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«Erzähler«
„Min Yoongi ist so doof! So doof! Ich kann ihn...nicht ausstehen...!", schrie Jimin lauthals heraus.
Yoongi kniff die Augen angestrengt zusammen, während er versuchte den Jüngeren auf den Füßen zu halten und gleichzeitig durch seine Apartmenttür zu zwängen. Der Silberhaarige setzte torkelnd und willkürlich einen Fuß vor den anderen, schwankte dadurch mal übertrieben nach rechts und dann mal übertrieben nach links. Zudem zerrte er Yoongi durch seinen festen Griff in dessen Oberteil mit sich, bis der Ältere befürchtete, er könnte jeden Moment obenherum nackt sein.
Als der Schwarzhaarige es schaffte, den anderen in das Innere seiner Wohnung und in das Wohnzimmer zu bringen, was fünfmal länger dauerte als für gewöhnlich, setzte er ihn vorsichtig auf das Sofa ab. Selbst dann, als Jimin sicher saß, ließ er ihn nicht los, weshalb Yoongi widerwillig vor ihm in die Hocke gehen musste.
„Jimin. Sagst du mir jetzt deine Adresse, damit ich dich nach Hause bringen kann?", fragte er den anderen.
Dieser runzelte die Stirn und starrte ihn aus zusammengekniffenen Augen an. „Wer bist du?"
Yoongi sah ihn etwas hilflos an.
Jimins Miene verfinsterte sich und er ließ ihn endlich los, nur um seinen Zeigefinger anklagend auf ihn zeigen zu können. Seine Pupillen waren groß und zogen sich trotz des Lichtes kaum zusammen. Ein Zeichen, dass er unter starkem Alkoholeinfluss war.
„Du! Du bist nicht Min Yoongi, oder!?", rief er, wobei ihm nach jedem zweiten Wort ein Schluckauf entwich.
Yoongi antwortete nicht, sondern guckte ihn lediglich an.
Aufgrund des Mangels einer richtigen Reaktion stieß Jimin einen bockigen, gleichgültigen Seufzer aus und ließ sich nach hinten gegen die Sofalehne fallen. „Du bist es besser nicht. Ich mag ihn nämlich nicht."
„Warum magst du ihn nicht?" Yoongi hatte den Kleineren zu Beginn einfach sein lassen wollen, da es offensichtlich war, dass er nicht wirklich zugänglich war. Doch er konnte nicht anders als diese Frage zu stellen.
Es schienen sich nur noch mehr Falten auf der Stirn des Silberhaarigen bilden. „Warum? Weil er eben Min Yoongi ist...!"
„Was hat Min Yoongi getan?"
Für einen Moment stutzte er, als müsste er tatsächlich erst nach dem Grund suchen, aber dann verschränkte er wie ein beleidigendes Kind die Arme vor der Brust, die Beine kurz trotzig auf den Boden aufgeschlagen. „Er irritiert mich!"
Nun war es jedoch Yoongi, der irritiert war. Mit großen Augen starrte er den anderen an, und konnte sich noch gerade so davon abhalten, verwundert seinen Finger auf sich selbst zu zeigen.
„Warum?"
Jimin verengte seine Augen skeptisch und lehnte sich auf einmal zu ihm nach vorne. „Bist du nicht doch Min Yoongi?"
Der Schwarzhaarige hielt inne.
Bevor er etwas erwidern konnte, schüttelte Jimin bereits heftig den Kopf. Yoongi erstarrte, als seine Wangen zwischen den kleinen Händen zusammengequetscht und geknetet wurden.
„Nein, du kannst nicht er sein. Yoongi sieht vieeeeel besser aus als du." Seine Brauen hatten sich entspannt und seine Lider hingen schwermütig über seine müden Augen.
In Yoongis Brust wurde es warm. Er schenkte oberflächlichen Komplimenten für gewöhnlich keine Aufmerksamkeit, aber von Jimin gefielen sie ihm. „Er sieht...gut aus?"
Jimin nickte eifrig und entgegnete: „Sehr!"
„Wieso magst du ihn dann nicht?"
„Ich habe doch gesagt, dass er mich irritiert!" Jimin schob seine Unterlippe schmollend nach vorne, als wäre er frustriert, dass man ihn nicht verstand.
„Warum irritiert er dich? In welchem Sinne?", fragte Yoongi weiter.
Jimin schluckte und senkte sein Kinn ein wenig, sodass er sein Gesicht beinahe in seinen verschränkten Armen vergrub, woraufhin er so aussah, als wäre er eingeschlafen. Allerdings hob er im nächsten Augenblick auf schon wieder den Kopf. Doch sein verlorener Blick blieb in seinen Augen bestehen.
„Er bringt alles durcheinander. Ich wollte mich...nie wieder so fühlen. Ich..." Jimin verzog das Gesicht zu einer verletzlichen Miene. „Ich kann...darf ihn nicht mögen. Nie wieder... Nie wieder."
Er schüttelte langsam den Kopf und drückte seine Arme näher an seinen Oberkörper heran, als wollte er so klein werden, bis er sich auflösen könnte.
Yoongi wurde aus den einzelnen Fetzen seiner Worte nicht schlau. Das Bedürfnis noch mehr Fragen zu stellen und sich noch näher heranzuwagen, war so unbeschreiblich groß, aber Jimin so fragil vor sich zu sehen, hinderte ihn daran, mögliche Grenzen zu beschreiten.
„Komm, ich bringe dich ins Bett", sagte er schließlich sanft.
Jimins Augen waren mittlerweile immer wieder zugefallen und er hatte größte Mühe sie offenzuhalten.
Kurzerhand schob Yoongi seinen einen Arm unter seine Kniekehlen und den anderen unter seinen Rücken. Er trug ihn sachte hoch, woraufhin dessen Kopf gegen seine Brust fiel. Jimin wehrte sich nicht und ließ sich ins Schlafzimmer bringen, während er bereits eindöste und nichts mehr von der Außenwelt mitbekam. Er versank in die Welt der Träume, die wie unsichtbare Schlieren an ihm zerrten.
_____
„Jimin, lass uns das beenden."
Er hatte vor einer Sekunde noch seelenruhig gestrahlt, doch innerhalb des Bruchteils einer Sekunde fielen seine hochgezogenen Mundwinkel hinunter. Jimin setzte sich mit entrüsteter Miene im Bett auf, die Decke rutschte von seinem nackten Körper herunter und entblößte seinen Oberkörper, der von zahlreichen rötlichen Flecken und Bissspuren bedeckt war.
„Hyung, was... W-Was hast du gesagt...?", fragte er atemlos.
Der Braunhaarige, der am Ende des Bettes stand, schaute mit einem seltsamen Ausdruck auf ihn herunter. Auf seinem Gesicht war zu erkennen, dass es ihm schwerfiel die richtigen Worte zu finden. Er sah so aus, als würde er sich am liebsten wortlos herumdrehen und davongehen, ohne etwas erklären zu wollen. Doch aus Pflichtgefühl war er indirekt gezwungen, dort zu stehen.
„Ich... Ich mache dieses Jahr meinen Abschluss und werde danach auf die Uni gehen. Es wird stressig sein. Ich werde nicht mehr so viel Zeit für dich haben."
Jimin atmete erleichtert auf, ein kleines Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Ist das alles, Hyung?"
Der andere schaute ihn unberührt an.
Jimin erhob sich von dem Bett, das Laken fiel zu Boden, sodass die Spuren ihrer wilden Nacht nun überhaupt nicht mehr verborgen waren.
„Ich dachte, es wäre etwas Schlimmes passiert. Das ist doch kein Grund, sich zu trennen, oder? Wir bekommen das hin, Hyung. Ich bin geduldig." Jimin war vor ihm angekommen und schaute mit glänzenden Augen zu ihm hinauf, die Hände auf seine Brust abgelegt.
Doch zu seiner Verwunderung, wurde seine Hände weggenommen und der Braunhaarige trat einen Schritt von ihm weg. Seine Brauen waren beinahe genervt zusammengezogen.
„Hyung...?"
Er stieß einen lauten Seufzer aus und fuhr sich frustriert durch seine Haare. „Wie anstrengend."
Jimins Augen weiteten sich, als er den harschen Ton seines Freundes hörte. In den zwei Jahren, die sie nun zusammen waren, war dies das erste Mal, dass er ihn so missgelaunt erlebt hatte. Daher bekam er das Gefühl, dass es sein Fehler war. Dass er etwas falsch gemacht hatte.
„Hyung, falls ich etwas getan habe... Falls ich etwas getan habe, was dich unglücklich gemacht hat, dann tut es mir leid...!", stammelte er voller Besorgnis.
Doch diese Worte machten den Älteren nur gestresster. „Wie naiv kannst du sein? Ich habe schlichtweg keine Lust mehr auf dich!"
Jimin hatte Gefühl sich verhört zu haben. „W-Was hast du gesagt? Ich...Ich dachte, wir lieben uns...?"
Nun lachte der andere und stieß abwertend hervor: „Oh ja, ich habe dein unschuldiges Mittelstufen-Ich geliebt. Es war so offensichtlich, dass du Interesse an mir hattest. Jedes Mal, wenn deine Augen mir nachgehangen haben. So naiv und völlig unsicher über seine eigene Sexualität. Und dann dachte ich mir, warum nicht? Du siehst süß aus, dein Hintern ist nett und du hörst auf alles, was ich sage, ohne etwas zu hinterfragen und-"
„Hör auf! Hyung, nimm das zurück!", schrie Jimin schweratmend. „N-Nimm... Nimm das z-zurück...!"
„Bei deinem ersten Kuss warst du so schüchtern und unbeholfen, dass ich mich fast wirklich in dich verliebt hätte." Er zuckte mit den Schultern. „Dein erregtes Stöhnen unter mir, als ich das erste Mal in dich eingedrungen bi-"
„Hör sofort auf!! Hör auf. Bitte...B-Bitte Hyung..."
Der Ältere stieß ein amüsiertes Lachen aus. „Jimin. Du willst es nicht verstehen, oder? Die letzten zwei Jahre habe ich deinen Körper geliebt. Nicht dich. Und jetzt, wo ich an die Uni gehe, werde ich genügend Spaß finden. Ich brauche dich nicht mehr."
Jimin schüttelte nicht einsehen wollend den Kopf, bittere Tränen liefen aus seinen geröteten Augen. „A-Aber warum warst du die letzten zwei Jahre, die wir ein Paar gewesen waren, dann...so liebevoll zu mir gewesen...? Es war Liebe. I-Ich habe es mir doch nicht eingebildet. Ich habe dich geliebt und du... D-Du hast mich geliebt."
„Ich wusste, dass du eine Person bist, die nur ein bisschen Liebe braucht, um bei drei zu springen. Eine kleine Geste und du hast dich auf alles eingelassen, was ich wollte. Für einen Anfänger bist du ein verdammt guter Buttom. Aber ich hatte meinen Spaß. Danke für zwei letzte Oberstufenjahre mit aufgeregtem Sex."
Jimin starrte ihn entsetzt an, als er sich umdrehte und das Motelzimmer verlassen wollte, unfähig sich zu regen oder etwas loszuwerden.
Bevor der Braunhaarige allerdings endgültig aus dem Raum verschwand, drehte er sich halb herum und sagte: „Vielleicht bleiben die Knutschflecken und Bissspuren dieses Mal länger. Dann kannst du dich an mich erinnern."
Als die Tür zufiel, atmete Jimin in kurzen Abständen, ehe er aufschrie. Sein Schrei hallte durch das ganze Zimmer und war vermutlich auch durch die Wände des Motels zu hören. Es war ein verzweifelter, schmerzerfüllte Schrei.
Er lief zum Spiegel und starrte sich verstört an. Unkontrollierte Schluchzer kamen aus seinem Mund. Seine Finger kribbelten bei dem Anblick seines nackten Körpers, der ihm nun so befleckt vorkam. Ehe er sich versah, kratzte er sich über die Haut und hinterließ dunkle, rote Schlieren, bis sein gesamter Körper brannte.
Anschließend stolperte er mit zerzaustem Haar, unordentlich übergezogener Kleidung aus dem Motel heraus. Seine Beine führten ihn nach Hause.
Als er in die Haustür einstürmte, saßen seine Eltern gerade am Fernseher. Sie sahen ihn mit großen Augen an.
„Jimin?"
„E-Er hat mich verlassen...! Er hat mich nur benutzt!" Jimin weinte und ließ sich kraftlos auf die Knie fallen.
Doch statt einer warmen Umarmung und tröstlichen Worten, stellte er geschockt fest, dass sowohl seine Mutter als auch sein Vater ihn mit einem Blick beäugten, in dem sich...Ekel widerspiegelte.
Sein Vater kam auf ihn zu stampft und packte ihn plötzlich am Kragen, sodass er auf die Füße gezwungen wurde. Der Stoff seines Oberteils bohrte sich in seinen Nacken, mehr Tränen traten aus seinen Augen.
„A-Appa...?"
„Wer ist Er??!", brüllte er ihn an.
„I-Ich...! I-Ich... M-Mein Freund..." Jimin versuchte durch seine Nase zu atmen, da seine Kehle in diesem Moment wie zugeschnürt war.
In dem ganzen Herzschmerz und dem Verlangen nach Trost hatte er vergessen oder eher es einfach nicht als wichtig erachtet, dass er seinen Eltern noch nichts von seiner Beziehung mit einem Jungen und seiner Sexualität erzählt hatte. In den letzten zwei Jahren hatte er aus Sorge, dass sie unglücklich mit ihm sein könnten, nichts erwähnt, aber insgeheim hatte er doch immer daran geglaubt, dass seine Eltern ihn so sehr lieben würden, dass sie anfangs zwar geschockt sein könnten, ihn aber dennoch noch wie ihren Sohn behandeln würden.
Jedoch sah der wutverzerrte Ausdruck seines Vaters und die zutiefst entsetzte Miene seiner Mutter nun ganz anders aus.
„Jimin...du bist schwul?", fragte seine Mutter heiser.
„I-Ich... J-Ja, ich-"
Bevor er weitersprechen konnte, hallte ein schallender Laut durch das Wohnzimmer.
Jimin erstarrte.
Sein Vater hatte ihn geschlagen.
Mitten in sein Gesicht. Fest.
Etwas Feuchtes lief seine Nase herunter und floss durch seine zitternden Lippen. Der Geschmack von Eisen erfüllte seinen Mund.
Es war Blut.
„Appa!"
„Du wagst es eine verdammte Schwuchtel zu sein!?"
„Ich habe es mir nicht ausgesucht! I-Ich dachte, ihr würdet mich trotzdem-"
„Dich trotzdem lieben?! Du bist krank. Du bist widerlich! Ich habe keinen schwulen Sohn wie dich!"
Jimin starrte ihn entgeistert an. „Ich bin immer noch dein Sohn! Als Mensch habe ich mich nicht zu heute Morgen geändert. Da war ich nämlich auch schon schwul!"
Eine weitere Ohrfeige folgte.
So hart, dass sein Kopf zur Seite schwang.
Jimin wollte zu seiner Mutter schauen. Nach ihrem Mitleid und ihrer Unterstützung sehnend. Aber diese guckte ihn so an, als hätte sich ihr Sohn zu einem Monster verwandelt.
Im nächsten Augenblick machte er auf dem Absatz kehrt und stürmte aus dem Haus heraus. Hinter ihm hörte er seinen Vater schreien und seine Mutter weinen. Doch schon bald rückten diese Laute in den Hintergrund und lediglich ein stechender Schmerz blieb in seinem Herzen zurück.
Seit jenem Tag war alles anders.
Das Verhältnis zu seinen Eltern war gestört, kalt und gehässig. Und seine komplette Art Beziehungen zu führen und seine Sexualität auszuleben, wurde um 180 Grad gewendet. Auch seine Persönlichkeit hatte er seit jeher in einen schützenden Mantel umwickelt, um nie wieder verletzt zu werden.
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