Vier
Kurz tauschen Bobby und Maura einen Blick aus, den ich nur schwer deuten kann. Die beiden allerdings scheinen sich zu verstehen. In meinem Hals bildet sich ein Kloß, der sich nicht runterschlucken lässt. Mir wird übel. So sehr, dass ich Angst habe mich hier vor aller Augen übergeben zu müssen.
Es ist viel zu still. Würde im Hintergrund nicht noch immer die sanfte klassische Musik spielen, dann könnte man sicherlich eine Stecknadel auf den teuren Echtholzboden fallen hören. Nervös beginne ich damit meine Hände zu kneten, als weiterhin niemand etwas sagt.
Mir kommt es vor, als wären Stunden vergangen, bis Bobby sich endlich räuspert und die Schulter strafft. Es erweckt beinahe den Eindruck, als würde Nialls Vater sich auf einen Kampf vorbereiten. Die Frage ist nur auf welcher Seite er bei diesem Krieg am Ende stehen wird.
Ich schicke ein Stoßgebet gegen den Himmel, dass er sich auf Niall und meiner Seite befinden wird. Ohne die Unterstützung seiner Eltern sind wir den Plänen meiner schutzlos ausgeliefert.
„Ich stimme meinem Sohn grundsätzlich zu. Es ist die Entscheidung der Beiden, wann sie heiraten möchten", beginnt der Mann, dem mein Freund so ähnlich sieht.
Bevor er allerdings dazu kommt noch mehr zu sagen, unterbricht ihn mein Vater. Seine Hand ruckt in die Höhe. Eine Geste, die ich zu tiefste verabscheue. Dieses Zeichen meines Vaters dient dazu jemanden den Mund zu verbieten. Zu häufig hat es schon mir gegolten.
„Aber was ist mit Enkelkinder? Den Nachkommen und Erben. Wollt ihr nicht auch, dass euer Besitz in der Familie bleibt?", erkundigt sich mein Vater mit einer gewissen Schärfe in der Stimme.
Wieder werden Blicke getauscht, doch dieses Mal meldet sich zur Verwunderung aller meine Schwester zur Wort.
„Aber Dad. Ich und Lennard wir sind doch auch noch da."
Ungläubig sieht unser Familienoberhaupt seine jüngste Tochter an. Meine Mutter schnalzt mit der Zunge und wirft ihrem Mann einen genervten Blick zu. Doch nicht etwa, weil sie dieses Thema für unangebracht hält.
„Ich denke Elena, du konzentrierst dich auf deine Karriere in der Modebranche. Da gehörst du hin. Mit den geschäftlichen Dingen brauchst du dich nicht zu belasten", redet unsere Mutter vermeintlich beruhigend auf ihre Tochter ein.
Meine Schwester möchte Luft holen und etwas erwidern. Doch dieses Mal ist die erhobene Hand unseres Vaters gegen sie gerichtet. Verbissen kneift Elena den Mund zusammen und ich meine zu wissen, wie sehr sie sich in diesem Moment beherrschen muss.
Um von dieser Bloßstellung seitens meiner Mutter abzulenken schnippt Elena mit dem Finger nach dem Kellner und fragt ihn, warum ihr Glas noch immer leer sei. Sie hätte schließlich mit ihrer Verlobung einen Grund zu feiern. Mit einem untergebenen Kopfnicken, wendet sich der junge Mann zum Gehen, um den geforderten Nachschub zu besorgen.
In der Annahme, dass die Stimmung an diesen Abend nicht mehr tiefer sinken kann, werde ich prompt eines Besseren belehrt, als sich nun Maura mit ruhiger Stimme Gehör verschafft.
„Natürlich würden wir uns freuen, wenn Viktoria und Niall heiraten würden und Enkelkinder wünschen wir uns ebenfalls sehr."
Ich weiß nicht, warum sie das sagt. Ob es dazu dienen soll meinen Vater milde zu stimmen und somit ein lahmer Versuch ist die Stimmung an diesem Abend zu retten. Oder aber, ob sie es nicht doch ernst meint. Ihr Blick ist liebevoll in unsere Richtung gewechselt und dies scheint ein untrügerisches Zeichen zu sein, dass Maura sich wirklich Enkelkinder zu wünschen scheint.
Die Hand meines Partners, welcher noch immer neben mir steht sucht meine. Seine Finger sind warm und stehen so im absoluten Kontrast zu meinen, als er diese miteinander verschränkt.
„Es sagt doch niemand, dass wir nicht auch Kinder wollen. Aber es hat noch etwas Zeit. Sind wir uns da nicht einig?", fragend sieht er in die Runde.
Seine Eltern nicken zustimmend, während meine sich augenscheinlich nur schwer mit diesem Gedanken anfreunden können.
Dennoch legt mein Dad, ganz Herr der Lage, väterlich seine Hand auf Nialls Schulter.
„Aber nicht mehr ganz so viel Zeit. Du willst doch aus meiner Tochter eine ehrbare Frau machen, oder nicht?", scherzt er mit eine Augenzwinkern und einem Lächeln, welches nicht sein komplettes Gesicht erreicht.
„Selbstverständlich Sir. Ich will nur das Beste für Vicky", antwortet der Angesprochene und schenkt seinem Gegenüber wiederum ein echtes Lächelt seinerseits.
Meinen Spitznamen, würdigt meine Mutter nur mit einem Zungenschnalzen. Sie mag diese Verniedlichung nicht. Hat sie sich doch nicht ohne Grund einen Namen ausgesucht, der Erfolg bedeutet. Ich hingegen, höre lieber diese Variante. Bevor nun auch darüber eine Diskussion entflammen kann, betritt der Kellner wieder das Wohnzimmer und schenkt mit seinem professionellen, charmanten Lächeln die Gläser der Anwesenden nach. Ich allerdings lehne ab und erhalte nur ein mitleidiges Lächeln des Mannes, bevor er sich an meine Partner wendet, welcher ebenfalls ablehnt.
Der Abend ist, wie ich es bereits nach dem Telefonat mit meiner Mutter in der S-Bahn erwartet hatte, eine reine Katastrophe. Nachdem wir uns noch weitere dreißig Minuten an einer stumpfsinnigen Unterhaltung über die bevorstehende Hochzeit beteiligt haben, welche im Spätherbst stattfinden soll, verabschieden sich Nialls Eltern.
Sie erzählen, dass sie morgen früh mit einem Geschäftspartner zum Golfen verabredet sind. Da ich weiß, dass Niall der beste Golfer in der Familie ist und es nie schaden kann, auf dem Platz den Ton anzugeben, wundert mich diese Aussage, seitens Maura und Bobby. Mein Freund hat bisher nicht erwähnt, dass er morgen auf dem Grün sein wird. Daher vermute ich, dass es sich um eine Notlüge handelt. Allerdings schließe ich mich dieser Gelegenheit hier endlich wegzukommen nur zu gerne an.
Ich habe schon den ganzen Abend das Gefühl nicht richtig atmen zu können.So wie es im Grunde schon mein ganzes Leben in Gegenwart meiner Eltern der Fall ist. Und eigentlich müssen sie dafür nicht mal körperlich anwesend sein. Immer habe ich das Gefühl sie wären da, wüssten, was in mir vorgeht und würden ihren Meinung ungefragt dazu geben. Wie eine dunkle Bedrohung fühlt es sich an unter ihrer ständigen Beobachtung zu stehen. Sowohl beruflich, als mit dem heutigen Abendessen auch wieder privat.
Ich glaube nicht mehr daran, dass auch nur eine Sekunde lang die Verlobung meiner Schwester heute Abend gefeiert werden sollte. Viel mehr war es ein unverhohlener Versuch meiner Eltern, mir und somit auch Niall den ihrer Meinung nach richtigen Weg aufzuzeigen.
Sicherlich haben sie sich mehr Unterstützung durch die Horans erwartet. Doch auch wenn die Beiden, wie ich es nun weiß, Enkelkinder wünschen, dann tun sie das dennoch aus anderen Gründen als meine Eltern. Warum sollte ich Kinder in diese Familie setzen wollen? Nur damit sie am Ende ihren Großeltern als Spielball für deren Pläne und die Zukunft des Unternehmens dienen?
Die kurze Fahrt nach Hause verläuft schweigend. Während Niall sich auf die ruhigen Straßen konzentriert, halte ich die Augen geschlossen und versuche vergebens diesen Abend aus meiner Erinnerung zu streichen.
Einige Minuten später, holt mich Niall aus meinem Dämmerzustand, indem er mir vorsichtig mit den Fingerspitzen über meinen Oberarm streicht. Fast schon erschrocken über diese Geste zucke ich zusammen. Blinzelnd blicke ich mich um und erkenne, dass wir bereits in unserer Straße parken.
Ich murmle eine Entschuldigung, welche Niall mit einem merkwürdigen Blick zur Kenntnis nimmt. Mit diesem Blick mustert er mich auch weiterhin, als wir uns umziehen und später gemeinsam im Badezimmer vor dem Spiegel stehen, um uns die Zähne putzen. Genervt spucke ich die Reste der Zahnpasta ins Waschbecken und lasse anschließend Wasser nachlaufen, um mir den Mund auszuspülen. Mit dem Handtuch wische ich meinen Mund trocken und beobachte nun ebenfalls meinen Freund skeptisch.
Als ich es nicht länger aushalte so undurchdringlich angestarrt zu werden. Lasse ich schon beinahe wütend das Handtuch fallen, welches in einem Knäule zu meinen Füßen landet.
„Was ist los?", fahre ich Niall aufgebracht an.
„Ich überlege einfach, warum du keine Kinder mit mir willst?", stellt er mir unverblümt die Frage, die ihn wohl zu seinem Starren veranlasst hat.
„Warum sollten wir Kinder wollen?", entgegne ich genauso gerade heraus, wie Niall es soeben mit seiner Frage an mich gehandhabt hat.
„Weil wir zusammen sind und es doch irgendwie dazu gehört, oder nicht?", stellt er fest, während er sich niederkniet und das Handtuch zu meinen Füßen aufhebt, um es über den Halter zu hängen.
Erst jetzt wird mir bewusst, dass wir eigentlich, obwohl wir schon so lange zusammen sind, noch nie über dieses Thema gesprochen haben. Ich bin einfach immer davon ausgegangen, dass Niall die Dinge ähnlich sieht. Das auch er keine Kinder will, auf die Ehe verzichten kann und einfach so mit mir zusammen sein möchte.
Doch jetzt wo er mich so geduldig ansieht und auf eine Antwort von mir zu warten scheint, begreife ich, dass ich mich da wohl geirrt habe. Und obwohl ich nun eigentlich einfühlsam damit umgehen sollte, es vielleicht offensichtlich ist, dass es mitten in der Nacht, nach einem anstrengendes Tag und einem noch viel stressigerem Abend im Kreise meiner Familie nicht der richtige Zeitpunkt ist, um über solche Themen zu diskutieren, platze ich dennoch unverblümt mit der Wahrheit heraus.
„Weil ich keine Kinder will. Nicht mit dir und auch mit sonst niemanden. Ich will niemandem diese ganze Scheiße hier zumuten. Diesen Zwang und die Etikette, die Erwartungen. Warum sollte ich das jemanden antun wollen?", antworte ich hysterisch.
Augenblicklich merke ich wie Tränen in meinen Augen aufsteigen. Nur wenn ich mich in die Ecke gedrängt fühle, so wie es jetzt der Fall ist, dann wage ich es die Wahrheit laut heraus zu schreien. Und das auch nur bei Niall.
Er hat es eigentlich nicht verdient, meine Wut über all das abzubekommen. Aber ich will nicht, dass nun auch Niall damit beginnt auf mein Leben Einfluss zu nehmen, so wie er es für richtig hält. Ich will nicht das Gefühl haben, Kinder kriegen zu müssen, nur weil man es von mir erwartet. Niemals. Und ich dachte in Niall den Mann gefunden zu haben, der die Dinge genauso sieht.
Er weiß doch um mein Verhältnis zu meinen Eltern. Er kennt doch meine Geschichte. Er kann doch nicht wirklich ein Kind wollen.
„Wer sagt denn, dass wir es zulassen, dass es unseren Kindern ebenso ergeht?", fragt er und macht einen vorsichtigen Schritt in meine Richtung.
Ich weiche allerdings wie aus Reflex einen zurück. Ich bin nicht bereit mich in diesem Punkt weichkochen zu lassen und Niall scheint die Mauer, welche ich in Sekundenschnelle um mich herum aufbaue ebenfalls zu bemerken. Kaum merklich sinken seine Schultern ein Stück weit nach unten. Betrübt lässt er den Kopf hängen, um mich anschließend mit seinen blauen Augen anzusehen.
„Aber Vicky, ich wünsche mir Kinder und das mit dir. Schon immer", erklärt er mir.
Das kleine Funkeln in seinen Augen, lässt mich keine Sekunde daran zweifeln, dass er seine Worte absolut ernst meint. Und eigentlich sollte ich weich werden. Welche Frau würde das nicht, wenn ihr Mann sie darum bittet, die Mutter seiner Kinder zu werden und dabei so verletzlich aussieht, wie Niall in diesem Augenblick.
Doch ich kann nicht. In meinem Inneren weiß ich, dass es nicht richtig ist. Ich will es einfach nicht und ich kann in diesem Punkt nicht über meinen Schatten springen. Auch nicht für Niall.
„Ich will es aber nicht und das musst du wohl akzeptieren", erkläre ich kühl meinen Standpunkt und gehe geradewegs an ihm vorbei Richtung Schlafzimmer.
Doch Niall hält mich zurück, indem er nach meinem Oberarm greift und mich festhält. Unsere Blicke treffen sich.
„Vielleicht sollten wir dann überlegen, ob wir beide überhaupt zusammen gehören?", stellt er mir die Frage, die gleichzeitig wie eine Bedienung klingt.
Ich sehe auf seine Hand um meinen Arm. Sein Griff ist fest genug, sodass sich seine Fingerkuppen in mein Fleisch bohren, dennoch sanft genug, um mir nicht weh zu tun.
„Vielleicht", antworte ich lediglich auf seine Frage.
Ohne ihn noch weiter zu beachten verlasse ich das Badezimmer, um mich anschließend ins Bett fallen zu lassen. Das Gespräch ist für mich beendet.
Trotzdem meine Augen geschlossen sind, bekomme ich mit, wie Niall das Licht löscht. Ich warte darauf, dass sich nun auch seine Seite des Bettes senkt, während er sich hinlegt. Doch stattdessen höre ich die Schritte des Mannes Richtung Tür und wie diese kurz darauf geschlossen wird.
Heute Nacht scheinen wir getrennt zu schlafen.
Es tut mir leid, dass ihr wieder eine Weile warten musstet, bis es weiter geht. Aber diese Woche hatte ich einfach wenig Zeit. In der nächsten kommt mich für ein paar Tage die liebe Little_Ophelia besuchen. Soll heißen, ich werde es vielleicht erst zum Wochenende hin schaffen ein neues Kapitel zu schreiben.
So, nun zu den aktuellen Geschehnissen in OW. Was glaubt ihr, wie geht es zwischen Niall und Vicky weiter?
Und dann hat mich noch Cymbidie mit einem Bild zu OW überrascht und wirklich ich freue mich wahnsinnig darüber und möchte mich auch auf diesen Weg nochmal ganz doll bei dir bedanken. ❤️
Wenn euch das Kapitel gefallen hat, dann vergesst bitte das Sternchen nicht. ❤️❤️❤️
Anni
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