34. Familienbesuch?
- Elenas POV -
Modests Meetings waren nie ein Vergnügen, doch seitdem zwischen Jeff und mir diese angespannte, feindseelige Stimmung herrschte, waren sie noch unerträglicher.
Das Wissen, dass ich jedoch trotzdem eine von ihnen war, zog mich bloß noch tiefer nach unten.
Was wir hier taten, war kompletter Irrsinn. Die Jungs waren nicht hier, obwohl es um ihre Arbeit und um ihre Leben ging.
Doch wir trafen die Entscheidungen, wir lenkten sie.
„Gut, also der Film ist soweit im Kasten, die Tour ist ausverkauft und die Reviews zu den Konzerten sind hervorragend. Wir leisten gute Arbeit!", fasste Jeff nach zwei endlosen Stunden zusammen.
Nicht wir, sondern Harry, Niall, Louis und Liam leisteten einen Großteil dieser Arbeit, doch das wollte natürlich niemand der hier Anwesenden sehen.
Und ich sollte mich lieber zurückhalten, denn Jeffs Blick lag ohnehin bereits auf mir.
„Selbst Miss Walshs kleine Eskapade mit Mister Styles gerät langsam in Vergessenheit. Einzelnen Fans ist ohnehin bereits aufgefallen, dass sie auch auf älteren Paparazzi-Fotos vom Flughafen zusammen zu sehen sind und sie Teil von Modest ist. Alles also halb so wild", sagte er und ein Lächeln, das mir einen Schauer über den Rücken jagte, stand in seinem Gesicht.
„Ansonsten hat mich der Wunsch erreicht, dass in Asien Teile der Familien mittouren sollen", seufzte Jeff genervt weiter. „Sophia kommt bereits morgen, das wird unter den Fans schon genug Aufmerksamkeit erregen. Nialls Bruder sollte auch kein Problem darstellen. Was allerdings Louis' und Harrys Schwestern angeht - wir alle wissen, was diesen beiden Familien angedichtet wird. Gerade nach Miss Walshs kleinem Alleingang sind diese Gerüchte um Louis und Harry wieder mehr denn je am brodeln und wir brauchen nicht noch mehr Zündstoff."
Aufmerksam hörte ich ihm zu, ebenso wie der Rest der Anwesenden.
Ja, es hatte gemischte Reaktionen im Internet gegeben - zum Einen die verletzten Harry-Fans, die keine Frau an seiner Seite sehen wollten und zum Anderen die Verschwörungstheoretiker, für die all das ein abgekartetes Spiel war.
Seitdem ihnen bewusst geworden war, dass ich zu Modest gehörte, stand für sie fest, dass das Management Harry und mich als Paar inszenieren wollte, um seine jahrelange Beziehung mit Louis zu vertuschen.
Vermutlich hätte ich über diese Mutmaßungen herzhaft gelacht, hätte ich nicht selbst so tief drin gesteckt.
Es war eine Menge los und Jeff hatte kaum mehr eine ruhige Minute gehabt.
Familienbesuch würde sicherlich noch einmal mehr Arbeit bedeuten und genau deshalb schien er dieser Idee wenig zugetan.
Skeptisch runzelte einer von Modests Öffentlichkeitsarbeitern die Stirn.
„Aber wir können ihnen doch nicht vorschreiben, wer sie besuchen kommt", stellte er vorsichtig in den Raum und schüttelte irritiert den Kopf, während einzelne Köpfe zustimmend nickten.
Auch ich konnte ihm gar nicht genug zustimmen, doch für eine sichtbare Reaktion fehlte es mir an Mut.
Jeffs Blick lag ohnehin pausenlos auf mir und auch jetzt verwies er durch ein leichtes Nicken in meine Richtung.
„Wir können ihnen vielleicht nichts vorschreiben, aber wir können es ihnen zumindest ans Herz legen. Ich bin mir sicher, sie werden Verständnis zeigen", sagte er mit überzeugter Stimme, ohne mich aus den Augen zu lassen.
Er musste gar nicht mehr sagen, ich hatte bereits verstanden.
Die Familien der Jungs waren nicht erwünscht und damit hatte Jeff endlich den ersten Grund, mich meiner undankbaren Aufgabe nachgehen zu lassen, damit ich endlich meine Stellung ausnutzen konnte.
Mit düsterem Blick verfolgte ich den Rest des Meetings nur mehr halbherzig und rührte mich erst wieder, als sich auch alle anderen von ihren Stühlen erhoben.
Wie erwartet wollte mich Jeff allerdings nicht aus dem Konferenzraum des Hotels verschwinden lassen, ohne mich noch einmal anzusprechen.
„Wie ich gesehen habe, haben Sie sich also dazu entschieden, weiterhin an Mr Styles Seite zu sein?", sagte er, als ich unmittelbar neben seinem Sessel stand, doch eine Antwort auf diese Frage wollte er nicht zulassen. „Solange Sie die Gerüchte um Sie beiden nicht länger anheizen, soll mir das recht sein. Und natürlich, solange Sie diesen Einfluss auf ihn zu unseren Gunsten nutzen."
Kaum hatte er die letzte Silbe gesprochen, kehrte er mir wieder den Rücken zu.
Keine Worte dieser Welt können beschreiben, wie sehr ich diesen Menschen verabscheute und wie sehr ich ihn und auch mich selbst dafür hasste, dass ich in dieser Lage war.
Die Entscheidung letztendlich tatsächlich nach seinen Regeln zu spielen, war allerdings meine eigene und genau das tat am meisten weh.
Ich war sogar bereit, Harry den längst überfälligen Besuch seiner Familie auszureden und damit sein Glück zu riskieren.
Noch vor einigen Tagen hatte ich mich auf diesen Tag gefreut. Die Reise nach Japan stand an, die Jungs würden dort einige Tage PR-Termine abarbeiten und hatten dann zumindest drei freie Tage in einem Land, in dem Menschen und Fans noch ruhiger waren und um einiges mehr Respekt vor Privatsphäre hatten.
Es hätte eine Erholungsphase für sie und damit auch für Harry und mich sein können.
Stattdessen aber gesellten sich nun Wut, Grauen und Selbstekel an meine Seite, wenn ich daran dachte, die Zeit dort so vermeintlich unbeschwert mit Harry zu verbringen.
Doch dann sah ich ihn wieder und hörte all die lieben Dinge, die er sagte und schon spürte ich gleichzeitig wieder Dankbarkeit, ihn überhaupt bei mir haben zu dürfen.
Er war ein Geschenk, das ich vorgab anzunehmen und mich unsagbar darüber freute, obwohl ich wusste, dass ich es ob auf kurz oder lang zerstören würde.
„Magst du Asien?", riss mich Harry wieder einmal aus meinen Gedanken und strich zärtlich mit seinem Daumen über meinen Handrücken.
Wir waren inzwischen im Privatjet angekommen und konnten uns damit auf den Sitzen, auf die wir uns zurückgezogen hatten, ungesehen nah sein.
Jeff hatte nur zu gerne zugestimmt, dass ich mit Harry, Niall und einigen anderen Crewmitgliedern fliegen sollte. Ich wusste, dass er erwartete, ich würde den Besuch der Familien ansprechen.
Seufzend legte ich meinen Kopf auf seine Schulter und sah zu ihm auf.
Seine grünen Augen sahen mich aufmerksam an und ich wunderte mich einmal mehr, dass sie mich mit ihrer Tiefe nicht längst durchschaut hatten.
„Vermutlich nicht so sehr wie du", lächelte ich ihn an und vergrub mein Gesicht in seiner Brust. „Aber ich war auch noch nicht so oft dort."
Skeptisch runzelte Harry die Stirn und warf noch einmal einen prüfenden Blick auf mich.
„Geht's dir gut?"
Okay, seine Augen hatten anscheinend doch das Misstrauen in ihm geweckt.
Er klang so aufrichtig und besorgt, dass ich mich für meine Gedanken sofort wieder eine schallende Ohrfeige verpasste - denn darin war ich fast schon erleichtert über diese Steilvorlage, endlich den Familienbesuch anzusprechen.
„Naja", lenkte ich zögerlich ein. „Ich hab'gehört, du und die Jungs wollt eure Familien einladen und ein Weilchen mitnehmen."
Überrascht sah Harry mich an, lachte dann aber müde auf und drückte mich fest an sich.
„Ich kann vor dir wohl echt nichts geheimhalten, wenn du ständig mit Jeff rumhängst, was?", meinte er amüsiert. „Aber ja, du hast recht. Ich wollte dir nur noch nichts sagen, solange wir noch nichts Genaueres wissen. Aber Gemma und meine Mum lieben Asien mindestens genauso sehr wie ich. Und auch du wirst sie lieben, glaub mir! Und keine Angst, sie dich auch!"
Harrys Worte brachen mir das Herz.
Immer, wenn er von seiner Mutter und seiner Schwester sprach, stand dieses Leuchten in seinen Augen und seine Stimme verfiel in diesen liebevollen, dankbaren Ton.
„Du weißt, wie gerne ich zu ihnen nach Hause gefahren wäre. Aber da das nicht geht -"
Wieder sah Harry prüfend auf mich hinab.
Er hatte meinen Blick und das Unwohlsein darin bemerkt.
Ja, ich wusste, wie gerne Harry nach Holmes Chapel gefahren wäre und wie sehr er sich seine Familie gewünscht hatte, um wieder den „alten Harry" in der Heimat zu fühlen und zur Ruhe zu kommen.
Doch das war ihm bereits verwehrt geblieben.
Ich ahnte also, wie sehr er seine Familie brauchte, um zumindest ein Stück weit wieder mehr Sicherheit in seiner Haut zu erlangen.
Umso schrecklicher war es, dass ich ihm genau das ausreden sollte.
„Denkst du denn, dass das eine gute Idee ist?", brachte ich mit Müh und Not über die Lippen.
Verwirrt schüttelt Harry leicht den Kopf.
„Wieso denn nicht?"
Eine exzellente Frage und gerne hätte ich ihm geantwortet, dass es alleine Jeffs Meinung war, doch stattdessen fiel ich Harry immer weiter in den Rücken.
„Naja", fing ich zögerlich an. „Ich weiß, für dich bedeutet deine Familie Erholung, aber andererseits wäre das im Moment doch auch unheimlich stressig. Du weißt, wie sehr ich eingespannt werde und wenn die Familien da sind, wird sich das nochmal verdoppeln."
Unsicher zog Harry die Augenbrauen zusammen, während ich weitersprach.
„Ich will deine Familie wirklich kennenlernen, glaub mir. Aber ich mag den Gedanken nicht, dass sie mich als nervige Modest-Mitarbeiterin in Action kennenlernen. Ich würde mir gerne Zeit für sie nehmen."
„Das versteh' ich auch", nickte Harry einfühlsam und strich wieder mit seiner warmen Hand über meinen kalten Handrücken. „Aber du wirst sie ja nicht nur ein einziges Mal sehen. Ihr werdet euch ja vermutlich öfter begegnen, und das auch unter anderen Umständen."
Sein Lächeln zerriss mir das Herz.
„Auch wieder wahr", stimmte ich ihm zu. Auf diese Art und Weise konnte ich scheinbar nichts erreichen, es war also Zeit für Plan B.
„Wohl ist mir trotzdem nicht dabei. Und vorallem.."
Unschuldig sah ich ihm in die Augen.
„Ich dachte, wir hätten vielleicht mal Zeit für uns. Ein paar freie Tage, nur du und ich."
Schon hatte ich Harrys volle Aufmerksamkeit. Ich wusste, wie sehr er seine Familie sehen wollte und sie auch brauchte, doch genauso gut wusste ich, dass er im Moment auch mich bei sich haben wollte.
Ich brachte ihn bewusst in eine Situation, in der er nur verlieren konnte.
Mit Sicherheit wollte Harry nicht, dass ich mich beim ersten Kennenlernen mit seiner Mutter und seiner Schwester unwohl fühlte.
Und er wollte auch Zeit mit mir verbringen.
Andererseits wollte er auch seine Familie nicht enttäuschen und sie bei sich haben, wenn er schon nicht nach Hause fliegen konnte, was er so dringend gebraucht hätte.
Tief in sich wusste Harry bestimmt selbst, dass er es dringend nötig gehabt hätte, seine Wurzeln durch Anne und Gemma zu festigen, doch das, was zwischen uns entstand, war noch zu zerbrechlich und verwundbar, als dass er mir meine indirekte Bitte abschlagen hätte können.
Das Fundament dafür, Jeffs Wunsch nachzukommen, war damit also gelegt.
„Das klingt natürlich auch nach einen guten Plan", lächelte Harry und lehnte seinen Kopf sanft gegen meinen, während er durch das Flugzeugfenster neben mir blickte.
„Lass mich nochmal mit Mum und Gemma sprechen."
„Klar", murmelte ich einverstanden, während ihm eine Stimme in mir noch zurief, dass er seine Familie doch gerade jetzt brauchte und darauf bestehen sollte - und gleichzeitig verfluchte sie mich, und zwar mit allem Recht.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro