
☆Oskar☆ ☆18☆
Heute ist ein schöner Tag.
Es regnet und es ist kalt.
Mama schickt mir ein Zeichen, warum, weiß ich noch nicht.
Moritz hat mich gerade abgeholt, so wie fast jeden Tag in den letzten Wochen.
Ich mag Moritz.
Bei ihm ist es schön, bei Papa nicht.
Der Polizist wird nie wütend, schreit mich nicht an.
Egal, ob ich etwas falsch mache oder nicht rede.
Egal, wie oft ich vergesse, welche Emotion er auf seinem Gesicht trägt.
Egal, wie oft ich einfach nur auf dem kalten Boden in seinem Bad liege und die Augen geschlossen halte.
Manchmal legt er sich sogar neben mich und sieht mich einfach nur mit einem Lächeln an.
"Weißt du was, Kleiner? Wenn du möchtest, darfst du am Wochenende bei mir bleiben. Dein Vater hat nichts dagegen!"
Ich beobachte die Regentropfen, die entlang der Autoscheibe nach unten rinnen.
Der Regen wird stärker.
Es ist richtig, Mama stimmt dem zu.
Mein Kopf neigt sich dem Polizisten zu, ich nicke.
Seine Mundwinkel gehen in die Höhe.
Er freut sich, denke ich.
Ich freue mich ebenfalls, aber das weiß Moritz auch ohne, dass ich es ihm sage.
Papa ist es egal.
Er verabschiedet sich nie, wenn der Polizist mich abholen kommt.
Manchmal geht er schon lange vorher mit Steven weg, damit er Moritz nicht sehen muss.
Wenn ich dann nach Hause komme, schickt er mich gleich ins Bett.
~○~○~○~
Moritz ist müde, seine blauen Augen sind rot umrandet.
"Jetzt machen wir uns etwas Leckeres zum Essen. Was hältst du von Pfannenkuchen? Kennst du das überhaupt?"
Ich sitze auf dem Esszimmerstuhl, Moritz kniet vor mir.
Überlege.
Überlege qualvoll welche Richtung meine Mundwinkel nehmen müssen.
Freude.
Wie ging das noch gleich?
"Tut dir etwas weh, Oskar?"
Der Polizist mustert mich besorgt.
Falsche Richtung, Schmerzen habe ich nicht.
Moritz beobachtet meinen Mund, den ich mit großer Mühe in die hoffentlich richtige Richtung bewege.
Plötzlich wandern Moritz' Mundwinkel ebenfalls nach oben.
Muss richtig sein, wenn die
Mundwinkel nach oben gezogen werden, denn einen traurigen Mund macht keiner nach.
Lachen steckt an, hat Mama immer gesagt.
Jetzt kann ich es in seinen blauen Augen sehen.
Freude.
"Du lächelst!"
Ein stummes Nicken meinerseits.
Eine stumme Explosion in Moritz.
Ich kann es förmlich sehen.
Mein Lächeln wird breiter, einfach so.
Die blauen Augen leuchten.
Er stützt seine Hände auf den Oberschenkeln ab, beobachtet mich weiter.
"Kannst du es auch fühlen?"
Es kommt mir fast so vor, als kann er durch meine Augen in mein Inneres sehen.
In meine Seele.
Moritz ist für mich die Stimme von Außen, so wie Mama die Stimmen von Innen hatte.
Nur möchte Moritz, dass ich bei ihm bin und nicht woanders hin gehe.
Ein warmes Gefühl breitet sich in mir aus, direkt unter meiner Brust.
Ohne Brennen.
Ohne Schmerz.
Einfach nur warm, völlig okay.
Das muss Freude sein.
Dr. Wetzel hat gesagt, dass man es merkt, wenn sich die Freude im Körper ausbreitet und dann auch weiß, dass das Freude ist.
Moritz wartet immer noch geduldig auf eine Antwort.
Er hat es verdient, ich muss mich anstrengen.
Ob ich es noch kann?
Für Moritz möchte ich es schaffen.
Er hört mir zu.
Meine Zunge befeuchtet meine Lippen und ich nehme allen meinen Mut zusammen.
"Ja!"
Für einen Moment scheint die Welt still zu stehen.
Moritz' Augen weiten sich und bekommen einen ganz komischen Glanz.
Mit offenem Mund nähert er sich meinem Gesicht und lässt mich keine Sekunde aus den Augen.
"Du hast gerade gesprochen!"
Seine Stimme so leise, dass ich ihn kaum gehört habe.
"Ja!"
Dieses Mal ist meine Stimme nicht mehr so kratzig und etwas lauter.
Ein paar Tränen quillen über seine Augenränder und hinterlassen eine nasse Spur auf seinen Wangen.
Warum ist er traurig, vergießt Tränen?
Traurig.
Was habe ich falsch gemacht?
"Weißt du, wie sehr ich mich gerade freue?"
Weitere Tränen laufen über das Gesicht des Polizisten, mein Kopf blockiert.
Überlege angestrengt nach.
Freude und Tränen passt nicht zusammen.
Wische mit meinem Finger die Tropfen aus seinem Gesicht.
Es werden mehr.
Viel mehr.
Ich werde nervös und schaue mich um, überlege.
Die, die traurig sind, müssen getröstet werden.
Ich strecke meine Arme aus, rutsche von meinem Stuhl.
Moritz legt seinen Kopf schief, versteht nicht, was ich vor habe.
Pralle mit meinem Körper ungalant gegen den des Polizisten.
Lege vorsichtig meine Arme um seinen Nacken, wodurch ein leichtes Brennen auf meiner Haut einsetzt.
Das Brennen ist kaum merklich, trotzdem da.
Die Stirn des Polizisten fällt auf meine Schulter, er schluchzt so laut, dass es mir in den Ohren weh tut.
Hände auf meinem Rücken, brennen auf meiner Haut, aber Schmerzen habe ich keine.
Umklammern mich, halten mich fest.
Der Polizist geht in die Höhe mit mir.
Zusammen, gemeinsam.
Wir beide.
"Das ist einer der schönsten Tage, Oskar. Danke!"
Immer noch schicken die blauen Augen Unmengen von Wassertropfen über das stoppelige Gesicht, was mich leicht kitzelt, als ich mit meiner Backe in die Nähe komme.
Man kann also glücklich sein und trotzdem weinen.
Oft passiert das nicht, denn Dr. Wetzel hat noch nie gesagt, dass das geht.
Vielleicht ist das etwas besonderes.
Wie ein Regenbogen.
Warm.
Das warme Gefühl in meiner Brust wird mehr, breitet sich aus.
"Ich bin so glücklich!"
Moritz drückt sein nasses Gesicht fest an meins.
Glücklich.
Er ist glücklich und in mir ist es warm, angenehm warm.
Dann bin ich auch glücklich, vermutlich.
Glücklich und ohne Schmerz.
~ Ende ~
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