Fünf
Der nächste Morgen bricht herein, wie die Nacht zuvor geendet hat. Noch immer liege ich ohne Niall in unserem großzügigen, bequemen Bett. Ich drehe mich auf die Seite, sodass ich durch das Fenster den wolkenlosen Himmel, sowie die frühen Sonnenstrahlen erkennen kann. Stöhnend setze ich mich auf und schiebe die nun viel zu warme Decke von meinem klebrigen Körper. Das verrutschte Lacken, sowie das dringende Bedürfnis duschen zu müssen, lassen mich vermuten, dass ich mich in der Nacht viel bewegt und ebenso geschwitzt haben muss.
Wenig verwundert über meine nächtliche Unruhe klettere ich aus dem Bett. Die ganze Nacht über verfolgten mich wirre Träume, die mich immer wieder aus meinem leichten Schlaf hochschrecken ließen. Doch jetzt, nachdem ich wirklich wach bin, kann ich mich an nichts Genaues mehr erinnern.
Ein Blick auf mein Handy verrät mir, dass es gerade einmal sieben Uhr ist. Niall wird sicherlich noch schlafen. Am Wochenende nutzt er gerne die Zeit, um richtig ausschlafen zu können. Ich hingegen liebe es, die noch kühlere Sommerluft und leeren Wege am frühen Morgen zu nutzen, um eine Runde joggen zu gehen. Auf dem Rückweg mache ich dann immer einen Abstecher zu einer alten Familienbäckerei, um Brötchen für mich und Niall zu holen.
Doch heute fehlt mir die Motivation, mich in meine Sportsache zu zwängen und meine übliche Runde zu laufen. Ich fühle mich auch so völlig ausgelaugt. Mein Kopf dröhnt und mein Nacken ist verspannt. In der Hoffnung, diese Wehwehchen mit einer Dusche lindern zu können, ziehe ich mein Oberteil, sowie den Slip aus und gehe direkt ins Badezimmer.
Das kalte Wasser ist eine Wohltat für meinen Nacken und belebt meine müden Geister. Gegen das dumpfe Klopfen in meinem Kopf hilft es hingegen kaum.
Unweigerlich läuft vor meinem geistigen Auge nochmals der katastrophale, gestrige Abend ab. Ich hasse meine Eltern dafür, dass sie dieses Schmierentheater angeleiert haben. Warum können sie nicht einfach damit aufhören, ständig in meinem Leben rum zu pfuschen und mir ihren Willen aufzwingen zu wollen. Immer wenn ich glaube, nun können sie nichts mehr von mir wollen, kommen sie mit einer weiteren Idee, wie ich mein Leben gestalten soll.
Warum ist es so zwingend notwendig, dass ich Kinder bekomme? Ich will keine Kinder. Ich hasse es, dass es für meine Eltern nie genug sein wird, was ich tue. Das sie immer mehr von mir fordern werden. Es nie ein Ende haben wird.
Doch noch viel mehr hasse ich mich selbst dafür, dass ich es immer wieder geschehen lasse. Ich weiß, es ist falsch, dennoch bin ich viel zu schwach, um mich dagegen zu wehren. Immer wieder lasse ich es geschehen. Aber nach dem gestrigen Abend bin ich einen Schritt weitergegangen.
Normalerweise halte ich mich zurück, auch Niall gegenüber. Obgleich er fast immer zu ahnen scheint, wie es mir wirklich geht, spreche ich es dennoch nie laut aus. Lasse schon gar nicht meinen Frust an ihm aus. Doch seine Frage, warum ich keine Kinder mit ihm wollen würde hat mich aus der Bahn geworfen. Wurde mir doch so mehr als bewusst, dass Niall und ich unterschiedliche Pläne zu haben scheinen, was unsere gemeinsame Zukunft betrifft.
Kann man denn in diesem Fall überhaupt noch von einer gemeinsamen Zukunft reden?
Nachdem ich eine bequeme Shorts, sowie ein Tanktop geschlüpft bin, entschließe ich mich dazu, Brötchen zu holen. Vielleicht bietet sich bei einem gemeinsamen Frühstück die Möglichkeit noch einmal in Ruhe mit Niall über alles zu sprechen. Er bedeutet mir einfach zu viel, um es nicht zumindest zu versuchen. Bisher haben wir uns noch nie ernsthaft gestritten und es tut mir weh ihn augenscheinlich so verletzt zu haben.
Als ich in den Flur trete, höre ich Niall bereits telefonieren. Etwas verwundert überlege ich, ob ich ihn begrüßen soll, bevor ich das Haus verlasse. Doch als ich die Türklinke nach unten drücken will, bekomme ich mit, dass er scheinbar eindringlich auf seinen Gesprächspartner einredet. Da ich ihn nicht unterbrechen möchte, verlasse ich wortlos das Haus. Es muss sich um ein wichtiges Gespräch handeln, wenn es am Samstagmorgen stattfindet. Ausserdem habe ich so noch einen kurzen Moment Zeit, dem kommenden, sicherlich nicht ganz angenehmen Gespräch, aus dem Weg zu gehen.
Der Bäcker ist bereits gut besucht und so dauert es fast zwanzig Minuten bis ich wieder zu Hause bin. Schon beim Betreten weht mir der Duft von frischem Kaffee um die Nase. Das ist ein gutes Zeichen überlege ich und schleiche trotzdem auf Zehenspitzen Richtung Küche. Wie ich es erwartet habe, steht Niall, mit dem Rücken zu mir. Er scheint mich noch nicht mitbekommen zu haben, da er unbekümmert ein Lied im Radio mitpfeift.
Leise räuspere ich mich und flüstere: „Guten Morgen."
Augenblicklich verstummt das melodische Pfeifen und Niall wendet sich mit einem Lächeln in meine Richtung.
Fast genauso zurückhaltend wie ich erwidert er meinen Morgengruß, um anschießend unschlüssig auf seine Füße zu sehen.
„Ich hab Brötchen geholt", versuche ich die angespannte Stimmung zu lockern und schwenke unnötigerweise die Papiertüte mit den Backwaren vor seiner Nase herum.
„Ich hab Kaffee gekocht und den Tisch gedeckt."
Niall deutet auf den kleinen Küchentisch, welcher vor dem Fenster steht. Meine Augen folgen seinem Fingerzeig. Ein „Danke" murmelnd lege ich die Tüte auf den Tisch und setze mich auf meinem Platz. Meine Tasse ist bereits gefüllt, da Niall weiß, dass ich meinen Kaffee lieber lauwarm als heiß mag.
Noch immer steht er unschlüssig vor der Theke und sieht mich abwartend an. Dieses peinliche Schweigen zwischen uns macht mich nervös und weil ich mir nicht anders zu helfen weiß, fische ich aus der Tüte das Croissant welches ich extra für Niall gekauft habe. Ich weiß, dass er diese süßen Dinger am liebsten isst. Lege es demonstrativ auf seinen Teller, in der Hoffnung, dass er den Wink mit dem Zaunpfahl versteht und sich ebenfalls setzt.
Meine Hoffnung wird erfüllt, als Niall sich ebenfalls auf seinen Platz mir gegenüber fallen lässt und sogleich damit beginnt, Marmelade auf das Gebäck zu streichen. Die ersten zehn Minuten vergehen schweigend. Ich versuche mich auf die Morgenshow im Radio zu konzentrieren. Doch die Witze sind mir zu flach und die Stimme der Moderatorin zu lasziv, sodass ich fast glaube, sie würde für eine erotische Serviceleistung Werbung machen.
Das Brötchen schmeckt nach Pappe und wieder muss ich mich dazu zwingen wenigstens ein halbes runter zu würgen. Als das endlich geschafft ist, bleibe ich bei meinem Kaffee, um den trockenen Geschmack zu vertreiben.
Immer wieder huschen die blauen Augen meines Gegenübers in meine Richtung. Sobald sich unsere Blicke treffen, lächeln wir beide schüchtern und wenden uns dann anderen Dingen zu. Mein Magen ist flau und am liebsten möchte ich vor dieser Situation flüchten. Da dies aber keine wirkliche Option ist, versuche ich es mit Smalltalk und erkundige mich, mit wem er schon so früh am Morgen telefoniert hat.
„Mit meiner Mum", lautet seine Antwort prompt.
Na toll, von wegen unverfänglich. Unwissend habe ich uns wieder in die falsche Richtung gelotst, da es aber nun zu spät ist frage ich, was sie denn wollte.
Bevor mir mein Freund antwortet schiebt er sich den letzten Bissen seines Croissants in den Mund.
„Ich muss ab Montag verreisen", antwortet er wage und ich bringe nur ein „Okay" zustande.
Unweigerlich stelle ich mir die Frage, ob er vielleicht darum gebeten hat für ein paar Tage ins Ausland fahren zu können, um Abstand von mir zu haben. Vielleicht über unsere Beziehung nachzudenken, um am Ende zu dem Entschluss zu kommen, dass das Ganze zwischen uns keinen Sinn mehr macht.
Niall scheint meine reservierte Antwort zu bemerken und entscheidet sich wohl auch aus diesem Grund etwas ausführlicher zu antworten.
"Wir haben auf Teneriffa ein Hotel übernommen und umgebaut. Meine Mum hat mich gebeten nach dem Rechten zu schauen. Ob alles reibungslos abläuft und so weiter. Es wird ungefähr zwei Wochen dauern, denke ich."
Wieder bleibt mir nicht viel mehr als nur zustimmend zu nicken. Hilfesuchend klammere ich mich an meine fast leere Kaffeetasse. Fühle ich mich durch diese Antwort und die Information, dass er für mindestens zwei Wochen verreisen wird, in meiner Vermutung bestätigt, dass er schlicht Abstand zu mir braucht.
Ich meide den Blickkontakt mit meinem Partner und starre stattdessen an ihm vorbei. Einfach ins Nichts. Die warmen Finger, welche allerdings nach meiner Hand tasten, holen mich wieder ins Hier und Jetzt.
„Vicky, ich hatte gehofft, dass du mich begleitest. In letzter Zeit wirkst du immer angespannter und unser letzter gemeinsamer Trip ist auch schon eine Weile her", erklärt er und ich kann nicht anders als die angestaute Luft in meinen Lungen erleichtert auszuatmen.
„Oh Gott", gestehe ich, „Ich habe geglaubt, dass du Abstand willst und aus diesem Grund so plötzlich weg musst."
Schneller als ich mich versehe, ist Niall von seinem Platz aufgestanden. Knarrend schiebt er dabei den Holzstuhl über den Fliesenboden.
„Nein, wie kommst du darauf? Ja, ich gebe zu, ich habe meine Mum darum gebeten, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, wo wir hinkönnen, ob sich nicht etwas zurzeit anbietet, aber ich hatte die ganze Zeit vor, dich mitzunehmen."
Seine breiten Hände liegen um mein Gesicht und ich schlucke schwer, als er mich so aufrichtig und direkt aus seinen blauen Augen heraus ansieht. Sanft streichen seine Daumen über meine Wangenknochen.
„Der Streit gestern, er tut mir ehrlich leid", entschuldige ich mich schließlich.
„Vergessen wir das einfach. Mir tut es auch leid."
Dann drückt er mir zärtlich seinen Lippen auf und ich küsse ihn ebenso vorsichtig zurück. Erleichterung darüber, dass ich durch meinen unüberlegten Wutausbruch Niall nicht vergrault habe, durchflutet mich in diesem Moment.
Er ist meine einzige Stütze. Würde ich ihn verlieren, dann wüsste ich, dass ich nicht nur am Abgrund stehen würde. Nein ich würde vermutlich haltlos hinabstürzen. Ich brauche ihn in meinem Leben und kann es nicht riskieren, ihn zu verärgern, oder von mir zu stoßen. Mein gestriger Ausbruch und meine trotzige Art waren unüberlegt und dumm. Alleine die Tatsache, dass Niall mich so sehr liebt, hält ihn wohl weiter bei mir. Und dafür bin ich mehr als dankbar, weiß es zu schätzen.
Als unsere Lippen sich trennen, sehen wir uns einige Sekunden in die Augen. Ein leichtes Schmunzeln ziert die Lippen meines Partners. Ich kann nicht anders und muss ebenfalls lächeln.
„Ich weiß nicht womit ich dich verdient habe?", spreche ich meine Gedanken laut aus.
Verwirrt ziehen sich die Augenbrauen des Mannes zusammen.
„Womit du mich verdient hast?", fragt er mich stattdessen ungläubig und ich nicke nur.
„Diese Frage sollte ich dir wohl stellen", antwortete er schlicht.
Bevor ich noch etwas entgegnen kann, drückt er mir noch einen weiteren Kuss auf, um anschließend eine Strähne meiner Haare hinters Ohr zu schieben.
„Ich hab deine roten Haare schon immer toll gefunden."
Ich mustere das Gesicht des Mannes und lege meinen Zeigefinger an sein Kinn. Direkt auf sein Grübchen, welches sich unter den Bartstoppeln verbirgt.
„Und ich fand schon immer dein Kinngrübchen witzig", schmunzle ich.
„Du bist albern", lacht Niall nun ebenfalls und reicht mir seine ausgestreckte Hand um mich auf die Beine zu ziehen.
„Also fliegen wir am Montag nach Teneriffa, ja?", erkundigt er sich nun noch einmal und kann seine Vorfreude kaum verbergen.
Doch dann, als ich zustimmen will. Fällt mir ein, dass ich nicht einfach für zwei Wochen verschwinden kann.
„Ich muss erst mit meinen Eltern reden, wegen der Arbeit", äußere ich geknickt meine Bedenken. Schon jetzt höre ich meine Mutter nachhaken, ob ich denn wirklich schon wieder Urlaub brauche.
„Das kann ich übernehmen. Du weißt, dass sie mir nur wenig abschlagen können."
Ich kaue unsicher auf meiner Unterlippe. Eigentlich wäre es mir lieber, wenn ich mit ihnen rede und dies äußere ich auch. Ich kann Niall nicht jede noch so kleine Schlacht mit meinen Eltern austragen lassen. Das ist doch falsch, oder nicht? Mein Freund hingegen winkt nur ab.
„Vicky, mach dir mal keinen Kopf. Ich kläre das, damit du dich nicht damit auseinandersetzen musst. So ist es doch für uns alle leichter."
Er schenkt mir noch sein charmantestes Lächeln und bevor ich die Gelegenheit habe, noch etwas zu sagen, hat Niall schon sein Smartphone in der Hand und wählt die Nummer meiner Eltern. Freudig begrüßt er diese und verlässt die Küche um zu telefonieren.
Hallo, da bin ich wieder. Etwas später als gesagt, aber ich bin da.
So, nun frage ich euch, viele haben erwaretet, dass sich die beiden trennen würden? Aber wo bleibt denn da das Drama ^^ und was glaubt ihr? Kann dieser Urlaub etwas retten?
Überraschend hat OW einen wunderschönen Trailer bekommen von der lieben lena1708 und ich würde mich freuen, wenn ihr euch den einmal anschaut. :) Er ist am Anfang in einem extra Kapitel zu finden. Danke nochmal. :)
Und das neue Cover habt ihr sicherlich auch alle schon gesehen, aber trotzdem muss ich mich noch einmal bei meiner Friedensfürstin Little_Ophelia bedanken und euch die Cover zeigen, sowohl nochmal das erste, als auch das neue. :)
Danke fürs Sternchen drücken und kommentieren. ❤️
Anni
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