Neun
Überrumpelt von dieser Frage verschlucke ich mich an meinem Saft und beginne unkontrolliert zu husten. Ich bemerke wie Niall einen kurzen Moment erschrocken reagiert, bevor er von seinem Platz aufsteht und mir besänftigend auf die Schulter klopft.
Nur langsam bekomme ich wieder Luft und Niall unterbricht sein vorsichtiges Klopfen, lässt aber dennoch seine Hand auf meiner Schulter ruhen. Mein Hals kratzt weiterhin fürchterlich und ich sehne mich förmlich nach einem Schluck Wasser. Allerdings kann ich dies nicht zum Ausdruck bringen, da ich sonst befürchte erneut fast zu ersticken.
Jedoch ist es gar nicht nötig, dass ich meinen Wunsch aussprechen, denn urplötzlich wird mir ein Glas mit kühlem Wasser auf einem Tablet unter die Nase gehalten.
„Vielleicht hilft Ihnen das."
Ich wage es kaum den Blick zu heben, als ich die Stimme erkenne und nehmen aus diesem Grund lediglich das Glas, um es direkt an meine Lippen zu setzten und einen großzügigen Schluck zu trinken.
„Sehr aufmerksam Harry", drückt Niall seinen Dank aus und der Name des Kellners bestätigt meine schlimmsten Befürchtungen. Warum musste ausgerecht er mir ein Wasser reichen?
„Geht es dir wieder besser, Vicky?", wendet sich mein Freund nun mit Besorgnis in der Stimme an mich.
Ich bringe nur ein vorsichtiges Nicken zustande. Den Blick halte ich weiterhin gesenkt, dennoch spüre ich die noch immer deutliche Präsenz von Harry.
„Du hast mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt. Dabei wollte ich doch eigentlich nur wissen, ob der Strand sehenswert in der Nacht ist", lacht Niall jetzt unbekümmert.
Meine Wangen werden heiß und ich möchte augenblicklich im Erdboden versinken.
„Der Strand ist gerade am Abend besonders schön, weil man dann Zeit für sich hat", meldet sich unerwartet Harry zu Wort.
Sowohl Niall als auch ich sehen ihn daraufhin überrascht an. Die Blicke des jungen Kellners treffen mich und etwas Seltsames liegt darin. Seine Mundwinkel zucken leicht, als würde er sich ein breites Lächeln verbieten.
„Das glaube ich Ihnen aufs Wort", antwortet mein Freund mit einem Nicken.
„Kann ich Ihnen noch etwas bringen?"
Wieder ganz der Kellner sieht Harry mich und Niall abwechselnd an. Beide lehnen wir dankend ab und somit wendet er sich mit einer angedeuteten Verbeugung höflich ab und verschwindet.
Nachdem Niall wieder seinen Platz eingenommen hat, mustert er mich erneut besorgt. Ich versichere ihm, dass alles in Ordnung ist mit mir. Grundsätzlich stimmt das auch. Mein Hals hat sich beruhigt, aber dennoch scheint mein Puls noch immer nicht wieder auf ein gesundes Level gesunken zu sein.
„Vielleicht solltest du dir etwas Wellness gönnen", überlegt Niall laut und da ich diese Idee für einen guten Vorschlag halte, beschließe ich nachdem ich mich von ihm verabschiedet habe, den Spa-Bereich des Hotels nur in einem Bademantel und Bikini bekleidet aufzusuchen.
Ich buche eine Massage, sowie ein Ganzkörperpeeling. Eine Frau mittleren Alters übernimmt das Verwöhnprogramm. Ihr Teint, sowie die dunklen, lockigen Haare lassen mich vermuten, dass sie spanische Wurzeln hat.
Auf Englisch erkundigt sie sich hin und wieder, ob alles zu meiner Zufriedenheit ist, was ich nur bestätigen kann. Sie ist behutsam und ich merke immer mehr wie ich mich entspanne. Während das Peeling seine Wirkung entfalten soll, lässt sie mich in dem gemütlich eingerichteten Raum alleine. Über ein großes Panoramafenster kann ich direkt auf das Meer sehen. Im Hintergrund läuft eine beruhigende Melodie, die mich immer mehr einzulullen scheint.
Nun wo ich mit meinen Gedanken erneut alleine bin, schweifen diese wieder zurück zu dem katastrophalen Frühstück heute Morgen. Erneut wird mir heiß, wenn ich an den merkwürdigen Blick von diesem Harry denke. Ob er sich einen Reim darauf gemacht hat, wie Niall eigentlich völlig belanglose Frage und mein drohender Erstickungstot zusammenspielen könnten?
Wenn dies der Fall sein sollte, werde ich dem Kellner nie wieder unter die Augen treten können. Das allerdings kann schwierig werden, denn das Hotel ist nicht so weitläufig und riesig, dass man sich nicht zwangsläufig irgendwann wieder über den Weg läuft.
Ich versuche mich zu entspannen und hoffe einfach darauf, dass ich dem Kellner nicht allzu schnell erneut begegne. Spätestens nach Nialls offizieller Vorstellung heute, wird wohl auch er wenig Interesse daran haben sich der Freundin seines Vorgesetzten noch einmal halbnackt zu präsentieren.
Unwillkürlich beiße ich mir auf die Unterlippe, als wieder die Bilder seines Körpers Gestalt vor meinem inneren Augen annehmen. Verdammt, ich komme mir selbst vor, wie ein kleine Teenagerin, die ihre Hormone nicht mehr unter Kontrolle hat, weil sie zum ersten Mal einen heißen Typen sieht.
Dabei ist dem natürlich ganz und gar nicht so. Schon oft genug bin ich attraktiven Menschen begegnet. Von daher kann ich auch nicht begreifen, warum gerade dieser Kellner, den ich nicht mal kenne, solch einen Eindruck bei mir hinterlassen hat.
Diese Tatsache vor mir selbst zu leugnen wäre zwecklos, wenngleich ich es niemals vor Niall, Harry, oder irgendwem anders zugeben würde.
Dennoch frage ich mich, was ich scheinbar so besonders an ihm finde.
„Ich hoffe sie konnten sich ein wenig entspannen", meldet sich plötzlich die ältere, spanische Dame zurück.
„Ja", lüge ich und warte auf weitere Anweisungen von ihr.
Eine weitere halbe Stunde später ist mein Körper zwar tiefenentspannt, meine Gedanken allerdings sind dies ganz und gar nicht.
Die beste Ablenkung, wenn mein Kopf mal wieder keine Pause machen möchte, war es schon immer für mich, wenn ich mich mit Sport ablenke. Ich habe teilweise schon stundenlang meinen Körper an den Kraftgeräten in einem Fitnessstudio geschunden. Danach war ich dann so kaputt, aber auch zufrieden, dass ich alle Sorgen oder Ängste für eine Zeit lang ausblenden konnte. Ausserdem ist es immer gut, etwas für seine Figur zu tun. Einer der wenigen Ansichten, die ich mit meiner Mutter teile.
Doch da das Thermometer bereits am Vormittag weit über dreißig Grad zeigt, entscheide ich mich gegen das hoteleigene Fitnessstudio. Wenngleich es dort sicherlich klimatisiert ist. Aber der Gedanke daran, in einem Raum irgendwo drinnen Sport zu treiben, wenn sich mir die alternative Möglichkeit bietet, ein paar Bahnen im Pool zu ziehen und dabei nicht so sehr ins Schwitzen zu geraten, ist nicht sehr verlockend.
Zurück auf meinem Zimmer ziehe ich den Bademantel aus und Wechsel den Bikini von eben gegen einen Badeanzug. Wenn ich richtig schwimmen möchte, finde ich einen Einteiler weitaus praktischer, als einen Zweitteiler, bei dem ich jedes Mal Angst haben muss, dass etwas verrutscht und fremde Leute vielleicht somit einen uneingeschränkten Blick auf meine Brüste haben.
Ich schäme mich zwar nicht mehr so sehr für meinen Körper wie damals als Teenager, aber im Reinen bin ich ganz und gar nicht. Ich finde immer wieder eine Stelle, wo ich der Meinung bin, dass man etwas optimieren könnte und sicherlich auch sollte.
Als ich unten am Pool ankomme, stelle ich fest, dass dieser so gut wie leer ist. Es ist Mittagszeit, vermutlich sind die Gäste, welche im Hotel geblieben sind beim Essen und der Rest der Anwesenden ist sicherlich bei einem Ausflug die Insel erkunden.
Lediglich an der Bar, welche zum Poolbereich gehört sitzen zwei Personen und ein paar vereinzelte Sonnenanbeter bräunen sich auf den Liegen rund um den Pool.
Ich hingegen suche mir einen Platz im Schatten. Bereits auf meinem Zimmer habe ich mich vorsorglich mit reichlich Sonnenmilch eingecremt. Meine helle Haut neigt viel zu schnell dazu einen Sonnenbrand zu erleiden. Dies hängt nicht zuletzt mit meinen natürlichen roten Haaren zusammen.
Im Vergleich zu der Hitze ausserhalb des kühlen Nass ist das Wasser unglaublich erfrischend. Ein wohliges Seufzen verlässt meine Lippen, als ich mit dem Körper vollständig eingetaucht bin. Ohne lange zu überlegen tauche ich unter und mache ein paar kräftige Züge auf die andere Seite.
Dann beginne ich mich vom Beckenrand abzustoßen und schwimme eine Bahn nach der anderen im Kraulstil. Die Welt ausserhalb des Beckens nehme ich nicht wahr. Nach dreißig Bahnen höre ich auf zu zählen und endlich ist mein Kopf leer. Ich befinde mich wie in einem Rausch. Aufgrund des Wassers bekomme ich kaum mit, wie sehr ich mich verausgabe, aber schlussendlich merke ich, dass meine Glieder schwer werden und ich halte am Beckenrand auf den Unterarmen abgestützt inne. Mit schweren Atemzügen versuche ich meinen Puls, welcher aufgrund der Anstrengung, rast zu beruhigen. Meine Augen sind geschlossen.
„Respekt, das waren doch sicherlich mehr als sechzig Bahnen", höre ich plötzlich über mir die mittlerweile bekannte Stimme mit dem britischen Akzent.
Mit zusammengekniffenen Augenbrauen versuche ich etwas zu erkennen. Doch die Sonne blendet mich im ersten Augenblick so sehr, dass ich nur eine gebückte Gestalt am Beckenrand wahrnehme. Ich nutze eine Hand, um die Sonne abzuschirmen und schon springen mir die markanten Grübchen des Kellners förmlich entgegen.
„Verfolgst du mich?", rutscht es mir unwillkürlich raus und ich stelle mir unweigerlich die Frage, wie dieser Mann es immer wieder schafft, dass ich ohne zu überlegen ausspreche, was ich denke
Ein melodisches Lachen schüttelt ihn kurz, bevor er mir ganz sachlich erklärt, dass er heute die Schicht an der Poolbar hat. Mit einer Handbewegung deutet er hinter sich. Natürlich weiß ich, dass sich dort die Bar befindet, dennoch folge ich seinem Fingerzeig.
„Und außerdem wollte ich dir die hier zurückgeben."
Hinter seinem Rücken und in der anderen Hand, welche er bisher verborgen hielt, hält er meine Sandaletten. Verwundert sehe ich ihn an und merke, dass ich schon wieder rot anlaufe. Da ich keine Anstalten mache, Harry meine Schuhe abzunehmen, mustert er mich schmunzelnd.
„Möchtest du, dass ich dir die Schuhe, wie der Prinz aus Cinderella, erst zur Probe anziehe, oder worauf wartest du?"
Sein Lachen zeigt mir, dass es nur ein Scherz war, dennoch bin ich schneller, als er reagieren kann aus dem Becken rausgeklettert und greife nach den Schuhen.
„Nein danke, das ist nicht nötig", antworte ich zugegebenermaßen etwas unfreundlich und bereue es schon im nächsten Moment, als das Lächeln aus seinem Gesicht schwindet.
„Es war nur ein Scherz", versucht er sich aufgrund meiner Reaktion zu entschuldigen, dabei sehen seine aufrichtigen, grünen Augen direkt in meine.
„Ist schon gut und danke für die Schuhe", wiegle ich ab.
„Welche Schuhe", ertönt es plötzlich hinter mir und ich erkenne sofort Niall Stimme. Erschrocken reiße ich die Augen auf und auch Harry blickt mit unverkennbarer Überraschung hinter mich.
Verdammt, warum muss Niall ausgerechnet jetzt hier auftauchen? In dieser Situation?
Mit einem Lächeln, von dem ich hoffe, dass mein Freund nicht bemerkt, wie schwer es mir in diesem Augenblick fällt, drehe ich mich in seine Richtung.
„Hey", begrüße ich ihn verhalten und drücke ihm, um von meiner Unsicherheit abzulenken, einen schnellen Kuss auf die Wange.
„Hey", antwortet er lächelnd, nur am gleich darauf noch einmal nachzufragen, um welche Schuhe es sich handeln würde.
Nervös sehe ich auf die Sandaletten in meiner Hand, natürlich bemerkt Niall diesen Blick und sieht mich daraufhin skeptisch an.
„Warum hatte Harry deine Schuhe?", will er nun mit einer gewissen Strenge in der Stimme wissen.
Niall sieht zwischen mir und Harry hin und her. Insbesondere auf Harry verweilt sein Blick länger und hinter seinen blauen Augen kann ich deutlich erkennen, dass er sich versucht einen Reim zu machen und dieser geht vermutlich in eine völlig falsche Richtung.
„Ich habe ihre Schuhe am Strand gefunden und habe sie ihr jetzt zurück gebracht", erklärt Harry unter den skeptischen Blicken seines Vorgesetzten.
Niall gibt sich mit dieser Antwort ganz und gar nicht zufrieden. Natürlich nicht, sie wirft eigentlich mehr Fragen auf, als dass sie beantwortet. Die blauen Augen wandern in meine Richtung. Verunsichert kaue ich auf meiner Unterlippe.
„Wieso hatte er deine Schuhe, Victoria?"
Schon, dass er meinen vollständigen Namen verwendet, zeigt mir mehr als deutlich, dass er eine ehrliche Antwort erwartet, die seine Zweifel zerstreuen kann. Allerdings kann ich ihm schlecht erzählen, dass ich fluchtartig den Strand verlassen habe, nachdem ich seinen halbnackten Mitarbeiter wie ein hormongesteuerter Teenager angeschmachtet habe. Das würde ihn vermutlich ganz und gar nicht besänftigen.
„Ich habe sie am Strand vergessen", erkläre ich das Offensichtliche.
„Soweit habe ich das auch schon verstanden, das erklärt allerdings nicht, warum er deine Schuhe hatte."
Mit dem Finger deutet er anklagend auf Harry, welcher das Geschehen ruhig beobachtet. Hilfesuchend sehe ich ihn an. Kann er die Sache nicht irgendwie erklären, sodass es nicht merkwürdig ist?
Völlig ruhig erklärt Harry, dass er gestern Abend noch eine Runde schwimmen war und als er aus dem Wasser kam, habe er mich bereits weggehen sehen. Die Schuhe, welche er daraufhin im Sand gefunden habe, mussten also meine gewesen sein.
Den Teil, in welchem wir uns unterhalten haben, lässt er glücklicherweise weg. Seine Version bringt er voller Überzeugung rüber und ich hoffe, dass Niall sie ihm abkauft. Als ich meinen Freund erneut ansehe, sind seine Augenbrauen noch immer zusammengezogen.
Bitte lass ihn diese Geschichte glauben.
Ich hab es geschafft ein Update. :D
Was glaubt ihr werden die beiden Niall überzeugen können?
Danke fürs voten und fleißige kommentiere.
Anni
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