Dreiundzwanzig
Gleich darauf treffen ihre Lippen aufeinander. Sie scheinen sich nicht vorsichtig oder langsam aneinander gewöhnen zu müssen. Im Gegenteil, es dauert nicht lange, da sitzt Valeria auf Harrys Schoß und seine Hände verschwinden unter ihrem Oberteil.
Ich möchte am liebsten umdrehen und so schnell ich kann davonlaufen, mich von diesem Schauspiel lösen. Aber meine Beine scheinen plötzlich ein Eigenleben zu führen. Wie angewurzelt stehe ich da und sehe, wie Harry ihre Lippen verlässt und sich über ihr Kinn, langsam hinab zu ihrem Hals arbeitet. Die junge Latina dabei genussvoll die Augen geschlossen hält und den Kopf in ihren Nacken fallen lässt.
Es ist ein sinnliches Spiel, das die beiden nur wenige Meter von mir entfernt treiben. Vollkommen in ihrer Lust gefangen, nehmen sie mich weiterhin nicht wahr, wie ich wie eine perverse Voyeuristen dastehe und ihnen zusehe.
Erneut das Gefühl, als würde Säure in mir brodeln. Schlagartig wird mir übel und meine Beine wissen endlich wieder, wie man sich von einem Ort, an dem man nicht sein möchte, wegbewegt.
Lautlos drehe ich mich auf dem Absatz um und mache mich auf den Weg zurück zum Lagerfeuer, welches in einigen Metern Entfernung orangegelb flackert. Meine Gedanken noch immer bei dem Schauspiel, welches mir soeben unfreiwillig geboten wurde.
Das Gefühl in mir, welches nach Säure schmeckt, ist die pure Eifersucht. Eifersucht auf eine Frau, die ich kaum kenne und einen Mann, der nie mehr als ein eventueller Freund werden soll. Was bilde ich mir eigentlich ein, diese Emotion gegen die Beiden, vor allem gegen Val zu hegen? Ich habe kein Recht, oder einen Anspruch auf Harry. Er ist ein junger, erwachsener und gutaussehender Mann, der sein Leben in vollen Zügen genießt und dazu gehört es eben auch eine sexuelle Beziehung zu Frauen zu pflegen. Niemand kann ihm das vorwerfen und als Allerletzte habe ich das Recht dazu.
Schließlich habe ich doch schon bei dem ersten Aufeinandertreffen mit Valeria geahnt, dass zwischen den beiden mehr als nur Freundschaft besteht. Ich glaube allerdings nicht an eine Beziehung. Harry scheint mir ehrlich genug zu sein, um sie als seine Freundin vorzustellen, wenn dies der Fall wäre. Doch Valeria hat definitiv ein Interesse an ihm, das vielleicht sogar über eine Affäre hinausgeht und vielleicht hat sie ihr Ziel heute Abend erreicht, teilt mir mein Gewissen laut gackernd mit.
Obwohl ich mich selbst leise murmelnd ermahne, dass ich mich beruhigen muss, während ich durch den Sand auf dem Weg zurück zu Louis bin, kann ich nicht leugnen, dass sich ein Teil in mir wünscht selbst an Valerias Stelle zu sein.
Der Gedanke daran, dass Harrys Hände sich unter mein Shirt schieben, seine Lippen eine heiße Spur an meinem Hals zurücklassen. Er mich wollen würde und mich dazu bringt seine Berührungen zu genießen, seinen Namen zu stöhnen. Dieser Gedanke der entfacht ein Feuer in mir, dass mich schon jetzt zu verbrennen droht.
Meine Gedanken sind falsch, verboten und vor allem gegenüber Niall unfair. Doch, was kann ich dagegen tun, wenn mein Kopf sich entschieden hat, mir diese Flausen einzuflüstern. Was kann ich dafür, wenn mein Herz sich entscheidet verrückt zu spielen, sobald Harry mir näher kommt, als es unter Freunden üblich sein sollte?
Ich muss das alles von mir abschütteln und am besten geht das, wenn ich nie wieder an diesen Ort zurückkehre. Ich versuche die restlichen neun Tage zu überstehen, ohne mich und Niall noch weiter ins Unglück zu stürzen. Ich habe begriffen, dass ich mich von Harry fernhalten sollte und auch muss.
Es hätte alles, was sich mein Kopf und mein Herz ausmalen ohnehin keinen Zweck, denn spätestens in Berlin wartet mein gewohntes Umfeld und die dazugehörigen Verpflichtungen auf mich. Verpflichtungen bei denen ich mir bewusst bin, dass ich sie ohne Niall als meinen Wegbegleiter nicht erfüllen kann. Er ist seine Unterstützung die ich brauche und verdammt ich liebe ihn, wenn auch vielleicht noch nicht so, wie ich es in einer Beziehung üblich ist. Aber vielleicht ist es das, was ich als Fazit aus diesem ganzen Desaster mitnehmen kann. Das Wissen, dass ich daran arbeiten muss, schätzen zu lernen, was ich an Niall habe. Nicht jede Liebe funktioniert auf den ersten Blick, das heißt aber noch lange nicht, dass man das nicht ändern kann. Ich muss Harry einfach aus meinen Gedanken verbannen.
„Da bist du ja, können wir dann los?", erkundigt sich Louis sobald ich in seinem Blickfeld auftauche.
„Ja unbedingt, ich darf nicht noch mehr Zeit verlieren", antworte ich und meine damit nicht nur, dass es heute nicht noch später werden darf.
Auf dem Weg zum Moped kommen wir an einem großen Golfplatz vorbei, welcher allerdings um diese Zeit bereits verlassen ist. Schweigend gehe ich neben Louis her und immer wieder tauchen die Bilder von Val und Harry in meinen Gedanken auf. Ich möchte mir am liebsten einmal fest gegen den Kopf schlagen, um diese loszuwerden, aber das würde auf Louis vermutlich mehr als verrückt wirken. Die
„Hast du Harry noch gefunden?", erkundigt sich dieser plötzlich und ich murmle eine Verneinung.
„Dann ist er bestimmt mit Val verschwunden", trifft Louis unwissend den Nagel auf den Kopf und bestätigt so nur ein zusätzliches Mal meine Vermutung, dass es nicht das erste Mal zwischen den beiden ist.
Bevor ich mich zurückhalten kann frage ich Louis, ob die beiden sich schon immer so gut verstehen. Sein prüfender Blick von der Seite spricht Bände und dennoch, nun habe ich die Frage ausgesprochen, jetzt hätte ich auch gerne eine Antwort darauf.
„Ja, das ist so eine Freundschaft plus Sache würde ich sagen", überlegt Louis laut.
„Freundschaft plus?", erkundige ich mich.
Louis grinst breit, als er mich fragt, ob ich nie den Film mit Mila Kunis und Justin Timberlake gesehen habe. Als ich den Kopf schüttle, erklärt er mir ganz unverblümt, dass Harry und Val immer mal wieder Sex miteinander haben, ohne jede Verpflichtung. Zumindest weiß er das von Harrys Seite aus, aber Val schätzt er ebenfalls so ein, als würde sie wissen, worauf sie sich mit ihm einlässt.
„Ist nicht so mein Ding, wenn ich ehrlich bin", schließt Louis mit seiner Erklärung ab und fügt hinzu, dass er es doch bevorzugt, wenn er mehr als nur das Äußere an einer Person anziehend findet.
Stumm nicke ich lediglich. Da ich nie einen One-Night-Stand oder dergleichen hatte, kann ich nur schwer darüber urteilen. Bei Louis glaube ich zu ahnen, dass er sehr wohl ein fundiertes Urteil treffen kann.
Kurz darauf sitze ich hinter Louis auf dem kleinen Moped. Gemächlich fahren wir über die fast leere Straße Richtung Hotel. Die Fahrt dauert keine zehn Minuten. Auch Louis bitte ich darum, mich noch außerhalb des Hotelgeländes abzusetzen. Ohne nachzufragen, kommt er dieser Bitte nach und mit einem Winken, während ich schon Richtung Haupteingang unterwegs bin, verabschiede ich mich von meinem freundlichen Fahrdienst.
Es ist eine halbe Stunde nach 20 Uhr, als ich die Karte in das Türschloss stecke. Das Licht leuchtet und der Fernseher läuft. Sobald die Tür ins Schloss gefallen ist, taucht Niall auch schon in dem kleinen Flur auf.
Sofort fragt er wo und mit wem ich unterwegs war. Sein Ton ist alles andere als freundlich und augenscheinlich will er direkt dort anschließen, wo wir gestern aufgehört haben. Da eine Lüge wenig Sinn hat antworte ich ihm ehrlich, dass ich mich noch ein weiteres Mal mit Harry getroffen habe.
Nialls Mimik verzieht sich schlagartig zu einer wütenden Maske. In dem engen Flur macht er einen Schritt auf mich zu. Doch dieses Mal will ich mich nicht wieder einschüchtern lassen. Es ist nur ein Knurren, als er mich fragt, ob ich vergessen habe, dass er mir verboten hat, mich erneut mit dem Kellner zu treffen.
Ich straffe ebenfalls die Schultern. Noch immer ist er mein Partner und nicht mein Erziehungsberechtigter der mir den Umgang mit jemanden verbieten kann. Zumal all seine Bedenken und Ängste völlig unnötig sind, wie ich heute feststellen konnte.
„Du hast mir nicht zu sagen, wann ich mich mit wem treffen", entgegne ich und Niall, der wohl überrascht über diese klaren Worte meinerseits ist, klappt die Kinnlade nach unten.
Doch kurz darauf fängt er sich wieder und entgegnet, dass ich seine Freundin sei und er somit sehr wohl ein Recht darauf habe zu wissen, ob ich mich mit anderen Männern treffe.
Da ich nicht erneut einen Streit wie gestern provozieren will, welcher am Ende eskaliert, gebe ich schließlich nach.
„Es wird ohnehin nicht mehr vorkommen", antworte ich nur.
„Richtig, weil ich ihn gleich morgen früh rauswerfen werde. Dieses Arschloch wird nicht mehr in deine Nähe kommen", schimpft Niall weiter und die Schlagader an seinem Hals tritt bereits bedrohlich hervor.
„Das wirst du nicht tun. Ich weiß, dass du ihm damit gedroht hast", lege ich die Karten offen und mein Gegenüber sieht mich überrascht an.
„Es ist mein gutes Recht, wenn er dich anbaggert", vertritt er seinen Standpunkt, doch auch diesen Wind nehme ich ihm aus den Segeln.
„Und in diesem Punkt irrst du dich. Harry hat auf diese Art und Weise kein Interesse an mir und auch niemals etwas in diese Richtung angedeutet oder versucht." Es versetzte mir einen Stich, diese Tatsache vor Niall direkt auszusprechen, dennoch muss es gesagt werden, um die Wogen zwischen uns endlich wieder glätten zu können. „Er ist einfach nur ein Mensch, der gerne neue Kontakte knüpft und mehr nicht."
„Wer es glaubt", bringt Niall abschätzig hervor und sieht mich an, als ob ich ein Alien wäre.
„Ich glaube es, weil es die Wahrheit ist und vielleicht solltest du mir auch glauben. Ich habe dir gesagt, dass zwischen uns nichts passiert ist und wenn du mir nicht mehr glauben kannst, dann macht das zwischen uns vielleicht wenig Sinn. Ich bin keine Schlampe und das sollte dir klar sein", setze ich ihm die Pistole mit seinen Worten von gestern auf die Brust.
Hinter den blauen Augen kann ich sehen, wie seine Gedanken rasen. Er wohl das Für und Wider meines Ultimatums abwiegt. Ich habe jedes Wort ernst gemeint, wenn Niall mir nicht mehr glauben möchte, dann ist unsere Beziehung sinnlos. Das muss selbst er einsehen und ich mit den Konsequenzen leben. Nicht zuletzt mit dem Druck meiner Eltern, wenn der perfekte Schwiegersohn nicht mehr an der Seite ihrer Vorzeigetochter ist.
„Ich will dich nicht verlieren", antwortet er schließlich leise und seine Züge werden mit diesen Worten weicher. Gleichen somit mehr denen, die ich von meinem jahrelangen Freund gewohnt bin.
Ich mache einen Schritt auf ihn zu. Schließlich habe auch ich mir geschworen an uns zu arbeiten. Niall ist mir wichtig und ich kann mir nicht erlauben ihn zu verlieren als meine einzigen Verbündeten.
„Die letzten Tage liefen verdammt falsch", bringe ich es auf den Punkt.
Ich greife nach seinen Händen, welche er nur zögerlich mit meinen Fingern verschränkt.
„Es tut mir leid, dass ich gelogen habe und auch die Ohrfeige tut mir leid, aber deine Worte haben mich ehrlich verletzt", entschuldige ich mich bei Niall und sehe ihm direkt in die Augen, denn ich lüge nicht. Es ist eine Tatsache, dass ich es bereue gelogen zu haben. Wäre ich von Anfang an ehrlich mit ihm gewesen, wäre die ganze Situation vielleicht anders gelaufen.
Niall beißt sich auf die Unterlippe, bevor auch er sich für seine Worte entschuldigt.
„Ich hab einfach solche Angst, dass du mich verlassen könntest", beteuert Niall ehrlich und ich kann nicht anders, als ihn in den Arm zu nehmen.
„Verlieren wirst du mich nie", schwöre ich ihm und ich spüre, wie Niall sein Gesicht in meinem Hals vergräbt. Tief höre ich ihn einatmen. Eine Umarmung mit ihm fühlt sich für mich immer an, als würde ich zu Hause ankommen - vertraut und sicher.
Es vergeht ein langer Moment, in dem wir schweigend dastehen und uns festhalten. Sowohl er, als auch ich wollen die Umarmung wohl nicht lösen, aber irgendwann tun wir es dennoch.
Unsicher stehen wir voreinander. Keiner von uns will zuerst etwas sagen, vermutlich hat Niall genauso viel Angst davor etwas falsch zu machen wie ich.
Schließlich fragt er mich, ob ich etwas essen möchte und wir uns etwas kommen lassen sollen. Ich stimme dem zu, einfach nur, damit wir etwas zu tun haben. Niall lächelt zurückhaltend, bevor er zum Telefon geht und nachdem Hörer greift, um den Zimmerservice zu informieren.
Doch bevor wir wieder die Alten werden können, muss ich noch einmal das Gespräch auf Harry lenken.
„Niall?", rufe ich seinen Namen und warte darauf, dass er mich ansieht.
„Versprich mir, dass du Harry nicht kündigst. Ich möchte nicht die Schuld daran tragen, dass er keinen Job mehr hat."
Der Gesichtsausdruck meines Gegenübers wird wieder düsterer und bevor er mein Anliegen abschmettern kann, mache ich erneut einen Schritt auf ihn zu.
„Ich weiß, dass du es nicht für ihn tun willst, aber dann tu es doch wenigstens für mich", schlage ich vor.
Mit zusammengepressten Lippen nickt Niall nur, um so seine widerwillige Zustimmung zu geben.
„Danke", sage ich und beuge mich vor, um Niall einen Kuss zu geben.
Unerwartet lässt er den Hörer des Telefons fallen und seine Hände finden sich an meinem Gesicht wieder. Nialls Lippen fordern meine Aufmerksamkeit. Ich lasse den Kuss zu und seine Finger bahnen sich einen Weg in meine Haare. Ein raues Stöhnen unterstreicht das Verlangen meines Partners und soll mir zeigen, wie sehr er mich begehrt.
Doch alles, an was mein Kopf in diesem Moment denken kann, sind grüne Augen.
Hallööchen...
Ich hatte beim letzen Mal vergessen noch etwas zu der „Wohnsituation" von Harry zu sagen. Diesen Strand gibt es auf Teneriffa wirklich und wir haben den damals mit unseren Freunden durch Zufall entdeckt. Allerdings kann man auch im Inet darüber etwas finden. :) Ach und ja in dem Moment kam mir dann auch die Idee zu OW. :) So funktioniert das bei mir mit der Ideenfindung. xD Den Strand seht ihr unten.
Bitte vergesst das Sternchen nicht und ich muss mich heute unbedingt hinsetzen, damit es Freitag weiter geht. Aber ich bin da positiv eingestellt.
Anni
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