34| Louis
„Willst du nicht mal dran gehen?", fragt Gemma vorsichtig und legt über den Tisch hinweg eine Hand auf meinen Arm. Ich schüttele nur den Kopf und schluchze leise auf. Zum Glück ist in dem Café um diese Zeit nichts los, weswegen mich auch niemand, bis auf die Bedienung, komisch anschaut. „Harry macht sich doch nur Sorgen um dich. Du hast dich seit einer Woche nicht mehr bei ihm gemeldet. Du antwortest nicht auf seine Anrufe oder auf seine Nachrichten. Sag ihm zum mindestens, dass es dir gut geht.", bittet sie mich, doch ich verneine leise.
„Mir geht es aber nicht gut, Gemma. Meine Mum redet nicht mehr mit mir und hat mich sogar blockiert. Ich kann froh sein, dass ich noch Zuhause wohnen darf.", schluchze ich und zucke zusammen, als Gemmas Handy anfängt, zu klingeln. „Geh bitte nicht dran.", flüstere ich und schaue sie flehend an. „Sag ihm, was los ist. Er wird es verstehen. Ich kann gerne dabei bleiben, wenn du willst." Bevor ich antworten kann, nimmt sie den Anruf ab und schaut mich traurig an.
„Bist du Zuhause?", fragt Gemma und ich schüttele nur schnell den Kopf. Es wird darauf hinaus laufen, dass ich Harry heute sehen werde und dies eigentlich so gut wie möglich verhindern möchte.
„Okay, ich bin in zwanzig Minuten bei dir. Mach Kuchen auf." Danach legt Gemma auf und packt ihr Handy in ihre kleine Umhängetasche. „Ich bezahle, aber komm bitte mit. Harry macht sich Sorgen um dich.", lächelt sie und steht auf.
„Gemma, ich denke nicht, dass es eine gute Idee ist. Mir gefällt die jetzige Situation besser, als wenn er mit mir Schluss macht und mich sitzen lässt. Ich liebe ihn." Schon wieder fange ich an, zu weinen, was mir im Moment jedoch ziemlich egal ist. Mir geht es scheiße und ich werde mich für niemanden verstellen.
Am liebsten wäre ich Zuhause geblieben, aber ich musste mit jemandem über meine jetzige Situation sprechen. Und da mein Vater dieses Wochenende hier her zieht, fällt er weg. Genau so wie Harry, da ich ihn sonst verlieren würde.
„Och Louis." Gemma zieht mich in ihre Arme und streicht beruhigend über meinen Hinterkopf. „Er liebt dich auch und gerade weil ihr euch liebt, musst du es ihm sagen." Ich schüttele nur den Kopf und kralle mich in ihren Hoodie. „Ich bin bei dir, versprochen." Sie drückt mich vorsichtig von sich und legt einen zehn-Dollar-Schein auf den Tisch, bevor sie ihren Arm um meine Hüfte schlingt und aus dem Café zum Auto geht.
Ich bin mit dem Bus nach hier, nachdem ich sie angerufen und gefragt habe, ob wir uns treffen können. Gemma hat die Neuigkeit ziemlich gefasst aufgenommen, trotzdem habe ich das Gefühl, dass sie eigentlich eine ganz andere Meinung dazu hat.
„Hier." Sie reicht mir ein Taschentuch, welches ich dankend annehme und mir die Nase putze. Nach einem kleinen Spaziergang kommen wir an ihrem Auto an, wo Gemma mir die Beifahrertür aufhält und darauf wartet, bis ich angeschnallt bin.
„Als was arbeitest du eigentlich?", frage ich beiläufig, als sie in Richtung meiner Straße fährt. „Ich habe in Belgien Lehramt studiert, habe letztes Jahr aber als Sozialarbeiterin angefangen." Ich nicke und fange an, mit meinen Fingern zu spielen. „Ich wollte eigentlich Informatik studieren, eigentlich ist mir egal, was ich studiere, aber mein Plan war es, so schnell wie möglich von Zuhause wegzukommen. Wenn es nach mir gegangen wäre, wäre ich gar nicht mit nach hier gezogen. Ich wurde nie gefragt, ob ich überhaupt in die Staaten ziehen wollte.", flüstere ich und versuche ruhig zu bleiben. Es bringt sowieso nichts mehr, sich aufzuregen.
„Das kannst du doch immer noch machen. Ich sehe kein Problem darin, nicht zu studieren.", entgegnet Gemma und biegt ab. „Ich habe vergessen, mich anzumelden. Die Fristen enden diesen Monat und ich habe noch nichts zusammengestellt. Und bis dahin schaffe ich es nicht mehr.", murmele ich und hasse mich selbst dafür, dass ich es nicht geschafft habe, mich für ein Studium zu bewerben.
„Ich kann dir helfen, wenn du möchtest.", bietet sie an, was mich lächeln lässt. „Danke, wirklich. Aber vielleicht melde ich mich auch erst fürs Wintersemester an oder finde was anderes, wofür man keinen College Abschluss braucht." Gemma nickt und fährt in unsere Straße, was mich schlucken lässt.
Ich habe nicht gemerkt, dass wir schon hier sind, weswegen ich direkt viel nervöser werde. „Hey, du schaffst das." Gemma legt mir beruhigend eine Hand auf den Unterarm und streicht diesen vorsichtig. Zum Glück ist dieser soweit verheilt, dass es nicht mehr wehtut, wenn man diesen sachte berührt. Nur festes zugreifen tut noch ziemlich weh.
Als Gemma ihren Wagen in der Einfahrt parkt, wird die Haustür schon von Harry geöffnet, welcher mal wieder unglaublich aussieht. Er trägt zwar nur eine Jogginghose und ein engeres Shirt, aber genau dieses betont seine Bauchmuskeln viel zu sehr.
Mir auf die Lippe beißend, merke ich nicht, dass Gemma schon ausgestiegen ist und gerade um das Auto rum kommt. Mit einem wissenden Blick öffnet sie mir die Tür, bleibt aber so stehen, dass Harry mich noch nicht sehen sollte. Besser so. Ich denke nicht, dass es eine gute Idee ist, wenn wir uns gleich gegenüber stehen.
Als ich Harrys Stimme höre, welche nachfragt, was Gemma machen würde, brechen zum unzähligen Male an diesem Tag meine Dämme und ich kann nur erstickt aufschluchzen. „Komm, du musst es ihm ja noch nicht direkt sagen, aber im Laufe des Tages halte ich es für angebracht." Widerwillig nicke ich und wische mir über die nassen Wangen, was jedoch auch nicht viel hilft.
Langsam, da sich meine Beine wie Wackelpudding anfühlen, steige ich aus und drehe mich zum Wagen, als ich die Tür langsam schließe.
Mit verschwommener Sicht drehe ich mich um und sehe, wie Harrys Blick zu mir schnellt, ehe er auf mich zu kommt und mich in eine feste Umarmung zieht. Ich klammere mich nur hilfesuchend an ihn und meine Schluchzer werden immer lauter. Ich möchte Harry auf keinen Fall verlieren, was nach Heute definitiv der Fall sein wird. „Was ist passiert?", fragt er besorgt und fährt beruhigend durch meine Haare an meinem Hinterkopf. „Ich liebe dich.", schluchze ich und kralle mich in sein Shirt, wobei meine Finger an seinem Rücken entlang kratzen. „Ich liebe dich auch, aber deswegen musst du doch nicht weinen. Warum hast du mir nicht geantwortet? Ich habe gedacht, ich hätte irgendwas falsch gemacht.", fragt er und ich meine, ein Zittern in seiner Stimme wahrzunehmen. Ich schüttele nur mit dem Kopf und erschrecke heftig, als ich an den Oberschenkeln hochgehoben werde.
Schnell schlinge ich meine Beine um Harrys Torso, bin aber froh, dass er mich halten kann. Mir fehlt nämlich die Kraft dafür. „Baby" Harry flüstert die ganze Zeit irgendwelche Kosenamen, die mich eigentlich zum Lächeln bringen, jetzt jedoch alles nur noch schlimmer machen.
„Harry" Sein Blick wandert zu seiner Schwester, worauf er verstummt und mich vorsichtig auf der Couch absetzt. „Möchtest du was trinken?" Ich schüttele den Kopf und hole das Taschentuch aus meiner Hosentasche, um mir die Nase zu putzen.
Langsam ziehe ich meine Jacke aus und streife meine Schuhe aus, dass ich mich mit angewinkelten Beinen auf die Sitzfläche setzen kann.
Dass Harry wiederkommt und mich besorgt beobachtet, merke ich nicht und gehe meinen eigenen Gedanken nach.
Gemma sitzt schweigend neben mir und streicht mir beruhigend über den Arm, während sie irgendwas zu Harry sagt.
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