Elf
Harry
Zu Fuß mache ich mich auf den Weg zu Val.
Dank ihrer unkomplizierten und lockeren Art wird sie mir nicht allzu viele Fragen stellen und Ratschläge erteilen wollen. Anders als Louis. Der hängt mir schon seit Wochen in den Ohren, dass ich doch nach Vicky suchen solle, wenn es mich so traurig mache, dass sie weg ist.
Mein Kumpel ist einfach ein unverbesserlicher Träumer, der an sowas wie die große Liebe wirklich glaubt und davon schwafelt, dass Vicky und ich füreinander bestimmt wären und ich sie nicht einfach aufgeben sollte. Aber Louis ist eben auch noch nie richtig verletzt worden in seinem Leben, denn wenn dem so wäre, würde er die Geschehnisse in einem anderen Licht sehen.
Ich habe bereits genug Tragödien in meinem Leben durchgestanden und aus diesem Grund werde ich den Teufel tun und einer Frau nachlaufen, die nicht weiß, was sie will, und die mir nicht guttut. Ich fühle mich noch immer von ihr betrogen und ausgenutzt. Gefühle, die ich nur zu gut von damals kenne und eigentlich nie wieder durchleben wollte.
Als ich bei Val ankomme ist bereits alles dunkel und still. Sicherlich schläft sie schon und trotzdem klingle ich bei ihr. Sie wird es mir nicht übelnehmen, falls ich sie wirklich wecken sollte. Dessen bin ich mir sicher. Und ich behalte recht, als nur wenige Sekunden später der Summer gedrückt wird und ich reingelassen werde, nachdem sie sich erkundigt hat, wer sie um diese Zeit noch stören würde.
In einer kurzen Hose und einem schwarzen Top, das einen Teil ihrer natürlichen Bräune offenbart, öffnete sie mir die Tür. Der wirre Haarknoten auf ihrem Kopf wackelt hin und her, als sie mir offenbart, dass nur ich die Dreistigkeit besitzen würde, um diese Zeit bei ihr auf der Matte zu stehen.
„Hast du etwa schon geschlafen?", scherze ich, während ich an ihr vorbei in ihren schmalen Flur trete.
„Nein ich wollte nur mal einen neuen Look ausprobieren", antwortet sie bissig und grinst mich dabei frech an.
Leise schließt sie die Tür, um die Nachbarn in dem hellhörigen Haus nicht zu wecken. Ich ziehe meine ausgetretenen Chucks aus, worauf Val jedes Mal besteht, wenn ich sie besuche. Ihre Wohnung ist immer ordentlich und sauber. Das ist wohl auch der Grund, warum sie sich nie für ein Leben am Strand entscheiden würde.
„Was willst du um diese Zeit hier?"
Wie selbstverständlich gehe ich in ihr Wohnzimmer, welches gleichzeitig auch ihr Schlafzimmer ist. Ohne Scham lasse ich mich kurzerhand auf ihr Bett fallen und verschränke die Arme hinter meinem Kopf, als ich mich auf das Kiss sinken lasse.
„Mir ist langweilig", lüge ich und grinse sie vielsagend an.
„Und da kommst du ausgerechnet zu mir?", forscht sie scheinbar ahnungslos weiter.
Ich zucke lediglich mit den Schultern, als ich sie daran erinnere, dass das hier ja nicht das erste Mal sei, dass ich unangekündigt auftauche.
Seit wir uns kennen führen Val und ich eine lockere Beziehung miteinander. Wir lieben uns nicht, wir mögen uns als Freunde und finden uns zusätzlich körperlich anziehend. Ich genieße den unverfänglichen Sex, den wir gemeinsam haben können, genauso wie die locker leichten Momente, in denen wir als enge Freunde über Gott und die Welt plaudern.
„Willst du was trinken?", fragt sie mich, während sie ein Gähnen nur schwer unterdrücken kann.
Kurz überlege ich, bevor ich mich erkundige, ob sie auch was Richtiges dahabe.
Nun wird Val hellhörig. Wundern tut mich ihre Reaktion allerdings nicht. Seit sie mich kennt, hat sie mich noch nie Alkohol trinken sehen und das aus einem guten Grund, den sie allerdings nicht kennt.
„Seit wann trinkst du denn Alkohol?", fragt sie mich mit einem skeptischen Blick.
„Ich habe schon immer Alkohol getrunken, nur eine Zeit lang damit aufgehört", antworte ich vage.
Val gibt sich damit zufrieden und enttäuscht mich mit ihrer Reaktion nicht. Ich habe darauf gehofft, dass sie nicht viele Fragen stellen wird und ich einfach ein bisschen Zeit mit einer Freundin verbringen kann. Ganz locker eben.
Wenig später liegen wir gemeinsam auf ihrem Bett. Ich habe bereits drei Gläser Rotwein von Valerias Großvater intus, der auf der Insel ein paar Weinreben besitzt.
Meine beste Freundin hat sich an mich gelehnt. Mit ihren Fingern fährt sie immer wieder über den Stoff meines T-Shirt. Ich nehme einen weiteren Schluck des süßen Weins und genieße das Gefühl, welches dieser in mir hervorruft. Vicky rückt immer mehr in den Hintergrund und ich merke wie ich mich endlich entspannen kann.
„Also, warum der Alkohol?", fragt Val schließlich doch und ich stöhne genervt auf.
„Einfach nur so", versuche ich das Thema schnell zu beenden, aber meine Freundin lässt nicht locker.
Um mich besser ansehen zu können, setzt sie sich auf und kniet sich neben mir auf der Matratze nieder. In ihrer Ein-Raum-Wohnung ist es dunkel. Nur eine kleine Nachttischlampe taucht den Bereich rund um das Bett in ein warmes Licht. Valeria sieht mich abwartend an.
„Harry, du trinkst sonst nie. Also was ist passiert? Wovon willst du dich ablenken?"
Verdammt, bin ich denn wirklich so leicht zu durchschauen?
Ich habe keine Lust mich mit Val über Vicky zu unterhalten. Ich habe keine Lust überhaupt an die Rothaarige nur noch einen Gedanken zu verschwenden. Warum müssen es mir alle Menschen um mich herum so unheimlich schwer machen?
Ich beschließe in die Offensive zu gehen und somit Valeria von meinen augenscheinlich so offensichtlichen Problemen abzulenken.
Entschlossen dieser Fragerei ein Ende zu setzen und weil der Alkohol nicht nur das Gefühl von Gleichgültigkeit in mir hervorruft, setzte ich mich ebenfalls auf.
Kurzentschlossen beuge ich mich zu der jungen Frau und küsse sie an ihrem Hals, wohlwissend, dass sie es besonders mag dort verwöhnt zu werde. Augenblicklich lässt Val ihren Kopf in den Nacken fallen und stöhnt wollig. Sie duftet nach einer frischen Dusche und ich sauge ihren Geruch auf. Plötzlich jedoch meine ich den Geruch des Meeres zu riechen. Bilder von Vickys nackter Silhouette im Sand tauchen vor meinem inneren Auge auf.
Verzweifelt kneife die Augen zusammen und versuche die Bilder zu verscheuchen. Ich brauche jetzt mehr als sonst ein bisschen unverfänglichen Sex mit Val, der als Ablenkung dienen soll. Die Erinnerung an Vicky macht mich sonst noch wahnsinnig.
Langsam wandern meine Lippen über Vals Hals bis zu ihren Schultern. Meine Finger fahren unter den Träger ihres Tops. Nur das Stück Stoff trennt mich noch von ihrer weichen Haut. Kaum ist der Träger über ihre Schulter nach unten gerutscht, drückt sich Val von mir weg. Unbefriedigt stöhne ich auf und sehe sie verständnislos an.
„Harry, wäre es nicht besser, wir würden darüber reden, was dich belastet?"
„Mich belastet nichts", wiegle ich ab und rutschte wieder zu Valeria auf, um dort weiter zu machen, wo ich gerade von ihr unterbrochen wurde. Doch erneut hält sie mich auf, indem sie ihre flachen Hände auf meinen Brustkorb legt, um mich so auf Abstand zu halten.
Etwas genervt gebe ich auf und fahre mir gestresst durch die Haare.
„Man Val, ich will nicht reden", jammere ich beinahe und gestehe ihr ehrlich, dass ich mich einfach etwas ablenken möchte.
Val nickt verständnisvoll und obwohl ich ihr im Grunde gestanden habe, dass ich sie für mein seelisches Wohlbefinden benutzen möchte macht sie mir keine Vorwürfe. Wer weiß, wie oft sie schon Ablenkung bei mir gesucht hat und ich sie ihr anstandslos gewährt habe. Stattdessen legt sie ihre Hand auf meinen Oberarm und streichelt fürsorglich drüber, bevor sie erneut das Wort an mich richtet. Diese Ehrlichkeit zwischen uns ist es auch, was unsere Verbindung so besonders und unkompliziert macht.
„Harry, ich will aber nicht deine Ablenkung sein, wenn du Liebeskummer hast", flüstert sie behutsam, woraufhin ich sie fragend ansehen.
„Es geht doch um die Rothaarige von vor ein paar Wochen, oder etwa nicht? Wie war nochmal ihr Name?"
„Verdammt, ich habe keinen Liebeskummer wegen Viktoria", fluche ich und springe noch im gleichen Moment auf, um die Wohnung meiner besten Freundin fluchtartig zu verlassen.
Bevor ich ohne jede Vorsicht die Tür hinter mir schließe, höre ich Val noch meinen Namen rufen.
Ich will nicht an Viktoria denken müssen.
Nie wieder!
Hmm, also ich mag Val eigentlich... :)
Euch ein schönes Wochenende.
Anni
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