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» Jungkook «
„So früh schon?", fragte eine Kommilitonin.
Ich nickte entschuldigend, erhob mich von dem Stuhl und zog mein dunkelblaues Jackett an. Mit einer Hand griff ich nach dem kleinen Blumenstrauß, den jeder Bachelorabsolvent von der Fachschaft erhalten hatte, sowie mein Abschlusszeugnis, das in eine edle, schwarze Ledermappe gelegt wurde, während ich mit der anderen den Stuhl zurück an den Tisch schob.
Meine Mitstudierenden wirkten enttäuscht, dass ich so früh von unserer Abschlussparty gehen wollte. „Wieso bleibst du nicht noch ein bisschen länger? Ein paar von uns wollten danach noch tanzen gehen."
„Genau, wer weiß, wann und ob wir uns überhaupt wiedersehen", wandte jemand ein.
„Tut mir leid, aber ich bin schon verabredet. Euch viel Spaß noch." Bevor sie zu weiteren Versuchen ansetzen konnten, mich zu überreden, länger auf der Feier zu bleiben, lief ich los und verließ die Halle, in der am späten Mittag auch der formelle Teil der Bachelorfeier stattgefunden hatte.
Die Bachelorabsolvierenden des Studiengangs Wirtschaftswissenschaften wurden in die Schwerpunkte aufgeteilt und innerhalb dieser Gruppen nacheinander auf die Bühne aufgerufen. Wir hatten alle von dem Fachbereich die typische Abschlussrobe gemietet, die wir uns über unsere Anzüge und Kleider übergeworfen hatten, nicht zu vergessen der klassische Hut, der am Ende in die Luft geworfen wurde. Sowohl zahlreiche Professorinnen und Professoren als auch der Dekan des Fachbereichs waren anwesend gewesen. Ein paar Journalisten waren ebenfalls da gewesen, um den Moment der neuen Absolventen aufzuzeichnen.
Die ganze formelle Zeremonie war ziemlich einseitig gewesen. Reden nach Reden, ein paar Musikstücke zwischendurch, weitere Reden, und schließlich endlich die Vergabe der Bachelorzeugnisse.
Meine Eltern waren auch gekommen, um mir zu gratulieren, Fotos zu machen und mit mir zu feiern, dass ich die drei Jahre überstanden hatte und nun ein neuer Lebensabschnitt beginnen konnte. Zur Party, die am Abend stattfand, verabschiedeten sich die meisten Familien, um den Studenten ihren Spaß zu lassen. Auch meine Eltern waren wieder abgereist.
Wir hatten bereits ein paar Tage zuvor geklärt, wie es weitergehen würde. Den Master hatte ich komplett verworfen und stattdessen noch während des Schreibens der Bachelorthesis mich nach Arbeitsstellen Ausschau zu halten und Bewerbungen zu schreiben. Dies bedeutete, dass ich eine neue Wohnung in der Innenstadt suchen musste, da ich nicht länger im Studentenwohnheim wohnen durfte, da mein Titel als Student ab offiziell morgen ablaufen würde. Den Studenten wurde eine Frist von einem Monat gewehrt, um sich eine neue Bleibe suchen zu können.
Ich trat aus dem Gebäude aus und machte mich zügig auf den Weg zur Bahn.
Als ich mich auf einen freien Platz setzte, holte ich mein Handy aus der Hosentasche und entsperrte es. Ein Lächeln schlich sich auf meine Lippen, als das Hintergrundbild meines Startbildschirms zu Gesicht bekam. Es handelte sich um ein Spiegelselfie von Taehyung und mir. Ich hatte das Handy in der Hand und lächelte glücklich direkt in die Kamera, während er seine Wange dicht an meine gepresst hatte und dabei auf das Display geschaut hatte, seine linke Hand in der Jackentasche vergraben, die rechte um meine Taille geschlungen.
Seit unserem spontanen Ausflug zum Meer und unserem ersten Mal zusammen, waren mittlerweile etwas mehr als zwei Monate vergangen. In der Zeit war nichts und gleichzeitig viel passiert.
Der typische Stress mit der Hausarbeit und der Vorbereitung der Präsentation hielt uns nicht davon ab, jede freie Minute gemeinsam zu verbringen und süße Momente zu erleben, als wären wir frisch verheiratet. Taehyung und ich hatten die meiste Zeit zusammen in meinem Apartment gesessen und daran gearbeitet. Wir waren zusammen aufgewacht, hatten zusammen gegessen, zusammen geschuftet und waren zusammen eingeschlafen. Die Zweisamkeit wurde so selbstverständlich, so unkompliziert und bequem, dass unsere Stimmung durchgehend gut war.
Irgendwann kam es mir wirklich so vor, als wären wir ein frisch verheiratetes Ehepaar.
Dann kam der Tag unserer Abgabe und Präsentation. Es war auch der erste Tag nach etwa zwei Wochen gewesen, an dem wir Jimin und Yoongi wiedergesehen hatte.
Und es musste wohl etwas passiert sein, denn die Kluft zwischen den beiden schien noch größer geworden zu sein. Vor allem auf Jimins Seiten spürte man die klare Vermeidung, dass der Ältere keine Chance hatte, mit ihm zu reden.
Ich hatte versucht mit beiden zu reden, aber entweder hatte Yoongi nichts gesagt oder Jimin hatte das Thema mit etwas Trivialem überspielt. Mit Taehyung hatte der Silberhaarige auch nicht sprechen wollen.
Das Feedback unserer gemeinsamen Hausarbeit war äußerst gut ausgefallen, aber die Gruppendynamik war danach trotzdem ziemlich hinüber gewesen. Letztendlich verschwand Jimin recht schnell mit einer Ausrede und Yoongi wollte auch nicht mehr mit uns essen gehen. Also waren wieder nur Taehyung und ich geblieben.
Ich war mir hilflos vorgekommen, aber was hätte ich tun sollen?
Yoongi war noch nie ein großer Redner gewesen und mit Jimin hatte mich lediglich diese Hausarbeit verbunden. Da der Konflikt zwischen den beiden aufgetreten war, hatte ich gar nicht die Möglichkeit gehabt, mich Jimin richtig anzufreunden, weshalb wir letzten Endes nur Kommilitonen blieben, die mal zusammen was für die Universität machen mussten.
Daraufhin hatten wir begonnen, jeweils an unserer Bachelorthesis zu arbeiten.
Eine weitere stressige Phase hatte begonnen, und wir kamen kaum zu etwas anderem. Taehyung hatte in der Zeit öfters wieder in seinem eigenen Apartment geschlafen und dort seine Dinge erledigt.
Das war die Geburt der typischen Datingphase, die man vermutlich hatte, wenn man nicht gerade mal den ganzen Tag und das jeden einzelnen Tag zusammen verbrachte. Von ab und zu draußen zusammen zu Abendessen gehen zu späten Telefonaten in der Nacht bis hin zum Einschlafen am Handy.
Und nach stressigen, eintönigen Wochen hatten wir beide unsere Bachelorarbeit abgegeben und auf die Bewertung gewartet.
Weitere Wochen später waren die Noten gekommen, bis schließlich heute die Abschlussfeier gehalten wurde.
Taehyung gehörte zum Informatikfachbereich, weshalb wir auch nicht auf derselben Feier gewesen waren. Jimin hatte ich dadurch auch nicht mehr sehen können. Yoongis Abschlussfeier war bereits vor einer Woche gewesen, da die Masterstudenten etwas früher fertig waren, aber heute früh war er trotzdem zu meiner Zeugnisverleihung gekommen, um mir zu gratulieren. Viel gesprochen hatten wir jedoch nicht, da ich rund um die Uhr irgendwohin gelotst worden war.
Als ich die Bahn bei meiner Haltestelle zum Stehen kam, verließ ich den Zug und sprintete fast schon den Weg zum Wohnungsblock, wo Taehyung und ich vereinbart hatten, uns nach der Feier zu treffen.
Mit einem Strahlen auf dem Gesicht rannte ich die letzten Meter, Blumenstrauß und Zeugnismappe in den Händen.
„Tae!", rief ich, als ich den Schwarzhaarigen in seiner seinem festlichen Anzug vor dem Eingang des Gebäudes sichtete.
Dieser drehte seinen Kopf in meine Richtung und lächelte. Er hob seinen Arm und winkte erfreut, in der Hand hielt er ebenfalls Blumen und eine Mappe. „Kookie!"
Ich blieb fröhlich vor ihm stehen. „Herzlichen Glückwunsch zum Abschluss, Taehyung."
Taehyung grinste und erwiderte: „Herzlichen Glückwunsch zum Abschluss, Jungkook."
Daraufhin zog er mich schwunghaft in seine Arme, ließ dabei sogar versehentlich die Blumen herunterfallen, und verwickelte mich in einen sinnlichen Kuss. Ich erwiderte ihn und legte meine Hände um ihn, schaffte es jedoch im Gegensatz zu ihm, die Sachen in meinen Händen nicht fallen zu lassen.
Als wir uns voneinander lösten, die Lippen leicht angeschwollen, schmunzelte Taehyung schelmisch. Er strich mit seinem Daumen über meine Lippen. „Ich habe den ganzen Tag darauf gewartet, diese Lippen küssen zu können."
Ich lachte. „Was? Bist du schon so besessen nach mir? Wir haben uns heute Morgen noch gesehen."
„Natürlich. Ich brauche meine tägliche Dosis Jungkook gleich mehrmals am Tag." Er grinste und stahl sich einen weiteren Kuss.
Ich schloss instinktiv meine Augen und genoss die weiche Sinnlichkeit, die ich von unseren sich aneinander bewegenden Mündern erhielt.
In dem letzten Semester meiner Zeit als Student wurde meine erste Liebe erwidert.
Nachdem das erste Kapitel meines Lebens mit der Schule so furchtbar geendet war, so fühlte sich das Ende meines zweiten Lebenskapitels umso wunderschöner an. Und nun war ich bereit gemeinsam mit Taehyung in unser drittes Kapitel einzuschreiten.
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Ich melde mich doch nochmal vor meinem dritten Urlaub, auch wenn es nur ein Übergangskapitel ist. Ich hoffe, dass es euch trotzdem gefällt ^-^
Mei~
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