Sieben
Einen kurzen Moment verweilt mein Blick noch auf dem kleinen, religiösen Symbol an der Hand des Kellners.
Meine Mutter würde sicherlich die Nase rümpfen über einen Angestellten in einem gehobeneren Hotel, der solch offensichtliche Tätowierungen trägt. Ich hingegen störe mich nicht daran, finde diese Stelle für ein Kreuz dennoch interessant.
Nialls Räuspern hinter meinem Rücken holt mich zurück in die Realität und erinnert mich daran, dass ich den jungen Mann mir gegenüber unverschämt lange angestarrt habe. Meine Augen wandern nach oben und mein Blick trifft auf grüne Augen, die mich ebenfalls direkt ansehen. Freundlich lächle ich den Kellner an und möchte mich somit für mein sonderbares Verhalten entschuldigen. Es folgt keine Regung seinerseits.
„Und schmeckt der Cocktail?", unterbricht Niall den Moment und greift an mir vorbei nach dem anderen Glas, welches für ihn bestimmt ist.
Er nimmt einen Schluck und sein zufriedenes Summen zeigt, dass es ihm ebenfalls zu schmecken scheint.
„Wirklich gut. Haben Sie den gemacht, Harry?", beginnt Niall ein Gespräch mit seinem Mitarbeiter, nachdem er den Namen des Mannes auf dessen Schild, welches an der dunklen Weste hängt, gelesen hat.
„So ist es", antwortete dieser lässig und lässt das nun leere Tablet sinken.
Wohlwollend nickt Niall, gönnt sich einen weiteren Schluck und wendet sich anschließend an mich, um zu fragen, ob wir auf unser Zimmer wollen.
Das Zimmer ist groß, dennoch keine Suite, was allerdings auch nicht nötig ist. Aber neben einer grandiosen Aussicht auf das Meer hat es ein bequemes King-Size-Bett und ein großzügiges Badezimmer mit Whirlpool-Wanne zu bieten. Schon jetzt freue ich mich darauf nach dem Abendessen ein ausgiebiges Bad in eben dieser zu genießen.
„Endlich Urlaub", jubiliere ich mit ausgestreckten Armen und lasse mich rücklings mit geschlossenen Augen auf das Bett fallen.
In diesem Moment fühlen sich meine Problem seit langer Zeit endlich wieder weit weg an. Ob es sich dabei um die Verlobung meiner Schwester, den Druck meiner Eltern, die Arbeit oder den Lärm der Großstadt handelt. Alles scheint im Augenblick unwichtig.
Stattdessen höre ich das Meer rauschen, rieche die frische Luft und merke deutlich, wie mein Körper sich entspannt, als ich einen tiefen Atemzug hole.
Ohne dass ich es bemerkt habe, einfach weil ich in diesem Moment tiefenentspannt bin, liegt Niall plötzlich neben mir. Seine federleichten Berührungen an meinem Bauch entlang dort, wo der Stoff meiner leichten Bluse hochgerutscht ist, lässt mich wohlig seufzen.
„Es ist schön, dich endlich mal wieder entspannt zu sehen. Aber ich muss hier auch etwas arbeiten."
Ich öffne die Lider einen spaltbreit und suche die mir so bekannten blauen Augen.
„Das tut mir leid für dich, aber ich werde es trotzdem genießen", entgegnete ich, ohne einen Funken Mitleid. Einfach weil ich weiß, dass Niall seinen Job liebt und er mir aus diesem Grund nicht böse ist, wenn ich so ehrlich zu ihm bin.
Seine Lippen an meinem Hals murmelt er: „Dann lass uns für heute erst einmal die Ruhe gemeinsam genießen, bevor ich mich morgen in die Arbeit stürze."
Und das tun wir. An dem Punkt, wo wir gestern noch von Maura unterbrochen wurden, schließen wir nun an. Geben uns der Lust hin und können uns beide unbeschwert fallen lassen.
Später liegen wir noch immer in den zerwühlten Laken. Nialls dunkelbraune Haare liegen wirr auf seinem Kopf. Sein Blick ist müde, was er mit einem dazugehörigen Gähnen unterstreicht, als er mich fragt, ob wir uns nicht das Essen aufs Zimmer kommen lassen wollen.
Ich hingegen bin voller Elan und möchte am liebsten aus dem Bett springen, duschen und zum Strand stürmen. Doch da Niall im Moment so müde ist, stimme ich seinem Vorschlag zu, das Essen auf unser Zimmer kommen zu lassen.
Während er also eine Auswahl an spanischen Tapas bestellt, beginne ich damit in meinem Koffer einen Bikini, sowie ein Kleid herauszuziehen. Ich muss dringend duschen. Der Flug und die heiße Liaison mit Niall kleben förmlich an meiner Haut.
Meine feuchten Haare nach dem Duschen binde ich zu einem Zopf zusammen, derweil ich aus dem Badezimmer komme. Niall liegt die Arme hinter dem Kopf verschränkt auf dem großen Bett und sieht sich irgendeine Sendung im Fernsehen an.
„Können wir nach dem Essen dann noch zum Strand?", frage ich und nehme ebenfalls auf dem Bett Platz.
Niall gähnt einmal kräftig, nickt aber dennoch. Skeptisch schiebe ich die Augenbraue in die Höhe, da er gerade alles andere als einen fitten Eindruck macht.
„Was? Ich bin dabei. Versprochen!", beteuert er seine guten Absichten, nachdem er meinen Blick bemerkt hat.
Ich lache nur und lehne mich ohne zu widersprechen und somit meine Skepsis zum Ausdruck zu bringen ebenfalls zurück.
Wenig später klopft es leise an die Tür und eine Frauenstimme teilt uns mit, dass es sich um den Zimmerservice handelt. Lauter, kleine lecker aussehende Speisen, werden hübsch dekoriert auf einem Servierwagen auf den zum Zimmer gehörigen Balkon gerollt. Niall gibt der jungen Damen ein großzügiges Trinkgeld, welches sie dankbar lächelnd entgegennimmt.
„Wissen die Angestellten eigentlich, dass du ihr Chef bist?", erkundige ich mich, während ich es mir auf einen der Balkonsessel bequem mache.
In kurzer Hose und Shirt setzt sich Niall ebenfalls dazu. Beides hat er angezogen, bevor er die Tür geöffnet hat. Allerdings erst nachdem ich ihn darauf hingewiesen habe, dass es vielleicht nicht so praktisch ist, wenn der Chef sich nur in Boxershorts präsentiert.
„Ich gehe davon aus, dass es sich herumgesprochen hat, aber spätestens morgen wird es auch der Letzte wissen. Da werde ich mich dem Team offiziell vorstellen."
„Warum genau musstest du denn unbedingt hier her? Also nicht, dass ich mich beschweren möchte. Es ist schön hier, was gibt es aktuell hier für dich zu tun? Der Laden scheint doch zu laufen."
Niall füllt sich einen Teller mit ein paar der kleinen Köstlichkeiten auf, bevor er mir antwortet.
„Naja es steht die Sternbewertung für dieses Haus an. Bevor wir dieses Hotel hier gekauft haben, hatte es nur zwei und war in einem recht schlechten Zustand. Aber wir haben das Potenzial in dieser Location gesehen. Ich meine, gegen die Lage kann man nichts sagen, oder?"
Er macht eine bedeutungsschwere Geste mit der Hand und zeigt auf den wunderbaren Ausblick.
„Absolut", stimme ich zu und stecke mir eine gefüllte Olive in den Mund.
„Und außerdem", führt Niall seine Erklärung fort, „also abgesehen von der Lage ist Spanien gerade in Europa immer gefragter. Auf Mallorca, haben die Hotels keine Kapazitäten mehr für die ganzen Gäste, die dort hinwollen. Das liegt natürlich nicht zuletzt an der angespannten Lage, zum Beispiel in der Türkei."
Interessiert höre ich seinen Erläuterungen zu.
„Aber Vicky, ich will dich nicht weiter mit dem Quatsch langweilen. Probier lieber mal ein Stück von dem Ziegenkäse, der ist wirklich lecker."
Und prompt wird mir eine Gabel mit der weißen Creme unter die Nase gehalten. Ich beuge mich über den Tisch und probiere. Der Käse ist würzig und schmeckt ausgezeichnet. Genießerisch lecke ich mit meiner Zunge über die Unterlippe.
Auch mein Geschmack scheint aus seinem Winterschlaf erwacht zu sein. Umso wichtiger ist es, dass ich aufpasse nicht zu übertreiben. Ich habe keine Lust meiner Mutter zu erklären, warum ich im Urlaub so fett geworden bin.
„Hmm, wenn du das machst, dann bekomme ich aber ganz unanständige Ideen", unterbricht Niall meine Gedanken an Berlin.
„Wir gehen nach dem Essen runter zum Strand", erinnere ich ihn mit erhobenem Zeigefinger.
Niall grinst breit und salutiert mir der Hand vor der Stirn, als wären wir beim Militär. Mit dieser Albernheit bringt er mich ebenfalls zum Lachen.
Das restliche Essen unterhalten wir uns über die Insel. Beide möchten wir uns unbedingt die Zeit nehmen den Nationalpark El Teide zu besuchen. Auf einen Tag können wir uns allerdings noch nicht festlegen, da Niall sich erst morgen einen Überblick darüber verschaffen will, wieviel Arbeit noch bis zur Sternenvergabe auf ihn wartet. Das heißt schlussendlich für mich, dass ich die nächsten Tage vermutlich meine Freizeit alleine gestalten werde. Aber das ist nicht neu, wenn ich mit ihm zusammen in eines seiner Hotels fahre und ich würde mich auch nie über diesen Umstand beschweren. Zumal ich auch gerne nur für mich bin.
Den Speisewagen mit den Resten unserer Mahlzeit schieben wir auf den Gang.
„Ich mache mich noch einmal frisch und dann könne wir runtergehen", verkünde ich, bevor ich noch ein weiteres Mal ins Badezimmer verschwinde, um meine Haare zu kämen.
Nach zehn Minuten bin ich fertig und schon als ich die Tür vom Badezimmer öffne, höre ich das untrügerische Geräusch, welches mich sofort erahnen lässt, dass Niall eingeschlafen sein muss. Meine Vermutung wird bestätig, als ich ihn auf dem Bett liegend vorfinde. Ein Kissen im Arm schlummert er bereits seelenruhig. Einen kurzen Moment überlege ich, ihn zu wecken. Entscheide mich aber schlussendlich dagegen, da ich weiß, dass die nächste Tage sicherlich weniger erholsam für ihn werden als für mich.
Ich schalte den Fernseher aus und verzichte darauf, den Schlafenden mit einer Decke zuzudecken, da es bereits jetzt warm genug zum Schlafen ist. Leise greife ich nach meinen Sandletten, bevor ich lautlos das Zimmer verlasse. Eine Nachricht brauche ich Niall nicht zu hinterlassen. Er weiß ohnehin, wo ich bin. Außerdem habe ich nicht vor, allzu lange wegzubleiben. Vermutlich wird er nicht einmal bemerken, dass ich mich alleine auf den Weg zum Strand gemacht habe, da er sicherlich bis morgen Früh durchschlafen wird. Manchmal beneide ich Niall darum, dass er einen so festen Schlaf hat. Ich hingegen werde häufig schon bei dem leisesten Geräusch wach.
Wenig verwundert, stelle ich fest, dass der Speisewagen nicht mehr neben unserer Zimmertür steht. Der Service hat definitiv seine Sterne verdient, überlege ich, als ich mich auf den Weg Richtung Fahrstuhl begebe.
Es sind nicht übermäßig viele Gäste unterwegs. Dies liegt sicherlich auch daran, dass das Hotel erst vor kurzem neu eröffnet wurde. Doch welcher Gast beschwert sich schon, wenn er es etwas ruhiger in seinem Urlaub hat und nicht in einem Bettenbunker mit eintausend Gästen oder mehr untergebracht ist.
Der Strand liegt fußläufig nur wenige Meter hinter dem Hotel. Erreichen tut man diesen über eine Treppe, welche in die Felsen eingelassen ist. Schon beim hinuntergehen der Stufen höre ich die Wellen immer lauter rauschen und eine frische Brise, die nach Salz riecht, weht mir um die Nase.
Die Dämmerung ist bereits eingetreten und die Sonne ist gerade dabei, am Horizont direkt über dem Meer in einem tiefen rot zu verschwinden.
Sobald ich den schwarzen Sand betrete, welcher so typisch für die Vulkaninsel ist, versinke ich mit meinen Sandaletten in dem kühlen, feuchten Untergrund. Kurzentschlossen ziehe ich die Schuhe aus und gehe barfuß direkt zum Wasser.
Die Temperatur des Nass' ist angenehm kühl und umspült meine Füße immer wieder, während ich ohne ein bestimmtes Ziel ein Stück den Strand entlanggehe.
In Gedanken versunken lasse ich mich schließlich auf dem dunklen Sand nieder und beobachte zufrieden, wie die Sonne untergeht. Ich scheine vollkommen alleine zu sein, bis auf ein kleinen Kleiderhaufen, der vielleicht fünf Meter von mir entfernt liegt. Ich schenke diesem keine Aufmerksamkeit und starre stattdessen weiterhin auf das Meer.
Doch abgesehen von den Wellen und den Möwen, welche gelegentlich über das Meer fliegen, sehe ich plötzlich eine Person aus dem Wasser steigen.
Aufgrund der Dunkelheit ist es am Anfang schwer auszumachen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt. Doch je dichter die Person kommt desto schärfer werden die Konturen.
Nur in einer engen Boxershorts bekleidet kommt ein junger Mann aus dem Wasser. Als sich bereits nur noch seine Waden darin befinden, erkenne ich dunkle Muster, welche seine Haut zieren und aus der Entfernung noch keine richtigen Bilder ergeben wollen. Ich kann meinen Blick nicht abwenden. Auch nicht, als die Person scheinbar auf mich zuzukommen scheint.
Die schlanke, sportliche Figur des Mannes ist schön anzusehen, muss ich mir selbst eingestehen. Doch von dieser lenkt mich ein riesiger Schmetterling ab, welcher nur wenige Zentimeter über dem Bauchnabel tätowiert ist. Hinzu kommen zwei Schwalben auf der trainierten Brust und zwei Farnblätter, welche den Blick auf seine recht schmalen Hüften lenken.
Ich schlucke als ich bemerke, wie tief meine Augen bereits gewandert sind.
Schnell sehe ich wieder nach oben. Genau in dem Moment, als der junge Unbekannte seine schlanken Finger durch die schulterlangen, dunklen Haare wandern lässt und er anschließend ausgiebig den Kopf schüttelt.
Wenige Meter neben mir kommt er zum Stehen und bückt sich zu dem Kleiderhaufen. Mit dem Shirt wischt er sich ein Mal einmal über das nasse Gesicht, bevor er es sich ungeachtet der Tatsache, dass er noch immer nicht trocken ist, über den Kopf zieht.
„Und schon wieder starrst du mich ungeniert an", wendet er sich mit einem Mal auf Englisch an mich und anhand des markanten Akzents weiß ich nun, wer in diesem Augenblick vor mir steht.
Uiuiui ein nasser Harry. ;)
Wenn wir uns schon in einem warmen Land, auf einer Insel befinden, dann muss auch ein nasser Harry vorkommen, der sexy aus dem Meer steigt ^^ und umso früher, umso besser, oder?
So, erzählt mir doch mal bis hier her, was ihr über OW denkt. Vielleicht auch die, die sonst weniger kommentieren. Eure Meinung würde mich auch sehr interessieren.
Ansonsten, ehm ja der Strand auf Teneriffa ist wirklich schwarz. Ich füge euch mal noch ein Bild hinzu, dass ich selbst Anfang des Jahres dort gemacht habe und wo man das hoffentlich erkennen kann. :)
Und sonst bitte drückt das Sternchen, wenn es euch gefallen hat. Es gibt eigentlich keine wirklich gute Ausrede es nicht zu tun... ich denke jeder, der selbst auf Watty schreibt, weiss wie ich das meine. Denn sind wir mal ehrlich, wer bis hier her die Geshichte verfolgt, der kann sie doch gar nicht so schlecht finden, dass es nicht wert ist das Sternchen zu drücken: :)
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende.
Anni
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