Kapitel 21 - Connor
Unmittelbar vor dem riesigen Schloss mit den blauen Turmspitzen und den ebenso blauen Fähnchen hält der Bus. Obwohl hier genau genommen keine Haltestelle ist, lässt uns der Busfahrer hier heraus. Für ein schnelles Telefonat mit der Königin entferne ich mich von Merida, jedoch nicht ohne sie aus dem Blickfeld zu verlieren. Nicht, dass sie mir noch umkippt. "Cindy, hallo."
"Conni, mein Lieber, bist du das?"
"Ja, ich bin's. Wer sollte ich denn sonst sein, Eure Majestät?", ärgere ich sie ein wenig.
"Du Scherzbold. Was kann ich für dich tun? Wie geht es Merida?"
"Merida geht es soweit ganz gut, denke ich. Wir stehen vor dem Schloss. Sie möchte nicht zurück zur Schule, aber auch nicht zu ihren Eltern. Ich hoffe es ist okay, dass ich ihr angeboten habe, mitzukommen."
"Natürlich ist das okay. Du weißt, deine Freunde sind immer willkommen bei uns."
Ja, das weiß ich. Cinder ist für mich wie eine zweite Mutter. Das sollte meine Mutter jedoch besser nicht erfahren, wobei sie es sich wahrscheinlich bereits denken kann. Doch, was sie dabei ebenfalls wissen müsste, ist, dass ich sie immerzu mehr lieben werde als die Königin. "Das weiß ich, aber du solltest langsam wissen, dass ich lieber frage, weil das nun mal ein Punkt der Höflichkeit ist. Außerdem solltest du wissen, dass wir Merida heute nicht auf die Nachricht der Ärztin ansprechen werden. Das kannst du von mir aus morgen machen. Heute werden wir ihr zeigen, dass jemand sie liebt, dass sie nicht alleine ist... sowas halt. Morgen reden wir mit ihr darüber. Ist Brietté gerade bei dir?"
Ich höre förmlich wie die Königin die Stirn runzelt. "Natürlich ist sie das. Heute steht unser tägliches Kaffeekränzchen an, schon vergessen, Juniorwolf?"
Nein, das habe ich nicht vergessen. Wie könnte ich auch ihr tägliches Kaffeekränzchen, bei dem sie nur Früchtetee schlürfen und köstliche Kekse futtern, wodurch das gesamte Schloss in diesen süßlichen Duft eingehüllt ist, vergessen?
"Nicht bös an dich gemeint, Brietté, aber wäre es möglich, dass du morgen wiederkommst?", frage ich. Wie immer weiß ich, dass, sofern ihr Kaffeekränzchen ansteht, die Vierte Fee jedem Gespräch lauscht.
"Warum sollte sie?", möchte die Königin von mir wissen.
"Ihr wisst doch beide wie Merida zu Magie steht...", erkläre ich kurz und knackig.
"Mach dir keine Sorgen, Jungchen. Ich werde gehen.", beschwichtigt die Vierte Fee.
"Ach Ja und Merida ist schwanger...", verkünde ich, damit beide wissen, wieso ich einen derartigen Heckmeck um die ganze Sache mache.
Auf der anderen Seite höre ich beide Frauen zischend einatmen. "Von dir?"
"Das Kind ist von ihm. Elbereth hat mir eben geschrieben", antwortet die Fee für mich.
"Du weißt, dass deine Mutter davon erfahren muss, Conni", mahnt Cindy.
"Das weiß ich und sie wird es erfahren. Morgen. Oder wenn es heute klappt. Mal sehen."
"Ich gehe dann mal zu Aurora. Das arme Kind... Wie konnte uns das nur passieren?"
Mitfühlend spreche ich in den Hörer: "Du und deine Schwestern könnt nichts dafür. Das ist die Schuld von diesem ekelhaften König, der sich meiner Meinung nach seinen Titel nicht verdient hat."
Von der Stelle her, wo ich Merida abgestellt habe, kommen Würgegeräusche. Mit einer raschen Entschuldigung beende ich das Gespräch. Ich laufe zu der Rothaarigen. Diese beugt sich gerade über den nächstbesten Gartenzaun, um ihren Mageninhalt loszuwerden. Ich eile ihr zur Hilfe, indem ich ihre Haare in ihrem Nacken zusammenhalte. Danach helfe ich ihr, sich selbst wieder aufzurichten. Das Ganze verläuft ohne Worte. Wahrscheinlich ist ihr das mehr als peinlich so wie ich sie kenne.
"Connor, ich will das nicht."
"Was willst du nicht?", hake ich sichtlich verwirrt nach.
"Das", dabei deutet sie auf mich und sich. "Du bist doch nur so nett zu mir, weil ich vermutlich schwanger von dir bin."
"Ja, okay, ich möchte keine Abtreibung, dennoch bin ich nicht deswegen nett zu dir. Ich mag dich. Wie oft soll ich das noch sagen? Bist du jetzt zufrieden? Was willst du von mir hören?! Dass ich das Kind nicht will, nur weil es von dir und mir ist?"
Ich möchte das Kind. Ja verdammt, ich will keine Abtreibung. Von mir aus müsste sie sich auch nicht um das Kind kümmern. Das würde ich machen. Aber meine Güte versteht sie denn nicht, was es bedeutet, dass sie jetzt ein Lebewesen in sich trägt. Ich muss die ganze Zeit mich anstrengen, nicht auf ihren Bauch zu starren und das Baby zu ertasten. Ich hätte nie gedacht, dass das so schwierig sein kann.
"Nein."
"Doch genau das ist das Problem, richtig?"
Bevor wir dazukommen, weiter darüber zu diskutieren, kommt Cinderella in ihrer Lieblingslatzhose und ihren blauen Gummistiefeln mit den weißen Herzchen, die vom weiten Aussehen wie Punkte, zu uns. "Hallihallo ihr zwei Täubchen. Kommt doch rein."
"Hallo, Eure Majestät."
Spielerisch schlägt mir die Königin auf die Schulter, dann macht sie komische Bewegungen mit ihrer Hand, um uns zu bedeuteten, ihr ins Innere des Schlosses zu folgen. Im Inneren erwartet uns oder wohl eher ursprünglich mich, jetzt jedoch die waschechte Prinzessin, meine kleine Schwester gefolgt von dem niedlichen American Cocker Spaniel. "Ylvie kennst du ja. Das ist Susi", stellt die Königin ihre beiden Schätze vor. Ja richtig gehört, Cindy liebt Ylv.
Eingehend schaut der Rotschopf sich den Hund mit dem hellen Fell und den fast roten Ohren an. Dieser wedelt freudig mit dem Schwanz. "Ist das die Susi aus Susi und Strolch?"
"In der Tat. Wusstest du das nicht? Strolch tollt dort hinten im Garten irgendwo herum", geistesabwesend deutet meine Lieblingskönigin in die ungefähre Richtung. Nachdem Charming das Aschenputtel heiratete, kaufte er ihr einen Hund. Das war Susi. Doch wie auch in der Geschichte der beiden Hunde wurde die Königin schwanger und vergaß sich um die arme Hündin zu kümmern. Dann, als bei Cinder die Wehen einsetzten, vertrauten sie das Tier der Stiefschwester an. Diese war jedoch noch immer hinter dem König Charming her, weswegen sie den Hund aus den Augen verlor, sodass Susi in die Fänge von Drizellas Siamkatzen geriet. Dadurch hatte sie heftige Kratzer und lief fort. Den Rest der Geschichte kennt man eigentlich. Susi trifft auf Strolch. Die beiden verlieben sich und retten das Baby von Susis Frauchen, wobei der Regisseur sich da etwas ausgedacht haben wird, denn Oussama, Cinders Sohn, starb leider sehr früh nach der Geburt. Außerdem stellte sich die Ratte als nicht gefährlich raus, denn es war bloß Emile aus Ratatouille, der bei der Königin auf etwas zu essen hoffte. Aber wie das nun mal so ist, sieht jeder eine Geschichte anders. Jeder hat eine andere Überbringung. In Dornröschen zum Beispiel weiß jeder, dass es ein märchenhaftes Happy-End mit Kuss und allem gibt, doch in Wirklichkeit erwachte die schlafende Prinzessin Aurora de Rosé durch den Schrei ihres Kindes, welches sie gebar, weil der Prinz sie vergewaltigt hatte. Genau genommen gebar sie Zwillinge. Das ist auch der Grund, warum sich Brietté oft die Schuld gibt. Sie liebt die hübsche Prinzessin wie ihr eigenes Kind genauso wie Cinderella, doch erstere baut immer mehr ab, isst nichts mehr und so weiter. Meine Güte, ich fühle mich durch die Zeitungen, die ich mit Ylv lese, zusehends schlauer. Das ist der Wahnsinn.
"Soll ich dir Strolch zeigen?", meine kleine Schwester nimmt Meridas Hand. Merida verzieht ihr hübsches Gesicht. "Lieber nicht. Trotzdem danke für das Angebot." Ich sehe wie schwer es ihr fällt, dennoch setzt sie ein gequältes Lächeln meiner Schwester gegenüber auf. Dankbar schenke ich beiden ein Lächeln. Ich nehme dem Rotschopf eine Entscheidung ab, ziehe sie an meiner Mutter vorbei in mein Zimmer.
Auf halben Treppenabsatz bleibt die wilde Prinzessin plötzlich stehen. Trotzdessen, dass es ihr schlecht geht, wippen ihre feuerroten Haare auf und ab, stehen in sämtliche Richtungen ab. Sie stemmt die Hände in die Hüften. "Darfst du Strolch mit in dein Zimmer nehmen?"
"Ich denke schon. Wieso?", würde ich vorher gerne von ihr erfahren. Bestimmt kommt gleich irgendsoein doofer Spruch von ihr, der mich ganz kirre macht. Wie immer. Man sollte meinen, langsam habe ich mich daran gewöhnt. Nope, habe ich nicht. Vielleicht mag sie Hunde mehr als Menschen. Ich würde es verstehen. Zu meiner riesigen Überraschung sagt sie genau das, dass sie Hunde lieber mag, doch Susi ist ihr zu perfekt. Wahrscheinlich hofft sie, dass Strolch hingegen besser zu ihr passt, wo er der Geschichte nach zu Folge doch ein Straßenköter war. Von wegen einmal Straßenköter, immer Straßenköter.
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