Kapitel 9
• C H R I S •
Geplant war, dass ich mich mit Evan verabreden würde. Er hat allerdings nicht auf meine Nachrichten geantwortet und als ich bei ihm geklingelt habe, hat er nicht reagiert.
Ich wüsste zwar nicht, ob er heute etwas vorhatte, aber was soll's. Nun sitze ich allein in meinem Zimmer und langweile mich zu Tode. Vor einer Woche hätte ich noch Mila angerufen, um mich zu beschäftigen. Aber das würde ich nicht mehr tun.
Matt und ich haben zwar noch nicht miteinander darüber geredet, aber was das auch zwischen uns beiden ist, ich würde es nicht sofort kaputtmachen wollen.
In meinen Gedanken versunken erschrecke ich, als meine Mom auf einmal hinter mir steht. „Entschuldige, Liebling. Würdest du unten den Tisch decken? Tina wird auch gleich noch kommen." Ich richte mich seufzend auf und folge ihr nach unten. Auf dem Weg in die Küche versucht sie, meine Frisur in Ordnung zu bringen.
„Mom!", rufe ich gequält und weiche dabei ihrer Hand aus.
Ich hasse es, wenn sie das tut. Als wäre ich ein Kleinkind...
In der Küche treffen wir auf meinen Vater, der gerade am Herd hantiert. Mom geht auf ihn zu und küsst ihn auf die Wange, während ich Teller aus dem Schrank hole. Bevor ich aber damit ins Esszimmer verschwinden kann, hält meine Mutter mich zurück.
„Es kommt nur Tina. Michael und Evan sind zusammen unterwegs heute Abend."
Achselzuckend lege ich zwei Teller zurück und lasse die beiden allein, als es klingelt.
„Ich mache kurz die Tür auf", meine ich und öffne der Mom meines besten Freundes die Tür.
„Na, mein Großer. Hattest wohl keine Zeit gehabt, dir ein Shirt anzuziehen? Oder wolltest du mich scharf machen? Da muss ich dich leider enttäuschen. Ich stehe nicht so auf die gut gebauten Teenie-Jungs, eher auf Männer mit Bierbauch."
Lachend umarme ich sie zur Begrüßung. „Ich habe es zumindest versucht", scherze ich. „Wie geht es dir, Tina? Hast du deine Männer aus dem Haus geworfen?"
Sie geht augenverdrehend an mir vorbei und zieht sich ihre Lederjacke aus. „Die beiden wollten in irgendeine Bikerbar und dort zu Abend essen. Keine Ahnung, irgendwann habe ich nicht mehr so richtig zugehört. Aber ich sollte ja nicht mitkommen, da ich sie blamieren könnte. Also echt", sie stemmt ihre Arme in die Hüfte, „als ob ich meine schöne Freizeit ausgerechnet mit meinem Mann und Sohn verbringen möchte."
Dad kommt in den Flur und küsst sie auf die Wange. „Bist du nicht sogar in einer Bikerbar aufgewachsen? Wie kommen sie denn darauf, dass du ihnen peinlich werden könntest?", lacht er, während er unseren Gast ins Esszimmer führt.
Mom trägt uns einen Topf gefüllt mit Nudeln hinterher und stellt ihn neben der Pfanne auf den Tisch. Das Wasser läuft mir im Munde zusammen, als ich die mit Spinat gefüllten Putenrouladen sehe.
Wir sitzen uns gegenüber und lassen uns das Abendessen schmecken, als die beiden Frauen über Dad zu lachen beginnen. Im Essen versunken, stopft er sich den Mund mit Nudeln voll.
„Sehr charmant, Philipp." Grinsend nippt Tina an ihrem Wein.
„Ja, Phil. Du hast noch nie sexier ausgesehen."
Schmunzelnd trinke ich ebenfalls etwas, als Tina sich an mich wendet. „Sag mal, Chrissie. Hast du derzeit eigentlich jemanden an deiner Seite?"
„Wie kommst du darauf?"
Sie schneidet ihr Putenfleisch klein. „Evan hat da etwas erwähnt."
Ich zucke mit den Achseln. „Ich würde sie jetzt nicht als meine Freundin bezeichnen, aber ich hatte einige Wochen etwas mit einem Mädchen."
„Und was bedeutet das?"
„Dass wir nur miteinander gefickt haben."
„Christoph!", ruft meine Mutter empört aus und wirft mir über den Tisch einen bösen Blick zu.
„Entschuldigt. Wir haben lediglich Geschlechtsverkehr miteinander gehabt", verbessere ich und schenke ihr ein braves Lächeln.
„Warum fragst du eigentlich?" Die dunkelhaarige Schönheit zuckt mit den Achseln.
„Evan redet kaum über Mädchen. Okay, außer wenn er sich über sie aufregt. Aber er scheint für niemanden zu schwärmen oder so."
Schmunzelnd führe ich meine Gabel an den Mund. „Und da dachtest du dir, ich würde ein wenig plaudern?", durchschaue ich ihre Hintergedanken. „Vielleicht redet er einfach nicht mit euch darüber."
„Also bitte. Du kennst unsere Familie, wir können über alles sprechen."
Das stimmt allerdings. Es gibt kaum etwas, worüber die Malones nicht sprechen. Doch wenn ich mal darüber nachdenke, hat Evan auch mit mir nie darüber geredet, wer ihm gefällt.
„Vielleicht sollten wir unsere Söhne mal verkuppeln", überlegt mein Vater scherzhaft, woraufhin ich Augen verdrehe.
„Wir kommen gut klar, Dad. Darüber müsst ihr euch keine Sorgen machen."
Meine Gedanken schweifen zu Matthew über. Ob er gerade mit dieser nervigen Piper über uns beide redet? Was würde er ihr erzählen? Immerhin haben wir das zwischen uns noch nicht definiert.
Als ich sein süßes Lächeln vor meinen Augen sehe, kann ich nicht anders, als zu schmunzeln. Das bemerken auch die Anwesenden.
„Freundchen, denkst du, wir sind blöd?" Tina wackelt mit den Augenbrauen. „Es gibt sehr wohl jemanden, das sehe ich dir an der Nasenspitze an."
Könnte ich Matthew denn jemals glücklich machen, obwohl mich meine Vergangenheit noch immer sehr belastet? Die Beziehung zu meinem Exfreund hängt mir noch nach, sodass ich mich nicht in eine neue Liebe hineinsteigern möchte.
Wenn es denn wieder so enden würde? Eine solch toxische Liebe könnte ich nicht nochmal ertragen.
„Wer ist sie? Oder ist es ein Junge?" Seufzend lege ich mein Besteck beiseite und stütze meinen Kopf auf meiner Hand ab.
„Ihr kennt meine Sichtweise darauf, Leute"
„Chris, Schatz, du kannst nicht bis auf den Rest deines Lebens Rücksicht auf Vincent nehmen. Er..."
„Mom, bitte. Das mit Vince hat mir gezeigt, dass man vorsichtig sein sollte mit seinen Gefühlen. Ihr habt es doch alle mitbekommen, was aus uns wurde."
Erinnerungen rasen durch mein Gedächtnis, wie er vor meinen Augen einen Nervenzusammenbruch bekommt und mir nach einem Streit androhte, sich die Pulsadern aufzuschneiden.
Und das alles, weil unsere Liebe zu sehr von Eifersucht geplagt wurde. Das hat uns in den Abgrund geführt. Vince' kranke Liebe zu mir. Meine Gefühle haben ihm nicht ausgereicht, über Wochen traute er mir nicht und bald ging seine Wut so weit, dass er auch Außenstehende bedrohte.
„Und deshalb möchtest du dich in niemanden verlieben? Christoph, das wird nicht funktionieren. Gegen Gefühle kann man nichts tun", versucht Mom mir begreiflich zu machen und sieht mich mitfühlend an.
Ihre beste Freundin stimmt ihr zu. „Die Geschichte mit Vince wird sich nicht nochmal wiederholen."
„Ich kann mich aber einfach nicht darauf einlassen."
Ob ich etwas für Matthew empfinde, kann ich nicht wirklich deuten. Dafür haben wir zu wenig Zeit miteinander verbracht. Aber ich werde dieses Ding zwischen uns – was es auch sein mag – beobachten, um rechtzeitig die Bremse zu drücken.
Das tue ich für unser beider Wohl.
• M A T T H E W •
Gelangweilt wechsle ich von einem Sender auf den anderen, obwohl ich eigentlich gar keine Lust habe, Fernsehen zu gucken.
Zwar war heute wieder ein entspannter Tag in der Schule, aber meine Stimmung ist nicht sonderlich gut. Ob es daran liegt, dass ich vorhin eine Nachricht von meiner Mutter bekommen habe, in der stand, dass Dad sie und die Zwillinge morgen von meinen Großeltern abholen würde oder weil mich Chris ignoriert hat?
Als Piper und ich heute das Klassenzimmer wechseln mussten, sind uns Nathan und er entgegengekommen. Von seinem Kumpel habe ich nichts erwartet, aber auf ein kleines Lächeln seinerseits hätte ich mich gefreut. Doch er ist mit starrem Blick geradeaus an mir vorbeigegangen.
Ob er angepisst deswegen ist, weil ich ihn gestern abgewiesen und mich stattdessen mit Piper getroffen habe? Ich hätte gerne mit ihm Zeit verbracht, aber gleichzeitig möchte ich nicht so jemand sein, der seine Freunde wegen einem Typen vernachlässigt. Das wäre nicht ich.
Vielleicht sollten wir auch erstmal das zwischen uns klären, bevor es weitergeht. Ich würde ein hohes Risiko eingehen, mit ihm zusammen zu sein. Und wie würde es aussehen, wenn einer der beliebtesten Jungen mit einem wie mir zusammen wäre? Hat er sich womöglich dasselbe gedacht und deshalb mir heute die kalte Schulter gezeigt?
Seufzend werfe ich die Fernbedienung auf den Tisch und lasse mich auf die Seite fallen. Ohne auf das Geschehen zu achten, schaue ich irgendeine TV-Sendung.
Ich bräuchte im Moment einen freundschaftlichen Rat, denke allerdings, dass Evan die falsche Wahl dafür wäre. Er ist mit uns beiden befreundet und würde zwischen den Stühlen sitzen. Das möchte ich nicht.
Und Pip kann ich ebenfalls nicht damit belagern. Sie würde mir nicht wirklich helfen, sondern mir die ganze Sache gleich ausreden wollen, weil sie Chris hasst. Damit fällt sie also auch raus.
Jemand unparteiisches könnte mir dabei eher helfen.
Ich lasse meinen Blick umherschweifen und schaue mir die Familienbilder an der Wand an. Selbst auf den Fotos gibt sich meine Mutter nicht einmal die Mühe, ihre Kaltherzigkeit zu verbergen. Ihre Mundwinkel sind kaum hochgezogen.
In ihren Arm hält sie Selena, während Emma auf dem Arm unseres Vaters liegt. Es ist eines der wenigen Bilder, auf denen wir gemeinsam abgelichtet sind.
Obwohl ich die Zwillinge kaum zu Gesicht bekomme, da sie oft von einem Babysitter betreut werden, sind sie oft präsent in meinem Kopf. Ich mache mir Sorgen um sie, dass sie ständig herumgereicht werden. Unsere Eltern arbeiten viel, da haben sie nicht viel Zeit für die Kleinen.
Wenn ich sie mal sehe, verzaubern sie mich immer wieder mit ihrer Niedlichkeit. Die Mädchen schaffen es binnen Sekunden, dich um den kleinen Finger zu wickeln. Ich würde gerne mehr Zeit mit meinen Geschwistern verbringen, wenn es Mutter nur zulassen würde.
Als mein Handy piept, kehre ich in die Wirklichkeit zurück. Trotz meiner schlechten Laune muss ich schmunzeln, als ich Wes' Namen auf dem Bildschirm lese.
Wes [16:48 Uhr]: Mattyboy, mir ist gerade langweilig... Sag bitte, du machst etwas Interessantes, wovon du berichten kannst.
Matthew [16:49 Uhr]: Leider nicht. Wir sitzen im selben Boot.
Wes [16:49 Uhr]: Machst du denn nichts mit Evan oder Piper?
Matthew [16:50 Uhr]: War nicht in der Stimmung...
Wes [16:50 Uhr]: Bedrückt dich etwas? Ich habe immer ein offenes Ohr für süße Boys
Matthew [16:51 Uhr]: Hast du Zeit, vorbeizukommen?
Nachdem ich ihm meine Adresse geschickt habe, antwortet er, dass er etwa in zehn Minuten da ist. Augenblicklich hebt sich meine Stimmung ein wenig. Es könnte an seiner Person liegen, aber Wesley schafft es, gute Laune zu verbreiten.
Es wird seltsam sein, jemanden hier zu haben. Wenn Piper zu mir kommt, ist es etwas anderes. Sie ist meine beste Freundin. Und als Chris an dem einen Abend da war, nein, das war auch merkwürdig. Vor allem, weil ich nicht wusste, was er von mir wollte.
Aber Wes kenne ich auch erst seit einigen Tagen und dann lade ich ihn schon zu mir ein?
*
Als es nach ein paar weiteren Minuten an der Tür klingelt, hechte ich zu ihr und werde von meinen grinsenden Kollegen mit einer Umarmung begrüßt. Seine Augen weiten sich, als er die Größe unseres Hauses sieht. „Wow, das ist echt beeindruckend! Sag, was sind deine Eltern nochmal von Beruf?"
Ich folge ihm ins Wohnzimmer, das er ebenfalls erstaunt begutachtet. Für mich ist das hier nichts Besonderes, weil ich damit aufgewachsen bin. Eigentlich ist es mir sogar zu viel. Aber sobald ich in ein paar Monaten volljährig werde, mache ich mich daran, auszuziehen und auf eigenen Beinen zu stehen.
Unser Familienverhältnis ist nicht so großartig, sodass ich nicht noch weitere Jahre unter diesem Dach wohnen könnte.
Belustigt beobachte ich Wes dabei, wie er zum Bücherregal meiner Mutter geht und sich daraus einen Roman nimmt.
„Das solltest du doch aber kennen", scherze ich, doch als er darin herumblättert, fallen ihm beinahe die Augen aus.
„Das ist eine Erstausgabe! Ist dir bewusst, welchen Wert die haben?" Er stellt es zurück und streicht behutsam über die Buchrücken der anderen Bände.
„Ich hätte nicht gedacht, dass du dich so sehr dafür interessierst."
„Es gibt Augenblicke, da greife ich auch mal nach einen guten Klassiker." Wes zieht ein anderes Buch heraus. „Und außerdem ist Lesen gut für die Bildung."
„Aber egal!" Der Dunkelhaarige deutet auf das Sofa, auf das ich mich hinsetzen soll. „Ich bin ja nicht hier, um über die Anzahl der Erstausgaben zu schwärmen. Was hast du auf dem Herzen, Mattyboy?", fragt er, als wir uns nebeneinandersetzen.
Meine Hände beginnen mit einem Mal zu schwitzen. „Ich weiß eigentlich gar nicht, wie ich damit anfangen soll. Also, ähm, wichtig wäre zuerst, du bist der Erste, dem ich hiervon erzähle."
Auf seinem Gesicht zeichnet sich ab, wie überrascht er ist, aber er unterbricht mich nicht und hört weiter zu.
„I-ich ha-habe einen Ju-jungen kennengelernt und–" Ich schlucke den Kloß in meinem Hals hinunter. „Nun, ich bin unsicher, was das zwischen uns ist."
„Was meinst du?"
„W-wir haben uns geküsst", murmle ich und weiche seinem Blick aus Angst, verstoßen zu werden, aus.
Aber anstatt mir an den Kopf zu werfen, wie abartig ich sei, legt Wes seine Hand auf mein Knie. „Das ist doch toll, Matt!"
„D-du bist nicht angeekelt von mir?", frage ich ihn verwundert, woraufhin er lachend den Kopf schüttelt.
„Wieso sollte ich mich denn ekeln? Weil du jemanden kennengelernt hast? Und dieser Jemand eben ein Kerl ist? Das interessiert heutzutage doch niemanden mehr."
Da wäre ich mir nicht so sicher. Es gibt genügend intolerante Idioten da draußen, die diese Einsicht nicht haben.
Er scheint mein Zögern bemerkt zu haben. „Okay, es gibt ein paar Mistkerle, die noch im Mittelalter leben. Aber wirklich, es ist nichts, wofür du dich schämen müsstest, Matthew. Ich bin stolz auf dich, dass du davon erzählt hast."
Verlegen lasse ich mich von seinem Lächeln anstecken, werde dann aber von ihm in eine Umarmung gezogen, die ich vollkommen überrumpelt erwidere. So verharren wir kurz, bevor Wes sich mit ernster Miene von mir löst.
„Und du bist jetzt unsicher, ob es etwas für dich zu bedeuten hat? Oder ob es etwas Einmaliges war?"
Kopfschüttelnd richte ich mich ein wenig auf und spiele mit meinen Fingern. „Nein, also ich denke nicht, dass es nur... Wir haben uns nach diesem Kuss nochmal gesehen."
Ich behalte vorerst für mich, dass es sich bei dem mysteriösen Typen um Chris handelt.
„Aber ihr habt nicht darüber gesprochen, wie der Stand der Dinge ist?", schlussfolgert er, woraufhin ich nicke. „Dann solltet ihr das tun. Wenn du mit dem Feuer spielst, verbrennst du dich schnell." Grinsend zieht er eine Augenbraue hoch. „Ist er heiß?"
Meine verräterischen geröteten Wangen reichen aus, dass er begeistert in die Hände klatscht. „Hach, mein Herz platzt noch vor Stolz! Aber du solltest euer Spielchen mit Vorsicht genießen. Die heißen Typen sind die Schlimmsten. Man kann nie einschätzen, was sie denken, meinen und, vor allem, was sie von dir wollen. Das führt nur zu Verunsicherungen."
Das bin ich ja schon...
Aber mich macht noch etwas stutzig. Es klingt, als wüsste Wesley, wovon er spricht. „Woher weißt du das alles? Hast du deine eigenen Erfahrungen gemacht oder all das aus zu vielen Liebesfilmen gesammelt?", scherze ich, obwohl ich schon sehr neugierig bin.
„Sagen wir mal so, dass ich mich vor einiger Zeit in einer ungefähr gleichen Situation befand. Es gab da einen Jungen, der echt cool war. Wir hatten eine ziemlich geile Zeit zusammen, bis ich irgendwann den Fehler gemacht habe, davon auszugehen, dass wir ein Paar wären."
„Was ist passiert?"
„Erst hat er gelacht. Dann meinte er, er würde sich nicht gerne festlegen, sondern im Hier und Jetzt leben, ohne jegliche Verpflichtungen. Und die würden eine Beziehung beinhalten." Er zuckt mit den Achseln, als wäre es nichts, was er mir gerade erzählt. „Zumindest haben wir unser... Ding dann beendet und ich habe ihn nicht mehr wiedergesehen."
Dann hatte Christoph also doch Recht gehabt, dass Wes nicht nur an Mädchen interessiert sei. Ehe ich es verhindern kann, sprudeln die Worte aus mir heraus: „Du bist also schwul?"
Urplötzlich scheint das Buch, das er aus dem Regal mitgenommen hat, in seiner Hand wieder wichtig zu sein. Er kann seinen Blick davon nicht lösen.
Bin ich mit der Frage zu weit gegangen? Ich dachte nur, wenn er mit mir schon über diese Sache spricht, könnte ich ihn das fragen...
„Du musst wissen, Matt. Ich halte nicht viel von diesem Schubladendenken. Keiner macht sich einen Kopf darüber, wenn jemand hetero ist. Aber ist man es nicht, wird daraus etwas Größeres gemacht, als es ist. Am Ende sind wir doch alle auch nur Menschen. Da lege ich keinen Wert darauf, mir einen Stempel von der Gesellschaft geben zu lassen. Ich würde nie leugnen, dass ich auf Männer stehe. Und auf Frauen. Aber mich interessiert mehr die Person dahinter, verstehst du? Mir ist das Geschlecht nicht wichtig, solange der Charakter passt."
Von seinen Worten beeindruckt, starre ich ihn einfach nur mit offenem Mund an, was Wes wohl amüsant findet. „Was ist?"
„Du bist ein so wunderbarer Mensch. Ist dir das eigentlich bewusst?"
Er winkt lachend ab. „Das sind einfach nur meine Ansichten der Dinge. Ich verstehe, wenn es Leute gibt, die sich unbedingt einordnen wollen. Manche brauchen es für sich, aber man sollte es niemals für jemand anderen tun oder sich durch die Gesellschaft in eine Schublade stecken lassen. Denn das sind meist Menschen, die dich nicht kennen und trotzdem über dich urteilen."
Wes legt den Roman in seiner Hand beiseite und lehnt sich nach hinten. Den Arm auf der Sofalehne gestützt, schaut er mit grimmigem Blick an mir vorbei ins Leere. „Nehmen wir doch einfach mal diese Idioten aus deiner Schule, die dich so fertigmachen. Die aus der Pizzeria. Dieser Chris und seine Affenfreunde fühlen sich gut damit, andere zu mobben. Aber dass sie eines Tages mal so richtig auf die Fresse fliegen, daran denken sie heute noch nicht. Wenn sie überhaupt so weit vorausdenken können, was ich bezweifle, je mehr ich darüber nachdenke."
Meine Brust zieht sich schmerzhaft zusammen, als er so von ihm redet. Chris ist anders als Aaron und Nathan. Er ist kein Arschloch, wie die beiden es sind.
„Zurück zu deinem Lover..."
„Nenne ihn nicht so, Wes!", rufe ich peinlich berührt aus und würde mich am liebsten irgendwo verstecken, wo mich keiner finden kann.
„Jaja, von mir aus. Hör zu! Was hältst du von der Idee, ihn jetzt hierher einzuladen?", meint er.
„Zu mir nach Hause? Warum sollte ich das tun?"
„Du könntest für ihn kochen. Und dann beredet ihr, wie ihr beide zu eurer Beziehung steht. Guck nicht so. Was spricht denn dagegen? Deine Eltern scheinen nicht zuhause zu sein, also würde es sich doch anbieten", schlägt er vor und wackelt anzüglich mit seinen Augenbrauen.
Unsicher, was ich davon halten soll, zucke ich mit den Achseln. „Ich weiß nicht, Wes. Was ist, wenn..."
„Was könnte denn schlimmstenfalls passieren? Dass er dir einen Korb gibt?" Ich nicke. „Dann ist die Sache doch aber klar! Dieser Typ wäre dann zu dämlich, um zu erkennen, was er an dir hätte."
Als ich immer noch zögere, greift Wes augenverdrehendnach meinem Smartphone, das auf dem Wohnzimmertisch liegt, und hält es mir vorder Nase. „Jetzt mach schon! Du möchtest doch Klarheit oder etwa nicht?"
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