sie mit den Blicken an und ihrer wird weicher. „Hallo und danke für die Einladung zu eurem lang ersehnten Freundetreffen."
Dem Anstand halber winkt Heidi ab. „Kein Problem, Prinzessin." Zur Überzeugung lächelt sie spitz. Ein unnormaler und vollkommen absurder Schachzug von unserer Freundin, die sonst um einiges netter ist, als sie sich gerade gibt. Anscheinend kann sie die Prinzessin wirklich nicht ausstehen.
„Zu eurer Freude kann ich noch sagen, dass mein Babe und ich auch noch einen anderen Freund von euch mitgebracht haben", verkündet die hochnäsige Prinzessin in Feierlaune. Am liebsten würde ich diese Prinzessin erwürgen. Diese blöde Kuh, Heidi hat es schon richtig ausgedrückt, ist erstens gemein zu einer von uns, außerdem hat sie es meines Erachtens nach nicht verdient, hier bei uns zu sein. Andererseits wurde uns in der Schule nur zu häufig beigebracht, den anderen eine Chance zu geben. Dabei sollte man sich selbst zwar nicht verletzen oder verlieren, aber eine Chance hat jeder verdient. Wenn man jemandem diese Chance verwehrt oder demjenigen an das abgrundtief Böse in sich glauben lässt, kann das gewaltige Folgen haben. Die besten Beispiele sind da wohl die Bösewichte. Ihnen allen wurde eine zweite Chance verwehrt, bei manch einem sogar die erste. Aber zurück zum Thema... Noch einen anderen Freund von uns? Was meint sie damit? Oh nein. Oh nein. Bitte sag nicht... Lennox Pan. Doch natürlich taucht genau der hinter ihr auf. War ja klar. Er und Nevis sind immer noch die besten Freunde, daran hat sich nie etwas geändert. Lennox bekommt ständig Dinge geschenkt - ein teures Auto, Markenklamotten, den Levelaufstieg auf der Beliebtheitsskala. Ich hätte das alles zwar wahrscheinlich auch haben können, aber ich wollte es nicht. Meine Familie war und ist das Wichtigste für mich. Kein Ruhm, kein Geld könnte das je ändern.
„Hey, Leute", zu meinem Leid begrüßt dieser schleimige, Freunde stehlende Macho uns der Reihe nach. Bei Liora fängt er mit einem Handkuss an, denselben vollzieht er unter grimmigen Blicken von Peter bei Heidi, danach klatscht er mich und die anderen Jungs ab. Die anderen scheinen sich ebenfalls nicht über den neuen Gast zu freuen, jedoch können die es besser verbergen. Also versuche ich mich ebenso an einem aufgesetzten Lächeln. Während die anderen sich auf die Getränke stürzen, warte ich etwas abseits von allen. Ob ich lieber nach Hause gehen sollte? Es sind so viele Jahre vergangen, da kann man doch gar nicht mehr von Freundschaft reden. Oder?
Mich tippt jemand an der Schulter an. Am Geruch nach einer Wiese im sommerlichen Wald erkenne ich Hunter. Ich nehme den Duft tief in mir auf. Hunter gibt mir einen blauen Pappbecher. „Deine Lieblingsfarbe mit einem rosanen Strohhalm. Worüber zerbrichst du dir dein hübsches Köpfchen?" Hatte er hübsch gesagt? Ja, er hatte definitiv hübsch gesagt. Geschmeichelt färben sich meine Wangen rot. Wie verräterisch. Ich stehe nicht auf meinen Kumpel aus alten Zeit. Punkt. Aus. Ende. Schluss. „Ist das Alkohol?"
„Nein. Ja, natürlich ist das Alk. Ich will dein Gesicht sehen, wenn du es erneut vor Widerlichkeit verziehst", macht er sich quasi über mich lustig.
„Widerlichkeit? Gibt es das Wort überhaupt?"
„Jo, gibt es."
„Woher willst du das denn wissen? Hast du das im Internet recherchiert?", gehe ich auf Nummer sicher.
„Klar, habe ich das, Schlauberger. Nein, habe ich nicht. Bin ich bekloppt? Also worüber hast du gerade nachgedacht?"
„Darüber, dass es dich nichts angeht."
„Oha, der Klugscheißer wird schlagfertiger, gefällt mir. Wo hast du das gelernt? Bei einer deiner Schwestern? Bei wem, hä, Trude, Walda oder Hilde?"
„Von niemanden. Ich habe bloß über diese Freundschaft nachgedacht, über Lennox."
„Der ist nervig", wirft der Typ weniger hilfreich ein. Als ob ich das nicht bereits wüsste.
„Du auch. Sag mal, bist du wirklich in den Wolf verknallt?", frage ich ihn interessiert.
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