21. Positive Energie
- Elenas POV -
Ich hatte schon einige Konzerte erlebt, doch noch nie war ich dermaßen von der Energie, die in dieser riesigen Arena herrschte, erschlagen worden.
Es mochte vielleicht teilweise daran liegen, dass ich zum ersten Mal in eine Show involviert waren, doch den größeren Unterschied machte wohl die Tatsache, dass ich wusste, wer dort auf der Bühne stand.
Ich kannte die vier Jungs, die sich dort die Seele aus dem Leib sangen und performten, um ihren Fans den Abend ihres Lebens bieten zu können. Natürlich kannte ich den einen mehr, den anderen weniger, doch am Ende blieb mein Blick ohnehin immer wieder an Harry hängen.
Er war dort oben wie ausgewechselt, er schien so unbeschwert und glücklich, beinahe wie ein Spiegel der kreischenden Menge an Fans. Als würde er all die positive Energie, die sie ausstrahlten direkt aufnehmen - oder möglicherweise war es auch andersherum und er war der Ursprung dieses Glücks. Vielleicht war es auch eine Wechselwirkung, jedenfalls profitierten sie voneinander.
Harry liebte die Bühne, er liebte die Musik und er liebte die Menschen, die er damit erreichte. Und die Menschen liebten ihn - wie sollte es auch anders sein.
Er war ein vollkommen neuer Mensch mit einer neuen Dynamik, wie ich sie bisher noch nicht an ihm gesehen hatte, doch trotzdem erlag ich auch in diesem Fall wieder seinem Charme und ertappte mich verdächtig oft dabei, wie ich ihn zuerst über die Monitore backstage und schließlich über den kleinen, abgesperrten Bereich neben der Bühne mit meinem Blick fixiert hatte. Es war schön zu sehen, wie losgelöst Harry sein konnte und mit einem Mal verstand ich auch, weshalb er Modest und dieser Branche noch nicht den Rücken gekehrt hatte.
So sehr er sie offensichtlich auch verfluchte, brauchte er sie am Ende des Tages doch, um das, was er liebte, ausleben zu können.
Es waren die kleinen Dinge, die in Harrys Gesicht zu lesen waren. Das glückliche Lächeln, als er in die Menge sah, die strahlenden Augen, wenn ihm die Songtexte entgegenschallten und auch der fröhliche Ausdruck, wenn er sich die einzelnen Personen ansah und mit ihnen interagierte.
Er hatte mir bereits zuvor gesagt, dass er die Musik liebte und sich auf die Tour freute, doch zum ersten Mal sah ich es auch mit meinen eigenen Augen.
Harry so glücklich zu sehen, ließ auch etwas in mir erleichtert aufatmen. Ich wünschte, er würde immer so aussehen können, auch abseits der Bühne.
Die Menge tobte, die Jungs hatten sich inzwischen zum gefühlt tausendsten Mal bedankt und sich verabschiedet, bevor sie schließlich tatsächlich die Bühne verließen.
Schnellen Schrittes und deutlich außer Atmen liefen sie wieder backstage die Gänge der Arena entlang, auf direktem Wege zurück in ihre Garderoben. Natürlich hatten sie die ganze Zeit über die Kameras begleitet und man drehte immer noch fleißig für den Konzertfilm.
Selbst direkt nach der Show verlangte der Regisseur nach O-Tönen der Jungs und verfolgte auf Schritt und Tritt ihre Bewegungen.
Gerne hätte zumindest ich ihnen ihre Ruhe gelassen und ihnen die Zeit gegeben, die Show vorerst sacken zu lassen, doch ich wusste ganz genau, was von mir erwartet wurde und was wiederum ich von den Jungs verlangen musste.
Wartend stand ich vor ihren Garderoben und lehnte gegen die Wand, als ich sie auf mich zukommen sah, dicht gefolgt von den Kameras.
Sobald sie sich in mein Blickfeld geschoben hatten, hielt das Kamerateam endlich inne und schien fürs Erste genug Material gefilmt zu haben.
„Leute, denkt ihr an die Posts und Stories?", erinnerte ich sie mit fordernder Stimme, kaum waren sie in etwa auf meiner Höhe.
Louis, der gerade noch sein verschwitztes Gesicht mit einem Handtuch bedeckt hatte, gab mir nur durch ein grimmiges Knurren zu verstehen, dass er mich wohl gehört hatte und auch Liam brummte mir unverständlich etwas entgegen. Niall hing zwar gerade an seiner Wasserflasche, doch zumindest konnte er sich dazu durchringen, mir einen erhobenen Daumen entgegenzustrecken und mir damit zu versichern, dass er tun würde, was ich ihnen zuvor gesagt hatte.
Sie alle verschwanden auf der Stelle in die Garderobe und schlossen die Türe hinter sich - außer Harry.
Harry brauchte ohnehin eine Minute länger, um überhaupt bei mir auf dem Gang anzukommen und auch er hatte ein weißes Handtuch über seine Schulter gehängt und eine Wasserflasche in der Hand. Seine Haare waren noch mehr durcheinander als ich es ohnehin von ihm gewohnt war und immer noch standen ihm die Schweißperlen auf der Stirn, doch trotzdem sah er atemberaubend gut aus, als er auf einmal vor mir stehen blieb.
„Und?", fragte er völlig ohne Kontext und musterte mich fragend.
Überfordert zuckte ich mit den Schultern. „Und was?"
„Wie fandest du's?", präzisierte er seine Frage grinsend, ohne mich auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.
Ich hätte ihm an dieser Stelle sagen können, dass sie eine gute Show abgeliefert hatten und die Massen begeistert hatten, doch Harrys Augen entlocken mir schon wieder genau das, was mir als erstes durch den Kopf ging. Und das war wieder einmal das, was mich am meisten beschäftigte.
„Du hast glücklich gewirkt", stellte ich sachlich fest und lächelte ihn zögerlich an.
Anstatt zu antworten nickte Harry bloß stumm und schloß kurz, aber nahezu andächtig seine Augen.
„Es war schön, dich so zu sehen", hörte ich mich plötzlich sagen.
Überrascht zog Harry nun die Augenbrauen nach oben und sofort stand ihm wieder ein schiefes Grinsen im Gesicht.
„Würde ich nicht hin und wieder daran erinnert werden, weshalb ich all das über mich ergehen lasse", murmelte er und nickte leicht in Richtung des Kamerateams, „dann hätte ich längst das Handtuch geworfen."
Heiser lachend warf er mit diesem Satz tatsächlich sein weißes Handtuch, das eben noch über seinen Schultern gehangen hatte, direkt über mein Gesicht.
Spaßeshalber zog ich eine angewiderte Miene, als ich das Tuch von meiner Haut fischte und zwischen zwei Fingern von mir hielt.
„Dafür könnte ich vermutlich auf Ebay ein stolzes Sümmchen verlangen", bemerkte ich schließlich grinsend.
Es war seltsam, wie sehr Harrys positive Energie, mit der er sich auf der Bühne aufgeladen hatte, auch sofort auf mich überging. Ich musste ihn bloß ansehen und schon fragte ich mich, weshalb ich in meinen Leben jemals bedrückt gewesen war.
Du tust mir alleine schon gut, wenn du gar nichts tust, hatte Harry vor nicht allzu langer Zeit zu mir gesagt und es war wohl an der Zeit mir einzugestehen, dass es mir für meinen Teil nicht anders ging.
Dass er mir nicht egal war, wusste ich längst, doch langsam fing ich an, dieses Gefühl ihm gegenüber einordnen zu wollen. Und diese Schmetterlinge im Bauch und die weichen Knie, sobald er mich ansah, waren wohl eindeutige Anzeichen für das, was ich für ihn empfand.
Mit einem Lächeln im Gesicht beobachtete ich Harry, wie er gut gelaunt den Kopf in den Nacken legte und einen Schritt auf mich zu trat. Das Strahlen in seinen Augen ging mir durch Mark und Bein, doch als ich dann auch noch seine Hände auf meiner Haut spürte, war ich mir für eine Sekunde nicht sicher, ob ich mich aus eigener Kraft auf meinen Beinen halten konnte.
Sanft zog er mich in seine Arme und drückte mich fest gegen seinen Körper.
Es war bloß eine Umarmung, wenn auch eine innige und vorallem überraschende. Doch Harry war nun einmal ein Mensch, der gerne und viel umarmte und immer wieder Nähe suchte - und diese Nähe genoss ich in vollen Zügen.
In Momenten wie diesen verlor ich keinen Gedanken an den nassen Schweiß in seinem Shirt oder an das Kamera-Team, das immer noch in Sichtweite stand.
Ich fühlte einfach nur den angenehmen Druck, den er auf meinen Körper ausübte und mich damit in Sicherheit wog.
Es war verrückt, dass ich tatsächlich mit diesem Mann geschlafen hatte und mich ihm trotzdem nie näher gefühlt hatte, als in solchen Umarmungen.
„Schön, dass du hier bist, Elena", murmelte er noch leise vor sich hin, bevor er mich noch einmal fest an sich drückte und dann wieder aus seinen Armen entließ.
Erst dann fiel unser Blick wieder auf das Kamerateam, das die ganze Zeit über auf dem Korridor gestanden hatte und uns sicherlich beobachtet hatte.
„Keine Sorge", lachte Harry heiser auf, als er meinen Blick auf sie bemerkte. „Das wird am Ende mit Sicherheit nicht auf der DVD landen, glaub mir."
Damit hatte er wohl recht. Selbst wenn die uns aufgenommen hatten, würden Bilder wie diese niemals auf dem Konzertfilm auftauchen. Immerhin könnten sie die Fans verärgern.
„Allerdings wollen sie sicher gleich weiterdrehen und ich muss mich noch über Liam amüsieren. Er wäre zwei Mal beinahe auf dem Hintern gelandet, es war herrlich", redete Harry weiter und machte einen Schritt auf die Garderobentür zu.
„Tatsächlich?", erwiderte ich erstaunt. „Ist mir gar nicht aufgefallen."
Natürlich war es mir nicht aufgefallen, immerhin war mein Blick ausnahmslos auf Harry gerichtet gewesen.
„Na, wenn Interesse besteht, kannst du's dir bestimmt im Internet bereits aus sämtlichen Blickwinkeln ansehen", grinste Harry zurück und verschwand damit durch die Türe, durch die zuvor auch Louis, Liam und Niall gegangen waren.
Die Jungs waren wieder mit ihrem Konzertfilm beschäftigt, ich mit Social Media und Jeff machte einen Spagat zwischen allem, was geregelt werden musste. Dass wir morgen bereits in Argentinien sein sollten und dort - insbesondere die Jungs - denselben Elan an den Tag legen sollten, war vollkommener Irrsinn, doch im Moment verschwendete ich keinen Gedanken daran.
Stattdessen herrschte in mir das total Chaos - zum Einen war ich unheimlich glücklich darüber, dass Harry endlich wieder ein Strahlen in den Augen stand. Es blieb bloß zu hoffen, dass dieses Strahlen und diese Freude auch von Dauer war.
Dazu kam auch noch die Erleichterung darüber, dass ich endlich anfing, dieses Gefühl Harry gegenüber einzuordnen.
Allerdings wurde mir bereits im nächsten Moment bewusst, weshalb ich so lange davor weggelaufen war.
Ich war Elena - Elena Walsh, ein Niemand in dieser Welt. Im Leben konnte ich mich nicht in die Reihe namenhafter Frauen, die Harry für gewöhnlich an seiner Seite hatte, einreihen.
Und selbst wenn Harry den Anschein machte, als würde er mich wertschätzen und gerne bei sich haben, würde es doch zum Scheitern verurteilt sein.
Wir kamen aus unterschiedlichen Welten. Doch zumindest bei der Arbeit konnte ich für ihn da sein und seine Gegenwart genießen.
Zumindest daran konnte ich mich für den Moment festhalten.
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