Ein Hoch auf die Freundschaft
Bevor ihr anfangt mir ein schlechtes Gewissen zu machen, dass ich euch immer so lange warten lasse, möchte ich nur kurz klar stellen: DAS IST ALLES CORNELIUS SCHULD!
Ihr glaubt gar nicht wie schwer es war diesen Dickkopf zu motivieren. Ständig hieß es nur, er hätte keine Zeit, hätte so viel mit Schule, Praktikum und Führerschein zu tun. Alles billige Ausreden, wenn ihr mich fragt. Er ist eine ziemliche Dramaqueen. .-.
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Irgendwann, wenn er nicht damit rechnet und sich in Sicherheit wiegt, dann werde ich ihn im Schlaf erdolchen, diesen kleinen, miesen Verräter. All die Jahre ertrug man ihn, ließ all die schrecklichen Romantischen Komödien über sich ergehen, hörte sich geduldig die übertriebenen Schwärmereien über diverse Boy Band Mitglieder an und ertrug sogar diese abartig pinken Sofakissen, des reinen Friedens Willens. Und wie dankte er es einem, dieser angeblich beste Freund? Indem er dir heimtückisch in den Rücken fiel und dich den Löwen zum Fraas vorwarf.
„Hey, Cornelius." Er klang ungewohnt schüchtern, ein verlegenes Lächeln lag auf seinen Lippen. Seltsam. So hatte ich ihn noch nie gesehen.
Es war eine Art Reflex, ihm die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Mein Arm hatte schon gehandelt, bevor mein Hirn die Information richtig verarbeitet hatte. Geschockt starrte ich die nun geschlossene Tür an. Was zum Teufel hatte er hier zu suchen?
„Wer war das denn?" Von Neugier getrieben und mit gespielt unschuldigen Lächeln trat Sammy zu mir in den Flur. Natürlich gefolgt von seinem Schoss-Hündchen. Blondie.
„Du!", knurrte ich und erdolchte den hinterlistigen Zwerg mit meinen Blicken. „Du warst das! Du hast ihn eingeladen! Warum hast du das getan?"
„Ich bin nicht blöd, Cornelius! Dachtest du echt ich hätte nicht bemerkt, dass da etwas zwischen euch läuft? Irgendwie musste ich euch ja auf die Sprünge helfen, wenn du das nicht alleine hinbekommst."
„Kaum zu glauben, aber ich bin durchaus in der Lage eigenständig zu denken. Du hattest kein Recht dazu ihn einzuladen! Hab ich etwa Nick Carter zu deinem zwölften Geburtstag eingeladen? Nein! Stattdessen habe ich mir deine stundenlangen Schwärmereien angehört , ohne auch nur einen abfälligen Kommentar abzulassen!"
„Wirklich? Die Backstreet Boys?", gluckste Blondie. Einen unnötigeren Kommentar gab es ja wohl wirklich nicht.
„War halt so ne Phase." Erklärte Sammy mit leicht roten Wangen. Eine Phase die fast drei Jahre und hunderte meiner wertvollen Gehirnzellen, die aus reiner Verzweiflung Selbstmord begangen hatten, gekostet hatte.
„Das ist doch jetzt überhaupt nicht das Thema, verdammt!" fuhr ich dazwischen. Sammys fragwürdiger Musikgeschmack war nun wirklich zweitrangig. Obwohl ich mir fast sicher war, dass Sam nicht unbedingt nur wegen ihrer Musik auf die Boy Band gestanden hatte.
„Dann schick ihn halt weg, wenn dich seine Anwesenheit stört." Oh Sammy, manchmal würde ich wirklich zu gerne in deiner kleinen rosaroten Welt leben.
„Spinnst du? Dann denk der doch, dass es mir etwas ausmachen würde, das er hier ist!"
„Aber das macht es doch auch..." erwiderte er verdutzt.
„Aber das muss er doch nicht wissen! Sonst schließt der doch noch völlig falsche Schlüsse daraus. Am Ende denk der noch das ich irgendwie auf ihn abfahre oder so ein Mist!" Mein verächtliches Lachen klang ein bisschen zu gewollt. Sammy bemerkt es und mustert mich spöttisch. Blondie rafft mal wieder gar nichts.
„Na wenn das so ist, können wir ihn doch rein lassen." Bemerkt die Blondine und ich beschloss bei Gelegenheit eine Spendenaktion ins Leben zu rufen um etwas Hirn für ihn zu sammeln. Sozusagen als gute Tat im neuen Lebensjahr.
„Sehe ich genauso." Grinste Sammy, ging an mir vorbei und öffnete die Eingangstür. Davor stand, leider Gottes, immer noch ein leicht verlegenes Löckchen. Ich würde ihn gerade gerne schlagen. Warum musste Sammy ihn einladen? Warum musste er die Einladung annehmen? Und warum zur Hölle musste er dann auch noch zum Anbeißen heiß aussehen?
„Hey! Ich bin ein bisschen spät, aber dafür habe ich Wein mitgebracht." Zum Beweis hielt er eine Flasche Rotwein hoch.
„Komm doch rein." Lächelte Sammy. Willkommen in der Hölle.
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Natürlich musste er sich mit allen gut verstehen. Sogar Maggie war, auf ihre Art, nett zu ihm. Was im Klartext hieß, er war bisher von fiesen Sprüchen verschont geblieben. Löckchen war einer dieser charismatischen Menschen denen man gerne zuhörte und die man sofort sympathisch fand. Sprich, das genaue Gegenteil von meiner Wenigkeit. Noch ein Grund, warum ich ihn hasste.
„Und einmal, als er elf war, da hat er einen Sitzstreik in der Cafeteria angezettelt, weil er keinen Jogurt mehr bekommen hat."
Ich dachte immer, der Vorteil daran, keine Eltern mehr zu haben, wäre der, dass sie einen nichtmehr blamieren konnten. Glücklicherweise hatten Gerd und Sammy sich freiwillig bereit erklärt diesen Part zu übernehmen.
„Wenn eine öffentliche Einrichtung ihre Sparpläne auf Kosten der Schüler verwirklicht, ist es ja wohl mein gutes Recht auf diese Missstände aufmerksam zu machen." Ich warf Sammy einen eindringlichen Blick zu und versuchte ihm telepathisch mitzuteilen, dass er sich gerade auf verdammt dünnen Eis bewegt. „Außerdem war es Schokoladenpudding." Fügte ich noch hinzu. Erneut begannen alle Anwesenden ausgelassen zu lachen, meine Laune verschlechterte sich mit jeder Minute zunehmender. Ich war mir sicher, dass die Beiden jede einzelne, annähernd peinliche Tat die ich während meines bisherigen Lebens zustande gebracht hatte, bereits ausgehend thematisiert hatten.
„Weißt du noch als er vor einigen Jahren diese Feng Shui-Phase hatte, in der jedes Möbelstück mit der Umgebung im Einklang sein musste." Schmetterte nun Gerd immer noch laut lachend mit seiner tiefen Bass Stimme über den Essenstisch Sammy entgegen.
„Stimmt. Ich habe schon an seinem Verstand gezweifelt, bis ich erfahren habe das er mit dem ganzen Mist nur diesen Öko-Heini beeindrucken wollte." Sammy lachte hell und klar. Ich spürte Löckchens Blick auf mir, wusste nicht was er zu bedeuten hatte.
„Sein Name war Justus." Warf ich mit neutraler Stimme in die Runde, verzog keine Miene.
Justus und ich waren knapp drei Monate zusammen gewesen. Er war ein netter Kerl mit einem verdammt heißen Knackarsch, aber er war auch nicht das Problem in der Beziehung gewesen. Das Problem und der Grund warum unsere Beziehung gescheitert war, war ich gewesen. Er hatte mich dazu gebracht mich zu verändern, nur um mich am Ende fallen zu lassen, weil er meinte ich wäre nicht mehr ‚Ich' und er wöllte niemanden der sich so leicht verbiegen ließ. Er war ein Vollidiot gewesen und ich hatte ihm keine Träne nachgetrauert. Dennoch hatten mich seine Worte nachdenklich gestimmt. Rückblickend war es fast schon beängstigend, wie schnell ich meine eigenen Ideale über Bord geworfen hatte, nur um jemand zu gefallen. Ich hatte mich selber verraten, war zu einer mir fremden Person geworden. An diesem Tag hatte ich mir geschworen, mich nie wieder für jemanden so zu verbiegen und bis jetzt hatte ich es auch geschafft.
„Ich war so froh, als ihr damals Schluss gemacht habt und er samt seiner stinkenden Räucherstäbchen abgezogen ist." Sammy schüttelte sich ein wenig bei der Erinnerung. Ich verstand ihn, noch heute wurde mir schlecht, wenn mir dieser widerlich süßliche Geruch in die Nase stieg.
„Jetzt lasst den armen Jungen doch mal in Ruhe. Ihr seid unmöglich. Gerade du mein Lieber." Erika sah ihren Göttergatten mahnend an, dessen lautes Lachen augenblicklich verstummt. Gerd setzte einen schuldbewussten Blick auf, der mich zum Schmunzeln brachte. Es war eindeutig, dass Erika in dieser Beziehung die Hosen anhatte. Ich schenkte ihr ein dankendes Lächeln, das sie liebevoll erwiderte.
„Genug von meiner Wenigkeit, Sammy willst du ihnen nicht lieber davon erzählen, das du die ganze Grundschulzeit mit einer Prinzessinnen Krone auf dem Kopf herumgelaufen bist?" fragte ich ihn, zog spöttisch meine Augenbrauen hoch, als sich seine babyblauen Augen verengten und er mich böse anfunkelte. Wie du mir, so ich dir.
„Das war keine Prinzessinnen Krone! Das war eine ganz normale, schlichte Krone, die man auch als heterosexueller König hätte tragen können!" erwiderte er trotzig, wie jedes Mal, wenn wir diese Diskussion führten.
„Da waren pinke Glitzersteinchen dran!"
„Aber das war ein ziemlich maskulines Pink!" hielt die kleine Prinzessin eingeschnappt dagegen und dieses Mal waren die Lacher auf meiner Seite.
„Da wurdest du von den Anderen bestimmt ziemlich rumgeschubst." Blondie betrachtete seinen Freund mit einem besorgten Blick. Mir wurde schlecht.
„Nein, nicht wirklich. Conny hat allen Schläge angedroht, wenn es einer wagen würde über mich zu lachen. Die hatte alle so Angst vor ihm, dass sich keiner getraut hatte auch nur einen dummen Spruch zu bringen."
Ach ja, die guten alten Zeiten, in denen man noch Respekt bekommen hatte, weil man ein paar Flachmaten mit dem Gesicht zuerst in den Sand gesteckt hatte. Ich war eine ganz schön harte Socke, damals. Bedauerlich was aus mir geworden war.
„Hey, sag mal, können wir vielleicht mal reden?" fragte der Lockenkopf, als wir gerade die benutzen Teller in die Küche trugen. Ich nickte schwermütig, stellte das Geschirr auf die Küchentheke. Ich hasste reden, das wurde sowas von überschätzt.
Ich versuchte den Gedanken, wie es das letzte Mal geendet hatte, als wir alleine in einer Küche waren, zu verdrängen, als ich möglichst unbekümmert fragte: „Und über was willst du reden?" Sei klug, stell dich dumm, sagte sogar schon Daniela Katzenberger. Vielleicht half es ja...
„Du weißt worüber ich reden will." Er stellte seinen Stapel Teller neben den meinen. Ich hätte wissen müssen, dass auf blondierte Katzen kein Verlass war. Jetzt half nur noch ein möglichst bissiger Kommentar gekrönt mit einem Hauch Ironie.
„Nein, ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung. Willst du darüber reden, was letzten Freitag in meiner Küche passiert, oder eben nicht passiert, ist, darüber, dass du mich hast sitzen lassen wie den letzten Vollidioten, oder darüber das du unangemeldet auf meinem Geburtstag aufgekreuzt bist und so tust als wäre nie etwas geschehen?" Ich kreuzte meine Arme möglichst abweisend vor meiner Brust und blickte ihn gelangweilt an, um wenigstens noch ein Fünkchen meiner Ehre zu retten. Ich benahm mich wie einer dieser übertrieben dramatischen, weichgespülten Charaktere aus Serien die für Hormon gesteuerte, picklige Teenager gedreht wurden. Wo um alles in der Welt war mein verdammter Zynismus, wenn er mal gebraucht wurde? Wahrscheinlich war er mitsamt meinen Eiern und meinem Stolz nach Kanada ausgewandert. Ich konnte es ihm nicht einmal verübeln, Kanada soll wirklich schön sein um diese Jahreszeit.
„Über alles Drei."
„Das kann dauern." Seufzte ich und ließ mich auf dem kleinen Esstisch nieder, den Sammy und ich normalerweise benutzten, weil der im Wohnzimmer viel zu groß für uns alleine war.
„Hör zu, ich weiß auch nicht genau wie ich mein Verhalten von letzten Freitag entschuldigen soll, es ist einfach so passiert und ich will nicht, dass du dir falsche Hoffnungen machst, aber..."
„Ich glaub ich muss dich kurz stoppen, bevor du dich in deinem überschwänglichen Redefluss verlierst. Wir haben uns auf einer Veranstaltung getroffen, ein wenig rumgemacht, dann hast du mich stehen lassen. Ich kann dazu nur sagen: Chance vertan! Du weißt nicht was du verpasst hast. Aber ich denke, da wir beide schon groß sind können wir erwachsen damit umgehen und müssen uns nicht wie unreife Teenager verhalten. Es hatte immer hin nichts zu bedeuten, also können wir es einfach vergessen, oder etwa nicht?"
„Ich bin echt froh, dass du so darüber denkst. Hatte schon Angst, dass das eines dieser ‚lass uns Freunde bleiben' Gespräche wird." Grinste er. Meine Brust schmerzte bei seinen Worten. Obwohl ich wusste, dass es besser so war.
Ich lachte, so ehrlich wie möglich. „Als würden wir zwei jemals Freunde werden, Löckchen."
Ich machte mir selber etwas vor, doch so war es nun mal einfacher.
„Gut, dann wäre das ja geklärt." Sagte er, lächelte noch einmal in meine Richtung.
„Scheint so." Ich sprang vom Küchentisch und landete leider ein wenig zu nah an Löckchen, sein betörender Duft stieg mir in die Nase. Wieso musste jemand so unausstehliches so unwiderstehlich riechen? Ob man diesen herben, männlichen Geruch wohl in Fläschchen abfüllen konnte? Gab es da nicht mal diesen gruseligen Jungen der Parfüm aus Mädchen herstellen wollte? Ob das wohl klappte? Wenn ja sollte ich mich mal mit dem werten Heeren unterhalten... Gott, Löckchen machte aus mir den reinsten Psychokiller.
„Wir sollten wieder rüber gehen." Es war kaum ein Flüstern das er herausbrachte, während er mir unverwandt in die Augen blickte. Fuck, dieses feurige Knistern in der Luft war zurück. Ruft mal bitte einer die Feuerwehr?
„Das sollten wir." Hauchte ich ebenso lautlos, blickt ihm weiter in die Augen. Sie waren wirklich verdammt schön.
Und dann passierte es, ich wusste nicht wie, ich wusste nicht wer, ich wusste nur das. Und zwar, das wir plötzlich wild knutschend durch die Küche taumelten. Ich hatte sein Gesicht umfasst, presste es fest gegen meines, als hätte ich Angst er könnte sich gleich lösen, er hatte meine Hüfte mit seinen Armen umschlungen, drückte unsere Körper fest aneinander. Unsere Lippen bewegten sich wild und ohne Konzept, er fühlte sich ein wenig an, als würden wir versuchen uns gegenseitig aufzufressen und keiner wollte nachgeben. Dennoch genoss ich diesen Kuss, mehr als ich es hätte tun sollen, aber ich war nun mal dafür bekannt, dass zu tun, was ich nicht tun sollte.
Ich drückte ihn mit meinem Körper gegen die Küchentheke, mein Schritt presste sich noch fester an seinen, sodass wir beide aufstöhnten. Mein Herz raste, brachte mich fast um, es pumpte so schnell, als wäre ich gerade dabei einen Marathon zu laufen.
Ich würde sterben, verdammte Scheiße, an einer Überdosis Löckchen.
Ich riss mich von ihm, beendete den Kuss ebenso plötzlich wie er begonnen hatte.
„Fuck, du Arschloch, was sollte das?" fuhr ich ihn an, ohne zu wissen wieso. Ich fuhr mir verzweifelt durch die Haare, versuchte ruhig zu atmen und dem Drang ihn gleich wieder an mich zu ziehen zu wiederstehen.
„Warum ich? Du warst immerhin genauso daran beteiligt!" erwiderte er immer noch ein wenig atemlos.
„Ich glaube du solltest gehen." Ich drehte mich weg von ihm, fixierte einen dunklen Fleck auf der hellen Tapete an der Wand mir gegenüber.
„Cornelius, ich..." setzte er an. Ich wollte es nicht hören.
„GEH." Es ist besser so. Es ist besser so., wiederholte ich wie ein Mantra in meinem Kopf. Er brachte mich dazu mich für ihn zu ändern. Er stahl mir meine mühsam zugelegte harte Schale, mit jedem Mal, wenn ich ihn sah ein wenig mehr. Und dann, wenn er mich da hatte wo er mich wollte, würde er mich fallen lassen. Genau wie Justus es getan hatte.
Das durfte ich nicht zulassen. Nicht noch einmal. Ich würde nie wieder eine Küche betreten, wenn er in der Nähe wäre!
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