Einunddreißig
Im ersten Augenblick weiß ich gar nicht, wie mir geschieht. Ich hoffe fast, dass dieses Szenario, welches sich gerade vor meinen Augen abspielt nur eine böse Illusion ist. Allerdings höre ich in diesem Moment das falsche Lachen meiner Mutter durch das Foyer hallen und das ist definitiv keine Illusion. In diesem Moment denke ich nur noch an Flucht und ehe ich mich versehe, verschwinde ich auch schon in die entgegensetze Richtung. Hoffe während ich schnellen Schrittes aus dem Foyer flüchte nur, dass sowohl Niall als auch mein Vater oder meine Mutter mich nicht entdecken.
Ohne, dass ich mich bewusst dazu entschieden habe, finde ich mich schließlich am Strand wieder. Wo hätte ich auch sonst hingehen sollen? Im Hotel, oder am Pool ist die Chance viel zu hoch, dass ich auf meine Eltern oder Niall treffe. Beide Parteien will ich jetzt nicht sehen, oder kann sie auch nur in meiner Nähe ertragen.
Meine anfängliche Überraschung verschwindet immer mehr und wird durch Wut abgelöst. Ich kann nicht verstehen, warum Niall es zulässt, dass meine Eltern hier sind und das ohne mich vorzuwarnen. Er weiß genau, dass ich es immer genieße, wenn ich soweit wie möglich von ihnen weg bin. War das nicht im Grunde auch die Idee hinter diesem Urlaub? Hat er mich nicht auch mit dieser Intention gebeten ihn zu begleiten.
Was wollen meine Eltern hier? Hat Niall ihnen womöglich erzählt, dass es zwischen uns beiden Probleme gibt. Obwohl ich mir das eigentlich kaum vorstellen kann, kann ich mir noch weniger erklären, warum Niall sich in diesem Fall ausgerechnet an meine Eltern wenden sollte. Wäre es da nicht naheliegender er würde sich einen Rat bei seinen Eltern holen? Es muss also einen anderen Grund geben und obwohl ich keine Idee habe, was wirklich hinter dem plötzlich Auftauchen meiner Eltern steckt, ärgere ich mich maßlos. Es kann einfach nichts Gutes bedeuten.
War ich bis vor circa einer Stunde noch fest entschlossen, mein Leben anzupacken, so sehe ich nun wieder nur, wie es aus den Fugen gerät. Bei Niall hatte ich die Hoffnung, dass er mich schlussendlich verstehen würde, meine Meinung vielleicht sogar akzeptieren kann. Doch meine Eltern sind nicht von der Sorte, mit denen man diskutieren kann. Für sie ist Niall der perfekte Mann an meiner Seite. Er kommt aus gutem Hause, er hat Geld, Ansehen und Einfluss. Das ist es was für die beiden den perfekten Partner an meiner Seite ausmacht. Sie werden kaum akzeptieren können, dass es zwischen mir und Niall nicht so funktioniert, wie es in einer Partnerschaft der Fall sein sollte.
„Fuck", fluche ich laut und erschrecke, als ich ein amüsiertes Lachen hinter mir vernehme.
Erschrocken darüber, dass ich plötzlich nicht mehr alleine bin, drehe ich mich um und sehe Louis auf mich zu kommen.
„Hey Vicky", begrüßt er mich überschwänglich und zieht mich in eine kurze Umarmung.
Als er bemerkt, dass ich seine Umarmung nur halbherzig erwidere, hält er mich an den Schulter fest und mustert mit einem skeptischen Blick mein Gesicht.
„Okay, das „Fuck" von eben und die kleinen Zornesfalten zwischen deinen Augenbrauen lassen nichts Gutes erahnen. Was ist passiert? Hat Harry Mist gebaut?", erkundigt er sich voller Überzeugung, sodass ich ihn verwundert ansehe und frage, wie er darauf kommt, dass Harry Mist gebaut haben könnte.
„Hat er also nicht?", erwidert Louis ertappt, als hätte er sich verplappert.
Seine Hände verlassen meine Schultern und sein Blick wandert an mir vorbei auf das offene Meer. Er weicht mir eindeutig aus, doch nun ist mein Misstrauen und mein Interesse geweckt. Was könnte Harry getan haben, das mich wütend machen würde?
„Louis was ist los?", hake ich noch einmal nach und greife nach seiner Schulter, um seine Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken.
Unruhig kaut der Angesprochene auf seiner Unterlippe, bevor er mich wieder ansieht und mir gesteht, dass er von unserem Kuss vor zwei Tagen weiß. Sofort ist wieder diese angenehme Anspannung in meinem Körper zu spüren, als ich mich an den Kuss mit Harry erinnere. Und fast schon schmerzlich wird mir bewusst, dass ich ihn vermisse und mir wünschen würde, dass er mich hier am Strand gefunden hätte.
„Das verwundert mich nicht unbedingt", gestehe ich.
Mir war fast klar, dass Harry seinem vermutlichen besten Freund darüber berichtet. Vielleicht hätte ich genauso gehandelt, wenn ich denn sowas wie eine beste Freundin hätte, überlege ich traurig. Ich mach Harry und auch Louis keinen Vorwurf und das sage ich meinem Gegenüber auch. Allerdings sorgt das nicht dafür, dass die Anspannung von dem jungen Kellner abfällt. Da muss also noch mehr im Busch sein.
„Bitte Louis, mein Leben ist schon so das reine Chaos noch mehr Geheimniskrämerei kann ich jetzt wirklich nicht gebrauchen", gestehe ich ihm schon fast verzweifelt und ich sehe, wie er mich mitleidig ansieht.
„Er wollte sich ohnehin in den nächsten Tagen bei dir melden und mit dir reden", erklärt mir Louis schließlich, aber auch das beruhigt mich nicht, sondern lässt mich nur noch nervöser werden. Da ich auch hier wieder keine Ahnung habe, was hinter dem merkwürdigen Verhalten von Louis stecken könnte, in Bezug auf Harry. Genauso wie die Beweggründe hinter dem Besuch meiner Eltern.
Plötzlich habe ich das Gefühl, alle um mich herum haben Geheimnisse und jedes dieser kleinen Geheimnistuereien kann mir den Boden unter den Füßen, welcher ohnehin schon gehörig schwankt, wegreißen.
„Bereut er es, mich geküsst zu haben?", platze ich mit dem ersten Gedanken, der mir in den Sinn kommt, hervor.
Doch statt, dass Louis versucht, mich zu beruhigen, zuckt er unsicher mit den Schultern. Sofort steigen mir die Tränen in die Augen und ich möchte mich hier und jetzt selbst für mein dünnes Nervenkostüm ohrfeigen. Mein Gegenüber bemerkt meine Reaktion und hebt entschuldigend die Arme.
„Vicky, so meinte ich das nicht", will er die Schärfe aus seiner Geste nehmen, aber das hilft mir in diesem Moment nicht.
Und wie ich es gewohnt bin, wenn eine Situation droht, mir über den Kopf zuwachsen, möchte ich mit Flucht reagieren und einfach verschwinden.
„Vielleicht bereut er es, aber das hat dann nichts mit dir zu tun", rattert Louis runter und schreit mir diese Worte schon fast entgegen, weil er mitbekommt, dass ich flüchten will und wohl hofft mich so zurückhalten zu können.
Seine Worte veranlassen mich wirklich dazu, doch wieder innezuhalten und mich in die Richtung des Jüngeren zurück zu wenden.
„Wie kann es nicht mit mir zu tun haben? Ich war doch diejenige, die ihn geküsst hat und scheiße ich habe eigentlich schon direkt im Anschluss gewusst, dass ich nicht sein Typ bin. Sieh mich doch an. Im Vergleich zu Valeria bin ich nichts", gestehe ich gekränkt und wische mir in einem sinnlosen Versuch, die Tränen zu stoppen, fahrig unter den Augen entlang.
„Was hat denn Val damit zu tun?", forscht Louis perplex nach und ich erzähle ihm unverblümt, dass ich an dem Abend am Strand die beiden zusammen gesehen habe, wie sie sich eindeutig vergnügt haben.
Louis winkt mit einer abwehrenden Handbewegung ab.
„Val und Harry das hat keine Bedeutung, das ist nur Spaß", beteuert er, aber ich atme nur ungläubig aus.
„Glaub mir Vicky. Harry hat eine ...", will er beginnen, unterbricht sich aber selbst, um sich wieder zerstreut durch die kurzen, dunklen Haare zu fahren.
„Was hat Harry?", regiere ich genervt.
Natürlich kann Louis nichts für meine gereizte Stimmung. Wieder ist er nur ein Unschuldiger, der zwischen die Fronten gerät, aber ich bin einfach an einem Punkt angelangt, wo meine Nerven blank liegen und ich mit noch mehr Problemen nicht umgehen kann. Aus diesem Grund sage ich schließlich auch erschöpft: „Ist auch egal."
„Vielleicht ist es wirklich besser, wenn ich es nicht weiß. Vielleicht sollte ich einfach zum Flughafen fahren und einen Flug zurück nach Berlin buchen. Denn Schlimmer als hier, kann es ja kaum noch werden. So kann ich wenigstens meinen Eltern weiter aus dem Weg gehen", überlege ich laut.
„Warum deinen Eltern?"
Louis sieht mich interessiert an. Vielleicht ist er aber auch nur froh, dass ich nicht weiter versuche, herauszufinden, was er mit seiner Aussage über Harry gemeint haben könnte.
„Ist doch egal", antworte ich nur, da ich ihm nicht noch mehr mit meinen Problemen im Ohr liegen möchte.
Stattdessen verabschiede ich mich von Louis und drehe mich erneut um, um zurück zum Hotel zu gehen. Ich werde dem Unvermeidlichen, das heißt, einer Begegnung mit meinen Eltern und auch Niall, ohnehin nicht ewig aus dem Weg gehen können.
Louis aber ist schneller und hält mich noch einmal zurück. Mit seinem aufgeschlossenen Blick und einem freundlichen Lächeln, erklärt er mir, dass er ein guter Zuhörer ist und er gerne für mich da wäre, wenn ich denn jemanden zum Reden bräuchte. Ich hingegen möchte wieder ablehnen, auch wenn ich einen kurzen Moment zögere, da es vielleicht wirklich guttun könnte, mit ihm zu reden.
Und dieses Zögern ist Anlass genug für Louis, um zu lächeln und vehement mit dem Kopf zu schütteln, mir somit zu verdeutlichen, dass er ein „Nein" in diesem Punkt nicht akzeptiert.
„Komm wir gehen den nächsten Aufgang nach oben, da gibt ist ein kleines Café und die machen hier das beste Eis", versucht er mich zu ködern.
„Es ist später Abend und du willst Eis essen?", frage ich irritiert.
„Natürlich. Eis kann man zu jeder Tages- und Nachtzeit essen", erklärt er so überzeugend, als wäre meine Frage völlig absurd.
„Also kommst du? Ist auch wirklich nicht weit."
Ich blicke einmal in die Richtung, in der die Treppe hoch zum Hotel liegt und wiege das Für und Wieder seines Angebotes ab. Ich weiß nicht genau, was mich am Ende dazu veranlasst dem jungen Kellner am Ende doch zu folgen, aber wenig später sitze ich mit einer Eistüte in der Hand - ich habe mich für Sorbet entschieden, da das weniger Kalorien hat - vor dem kleinen Café.
„Also, was ist so schlimm an deinen Eltern?", eröffnet Louis das Gespräch.
Abwartend sieht er mich an, während er an seiner großen Waffel mit mindestens drei Kugeln und Schlagsahne leckt. Bevor ich auf seine Frage antworte, sage ich, dass er nicht so aussieht, als würde er so viel Eis essen können.
„Ich liebe Eiscreme und du hättest auch ruhig ein, zwei Kugeln mehr vertragen können", fügt er mit einem Schmunzeln hinzu. „Ihr Frauen könnt euch ruhig mal was gönnen."
„Das sagt sich so leicht", antworte ich daraufhin nur und die Augenbrauen des jungen Mannes zucken fragend in die Höhe.
Da wären wir also wieder beim Thema. Bevor ich mich zurückhalten kann, habe ich Louis bereits eine grobe Zusammenfassung meiner Kindheit und meiner Beziehung, insbesondere zu meiner Mutter, geschildert. Er schweigt die gesamte Zeit über und hört mir einfach nur zu. Ganz ruhig und ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Es tut mir gut, zu reden und einfach einmal einen Teil meiner Gedanken aussprechen zu können. Viel zu lange ist es her, dass ich dies tun konnte. Das letzte Mal war, als mein Bruder uns verlassen hat, da habe ich mich zwei Tage lang an Nialls Schulter ausgeweint, auch er war damals ein geduldiger Zuhörer gewesen. Ich erzähle Louis natürlich nicht jedes Detail, bleibe an vielen Stellen sogar ziemlich vage, aber es reicht, damit er mich am Ende einfach nur in den Arm nimmt. Freundschaftlich, ohne jeden Hintergedanken, und ich merke, wie sehr ich solch eine Umarmung jetzt gerade nötig habe.
Ich weiß nicht wieviel Zeit vergeht, während wir vor dem kleinen Café sitzen und plaudern, aber schlussendlich kommt die Kellnerin auf uns zu und erklärt, dass sie jetzt gerne Feierabend machen möchte. Wir geben ihr noch ein großzügiges Trinkgeld, als Entschädigung dafür, dass wir ihren Feierabend in die Länge gezogen haben, bevor sich unsere Wege trennen.
Louis wollte mich unbedingt noch zurückbegleiten und lässt sich erst von seinem Vorhaben abbringen, als ich mir ein Taxi rufe und er sehen kann, wie ich in dieses einsteige. Zum Abschied habe ich mich noch einmal bei ihm bedankt, dass er mir zugehört hat und nicht nachgegeben hat. Lässig hat er einfach nur abgewunken, das sei unter Freunden schließlich selbstverständlich. Ich habe lediglich genickt, da ich kaum weiß, was unter richtigen Freunden üblich ist und was nicht.
Wenig später bin ich zurück im Hotel, das Foyer ist um diese Zeit so gut wie leer, nur zwei Mitarbeiter sitzen hinter dem Tresen und wünschen mir eine gute Nacht, als ich den Fahrstuhl betrete. Sobald ich die Zimmertür öffne, steht Niall in dem kleinen Flur. Die Augen zu Schlitzen verengt und die Arme vor der Brust verschränkt.
„Na haben wir uns wieder mit dem armen Penner vergnügt?", erkundigt er sich kalt und macht einen Schritt auf mich zu.
Die Updates werden sich auch diese Woche verschieben, aber keine Angst, ich habe euch nicht vergessen.
Und wir Vicky jetzt Niall mit dem Kuss konfrontieren?
Infinity1294, dass die Beiden Eis essen gehen ist für dich.
Bitte das Sternchen nicht vergessen, wenn ihr das Kapitel mochtet. :)
Anni
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