9| Du schon wieder
Joel Adams - Please Don't Go
Am Abend saß ich wieder bei meinem neuen Stammplatz, dem Felsen. Shawn war glücklicherweise bis jetzt noch nicht hierher gekommen, aber das konnte sich ja noch ändern.
Mein Schreibzeug hatte ich wieder mitgenommen und jetzt überlegte ich im dunkeln, mit einer schwach leuchtenden Taschenlampe und Kopfhörern in den Ohren, wie es weitergehen konnte. Gerade arbeitete ich an einer Kurzgeschichte, mit der ich aber noch nicht besonders zufrieden war, weswegen in den neuen Text zerknüllte und runterwarf, so dass er im See landete. Tut mir leid Fische, wegen der Umweltverschmutzung.
,,Du schon wieder", hörte ich jemanden hinter mir seufzen.
,,Du schon wieder", erwiderte ich laut und betonte das "du".
Ich konnte im schwachen Licht erkennen, dass Shawn seine Gitarre dabei hatte und in der anderen Hand seinen Notizblock hielt. ,,Ich war zuerst hier", meinte er provozierend, aber ich ging nicht weiter darauf ein und antwortete nur : ,,Nö."
Ohne mich zu fragen setzte er sich einfach auf den Stein neben mich und ich unterdrückte einen Seufzer. ,,Was machst du hier eigentlich immer?", fragte er und sein Gesicht war mir plötzlich sehr unangenehm nahe. Als ob er die Antwort nicht schon kennen würde.
,,Dieser Ort dient mir immernoch dazu, wenn ich keine Lust auf gewisse Menschen in meinem Umfeld hier habe und ich schreibe auch immernoch hier", erklärte ich ihm so, als wäre er jemand, dem du alles fünf mal erklären musstest, bis er es raffte.
,,Okay", meinte er achselzuckend und ich konnte sein Grinsen heraushören.
,,Der Song von gestern.. arbeitest du noch an dem oder war das ein bereits fertiger?", fragte ich zögerlich.
,,Das war ein fertiger Song. Ich wollte jetzt mit dem neuen fortfahren, aber du bist ja auch hier", antwortete er ausdruckslos und ich warf leise ein : ,,Lass dich von mir nicht stören."
Danach hatte er nichts mehr gesagt und so kam es, dass wir seit zwanzig Minuten beide hier saßen und an unseren Texten arbeiteten. Irgendwie beruhigte das ganze auf eine gute Weise, die ich nicht beschreiben konnte. Ich saß immerhin nicht alleine hier im dunkeln in einem Wald, sondern hatte jemanden um mich, der die selbe Leidenschaft ausübte. Das war nichtmal so übel.
,,Was genau schreibst du da?", fragte er plötzlich nach ewiger Stille und warf einen Blick auf mein Schreibpapier.
,,Noch nichts, was für jemand anderen bestimmt ist", antwortete ich.. schüchtern?
Oh man, was machte dieses Camp bitte mit mir? Ich war definitiv nicht wie früher.
,,Akzeptier ich", wisperte Shawn und mein Blick fuhr zu ihm. Durch das schwache Licht der Taschenlampe konnte ich ihn ein wenig erkennen und heilige Scheiße sah der gut aus. So nebenbei bemerkt.
Lächelnd blickte ich auf meine Fingernägel, die plötzlich sehr interessant aussahen. Okay Spaß beiseite, ich hatte keine Ahnung was ich dazu sagen sollte. Ich entschied mich dann schlussendlich für ein einfaches "Danke", welches er mit einem Nicken hinnahm.
,,Erzähl mal etwas über dich", meinte er nachdem wieder eine quälende Stille eingebrochen war.
,,Da gibts eigentlich nichts besonderes. Ich surfe, aber das weißt du bereits. Ich schreibe, aber das weißt du ungewollter Weise auch. Ich bin asozial, rebellisch und wie jede andere, wie du festgestellt hast", antwortete ich trocken.
,,Hey..", begann er und rückte ein Stück näher und drehte sich, so dass er mich besser ansehen konnte. ,,Das, was ich da letztens gesagt habe.. das tut mir leid. Ich weiß ich habe mich schon drei Mal entschuldigt, aber dadurch, dass wir durch irgendwelche beschissenen Zufälle immer wieder aufeinandertreffen nehme ich diese Worte jetzt ganz offiziell zurück. Ich kenne dich kaum und hätte nicht einfach so über dich urteilen sollen. Aber ich hatte einfach Angst, dass das eine typische Masche von dir oder euch Mädchen sei", erklärte er und ich schluckte.
,,Warum eine Masche? Und besonders welche?", fragte ich verwirrt und sah ins dunkle.
,,Erst verhältst du dich.. ach egal."
,,Okaaay", meinte ich total verwirrt über seine Erklärung. Dieser Junge konnte manchmal wirklich nicht in vernünftigen, verständlichen Sätzen reden, hatte ich das Gefühl.
,,Aber jetzt erzähl mal wirklich etwas interessantes über dich", wechselte er nervös lachend das Thema.
,,Ähm ich esse gerne", sagte ich mit unschuldiger Miene und kaum eine Sekunde später begann er zu lachen. ,,Ich hätte jetzt erwartet, dass du dich nichtmal traust vor einem Jungen Döner zu essen", sagte er grinsend und ich meinte bloß : ,,Pff. Immerhin hätte ich dann einen Döner und dann ist es mir ziemlich schnuppe was der Typ denkt, mit dem ich esse."
,,Merk ich mir", meinte er und verschränkte gespielt beleidigt die Arme vor der Brust.
Ich lachte leise auf und sah weiterhin ins Dunkle. ,,Wohin siehst du die ganze Zeit?", fragte er dann irgendwann und ich wendete meinen Blick ab, um ihn anzusehen. ,,Keine Ahnung, ins Dunkle halt", antwortete ich achselzuckend und ich spürte, wie er mich kritisch beäugte.
Als ich ein paar Stimmen hörte, wurde ich aufmerksam. ,,Hier ist irgendwer", flüsterte ich Shawn zu, der sich auch schon umsah. Vermutlich beruhte der Wunsch, dass wir nicht so zusammen gesehen werden wollten auf Gegenseitigkeit, weswegen ich dann sagte : ,,Ich suche dann mal 'nen Weg zurück. Bis morgen oder so."
,,Warte", wisperte er und hielt mich an meinem Oberarm fest. ,,Geh nicht."
,,Hat der kleine Shawn etwa Angst?", fragte ich grinsend, als er mich wieder nach unten auf die Steine zog.
,,Der kleine Shawn will nur nicht die große Sienna durch 'nen Wald laufen lassen, wenn hier vielleicht betrunkene Leute aus unserem Camp sind. Glaub mir, die Typen die hier so unschuldig erscheinen, veranstalten durchaus die ein oder andere geheime Saufparty", zischte er in mein Ohr.
Danach sagte ich einfach gar nichts mehr und wartete ab, bis wir gehen konnten.
,,Jetzt müssten sie weg sein", sagte ich nach einer gefühlten Ewigkeit und stand auf. Er tat es mir nach und streckte sich. Belustigt blickte ich ihn an und griff nach meinem Schreibzeug, welches noch auf den Steinen lag.
,,Shawn?", fragte ich, als ich aus dem kleinen Versteck heraus geklettert war, aber er war irgendwie nicht mehr dort, wo er vorher war.
,,Shawn?", fragte ich erneut und sichtlich genervt. ,,Boah, ich habe jetzt keine Lust auf so dumme ich-bin-sieben-jahre-alt-und-verstecke-mich Spiele", rief ich in die kühle Nachtluft, aber der feine Herr hielt es immernoch nicht für nötig ein Lebenszeichen von sich zu geben.
,,Buh!", machte es plötzlich neben mir und er stach mir mit zwei Finger in die Seiten.
,,HaHaHa", meinte ich stumpf und verdrehte die Augen, auch wenn er das vermutlich nicht sah.
,,Penner", murmelte ich und schlug ihn gegen seinen Oberarm, weil ich mich wirklich ein wenig erschrocken hatte. Zu meiner Verteidigung, es war alles still und dann kommt so ein Idiot und erschreckt dich.
***
Jep, mal etwas mehr von den beiden :3
Meinungen und Votes sind gerne gesehen <3
pizzatogo
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