Ein Buch fürs Leben
Es war kurz vor Feierabend und eigentlich wollte ich gerade meine Buchhandlung schließen, als ein junger Mann angelaufen kam.
"Sie schließen?"
Ich nickte und der Mann drehte sich wütend um: "Verdammt!"
"Geht es bei Ihnen denn schnell?", fragte ich freundlich und der Mann nickte.
"Ich brauche für meine kleine Tochter ein Kinderbuch. Sie hat heute Geburtstag und ich habe es die ganze Zeit nicht geschafft, etwas für sie zu finden. Meine Ex wird sie mich nie wieder sehen lassen, wenn ich jetzt wieder mit leeren Händen vor ihr stehe. Dabei liebe ich sie doch und kann sie nicht verlieren."
"Wir finden schon etwas für ihre Tochter. Wie alt ist sie denn?", fragte ich freundlich und öffnete die Tür.
"Sie ist heute vier geworden", murmelte mein Gast und ging mit mir in den Laden rein. Ich schaute mich etwas im Geschäft und griff dann zu einem Kinderbuch.
"Das hier könnte ihr sicherlich gefallen. Es beinhaltet die fünf schönsten Märchen. Kindgerecht geschrieben und mit vielen Bildern. Damit die Kleine es sich auch alleine anschauen kann."
"Das ist wirklich und meine kleine Tochter liebt Märchen. Vielen Dank, das nehme ich. Danke nochmal, dass sie mich bedient haben, obwohl sie eigentlich schon Feierabend machen wollten", bedankte sich mein Gast bei mir und ging mit zur Kasse. Ich lächelte: "Bei solchen netten Kunden mache ich es wirklich gerne. Ich hoffe, Ihrer Tochter gefällt das Buch und sie können sie wieder häufiger sehen."
Ich kassierte das Buch ab und mein Gast drückte mir einen 50 Schein und einen Zettel in die Hand.
"Passt so, als Dankeschön, dass sie für mich noch offen gelassen haben", meinte er lächelnd.
"Danke sehr. Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend", verabschiede ich mich und mein Gegenüber grinste.
"Den wünsche ich Ihnen auch. Vielleicht sieht man sich mal wieder."
Nachdem mein Gast gegangen ist, schloss ich die Tür ab und starrte den Zettel in meiner Hand an.
Vielleicht hast Du ja mal Lust, einen Kaffee trinken zu gehen. Ruf mich doch mal an.
Dann stand da noch seine Telefonnummer und ich schmunzelte. Ich hatte wirklich lange kein Date mehr und der junge Mann sah nicht schlecht aus. Und das er so wie ich auf Typen steht, passt perfekt.
Jedoch wusste ich nicht, wann ich anrufen sollte. Wann würde es ihm passen? Vielleicht war der Zettel auch nur ein Versehen und es sollte gar nicht an mich gehen. Also ließ ich es sein, vielleicht würden wir uns ja mal so über den Weg laufen.
Und ich hatte Recht, zwei Wochen nach der Begegnung, kam der junge Mann wieder in meine Buchhandlung.
"Hey du", grinste er mich an und auch auf meinem Gesicht legte sich ein leichtes Grinsen.
"Sie duzen einfach? Ich hätte sie echt für freundlicher gehalten", schmunzelte ich und hielt ihm meine Hand hin, "das nächste Mal kannst du Roman sagen."
"Ich bin Julian", lachte er, "und ich dachte, du würdest mal anrufen."
"Ich wusste ja nicht, ob das nicht vielleicht ein Versehen war", murmelte ich und wurde etwas rot. Ich war eigentlich nie schüchtern, aber dieser junge Mann machte mich auf gute Weise nervös.
"Nicht bei so einem attraktiven Mann wie du. Also, möchtest du ganz unverbindlich einen Kaffee mit mir trinken?"
Ich zeigte auf meinen Laden: "Ich kann hier noch nicht weg. In einer halben Stunde kommt eine Gruppe an Studenten, die bei mir hier lernen wollen."
"Mhm", machte Julian, "das ist natürlich blöde."
"Du könntest mich zum Feierabend abholen und dann könnten wir gemeinsam was Essen gehen. Ich kenn hier in der Gegend einen guten Italiener."
"Sehr gerne. Wann hast du denn Feierabend?", fragte Julian und ich musste leicht lachen.
"Das weiß der nicht mehr, der mir erst vor zwei Wochen den Feierabend streitig gemacht hat", schmunzelte ich und ging zur Kasse.
"Okay, als halb sieben. Ich hole dich dann ab. Es könnte aber vielleicht sein, dass ich meine Tochter mitnehmen muss. Meine Ex wollte sie heute nachmittag zu mir bringen", meinte Julian und ich lächelte.
"Kein Problem. Auch wenn ich noch nie ein Date hatte, wo jemand sein Kind mitbrachte", grinste ich, "hat sie sich eigentlich über das Buch gefreut?"
"Sie liebt es", strahlte Julian, "Danke nochmal."
Er griff zu seinem Handy, während ich einer netten alten Dame ein Buch verkaufte. Sie ist eine meiner Stammkunden und lächelte mich an.
"Er ist wirklich süß", flüsterte sie und zwinkerte mir zu, "schnapp ihn dir."
"Ich bitte dich, Hannelore, so kenn ich dich gar nicht."
Ich wurde wieder rot und blickte zu Julian, der sich angestrengt auf die Lippe biss. Der Typ sah schon wirklich gut aus.
"Starr nicht so", lachte Hannelore, ehe sie mir das Geld für ihr Buch gab.
Ich rollte mit den Augen, dann gab ich meiner Kundin das Wechselgeld und das Buch: "Einen wunderschönen Tag dir. Bis nächste Woche."
"Bis nächste Woche, Herzchen", flötete sie und ging dann aus dem Geschäft.
"Ich muss dann auch mal los", meldete sich nun wieder Julian zu Wort, "ich komme dann um halb sieben dich abholen. Bis später."
Damit war er auch schon wieder verschwunden und ich starrte dem jungen Mann hinterher. Julian war schon ein bisschen komisch, aber gleichzeitig auch ziemlich süß.
Als ich am Abend mein Geschäft geschlossen hatte, wartete ich einige Zeit auf Julian. Er hatte ja gesagt, er würde mich abholen kommen.
Doch er kam nicht, und das obwohl ich zehn Minuten gewartet hatte. Gerade als ich mich auf den Weg zu meinem Auto machen wollte, kam Julian angelaufen.
"Warte doch bitte", rief er und ich blieb stehen.
"Tut mir leid, ich hatte Stress mit meiner Ex. Sie wollte mir Cassi heute nicht überlassen, weil ich mich mit dir treffe. Sie will nicht, dass Cassi einen Vater hat, der sich mit anderen Männern trifft", erklärte mir Julian. Ich seufzte leis: "Tut mir leid, wenn du jetzt gehen möchtest, kannst du das gerne machen."
"Das ist es ja", murmelte Julian und spielte mit seinem Armband herum, "ich kann an meinen Gefühlen für Männer nun mal nichts ändern. Und wenn ich Cassi deswegen nicht mehr sehen kann, dann werde ich vor Gericht gehen. Sie kann mir meine Tochter doch nicht nehmen."
Ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte. Ich dachte nur daran, was mir immer in solchen Situationen hilft und so umarmte ich ihn sanft.
"Danke", murmelte Julian, "das ist bestimmt ein komisches erstes Date für dich..."
"Ach, es ist schon vollkommen okay, ich hatte schon viel schrägere Dates. Einmal wollte der Typ seine Tochter mitbringen", schmunzelte ich und auch Julian lachte leicht.
"Du bist echt süß", meinte Julian nun, "Lass uns mal essen gehen, so langsam bekomme ich auch Hunger."
Nach diesem Date folgten noch weitere Dates bis zum ersten Kuss. Julian hatte mich auf der Arbeit überrascht und mir einen Blumenstrauß mitgebracht. Als Dankeschön hatte ich ihm einen Kuss gegeben. Er war etwas überrascht, doch dann hatte er den Kuss erwidert.
Ein halbes Jahr nach unserer ersten Begegnung kam Julian mit seiner kleinen Tochter in mein Geschäft. Da gerade eh nicht so viel los war, ging ich zu den beiden und gab meinem Freund einen Kuss.
"Bist du Papas neuer Freund?", fragte die Kleine neugierig.
Ich schaute erst kurz zu Julian, dann aber nickte ich: "Ja, der bin ich. Du kannst mich gerne Roman nennen."
"Danke, dass du Papa immer so glücklich machst. Wenn er von dir nach Hause kommt und mich abholt, dann strahlt er immer so sehr", strahlte die Kleine und auch auf mein Gesicht legte sich ein breites Lächeln.
"Ich hab deinen Papa auch total gern", erwiderte ich und kniete mich zu ihr, "aber dein Papa hat dich auch ganz doll lieb. Das erzählt er mir immer."
Dann beugte sich die Kleine vor und flüsterte in mein Ohr: "Ich hab ihn auch ganz doll lieb. Bis zum Mond und wieder zurück. Und ich finde es voll toll, dir hallo zu sagen."
Ich grinste und fuhr ihr durch die Haare: "Du bist echt süß, Cassi. Dein Papa ist so glücklich, dich zu haben."
"Er ist auch glücklich, dich zu haben", strahlte Cassi und umarmte mich. Tränen liefen mir vor Freude über die Wangen und ich schaute zu Julian hoch. Er lächelte und gab mir einen Kuss auf die Stirn.
Es dauerte noch zwei Wochen, ehe Julian mit Cassi das erste Mal zu mir nach Hause kamen. Wir hatten uns schon häufiger auf dem Spielplatz, bei Julian Zuhause oder bei mir im Geschäft getroffen, aber noch nie bei mir zuhause. Ich hatte einen Kuchen gebacken und ein kleines Geschenk gekauft. Da Julian bei mir schlafen würde, hatten wir gemeinsam mein Gästezimmer umgebaut und ein vorläufiges Kinderzimmer für Cassi eingerichtet. Ich wollte, dass sich Cassi bei mir sofort wohlfühlte und glücklich ist.
"Roman", schrie Cassi überglücklich, als ich zu Julians Auto ging. Sie sprang aus ihrem Sitz und direkt in meine Arme. Ich hielt sie fest und drehte mich mit ihr im Kreis. Sowohl sie und ich lachten glücklich und ich gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
"Na, wie geht es dir, Süße?", grinste ich.
"Super", strahlte sie, "ich darf endlich mal zu dir kommen. Mama hat es erlaubt und Papa ist total glücklich."
Dann drückte sie mir auch einen Kuss auf meine Wange und strahlte mich danach an. Von der anderen Seite drückte mir Julian einen Kuss auf die andere Wange.
"Hey mein Schatz", grinste Julian und ich drehte mich zu ihm, um ihn richtig zu küssen.
Ich trug Cassi in meine Wohnung und sie war gleich begeistert von ihrem provisorischem Zimmer. Sie begann gleich auf dem Boden mit den Puppen zu spielen. Julian war glücklich, dass sie sich so schnell wohlfühlte und ich war glücklich, weil der Mensch, den ich liebte, glücklich war.
Das war der erste Moment an dem ich diesen Gedanken hatte. Ich hatte Julian wirklich gern, aber von Liebe war vorerst nie die Rede. Ich hatte schon mehrmals den Fehler gemacht, diese drei Worte zu schnell zu sagen oder zu denken.
Jetzt aber war mir bewusst, dass ich mich wirklich in Julian verliebt hatte. Vorsichtig zog ich ihn näher zu mir und flüsterte dann: "Ich liebe dich, Julian..."
Überrascht drehte sich Julian um, grinste mich dann aber an und küsste mich überschwänglich. Danach flüsterte er an meine Lippen: "Ich dich auch."
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