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» Jungkook «
Ich speicherte das Excel Dokument, schloss es sowie die anderen Programme und Tabs, die ich noch offen hatte, und fuhr den Laptop herunter. Mit einem befreiten Seufzer ließ ich in meinem Stuhl nach hinten fallen, sodass die Rücklehne nachgab, die Arme über meinem Kopf ausgestreckt, als würde ich mich dehnen.
„Gute Arbeit heute!", rief ein Mitarbeiter durch die Runde.
Einige Kollegen stießen ebenfalls jubelnde Laute aus. Das Geräusch von entkoppelten Laptops, aufschließenden Reißverschlüssen der Laptoptaschen und von zurückgeschobenen Drehstühlen erfüllte das Großraumbüro.
Beomgyu hatte seine Sachen bereits fertig gepackt und stand mit seiner Tasche gähnend zwischen Yeonjuns und meinem Tisch. „Wieder einen Tag geschafft."
„Hyung, möchtest du mit uns essen gehen?", fragte Yeonjun und schwang sich seine Tasche ebenso über die Schulter.
Ich lehnte dankbar ab: „Nein, danke. Ich werde lieber direkt nach Hause gehen. Es...war ein anstrengender Tag."
Die beiden Werkstudenten wechselten sorgenvolle Blicke miteinander aus.
Obwohl Jin diskret geblieben war und niemand so richtig wusste, was zwischen Seomin und mir vorgefallen war, konnten die meisten trotzdem von allein darauf schließen, dass etwas passiert war. Immerhin lieferte meine gerötete Wange den eindeutigen Beweis.
Diese hatte nach einer Weile nicht mehr geschmerzt und ich durfte auf die Kühlkompresse verzichten. Jin hatte mir nach unserem Gespräch sogar angeboten, einfach für heute Schluss zu machen, um mich auszuruhen, aber da ich der Meinung war, dass es mir physisch als auch psychisch an nichts fehlte, blieb ich.
„Dann ein anderes Mal", meinte Beomgyu und ich nickte lächelnd.
Anschließend verließen wir unser Stockwerk und fuhren hinunter ins Erdgeschoss. Als wir draußen vor dem Unternehmensgebäude ankamen, zerstreute sich unsere Gruppe. Jeder ging seinen eigenen Weg.
Ich drehte meinen Kopf nach rechts und links und entdeckte Taehyung auf einer Bank neben dem Eingang sitzen. Seine Hände waren in den Taschen seiner Anzughose vergraben, während er den Kopf in den Nacken gelegt hatte und hinauf in den Himmel schaute. Das Jackett lag neben ihm auf seiner Tasche, die zwei obersten Knöpfe seines Hemdes waren offen.
Der Hochsommer war da.
Ich lief geräuschlos auf ihn zu und stellte mich vor ihn.
Als mein Gesicht über seinem auftauchte, lächelte er zunächst, doch dann fiel ihm auf, dass meine linke Backe leicht angeschwollen war. Nur ganz wenig, aber da der Schwarzhaarige mich jeden Tag mindestens acht Stunden zu sehen bekam, bemerkte er solche kleinen Veränderungen.
Sein Lächeln erstarb und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Was ist passiert?"
Ich lachte leise und setzte mich neben ihn. „Der Typ, den ich gestern abgewiesen habe, hat uns beide gesehen. Er...wollte mich damit erpressen und hat mir gedroht, es jedem zu erzählen, wenn ich ihm nicht einen Gefallen tue..."
Taehyung musste nicht einmal wissen, um was sich dieser Gefalle handelte, um wütend zu werden. Ich konnte spüren, wie er ich neben mir verkrampfte.
„Ich habe mich gewehrt und ihn wegschubst. Da hat er mir...eine Ohrfeige gegeben..."
„Er hat dich geschlagen!? Wo ist dieser Kerl jetzt??" Er war aufgesprungen und hatte seine Hände zu Fäusten geballt.
Ich umschloss mit meinen beiden Händen seine eine Hand und versuchte ihn zu besänftigen. „Tae, er ist weg. Jin Hyung hat ihn gefeuert."
Taehyung beruhigte sich ein bisschen, aber der Gedanke, dass Seomin Hand an mich gelegt hatte, ließ seinen Zorn nicht komplett verblassen. Doch wegen meiner willen atmete er tief ein und aus und setzte sich wieder neben mich.
„Was ist mit dir? Tut es noch weh? Kann ich irgendetwas tun?", fragte er bekümmert und legte seine Hand vorsichtig an meine Wange.
Ich schüttelte den Kopf. „Es tut nicht mehr weh. Mach dir keine Sorgen."
Taehyungs Miene war immer noch finster, als er nachfragte: „Geht es dir gut?"
„Mir geht es gut. Wirklich." Ich drückte seine Hand fester. „Natürlich hatte ich Angst, und ich habe mir Sorgen gemacht, dass wir gefeuert werden können, wenn man erfährt, dass wir in einer Beziehung sind. Aber Jin Hyung hat mich beruhigt. Er behält es auch so lange für sich, wie wir wollen."
Er nickte verstehend. „Dann sollte ich mich auch mal bei ihm bedanken. Ich bin erleichtert, dass er nach dir sieht."
Auch ich nickte.
Für eine Weile sagte keiner von uns beiden etwas.
Dann öffnete Taehyung seinen Mund und schlug heiter vor: „Wie wäre es, wenn wir morgen nach der Arbeit in den Freizeitpark gehen?"
„In den Freizeitpark? Warum so plötzlich?", erkundigte ich mich perplex.
„Dich muss die ganze Situation gestresst haben. Lass uns ein bisschen Spaß haben. So wie früher, als wir noch in der Mittelstufe waren." Taehyung grinste breit. „Was hältst du davon?"
Ich nickte eifrig. „Sehr gerne!"
_____
Ich drehte mich in meinem Stuhl verwundert herum, als jemand mir auf die Schulter tippte.
„Jungkook, hast du Lust mit mir in dem Café zu Mittag zu essen? Geht auch auf mich", sagte Jin mit einem fröhlichen Lächeln.
Mit einem kurzen Blick erhaschte ich die Reaktionen der anderen des Teams. Sie schienen ebenso überrascht zu sein, dass unser Abteilungsleiter gezielt nur mich eingeladen hatte.
„Ehm... Hyung, sollten die anderen nicht auch-"
„Das hat sich angehört wie eine Bitte, war es aber nicht", lachte Jin, und in dem Moment erkannte ich dann doch die Autoritätsperson aus ihm herauskommen.
Mit diesem heiteren Tonfall und der gewissen Strenge in seiner Aura erinnerte er mich ein wenig an meine Mutter, wenn sie meinen Vater um etwas bat, aber eigentlich nicht wirklich darum bat, sondern eher ihn dazu kommandierte.
Ich lachte also auch etwas unbeholfen und antwortete: „Gerne, Hyung."
Infolgedessen machten wir uns zusammen auf den Weg zu dem kleinen Café.
Ich nahm an, dass Jin und mich nun etwas verband, nachdem er mir von seinen Gefühlen zu Namjoon erzählt hatte. Auf der Arbeit behandelte er mich wie alle anderen. Wie ein motivierter, affektiver Chef, der das Team nicht nur von vorne führte, sondern vor allem die Interessen seiner Mitarbeiter berücksichtige und auf diese einging. Außerhalb des Büros fühlte er sich sogar noch mehr an wie ein älterer Bruder, der sich ab und zu kindlicher benahm als ich.
Er und ich kamen bei dem Laden an und nahmen an einem freien rundlichen Tisch am Fenster Platz.
Namjoon war natürlich vor Ort und kam zu unserem Tisch, um unsere Bestellung aufzunehmen. Als der Dunkelhaarige Jin sichtete und auch mich wiedererkannte, lächelte er, woraufhin seine Grübchen zum Vorschein kamen.
Er fischte ein kleines, rechteckiges Notizbuch und einen Stift aus seiner Schürze heraus und fragte: „Habt ihr euch schon entschieden?"
Jin gab unsere Bestellung auf und blickte dem jungen Kellner noch eine Weile hinterher. Selbst, als dieser bereits lange hinter dem Tresen verschwunden war, um der Küche die Bestellungen weiterzugeben.
„Hyung?" Ich wedelte vor dem Gesicht des Älteren herum, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen.
„Oh, tut mir leid Jungkook." Jin lächelte, legte seine Arme verschränkt übereinander auf den Tisch und lehnte sich nach vorne.
Für einen kurzen Moment schaute ich ihn an, ehe mir die Erkenntnis kam und ich mir das Kichern nicht mehr verkneifen konnte.
Jin verlagerte seine Haltung wieder ein Stück nach hinten und starrte mich erstaunt an. „Was ist los?"
„Hyung, du hast mich nicht nur hier her eingeladen, um heimlich über ihn zu schwärmen, oder?" Ich hielt meine Hand vor meinem Mund, um die Laute von den anderen Gästen abzudämpfen.
Er schmunzelte. „Nun ja, wenn du schon mal davon weißt, kann ich ja auch ganz offen sein. Was ist mit dir? Wie heißt der Glückliche?"
Nun hörte ich auf zu lachen. Stattdessen wurde ich etwas verlegen und lächelte schüchtern vor mich hin. „Er heißt Taehyung."
„Taehyung?" Der Ältere legte den Kopf schief und schien nachzudenken. „Etwa der neue Mitarbeiter der IT? Freunde? Beste Freunde? So hattet ihr es genannt, oder?"
Ich wurde rot. „H-Hyung...!"
Er lachte ausgelassen und erwiderte: „Schon gut, schon gut. Tut mir leid, ich freue mich für euch. Wie habt ihr euch kennengelernt?"
„Wir kennen uns wirklich von der Schule. Und wir waren auch zuerst beste Freunde. Irgendwann...habe ich mich in ihn verliebt..."
Ich erzählte ihm in der Kurzform von unserer kleinen Geschichte. Von den schönen Zeiten als Freunde, die zugleich schmerzhaft für mich waren zu der schlimmsten Nacht meines Lebens und zu unserer Wiederbegegnung im letzten Semester unseres Studiums.
Jin hatte mir aufmerksam zugehört und ab und zu eine Reaktion gegeben.
„Unerwiderte Liebe, die zu erwiderte Liebe wurde, huh?" Er stützte fast schon versträumt seinen Kopf auf seine Hand. „Ich bin wirklich neidisch."
Daraufhin suchten seine Augen wie von selbst nach Namjoon, der am anderen Ende des Cafés einen anderen Tisch bediente.
Ich betrachtete den Älteren. Seine Miene trug Emotionen, die ich nachvollziehen konnte. Glücksgefühle, wenn man die Person anguckte, die für das Herzflattern verantwortlich war, gemischt mit einer einsamen Sehnsucht, die nicht gesättigt wurde.
„Hyung, weiß er, dass du ihn magst...?", fragte ich schließlich.
Ohne sich von dem Dunkelbraunhaarigen abzuwenden, antwortete er: „Nein. Nein, er weiß es nicht. Er denkt wahrscheinlich, dass der Grund, warum ich jede Woche mindestens einmal herkomme, dass ich das Essen hier einfach nur sehr liebe."
„Hast du vor, es ihm zu sagen?"
Nun wandte er sich wieder zu mir. „Ja. Aber wir stehen uns nicht so nah. Wir sind keine Freunde. Höchstens Bekannte. Nein, eigentlich sind wir Fremde. Für ihn bin ich nur ein Kunde. Es ist schwer, über diese Kundenbeziehung drüber hinauszugehen. Aber hey, reden wir nicht zu viel von mir. Hast du Taehyung von dem Zwischenfall gestern erzählt?"
Ich nickte. „Er will heute mit mir nach der Arbeit in den Freizeitpark, um mich etwas abzulenken und aufzuheitern."
Plötzlich setzte sich Jin kerzengerade auf und schnipste aufregt mit seinen Fingern vor mir. „Kann ich mit euch kommen?"
„Huh?", stieß ich überrascht hervor. „Ja klar, aber warum auf einmal...?"
„Ich will Namjoon fragen, ob er mitkommt. Ich werde die Sache auch in die Hand nehmen. Genauso wie du!"
Bevor ich etwas darauf erwidern konnte, sah ich aus dem Blickwinkel, wie besagter Namjoon mit unserer Bestellung auf uns zukam.
Er lächelte höflich und setzte unser Essen ab. Danach wollte er sich umdrehen und auch schon wieder gehen, aber rief Jin ihn bereits zurück.
„Namjoon?"
Dieser drehte sich relativ verwundert herum und blickte ihn ahnungslos an.
Ich kam mir so vor, als würde ich ein Drama schauen. Und tatsächlich fragte ich mich nun, wie Jin mit ihm ins Gespräch gekommen war, sodass er seinen Namen bekommen hatte.
„Es klingt vielleicht komisch, aber hast du heute schon etwas vor? Nach der Arbeit?", fragte Jin enthusiastisch.
Namjoon wirkte nun noch überraschter. „Eh...nein?"
„Wenn du Zeit und Lust hast, möchtest du mit uns in den Freizeitpark?"
Er hatte ihn wirklich gefragt!
Ich wusste nicht, ob ich ihn für seinen Mut bewundern oder mich fremdschämen sollte, weil Namjoon wirklich sehr überfordert aussah.
Nach einer Weile des kurzen Schweigens nickte dieser allerdings und lachte sogar etwas. „Ja, warum nicht?"
Hatten wir nun wirklich ein Doppeldate? Mitmeinem Abteilungsleiter und seinem Schwarm?
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Nochmal sorry, dass gestern nicht wie versprochen ein Kapitel kam, aber ich war einfach nicht dazukommen. Das zweite und eigentliche Kapitel kommt dann am Abend :)
Mei~
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