Kapitel 21
• M A T T H E W •
Es sind ein paar Tage vergangen, seit dem Abendessen mit Chris' und Evans Eltern.
Wir saßen noch bis in die Nacht am Tisch und haben geredet - über mich und Chris, über Evan, später über Gott und die Welt. Spätestens als zwei Flaschen Wein leer waren, waren tiefsinnige Gespräche nicht mehr möglich gewesen. Aber es hatte echt Spaß gemacht.
„Matt, ich habe dir einen Kakao mitgebracht", reißt mich Evan aus den Gedanken und schiebt mir das heiße Gebräu über den Tisch zu.
„Bin ich acht oder was?", brumme ich und nehme ihn an mich.
„Soll ich ihn trinken?"
„Nein, das ist meiner", rufe ich schnell aus und bringe ihn damit zum Lachen.
Während ich an unserem Stammtisch gewartet habe, hat der lockige Junge an der Essensausgabe gestanden, um uns Mittagessen zu holen. Mein Blick fällt aus dem Fenster und ich schaue nach draußen auf den Schulhof. Dort entdecke ich zu meiner Überraschung Piper, die mit jemanden zusammensteht und lacht. Als ich sehe, mit wem sie sich unterhält, gefriert mir das Blut in den Adern.
Das kann doch nicht wahr sein!
„Warum bist du auf einmal so blass?", fragt Evan, als er in seinen Hamburger beißen möchte.
„Du glaubst nicht, wen ich gerade zusammen gesehen habe.", murmle ich geschockt.
„Du machst mir gerade etwas Angst, Matty."
Als ich aber zurück auf den Hof schaue, sind sie verschwunden.
Dafür höre ich meinen Freund sagen: „D-das kann doch nicht wahr sein."
Die Blondine kommt mit Aaron und Nathan in die Cafeteria. Ihre Hand ist mit der des blonden Jungen verschränkt. Sie setzen sich an einen Tisch in der Ecke und tuscheln.
„Was zur Hölle geht denn da ab?"
„Ich habe keine Ahnung. Wann ist das denn bitte passiert?", entgegne ich genauso verwirrt. Ich dachte, sie kann Aaron nicht leiden und jetzt das? Ich verstehe Piper echt nicht mehr.
Evan wendet sich seufzend vom Dreiergespann ab und widmet sich seinem Essen. „Lass sie, Matt. Es würde nichts bringen, mit ihr zu reden, und auf Stress habe ich auch kein Bock."
Aber ich kann meinen Blick einfach nicht von ihnen lösen. Warum tut Piper das? Erst die Sache bei ihr Zuhause, wo sie so verändert gewesen ist und jetzt das hier. Ich erkenne meine beste Freundin nicht wieder. Es muss sich irgendwas in den letzten Wochen verändert haben, das diesen großen Einfluss auf unserer Freundschaft hatte.
Aber es kann doch nicht allein daran liegen, dass ich mit Chris zusammengekommen bin. Das war ja erst vor kurzem. Am Abend der Party. Und da war sie auch schon komisch. Okay nein, sie war auch schon vorher verändert. Dass sie was gegen Chris hatte, wusste ich ja schon, aber sie mochte auch nie seine „Freunde". Und jetzt kuschelt sie mit einem von ihnen?
Es würde allerdings auch erklären, warum sie auf einmal so angriffslustig mir gegenüber wurde und mich als „Schwuchtel" bezeichnet hat. Wenn sie mit diesen homophoben Typen herumhängt, passt sie sich ihnen leider an.
„Ich habe übrigens morgen Abend mein Date mit Wes", höre ich auf einmal Evan erwähnen.
„Das ist ja cool. Wann hast du ihn denn gefragt?"
Er zuckt mit den Achseln. „Am Wochenende. Da hatte er Schicht in der Pizzeria und ich wusste auch, dass du nicht da bist, weshalb ich meine Chance genutzt habe."
„Was wäre denn bitte schlimm daran gewesen, wenn ich auch da gewesen wäre?" Jetzt bin ich beleidigt. Als ob meine Anwesenheit so schlimm ist...
„Wenn es zwischen euch funktioniert, können wir ja mal zu viert etwas machen!", rufe ich dann aber begeistert aus.
Er scheint weniger angetan zu sein: „Ich weiß nicht. Mir kommt es echt nicht so vor, als ob sich Chris und Wes besonders mögen würden."
Augenverdrehend winke ich ab. „Dann werden sich die beiden halt mal für ein paar Stunden zusammenreißen müssen. Das wird doch wohl machbar sein."
„Also deine Beziehung mit ihm hat dich ganz schön verändert. Du hast eine ganz schön große Klappe bekommen. Da kann man ja glatt stolz auf dich und dein neu entwickeltes Selbstbewusstsein sein", scherzt er lachend.
Als mein Blick nochmals hinter ihm zum Tisch von Piper fällt, geht mir auf einmal ein Licht auf. Evan erschreckt sich, als ich mit der Handfläche auf die Tischplatte schlage. „Natürlich, warum ist mir das nicht schon früher eingefallen? Ich bin so ein Idiot!"
„Warum bist du denn jetzt ein Idiot?"
Seufzend lege ich meinen Kopf auf den Tisch und vergrabe meine Hände in meinen Haaren. „Matt, du machst mir Angst. Jetzt sag schon, was dir in deinem Kopf vorgeht."
„Piper ist eifersüchtig gewesen! Die ganze Zeit über!"
Der Braunhaarige verdreht die Augen. „Natürlich war sie das. Komm schon, jeder hat sehen können, dass sie Gefühle für dich hat und plötzlich taucht Chris auf und du verknallst dich total in ihn."
Ich sehe ihn mit großen Augen an. „Was? Ich meinte eigentlich, dass sie eifersüchtig darauf ist, dass wir beide in einer Art Beziehung sind."
„Du bist manchmal wirklich unbedarft, Matty", seufzt er und schüttelt den Kopf, als könne er meine Dummheit nicht glauben.
„Warum haben alle außer mir gemerkt, dass sie in mich verknallt ist?"
„Vielleicht wolltest du es nicht sehen", erwidert er schulterzuckend und winkt im selben Moment Chris zu, der auf uns zukommt.
„Worüber wird hier so angeregt gesprochen? Habe ich irgendwas verpasst?", fragt er, als er sich neben mich setzt und mir zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange haucht.
Evan deutet mit einem Kopfnicken auf mich. „Er hat nur endlich mitbekommen, dass Piper auf ihn steht."
„Wow...Naja, wird ja auch langsam mal Zeit." Ich schlage ihm gegen seine Brust. Er hält meine Hand lachend fest. „Hey, kein Grund, gewalttätig zu werden."
„Ach du Scheiße, jetzt setzen sich Mila und ihre Bitches auch noch mit an den Tisch", meint Evan auf einmal und als ich sehe, wie Pip die Mädchen mit einem Wangenkuss links und rechts begrüßt, dreht sich mein Magen.
„Alter, was geht denn da ab?", fragt Chris genauso geschockt wie wir.
„Wenn wir das nur wüssten."
• C H R I S •
„Bestimmungsgrößen betriebswirtschaftlicher Entscheidungen... unternehmerisches Handeln ist nicht allein an der Rentabilität orientiert. Ziele eines Unternehmens sind Rentabilität, soziale und ökologische Ziele. Einflussfaktoren auf die Erreichung des Gewinnziels sind fixe und variable Kosten, lineare Kosten- und Ertragsfunktion und Gewinnschwelle." Seufzend lehne ich mich an die Wand.
Was ist das nur für ein Schrott? Ich lese es mir jetzt schon zum achten Mal durch und ich kapiere es immer noch nicht.
Es sind nur noch wenige Wochen bis zu den Ferien. Bis dahin wollen die Lehrer noch ein paar Noten sammeln. Und mein Zeugnis muss gut aussehen. Sonst bin ich am Arsch. Warum fällt es den Lehrern auch immer erst auf dem letzten Drücker ein, dass sie noch Noten brauchen?
Man, ich schreibe allein diese Woche zwei Klausuren und fünf Tests. Das ist doch unmöglich! Wie soll ich mir zu dem ganzen Dreck alle „wichtigen Informationen" merken? Das ist doch alles einfach nur dumm.
Vor allem wird es schwerer, mich mit Matthew nach der Schule zu treffen. Er meinte, wir sollten uns auf diese Woche konzentrieren. Und gemeinsam lernen möchte er nicht, weil wir uns nur ablenken würden.
Seufzend lege ich meinen Hefter zur Seite und ziehe mir mein Shirt über den Kopf, während ich zu meinem Schrank gehe. Sport ist eine gute Ablenkung bei diesem ganzen Schulstress, vielleicht kriege ich einen freien Kopf und kann mir die Notizen besser merken.
Ich krame nach einer Jogginghose und meinen Laufschuhen und ziehe mich an. Dann gehe ich nach unten in die Küche, um mir eine Flasche Wasser zu holen. In der Schublade suche ich nach Zettel und Stift, um meiner Mutter eine Notiz da zu lassen, falls sie früher zuhause sein würde als ich.
„Bin laufen. Chris."
Mit Handy und Wasserflasche in meiner Bauchtasche gehe ich nach draußen. Ein leichter Wind weht und es nieselt sogar. Trotzdem ist es angenehm warm und die Sonne kämpft sich auch durch die wenigen Wolken, weshalb die Leute es sich nicht nehmen lassen, spazieren zu gehen.
Ich brauche nicht lange, um in den nahliegenden Park zu laufen, wo einige Familien auf der Wiese sitzen und picknicken. Vielleicht gehe ich auch mal mit Matty hierher. Es wäre bestimmt richtig schön, mit ihm hier irgendwo zu sitzen und zu entspannen.
An einer Bank dehne ich mich kurz und krame meine Wasserflasche heraus. Die Sonne geht mittlerweile sogar schon langsam unter und hier scheint auch weniger los zu sein. Ein verliebtes Pärchen sitzt unter einem Baum und knutscht herum. Auf einer anderen Bank sitzt ein älterer Mann, der Tauben füttert. Wesley kommt gerade auf mich zu. Kleine Kinder spielen auf der Wiese Fußball, während sich die Eltern unterhalten.
Warte, ein Schritt zurück. Wesley?
„Was machst du denn hier?", frage ich ihn, als er vor mir stehen bleibt.
„Ich bin mit ein paar Freunden hier. Als ich dich gesehen habe, bin ich gleich zu dir gekommen. Frag mich nicht, warum. Ich habe selbst keine Ahnung."
Ich nicke, packe meine Wasserflasche zurück in meine Bauchtasche.
„Du gehst also laufen?" Wieder nicke ich. „Cool. Habe ich auch mal gemacht. Seit ein paar Jahren spiele ich Fußball, da kann ich mir das sparen." Und wieder gebe ich nur ein Nicken von mir.
Wir stehen da wie zwei Vollidioten, die sich anschweigen. Was genau will der Typ von mir? Warum ist er nicht einfach bei seinen Freunden geblieben? Hätte ich ihn jetzt zufällig irgendwo getroffen, wäre ich auch nur an ihm vorbeigegangen.
Er fährt sich hustend durch seine Haare. Als ich bemerke, wie mein Körper langsam abkühlt, seufze ich. „Also, wolltest du eigentlich etwas Bestimmtes?"
Überrascht über meine Wortwahl, tritt er von einem Fuß auf den anderen. „Ähm...eigentlich sollte das hier ein nettes Gespräch werden. Nur habe ich mir nicht so überlegt, was ich sagen will", murmelt er und seufzt jetzt auch.
Ich sehe ihn fragend an. „Warum wolltest du so tun, als würden wir uns nicht jedes Mal, wenn wir uns sehen, bekriegen?"
Wes zuckt mit den Achseln. „Naja, also du bist ja jetzt mit meinem Mattyboy zusammen und ich treffe mich übermorgen mit Evan. Und da du ihm ziemlich wichtig bist und Matt ein richtig guter Freund ist, wollte ich eigentlich, dass wir uns vielleicht auch besser verstehen." Das ist ja sehr interessant.
„Ich bin Evans bester Freund. Wir kennen uns seit wir klein sind. Natürlich bin ich ihm wichtig. Er gehört auch zu den wichtigsten Menschen in meinem Leben. Aber okay, wir können unser Kriegsbeil gerne begraben. Für Matt und Evan", stimme ich zu, woraufhin er mir lächelnd seine Hand hinhält.
„Für Matt und Evan."
Wir schütteln uns die Hände und auch ich kann mir ein Lächeln nicht verkneifen. „Du spielst also Fußball?"
Er nickt. „Eigentlich fand ich den Sport immer ziemlich lahm, aber ich habe dann meinen Spaß daran gefunden."
„An dem Sport oder eher an deinen Teamspielern unter der Dusche?", frage ich lachend und er stimmt mit ein.
„Ich würde mal sagen, an beidem." Als mein Handy klingelt, werfe ich ihm einen entschuldigten Blick zu, doch er winkt ab. „Kein Problem. Ich werde dann mal zurück zu meinen Freunden gehen. Wir sehen uns dann."
„Auf jeden Fall", meine ich und krame mein Smartphone heraus. Als ich die Nummer sehe, rutscht mir das Herz in die Hose.
„Mrs. Jones?"
Ich höre die Mutter meines Exfreundes am Ende der Leitung weinen. „Christoph, ist Vincent bei dir?"
„W-was? Nein. Warum sollte er?", frage ich verwirrt, während mein Blut gefriert.
„Er ist verschwunden."
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