Das Löckchen ist des Blondie sein Freund
„Ich hasse dich!", Murrte ich in die Richtung des aufgedrehten Gummiballs, alias Sammy.
„Wir wissen beide, dass das nicht stimmt. Und jetzt hör auf zu schmollen, das steht dir nicht!", Feixte mein zukünftiger Ex-bester Freund.
„Irgendwann, das schwöre ich dir, werde ich dich hierfür verdammt leiden lassen. Du weiß, wie sehr ich Menschen verabscheue. Oder Dates. Oder Kerzen." Dabei blickte ich verächtlich auf den Tisch auf dem zwei Kerzen brannten. „Ich meine wir leben im einundzwanzigsten Jahrhundert, und es gibt da eine nützliche Erfindung namens Strom! Sprich, Kerzen sind extrem überflüssig. Mich wundert es, dass überhaupt noch Leute solche Dinger kaufen. Da kann man auch gleich einen Geldschein anzünden, kommt aufs selbe raus." Ich könnte stundenlang über solches Ding meckern. Eines meiner liebsten Hobbies.
„Kerzen sind romantisch!" Warf Sammy ein schwaches Argument in die Runde.
„Sind Wohnungsbrände auch romantisch?", Erwiderte ich trocken.
Er kam um eine Antwort herum, da es just in diesem Moment klingelte.
„Na happy Chanukka, sie sind endlich da!", Rief ich und warf gespielt begeistert meine Arme in die Luft. „Und das mit nur einer viertel Stunde Verspätung! Respekt."
„Kannst du heute bitte dein inneres Arschloch ein wenig im Griff behalten? Mir ist das hier wirklich wichtig! Ich bin immerhin dein bester Freund und einer der Wenigen, den du mit deiner ‚liebenswerten' Art noch nicht vergrault hast."
„Kein Grund, gleich Sarkastisch zu werden, mein Guter. Mir wurde dieses Gemüt in die Wiege gelegt, dagegen kann man nichts tun. Aber für dich, werde ich mich zusammen reißen."
Er schenkte mir ein dankbares Lächeln.
„An deiner Stelle würde ich vielleicht mal die Tür öffnen...", machte ich ihn auf den Tatbestand, dass seine Gäste immer noch vor der verschlossenen Tür standen, aufmerksam. Wie ein Reh im Scheinwerferlicht starrte er mich aus geweiteten Augen an, dann plötzlich stürmte er los Richtung Tür. Ich hörte, wie er gegen die Kommode im Flur lief, weiter stolperte, die Tür aufriss und sich eilig entschuldigte. Die üblichen Begrüßungsfloskeln starteten, ich blieb auf dem Sofa sitzen und genoss die letzten Sekunden allein sein. Schneller als mir lieb war, bat Sammy die Eindringlinge schon mal ins Wohnzimmer zu gehen, welches wir ab und an auch als Esszimmer nutzten. Die erste Gestalt, die durch den Türrahmen trat war Blondie, alias der gelbe Pulli, alias Sammys Traummann, alias irgendwas mit T am Anfang.
Dicht gefolgt trat eine weitere hochgewachsene Gestalt, hinter ihm in das überschaubare Gelegenheits-Esszimmer. Ziemlich schnell, konnte ich die zweite Person ebenfalls unter die Kategorie männlich einordnen, obwohl man sich da ja heutzutage niemals wirklich sicher sein sollte. Er hatte pechschwarzes Haar, dass war das Erste, das ich bei genauerem Hinsehen entdeckte.
Die Farbe schwarz war meine Lieblingsfarbe, und ich ließ mir da auch nicht von ein paar Flachmaten reinreden, die behaupteten Schwarz sei überhaupt keine Farbe. Solange Schach ein Sport ist, ist Schwarz eine Farbe!
Zurück zu seinen Haaren, sie waren gerade lang genug, das sie sich ein wenig lockten, aber dennoch keine voluminöse Lockenpracht bildeten. Ein leichter Bartschatten zog sich über die untere Hälfte seines Gesichtes und warf die Frage auf, ob er diesen mit voller Absicht trug oder einfach vergessen hatte sich zu rasieren.
„Hallo, ich bin Tim. Wir kamen heute Morgen ja leider nicht dazu uns vorzustellen." Blondie hielt mir mit einem strahlenden Lächeln seine rechte Pranke hin. Ich erhob mich, ergriff seine Hand und schüttelte sie. „Cornelius." Seine Hand war weich und sein Händedruck nicht fest, aber mit einem angemessenen Druck. Die meisten Menschen wären erstaunt, was einem ein simples Händeschütteln schon alles verraten konnte. Blondie hatte definitiv keinen Beruf in dem man körperliche Arbeit verrichten musste, dafür waren seine Hände zu gepflegt. In Anbetracht seines blauen Seidenhemdes und seinen Schuhen, die verdächtig nach echtem Leder aussahen, tippte ich auf einen gutbezahlten Bürojob. Seinem Auftreten und seiner Art zufolge, wahrscheinlich in einer Anwaltskanzlei.
Blondie machte Löckchen Platz, welcher mir nun ebenfalls die Hand entgegen streckte.
„Alexander. Freut mich dich kennen zu lernen."
„Ich wünschte, ich könnte das selbe sagen." Ich lächelte gestellt und ergriff auch seine Hand. Sie war nicht so weich wie Blondies, eher rau und hatte leichte Schwielen, die auf handwerkliche Betätigung schließen ließen.
Er lächelte amüsiert, als hätte ich einen Witz gemacht. Seine Augen schimmerten ein wenig im Licht der Kerzen.
Er trug ebenfalls wie Blondie ein Seidenhemd, nur das seines weiß war, dazu hatte er eine verwaschene Lewis Jeans und Turnschuhe kombiniert. Ein ziemlich interessanter, aber widersprüchlicher Style. In diesem Moment ärgerte ich mich, dass ich mich von Sammy hatte überreden lassen die Jogginghose gegen eine schwarze Jeans einzutauschen. Mir hätte der Kontrast, der Sporthose zu den teuren und schicken Klamotten der Beiden äußerst gut gefallen.
Sammy stolperte in den Raum. „Tut mir wirklich leid. Ich musste nur kurz nach dem Essen sehen. Ihr könnt ja schon mal Platz nehmen, es müsste gleich fertig sein." Blondie lächelt ihn an, Sammy wurde rot.
„Wo sollen wir uns hinsetzten?", fragte Blondie. Ich konnte mir ein Augenverdrehen nicht verkneifen. Manche Menschen machten es sich wirklich unnötig schwer.
„Ich bitte höflichst um Verzeihung, aber unser Platzkärtchen-Drucker ist leider kaputt gegangen."
„Setzt euch einfach hin, wo ihr wollt.", erklärte mein bester Freund schnell, anschließend warf er mir einen seiner super eindringlichen Blicke zu. „Könntest du mir kurz in der Küche helfen, Connie?"
Ich war geliefert. Er wusste genau, dass ich diesen Spitznamen hasste, weshalb er ihn auch nur verwendete, wenn er sauer oder wenigstens angepisst von mir war. Offen gestanden, kam dies ziemlich oft vor.
Hätte er mich nicht extra gebeten, heute Abend mal kein Arsch zu sein, hätte ich wahrscheinlich etwas in die Richtung: „Ich glaube, du schaffst es schon alleine, das Fertiggericht in die Mikrowelle zu stellen." erwidert. Doch er war mein bester Freund und mir lag viel daran, das dies auch so bleiben würde. Immerhin, war er eine der wenigen lebenden Personen, die ich nicht total zum kotzen fand.
So kam ich also seiner Aufforderung nach und folgte ihm in die Küche.
„Ich hab dich doch extra gebeten, heute mal nett zu sein!" Meckerte er sobald ich die Küche betreten hatte.
„Ich versuch doch, nett zu sein."
„Dann streng dich halt mehr an!" Er hatte gut reden. Ein willst-du-mich-verarschen-Blick meinerseits, war Antwort genug.
„Es tut mir leid. Es ist nur so, dass ich diesen Kerl echt gern habe und ich will nun mal, dass dieser Abend perfekt wird. Es ist schon so lange her, dass ich solche Gefühle für einen Mann hatte, das weißt du doch."
Ich seufzte genervt.
„Na gut. Ich werde nett sein, aber nur heute Abend. Und solltest du jemals wieder, das Wort Doppeldate in meiner Nähe in dem Mund nehmen, dann werde ich dich steinigen. Ewige Freundschaft hin oder her."
„Danke! Du bist echt der Beste." Er grinste breit.
„Ich weiß. Mal was anderes, was zum Henker riecht hier so bestialisch?" Ich rümpft angewidert die Nase.
„Oh nein! Mein Essen!", rief er aus und zog den Deckel von der großen Pfanne. Unter einer Wolke aus weißem Rauch kam eine undefinierbare matschige Pampe zum Vorschein.
„Ich hab zwar keine Ahnung, was das sein soll, aber bestimmt kein Essen."
„Eigentlich, sollte das deine leckere Gemüsepfanne werde. Ich hab mich genau ans Rezept gehalten, aber ich bin nun mal kein Koch und du wolltest mir ja nicht helfen." Seine Aussage war eine einzige Anklage.
„Das kannst du so auf keinen Fall servieren."
„Ich weiß. Könntest du nicht..." Ich seufzte erneut genervt.
„Aber nur, weil ich nicht zulassen kann, das so etwas, als ‚meine Gemüsepfanne' beschrieben wird."
„Ich wusste es doch!" Er grinste gewinnend.
„In weiser Voraussicht habe ich alle Zutaten doppelt gekauft. Liegt auch schon alles fertig geschnitten im Kühlschrank. Jetzt fehlt nur noch deine persönliche Note."
„Verschwinde zu deinem Loverboy, bevor ich es mir anders überlege und dir doch noch den Hals umdrehe." Wie ein geölter Blitz huschte er aus der Küche zu den Gästen, die wohl mehr seine, als meine waren.
„Essen gibt's in fünfzehn Minuten.", rief ich ihm noch nach.
Entnervt leerte ich einen weiteren missglückten Versuch Sammys, etwas Essbares zu kochen, in eines der komischen Tupper Dosen, die er, trotz heftigen Widerstandes meinerseits, angeschleppt hatte.
Diese ekelhaft stinkende Pampe, würde ich Sammy die nächsten Tage als Mittagessen vorsetzten. Das dürft genug Rache für dieses Date sein.
Ich schaffte es sogar, in zwölf Minuten meine berüchtigte gemischte Gemüsepfanne mit Hähnchenstreifen zuzubereiten. Zum Glück hatte Sam es dieses Mal geschafft, den Reis nicht anbrennen zu lassen, so blieb mir wenigstens das erspart. Ich arrangierte das Essen dekorativ auf den vier Tellern, welche ich anschließend alle auf einmal, ganz die geübter Serviskraft, in die Hand nahm und ins Wohnzimmer Schrägstrich Esszimmer trug.
„Ich hoffe, einer von euch ist Vegetarier, damit mehr für mich übrig bleibt." Ich setzte mein charmantestes Lächeln auf, um ihnen die Gewissheit zu geben, das es bloß ein Scherz gewesen war. Obwohl ich es insgeheim ein wenig ernst meinte.
„Das sieht wirklich köstlich aus.", Bemerkte Blondie. Schleimer.
Löckchen lächelte nur still, was ihn mir ein wenig sympathischer machte.
Ich platzierte vor jedem einen Teller und nahm auf dem einzigen freien Stuhl Platz. Neben Sammy und gegenüber von Löckchen, wer hätte das gedacht.
Wir begannen zu essen und Stille kehrte am Tisch ein, Sammy stieß mir in die Seite und verdeutlichte mir mit einem Blick, das ich etwas sagen sollte um die unbehagliche Stimmung zu vertreiben.
Ganz ruhig Cornelius, auch dieser Abend wird irgendwann enden.
„Also Tom..." begann ich, unterbrach mich jedoch, als Sammy mir erneut seinen Ellenbogen in die Seite rammte.
„Er heißt Tim.", Raunte er mir so laut zu, dass ihn alle am Tisch verstanden.
„Hab ich doch gesagt.", Erwiderte ich, in normaler Lautstärke.
„Nein, du hast Tom gesagt. Er heiß aber Tim, mit I."
„Stell dich nicht so an, immerhin waren zwei von drei richtig. Man kann auch kleinlich sein." Diesmal verdrehte er seine Augen. Löckchen ließ ein leises Lachen hören. Ich wand mich wieder unseren Gegenübern zu.
„Also Tim mit I. Wie läuft es denn so in der Kanzlei?"
„Ähm, gut. Woher weißt du..."
„Bloß geraten." Ich wand mich wieder meinem Essen zu, welches um ehrlich zu sein auch wesentlich interessanter war. Eigenlob stinkt zwar, aber ich musste zugeben, dass ich mich heute mal wieder selber übertroffen hatte.
„Er hat da ein Auge für. Es ist wirklich irre, was er alles mit einem einzigen Blick erkennen kann." Ich hasste es über mich zu reden, Sammy hingegen, könnte ganze Seminare über mich abhalten.
„Ich achte nur auf die Kleinigkeiten, kombiniert mit einer ganz guten Menschenkenntnis, kann man sich vieles erschließen." Ich trat Sam unterm Tisch gegens Bein, damit er endlich das Thema wechselte.
„Was arbeitest du denn, Alex?", richtete er seine Frage an Löckchen.
„Ich bin Künstler. Ich entwerfe Möbelstücke nach Maß und baue sie auch selber."
„Verdient man mit ein paar Schränken so viel, das man davon leben kann?" Die Frage hatte in meinem Kopf nicht halb so unfreundlich geklungen, wie sie herausgekommen war.
„Mit dem richtigen Klientel schon." Löckchen richtete zum ersten Mal seit der Begrüßung seine volle Aufmerksamkeit auf mich. Seine brauenen Augen musterten mich interessiert. Er hatte wirklich schöne Augen, sie waren dezent, stachen nicht heraus, man musste erst richtig hinsehen um ihre unterschwellige Schönheit zu erkennen.
„Vielleicht solltest du umschulen, Sammy. Nicht jede Kunst scheint so brotlos zu sein wie deine." Ich richtete meinen Blick auf Sammy und von den durchdringenden Augen Löckchens ab.
„Du bist auch Künstler?", fragte Blondie erstaunt, was Sammy mal wieder erröten ließ.
„Naja, so würd ich das nicht unbedingt nennen. Ich hab bloß an einer Kunsthochschule studiert." Sammy war die bescheidenste Person, die ich kannte. Er redete, ebenso wie ich, nicht gerne über sich, nur mit dem Unterschied, dass er der Meinung war, dass es über ihn nichts interessantes zu wissen gab, ich hingegen mochte es einfach nur nicht, wenn andere Menschen zu viel über mich wussten.
„Interessierst du dich für zeitgenössische Kunst?", kam es von Blondie.
„Ja schon, ein bisschen." Sammy untertrieb mal wieder. Soweit ich das mitbekommen hatte, war zeitgenössische Kunst eines seiner liebsten Themen in seinen ewigen Monologen, welchen ich, zugegebenermaßen, meist nur flüchtig lauschte.
„Dann kennst du bestimmt Gerhard Richter." Blondie schien auf einmal ganz hibbelig zu werden.
„Machst du Witze? Wer kennt den Gerhard Richter bitteschön nicht?" Ich zum Beispiel, hätte ich am liebsten geantwortete, wollte jedoch nicht wieder die Aufmerksamkeit auf mich ziehen.
„Seine Werke sind so..." Blondie überlegte.
„Provozierend?" half Sammy ihm.
„Und gleichzeitig poetisch." Sie sahen sich lächelnd in die Augen, man konnte die Funken quasi zwischen ihnen fliegen sehen, schlimmer, als in jedem Kitschfilm.
Es entbrach ein losgelöstes Gespräch, über all die ergreifenden Kunstwerke, der ach so bekannten Künstler, zu dem ich nun wirklich nichts konstruktives beizutragen hatte. Löckchen gab hin und wieder einen Kommentar ab, schien wohl, im Gegensatz zu mir. nicht total ahnungslos zu sein. Ich kam mir plötzlich ziemlich ungebildet vor, da es sich aber bei dem Thema jedoch um Kunst handelte, sah ich keinen Grund meiner Unwissenheit ein Ende zu setzten.
Erst als alle fertig waren mit Essen, meldete ich mich wieder zu Wort.
„Ich hoffe, es hat euch allen geschmeckt."
Ich rechnete fast schon damit das Blondie etwas ähnlich Kitschiges wie: 'Sehr Deliziös' erwidern würde, doch er nickte nur breit lächelnd.
„Es war wirklich lecker." Antwortete stattdessen Löckchen. „Kennt ihr diesen kleinen, angesagten Laden Namens Namenlos in der Mozartstraße? Ich könnte schwören das dort die Gemüsepfanne genauso schmeckt."
„Ach, wirklich. Interessant." Erwiderte ich halbherzig. Ich spürte Sammys mahnenden Blick förmlich auf mir.
„Das kommt wahrscheinlich daher, dass das Namenlos unserem lieben Cornelius gehört. Er hat es vor knapp anderthalb Jahren gekauft und zu dem gemacht, was es heute ist."
„Wirklich? Wir sind regelmäßige Stammgäste, aber gesehen hab ich dich dort noch nie." Mischte sich Mal wieder Blondie ein.
„Kommt wahrscheinlich daher, dass ich als Koch vorzugsweise in der Küche stehe."
„Letzten Dienstag hat das Pärchen neben uns nach dem Chefkoch gefragt, weil sie ihn für das leckere Essen loben wollten, aber der Mann der aus der Küche kam war..." Ich unterbrach Blondie.
„Groß, hager, Mitte Fünfzig und glatzköpfig? Ich bin nicht wirklich der Menschfreundlichste, müsst ihr wissen, und ich habe gewiss etwas Besseres zu tun, als mir das stundenlange Gerede der Leute anzuhören. Deshalb ist mein Sous Chef Peter für alles zuständig, das außerhalb der Küche erledigt werden muss. Wird ja auch nicht zum Spaß bezahlt, der Gute."
„Na gut, dann hab ich jetzt noch eine letzte Frage..." ergriff wieder Blondie das Wort.
„Nein, der Name Namenlos ist keine Anspielung auf die Anonymität der Großstadt, eine selbstkritische Lebenskriese oder irgendeinen Bullshit in diese Richtung. Er ist einfach nur einem unkreativen Kopf entsprungen, der dringend einen Name brauchte."
„Oh." Er wirkte enttäuscht.
„Ich find den Namen sogar äußerst kreativ." Wand Sammy ein.
„Ansichtssache." Ich erhob mich und stapelte die Teller aufeinander.
„Gehe ich in der Annahme richtig, das du keinen Nachtisch vorbeireitet hast?" fragte ich Sammy und schenkte der Runde mein bestes gefaktes Lächeln. Er warf mir einen entschuldigenden Blick zu. „Für unsere Gesundheit ist das wahrscheinlich auch besser.", Seufzte ich und verließ mit dem dreckigen Geschirr das kleine Wohnzimmer. Ich vernahm von Sammy noch ein empörtes ‚Hey', nahm mir aber keine Zeit darauf etwas zu erwidern. In der Küche stellte ich die Teller und das Besteck auf die Ablage. Spülen durfte Sammy nachher.
Seufzend öffnete ich den Gefrierschrank, da ich wusste, dass im Kühlschrank nur gähnende Leere herrschte. Leider Gottes, sah es im Gefrierschrank nicht viel besser aus. Eine Packung Erbsen, ein gefrorenes Hacksteak und ein halbes Brot, das aussah, als hätte es den zweiten Weltkrieg miterlebt, waren alles was ich in den ersten drei Fächern fand. Ich seufzte frustriert. Dann war es wohl Zeit für das vierte und letzte Fach. Bei diesem Fach handelte es sich nicht um ein gewöhnliches und stinknormales Fach, es war viel eher das Fach aller Fächer. Es war mein persönliches Nirwana und es schmerzte mich seelisch das ich den kostbaren Inhalt an diese Unwissenden verschwenden musste. Aber was tat man nicht alles für seinen besten Freund. Schweren Herzens öffnete ich also die Pforten zu meinem himmlischen Paradies und nahm die letzten zwei Packungen meines Heiligtums heraus. Ben & Jerry's pragte dort weiß auf schwarz auf dem runden Becher der Köstlichkeit. Ja, ich Cornelius Schnick war Eissüchtig. Forscher fanden heraus, dass man von Eis genauso abhängig werden konnte, wie von illegalen Drogen. Zum Glück war ich noch kein kompletter Junkie, ich war noch vollkommen in der Lage meinen Eisgenuss zu minimieren. Eben dies hatte ich die letzten Wochen auch getan, einfach aus dem Grund, das Sammy gesagt hatte ich würde einen ‚süßen kleinen Bauch ansetzten' und das, wenn ich so weiter machte, mir alle Leute sofort glauben würden, das ich Koch sei. Das hatte ich nun wirklich nicht auf mir sitzen lassen können und so war ich, öfter, als mir selber lieb war, in dieses bescheuerte Fitnessstudio gerannt, bei welchem ich eigentlich nur aus Alibi Gründen angemeldet war. Nicht ohne einen gewissen Stolz konnte ich nun sagen, dass ich den Speck vollständig eliminiert und sogar ein paar Muskeln aufgebaut hatte. Also konnte ich mir nun ohne schlechtes Gewissen diese leckere Eisbombe reinziehen, dumm nur, dass ich sie würde teilen müssen.
Mit einer Miene, als hätte jemand meinen Lieblings Hamster frittiert, trat ich in unser Zweckentfremdetes Wohnzimmer und stellte die zwei Eispackungen und die vier Löffel, zugegebenermaßen, etwas aggressiver als nötig, auf den Tisch. Sammy stoppte mitten in seinem Redefluss über irgendeinen Deppen der Farbkleckse an die Wand spritz und starrte erst mit großen Augen auf das Eis und dann ungläubig zu mir. „Ist es das, was ich denke, das es ist?"
„Nachtisch."
„Hab ich dir schon gesagt, dass du der Beste bist?"
„Jaja. Mach kein großes Ding draus." Missmutig ließ ich mich auf meinen Stuhl plumpsen. Löckchen und Blondie schienen ein wenig verwirrt, in ihren Augen hatte ich lediglich Eis geholt, dass ich jedoch meinen größten Schatz mit ihnen teilte, wusste nur Sammy. „Die nächsten dreißig Packungen bezahlst du." Sammy nickte eifrig und schnappte sich das Caramel Chew Chew Eis und einen Löffel. Blondie tat es ihm gleich und gemeinsam begannen sie das Eis zu löffeln. So blieb mir nichts anderes übrig, als mein Cookie Dought Eis mit Löckchen zu verspeisen. Erneut kehrte Stille ein während alle selig mein Heiligtum mampften. Und nein, ich übertriebe nicht im Geringsten.
„Eine Frage hätte ich aber noch." Komischerweise war es Löckchen, der die Stille dieses Mal brach. Blondie und Sammy waren viel zu beschäftigt sich gegenseitig mit Eis zu füttern, als das sie Löckchen auch nur ansatzweise Beachtung schenkten. Was aber nicht weiter schlimm war, da Löckchens intensiver Blick auf mir, keinen Zweifel ließ, das er seine Frage an mich richten würde.
„Wenn du hier bist, wer ist dann im Namenlos? Heute ist doch eigentlich Ruhetag soweit ich weiß, aber, als ich vorhin die Mozartstraße entlang lief, brannte noch Licht und ich habe Lärm von drinnen gehören."
„Ich hab da so einen Bekannten, dem stelle ich Montags mein Restaurant zur Verfügung." Erwiderte ich und schob mir einen großen Löffel des Paradieses in den Mund. Ich war der Meinung, dass das nun wirklich genug Informationen waren, er anscheinende nicht.
„Und für was stellst du es ihm zu Verfügung?" Er fokussierte mich weiterhin, während ich meine Antwort so lange wie möglich aufschob, indem ich mir das Eis genüsslich auf der Zunge zergehen ließ. Sammy der unserem Gespräch anscheinend doch gefolgt war und gerade eine kurze Pause von dem albernen herum Geturtel machte, antwortete ungefragt für mich.
„Sein Bekannter Gerd ist Sozialarbeiter. Jeden Montag kocht Cornelius einen riesige Topf Essen, welches Gerd und seine Kollegen dann an die Obdachlosen verteilen die ansonsten in die Suppenküche gehen würden. Die Stadt hat die Mittel für die Suppenküche in der Lindenallee jedoch Anfang diesen Jahres gekürzt, weshalb die Mitarbeiter nicht mehr genug Geld haben um den Obdachlosen jeden Tag eine warme Mahlzeit zu kochen. Cornelius war so nett und hat Angeboten jeden Montag auf seine Kosten Essen bereit zu stellen."
In Sammys Erzählungen klang ich schon fast wie ein Heiliger, dabei tat ich nichts Großes. Es waren meist nur simple Gerichte die ich kochte, außerdem konnte ich die benötigten Utensilien gut von der Steuer absetzten, also trug ich keine übermäßig großen finanziellen Verluste davon.
„Wow. Das ist beeindruckend." In Löckchens Worten klangen wahrhaftige Anerkennung und ziemliche Überraschungen mit.
„Auf Grund deiner fast schon schockierten Miene hätte ich durchaus Grund eingeschnappt zu sein."
„Das tut mir leid. Versteh mich bitte nicht falsch, aber du hast selber gesagt du wärst nicht der Menschenfreundlichste, deshalb hätte ich damit nicht unbedingt gerechnet."
„Das hat nichts mit menschenfreundlich zu tun. Ich habe ganz einfach im Gegensatz zu anderen nicht vergessen woher ich komme." Er musterte mich kritisch, während ich mir einen weiteren überladenen Löffel voller köstlichem Eis in den Mund steckte, als würde er so erfahren was ich mit meinen Worten gemeint hatte. Dabei hatte ich sie ganz einfach so gemeint wie ich sie gesagt hatte. Ich hatte in einem Leben nichts geschenkt bekommen, alles was ich heute besaß hatte ich mir selber erarbeitete. Ich kam von ganz unten und hatte es geschafft in meinem Leben weiter nach oben zukommen, also warum sollte ich den Menschen nicht helfen die es nicht soweit geschafft hatten.
„Du steckst voller Überraschungen, Cornelius." Stellte er fest und ich war froh das er nicht weiter fragte. Ich zuckte bloß betont gleichgültig mit meinen Schultern als Antwort auf seine Feststellung, doch mein Herz hatte einen ganz kleinen Sprung nach vorne gemacht bei seinen Worten.
Verdammtes Drecksding.
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