Kapitel 17
• C H R I S •
„Wie malst du dir deinen perfekten Traumpartner aus?", fragt Matthew, als wir auf meiner Couch liegen und chillen. Nun, eigentlich tue ich das. Er sitzt an seinem Laptop.
Verwundert hebe ich meinen Blick vom Smartphone und mustere meinen Freund. „Warum fragst du?"
„Wusstest du, dass man sich meistens eher an kitschigen Hollywood Romantikfilmen orientiert? Hör mal zu. ‚Wir suchen nach dem besten Freund, die Garantie für den besten und einen immer verständnisvollen Wegbegleiter in einer Person. Einen Seelenverwandten eben. Jemand der zur gleichen Zeit genau dasselbe denkt, wie wir selbst und mit dem man ohnehin gar nicht sprechen müsste, weil ja Blicke schon genügen.'"
Aufgeregt weiten sich seine Augen. „Hättest du das gedacht?"
Die Party liegt jetzt einige Tage hinter uns. Seitdem haben wir uns jeden Tag nach der Schule getroffen. Einmal habe ich mich nachts in sein Zimmer geschlichen, als seine Eltern schon schliefen. Es war riskant, aber es hatte sich gelohnt. Wir beide lagen einfach nur da, haben geredet, uns geküsst, uns noch besser kennengelernt.
„Wie wäre es, wenn du etwas Sinnvolles recherchierst?", entgegne ich lachend und richte mich auf.
„Und was hältst du davon, mir zu helfen?"
„Ich bewundere dich lieber dabei, während du es tust", sage ich augenzwinkernd und werfe ihm einen Handkuss zu.
Wir sitzen seit einiger Zeit an unserer Präsentation für Sozialwissenschaften. Und ausgerechnet wir haben das Thema, weshalb die Menschen einen Seelenverwandten suchen.
„Möchtest du etwas trinken?", frage ich ihn und stehe schon auf, um aus dem Wohnzimmer zu laufen. „Wie wäre es mit Eistee?"
„Gerne!", ruft er mir hinterher, als ich in die Küche gehe. Im Kühlschrank finde ich den Eistee und schenke ihn uns beide ein.
Mit den Gläsern komme ich zurück und stelle ihm seines auf den Tisch, während ich mich neben ihn setze. „Okay, was steht denn da noch so Schönes?"
„Wir Menschen leben in einer Gesellschaft und legen mithilfe unsrer Kultur fest, was ‚richtig' und ‚falsch', ‚normal' und ‚unnormal' ist. Die Kultur unterscheidet uns von den Tieren und ordnet uns einer bestimmten Gesellschaft zu. Sie verbindet und trennt gleichzeitig, auf teilweise brutale Weise. Und wie alles auf unserer Welt unterliegt sie der Zeit, geht mit ihr oder bleibt stehen, und lässt die Zeit ungeachtet weiterziehen", lese ich leise vor mich hin und spüre, wie Matthew sich neben mir anspannt, als er den Text ebenfalls überfliegt.
Ich lege meinen Arm um seinen zarten Körper, er legt seinen Kopf an meine Brust. „Möchtest du darüber reden, was sich gerade in deinen Gedanken abspielt?"
„Ich denke nur daran, mir eine kleine Pause zu gönnen", erwidere ich lächelnd und nähere mich ihm, um ihn zu küssen, doch drückt er mich lachend weg.
„Du könntest doch auch mal ein wenig arbeiten", schlägt er vor, was mich schmollen lässt. „Guck nicht so, bisher habe ich das Meiste gemacht."
Seufzend nehme ich den Laptop von seinem Schoss und lege den Block neben mich. „Dann gib mir wenigstens noch einen Stift, dann kannst du nicht ausruhen."
Er nickt und beugt sich dann zum Tisch und fasst nach einem Kugelschreiber. Mir entgeht nicht, dass er dabei seinen appetitlichen Hintern an meine Seite reibt. „Matty?"
Unschuldig schaut er über seine Schulter zu mir, bevor ich ihn auf meinen Schoss ziehe.
Erschrocken legt er seine Arme um meinen Hals und blickt auf mich herunter. „Was tust du?"
„Ich habe gerade das Bedürfnis, dir nahe zu sein", erwidere ich schmunzelnd und reibe meine Nasenspitze an seiner, was verdammt kitschig ist. Würde ich das in einem Film sehen, würde ich mich gleich übergeben müssen, aber es ist Matty, der hier auf meinen Schoß sitzt. Das ist also etwas ganz anderes.
„Hey Chris, ich...Ohhhhh, sorry! I-Ich wollte hier jetzt nicht so reinplatzen!" Lachend drehe ich meinen Kopf nach hinten zu Evan, der sich umgedreht hat und mit dem Rücken zu uns steht.
Als Matt von meinem Schoß klettern will, packe ich ihn an seinem Po und halte ihn davon ab. „Komm her, Kumpel. Wir arbeiten gerade an unserem Vortrag."
„Das sehe ich", meint Evan und kratzt sich am Hinterkopf, als er auf uns zukommt und sich in den Sessel neben uns setzt.
„Ihr beide also...süß."
„Du und Wes...süß", erwidert Matthew daraufhin und grinst unseren Freund an.
Evan lacht. „Wow, Chris, du hast einen ziemlich schlechten Einfluss auf Matty. Er hat eine ganz schön große Klappe gekriegt."
„Also ich kenne ihn gar nicht anders", erwidere ich schulterzuckend und drücke dem Jungen auf meinem Schoß einen Kuss auf die Wange.
„Wisst ihr, in der Schule wird nur noch über euch beide gesprochen. Vor allem, weil ihr heute beide nicht da wart, denken die Meisten jetzt, dass ihr was miteinander habt."
„Niemanden geht es etwas an. Wenn wir uns gut verstehen, ist es ebenso. Wenn wir uns hin und wieder küssen, ist es halt eben so. Wenn wir miteinander schla...", brumme ich, als Matt mich unterbricht.
„Ich glaube, er hat es kapiert!", ruft Matty aus und hält mir mit roten Wangen den Mund zu.
„Es ist schon ein Wunder, dass es zwischen euch noch funktioniert hat. War ja ein wenig kompliziert", lacht Evan.
Matthew dreht sich ein wenig zu ihm um. „Hast du eigentlich etwas von Pip gehört?" Bei der Erwähnung ihres Namens kann ich mir ein Augenverdrehen nicht verkneifen.
Mein bester Freund schüttelt den Kopf. „Seit der Party geht sie mir aus dem Weg."
„Mir auch."
„Mich kann sie so oder so nicht leiden", werfe ich in die Runde, woraufhin Matt den Kopf schüttelt, als würde er an mir zweifeln. „Was ist denn?"
Evan grinst. „Idiot."
Achselzuckend drücke ich meinen Freund enger an mich heran, während ich die andere Hand nehme, um Matthew einige dunkelblonden Strähnen aus der Stirn zu streichen.
„Ob sie sauer auf uns ist? Ich meine, sie war doch in letzter Zeit richtig komisch drauf." Matt klingt niedergeschlagen. Ich sehe den Lockenkopf neben uns an, er wirkt auch etwas neben der Spur. Aber ich kenne den Ausdruck in seinen Augen. Er scheint über etwas nachzudenken.
„Ähm, was haltet ihr eigentlich davon, wenn ich mich mit...Wesley treffen würde?", bringt er schließlich über die Lippen und schockt mich damit.
Matts Miene hellt sich währenddessen augenblicklich auf. „Das wäre super! Warum fragst du, hat er dich etwa auf ein Date eingeladen? Was hast du gesagt? Hast du zugesagt?"
„Ey ey ey, jetzt erstmal langsam, Matty! Ich wollte zuerst mit euch reden, was ihr davon haltet."
Ich verziehe das Gesicht, als Matthew wild herumspringt. Mein Griff um seine Hüften wird stärker, um ihn ein wenig zu stoppen. „Hey, vergiss bitte nicht, worauf du hier gerade rumspringst", bitte ich ihn, woraufhin er sofort aufhört und mich erschrocken ansieht.
„Alles gut", beruhige ich ihn lächelnd und wende mich wieder an Evan, als er mich anspricht.
„Was hältst du davon? Deine Meinung dazu ist mir wahnsinnig wichtig", fragt er mich erwartungsvoll.
Ich kann diesen Wesley nicht leiden. Es ist mir so vorgekommen, als habe er sich an meinen Matt vergreifen wollen. Da habe ich vielleicht falsch gelegen. Aber jetzt steht er auf meinen besten Freund? Das passt mir irgendwie genauso wenig.
Doch habe ich das Gefühl, ich solle ihm nicht im Weg stehen, wenn er einen Versuch wagen möchte. Immerhin ist es auch das erste Mal, dass er Interesse an jemanden zeigt.
„D-das ist eine gute Idee, Kumpel", bringe ich hervor und setzte mein bestes Lächeln auf. „Du solltest dich mit dem Pizzabäcker treffen, glaub mir." Doch als ich mich wieder an Matt wende, sieht er mich mit einem undefinierbaren Blick an. „Was ist?"
„Dir ist bewusst, dass ich ebenfalls ein Pizzabäcker bin?"
Ich grinse. „Der Unterschied ist bloß, er ist ein Idiot und du bist mein unglaublich süßer Freund", erwidere ich und küsse ihn.
• M A T T H E W •
Ich atme tief durch, bevor ich an Pipers Haustür klingle.
Unsere Freundschaft ist seit einiger Zeit eingefroren. Wir gehen uns in der Schule aus dem Weg, sie ist nicht mehr bei mir und Evan, sondern hängt bei anderen Leuten herum. Ich vermisse meine beste Freundin. Auch wenn unser Verhältnis sich verändert hat und ich oft sogar genervt von ihr war, mache ich mir Sorgen um sie. Es muss einen Grund für ihr Verhalten haben.
Mein Herz klopft mir bis zum Hals, als die Tür geöffnet wird und Piper mich verwirrt mustert. „Was willst du denn hier?", fährt sie mich an und lehnt sich gegen den Türrahmen.
„Mit dir reden. Du redest nicht mehr mit mir. Und auch nicht mit Evan."
Sie rollt mit den Augen. „Na und? Muss ich mir denn ständig deine Probleme wegen Chris anhören? Wie schlimm und böse er doch ist und du ihm trotzdem deine Zunge in den Hals steckst. Denkst du, ich habe nicht mitbekommen, was zwischen euch läuft?"
„Piper! Hör auf, bitte. Das bist doch nicht du."
„Doch, genau das hier bin ich und ich bin stolz darauf. Weißt du, es ist so befreiend, nicht mehr über euch nachdenken zu müssen. Ihr beide hattet mich doch nur ausgenutzt und das lasse ich jetzt nicht mehr zu. Ich dachte, wir drei würden immer zusammenbleiben. Aber irgendwann hattest du nur noch Augen für Chris und Evan schien ständig an Wesley zu hängen. Ich war halt abgeschrieben. Ihr Idioten habt doch keine Ahnung, was ihr an mir hattet! Und ich fühle mich wohl, so ganz ohne euch. Befreit. Jetzt ist mir erst klar, dass ich euch Schwuchteln nicht brauche und auch niemals gebraucht habe."
Entsetzt schüttle ich den Kopf. Das kann nicht ihr Ernst sein, das ist nicht meine Freundin. Nicht meine Piper! Sie würde so etwas niemals sagen.
„Warum sagst du das?"
„Weil ich mit euch nichts mehr zu tun haben möchte. Hörst du, ihr seid mir mittlerweile egal. Wenn ihr mich für irgendwelche dahergelaufenen Typen links liegen lasst, müsst ihr euch damit abfinden, dass ich euch nicht mehr sehen will."
Als sich Tränen in meinen Augen sammeln, stöhnt sie genervt auf und stößt sich vom Türrahmen ab. „Gott, bitte, wage es jetzt nicht zu heulen. Nicht mal du bist so armselig", beschwert sie sich mit kalter Stimme und schlägt mir dann die Tür vor der Nase zu.
Schluchzend verlasse ich das Grundstück und gehe auf das Auto von Chris zu, der mich nach der Schule hergefahren und auf mich hier gewartet hat. Ich versuche, den Kloß im Hals herunterzuschlucken, doch es gelingt mir nicht.
Ich kann es einfach nicht fassen. Wie kann Piper nur so etwas sagen? Wir waren doch so lange die besten Freunde. Hasst sie uns so sehr? Was hat sich bloß verändert? Haben wir sie wirklich so sehr vernachlässigt?
„Warum weinst du?", fragt Chris, als ich ins Auto zu ihm steige. „Was hat das Miststück zu dir gesagt?"
„B-bitte nenn s-sie nicht so. Sie ist m-meine Fr-fr-freundin", sage ich weinend und wische mir über die Augen.
Piper stand immer hinter mir. Seit so vielen Jahren waren wir befreundet. Und jetzt ist alles kaputt. Wie aus dem Nichts. Weg sind die Momente, als wir so viel gelacht haben, dass uns schon Tränen kamen. Wie oft lagen wir nächtelang im Bett und haben Serien durchgeschaut. Oder einfach nur geredet. Wir waren wie Geschwister. Sie war wie meine Schwester.
„Komm her." Er nimmt mich in die Arme und fährt mir beruhigend über den Kopf. Die Tränen beginnen wieder zu fließen. „Matthew, sie hat es nicht verdient, dass du jetzt weinst. Wir fahren zu dir nach Hause."
Ich schüttle den Kopf. „M-meine Eltern k-kommen heute f-früher nach Hause. D-du kannst dann n-nicht zu mir kommen."
„Weißt du, du könntest auch bei mir übernachten. Meine Eltern würden sich freuen, meinen... Freund mal kennenzulernen." Er wischt mir die Tränen von der Wange und lächelt mich liebevoll an.
Als er den Wagen startet, schaue ich ein letztes Mal auf Pipers Haus. Chris legt seine warme Hand auf meine und verschränkt unsere Finger miteinander. „Denk nicht an sie. Ich bin kurz davor, in das Haus zu stürmen und diesem Mädchen die Augen auszukratzen. Aber dann wärst du sauer auf mich und das will ich nicht."
Schmunzelnd lehne ich mich zu ihm hin und hauche ihmeinen Kuss auf die Wange.
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