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Summend öffne ich die Tür von Harrys Zimmer und will ihn gerade so begrüßen, wie ich es immer tue, als ich einen jungen Mann neben seinem Bett sitzen sehe.
„Entschuldigen Sie. Ich wollte Ha- Mister Styles nur kurz umziehen und waschen, aber ich kann auch später wiederkommen, wenn es Ihnen besser passt.", begrüße ich den Fremden und lege die Hand wieder auf die Klinke.
„Ach kein Problem. Ich hoffe, Sie stört es nicht, wenn ich hier bleibe. Ich habe von dem Unfall mitbekommen, war aber bis vor einer Woche im Einsatz im Irak.", entgegnet er und ich gehe langsam in das Zimmer.
„Sie sind Soldat?", frage ich interessiert nach und streiche Harry einmal kurz über den Arm. Das ist schon zur Gewohnheit geworden, weswegen ich vergesse, dass noch jemand anderes im Raum ist.
„Ich bin übrigens Pfleger Louis, aber bitte einfach nur Louis.", lächele ich und halte ihm die Hand entgegen. „Niall. Harrys bester Freund. Als ich von dem Unfall gehört habe, wollte ich sofort zu ihm, aber ich konnte den Einsatz nicht unterbrechen.", stellt er sich ebenfalls vor und sieht danach traurig zu Harry.
„Ihr Freund ist hier gut aufgehoben. Es geht ihm gut." Meinen Blick lasse ich auf Harry liegen, während ich vorsichtig lächele.
„Harry hasst Krankenhäuser.", kichert sein bester Freund, der sich wieder auf den Stuhl neben dem Bett setzt. „Meine kleine Schwester auch. Sie versteht bis heute nicht, warum ich hier arbeite. Aber ich mache es gerne. Mich um die Leute hier kümmern. Besonders bei Ha- Mister Styles freue ich mich immer wieder.", antworte ich und drücke Harrys Hand, als der Monitor wieder einen zusätzlichen Herzschlag aufzeichnet.
„Nennen Sie ihn ruhig bei seinem Vornamen. Ich habe von seiner Schwester erfahren, dass Sie öfters hier bei Harry sind?", lächelt er und beobachtet mich, während ich Harrys Decke ans Fußteil schiebe.
„Ja, jeden Tag nach meiner Schicht. Ich habe das Gefühl, dass Harry alles um sich herum mitbekommt und sich auch daran erinnern kann. Eigentlich rede ich nur belangloses Zeug, was Harry bestimmt nicht interessiert und er mich eigentlich am liebsten wegschicken möchte, aber jetzt hat er den Salat. Seit vier Jahren nerve ich ihn damit und vielleicht schafft er es bei Zeiten, mich irgendwann so zu verprügeln, dass ich nicht mehr reden kann." Leicht grinse ich und schaue dann wieder zu Niall, der mich wissend anschaut.
„Harry ist nicht unbedingt der Schlägertyp. Er hat da so ein paar andere Ideen, wenn Sie wissen, was ich meine." Sicher bin ich mir nicht, jedoch nicke ich mit roten Wangen.
„Wie lange sind Sie beide schon befreundet, wenn ich fragen darf?", erkundige ich mich so beiläufig wie möglich und kabele Kabele Harry so um, dass ich ihn rasieren kann, ohne dass die Sauerstoffmaske stört. Seine Haare binde ich so zurück, dass sie nicht im Weg sind.
"Seit der fünften Klasse. Also eigentlich schon ziemlich lange. Mein Bruder war mit seiner Schwester zusammen und so haben wir uns angefreundet. Wir waren zwar in der selben Klasse, aber ich hatte nicht sonderlich viele Freunde. Harry war einer der wenigen.", antwortet Niall und deutet auf die kleine Schüssel, in die ich gleich warmes Wasser füllen muss.
"Soll ich da kurz Wasser rein machen? Ich fühle mich sonst so fehl am Platz.", grinst er mit roten Wangen.
"Sie müssen das wirklich nicht machen. Sie sind zu Besuch hier, ich arbeite.", antworte ich, doch er beharrt darauf.
"Na gut. Lauwarmes Wasser bitte.", lächele ich und halte ihm die Schüssel hin.
Als Niall die Badezimmertür hinter sich geschlossen hat, seufze ich leise und scanne skeptisch Harrys Körper.
Ich glaube, es wird Zeit ihn heute mal für ein paar Minuten auf die Seite zu legen, dass sein Rücken sich entspannen kann.
"Wach bitte bald auf, Harry. Du verpasst so viel in deinem Leben. Deine Schwester war mit deiner Nichte gestern hier. Sie ist ein richtiger Sonnenschein.", flüstere ich und streiche über seine Wange.
Als sich die Badezimmertür wieder öffnet, mache ich einen Schritt von Harry weg und schnappe mir ein Handtuch, welches ich ihm auf die Brust lege, falls was von dem Schaum tropft.
"Wie lange sind Sie schon Krankenpfleger?", fragt Niall, als er mir die Schüssel gibt.
"Seit acht Jahren. Ich wollte schon als Kind Leuten in Not helfen.", lächele ich und schaue ihn kurz an.
"Das ist schön. Ich habe jeglichen Respekt vor Angestellten im Bereich der Medizin. Ihr Job ist nicht immer leicht, aber ohne ihre Leute wäre es viel schlimmer.", lobt er und ich bedanke mich mit roten Wangen.
Niall setzt sich wieder auf den Platz neben Harrys Bett und schweigt.
"Sie können ruhig mit ihm reden. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Harry uns hören kann." Ich gucke kurz zu Niall, bevor ich Harrys Gesicht mit dem Rasierschaum einschmiere.
"Wenn ich ehrlich bin, habe ich keine Ahnung worüber ich reden soll. Ich habe Harry so lange nicht mehr gesehen und es ist immer noch ein ziemlicher Schock, ihn hier so liegen zu sehen.", gibt sein bester Freund zu und spielt mit seinen Fingern.
"Erzählen Sie ihm von Ihrem Leben. Was Sie so in den letzten Jahren erlebt haben, ein gemeinsames Hobby? Neuigkeiten, über die Harry sich freuen wird. Irgendwie sowas. Egal, ob es unnötig ist, oder nicht. Es ist besser, als zu schweigen.", murmele ich, während ich mich darauf konzentriere, Harry nicht zu schneiden.
"Ich stehe unter der Schweigepflicht, also sind Ihre Geheimnisse bei mir sicher.", füge ich hinzu und mache das Rasiermesser in der Schüssel sauber.
Niall fängt an, irgendwas zu erzählen, doch ich konzentriere mich mehr auf Harrys Gesicht, als auf seine Worte.
"Und Sie?" Ich hebe den Kopf und schaue fragend zu dem brünetten vor mir. "Sie haben nicht wirklich zugehört, oder?", grinst er und ich schüttele schuldbewusst den Kopf.
"Eigentlich bin ich nicht dafür da, Leute zu rasieren, aber mein Kollege, der das sonst immer macht, ist seit einer Woche krank und somit müssen wir anderen das machen. Ich bin froh, wenn ich mich beim rasieren nicht schneide.", lache ich und nehme mir das Handtuch, um den Rest des Schaumes wegzuwischen.
"Trotzdem machen Sie das gut. Aber auf das vorherige Thema zurückzugreifen. Ich hoffe, es geht Ihnen nicht zu nah, aber haben Sie eine Freundin oder Frau? Ich weiß nicht, wie alt Sie sind, aber wenn Sie seit acht Jahren hier arbeiten, müssen Sie auch schon Ende zwanzig sein. Älter schätze ich Sie nicht."
"Ich bin 29.", lächele ich und räuspere mich kurz. "Ich verbringe viel Zeit hier, deswegen bleibt mir nicht besonders viel Zeit, um jemanden kennenzulernen. Bei meiner Sexualität und meinem Job ist es ebenfalls schwierig, jemanden zu finden, der mit beidem klar kommt.", antworte ich.
Obwohl ich jetzt schon seit vier Jahren fast täglich zu Harry gehe, habe ich noch nie laut ausgesprochen, dass ich auf Männer stehe.
"Also sind Sie schwul?", schlussfolgert er und ich nicke. "Ja, ich habe es schon relativ früh gemerkt. Es ist noch nicht mal so, dass ich niemanden finde, ich will es einfach nur nicht. Vor ein paar Jahren habe ich einen jungen Mann gesehen, der mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf geht. Jedoch habe ich keine Ahnung, ob er überhaupt auf Männer steht. Zu dem Zeitpunkt hatte er zum mindestens eine Freundin.", erkläre ich und hoffe, dass es nicht zu auffällig ist, da es schwer ist, meinen Blick nicht auf Harry zu richten.
"Sagen Sie es ihm. Das Leben ist zu kurz, um zu schweigen.", versucht Niall es, doch ich schüttele den Kopf.
"Er ist nicht gerade redselig. Er hat noch nie mit mir gesprochen.", flüstere ich und drehe mich von beiden weg, um die Handtücher auf das Regal zu legen, damit ich diese gleich wieder mitnehmen kann.
"Dann ist er es nicht wert.", höre ich hinter mir und ich schüttele erneut mit dem Kopf.
"Er kann nicht reden. Vielleicht ist es auch einfach nur die Illusion, ihn zu lieben, aber ihn jeden Tag zu sehen, reicht mir. Bestimmt ist er schon genervt von mir, weil ich ihn jeden Tag mit dem gleichen Satz begrüße."
Nebenbei ziehe ich Harry das Krankenhaushemd aus und nehme die Schüssel in die Hand, um im Badezimmer neues Wasser zu holen, um ihn ein wenig waschen zu können.
"Wie macht ihr das eigentlich mit dem Haare waschen?", fragt Harrys bester Freund, als ich wieder ans Bett komme.
"Man kann das Kopfteil abnehmen. Wir haben extra so Wannen, mit denen wir den Patienten die Haare waschen können, ohne dass sie aufstehen müssen. Bei Harry funktioniert es ja nicht anders.", erkläre ich und fange an, vorsichtig seinen Oberkörper und seine Arme zu waschen.
Seine Tattoos sind der Wahnsinn. Ich weiß nicht, wie lange er sie schon hat aber sie sind wunderschön.
Mit einem kleinen lächeln schaue ich in Harrys Gesicht. Bevor meine Gedanken wieder abschweifen, wasche ich den Lappen aus und richte meinen Blick wieder auf Harrys linken Arm.
Dass Niall mich dabei die ganze Zeit mit einem wissenden Gesichtsausdruck mustert, merke ich nicht.
Da ich den bestimmten Teil seines Körpers nicht waschen will, wenn Niall dabei ist, muss ich das wohl nachher machen, wenn er wieder gegangen ist.
Ich muss zugeben, dass es mir ziemlich unangenehm ist, Männer und auch Frauen da unten zu waschen. Deswegen bin ich froh, dass ich das definitiv nicht so oft machen muss, wie Tobi, der das sonst eigentlich immer macht.
Nachdem ich Harry wieder abgetrocknet habe, ziehe ich ihm ein neues Hemd an und atme erstmal tief aus. Selbst der Anblick seines Oberkörpers wird mir manchmal schon zu viel und ich habe das Gefühl, dass die Raumtemperatur auf einmal um ein paar Grade steigt.
Ich spüre, dass Niall irgendwas sagen möchte, jedoch klingelt in dem Moment mein Diensttelefon. "Entschuldigen Sie.", lächele ich und nehme den Anruf an.
"Louis, Hallo.", melde ich mich und klemme mir das Telefon zwischen Ohr uns Schulter, während ich Harry wieder zudecke.
"Zayn hier. Ehm, hast du gerade Zeit oder bist du bei einem Patienten?", fragt er direkt.
"Ich bin bei Harry, ist was passiert? Du hörst dich gestresst an.", entgegne ich und sammele alle Handtücher zusammen.
"Bist du nicht eigentlich immer erst nach deiner Schicht bei ihm?" Auf meine Frage reagiert er nicht. "Doch, schon. Tobi ist krank und deswegen bin ich hier um ihn zu waschen und ihn zu rasieren.", erkläre ich und höre direkt das dreckige Lachen von meinem besten Freund.
"Wo denn rasieren?" Diese Frage war klar.
"Im Gesicht, du Arsch." Entschuldigend schaue ich zu Niall, bevor ich die Schüssel nehme und ins Badezimmer verschwinde.
"Sein bester Freund ist hier. Zayn, du weißt gar nicht, wie unangenehm es ist, Harry zu waschen. Bis jetzt habe ich nur seinen Oberkörper, aber wie soll ich das denn bitte überleben, wenn ich ihn da unten waschen soll?", frage ich schon fast panisch.
Das letzte Mal ist bestimmt schon ein Jahr her, wo es schon die Hölle für mich war. Es kommt nicht gerade professionell rüber, wenn ein Pfleger beim Waschen eines Patienten einen Steifen bekommt.
"Guck nicht hin oder denk an was ekelhaftes. Ich weiß, du bist untervögelt, aber das schaffst du schon." Ich brumme nur und trockne die Schüssel ab.
"Wolltest du mich nur anrufen, um mich runterzumachen oder ist irgendwas wichtiges?", wechsele ich schließlich das Thema und schließe die Badezimmertür wieder hinter mir.
"Wollte eigentlich nur fragen, ob wir zusammen essen. Wir haben Mittagspause, falls du das noch nicht gesehen hast.", antwortet er und ich verkneife mir ein Lachen.
"Von mir aus gerne. Ich gehe nur noch schnell die Handtücher und das alles wegbringen und bin dann bei dir. Reserviere mir doch schon mal einen Platz." Danach lege ich auf und lasse das Telefon wieder in meiner Hosentasche verschwinden.
"Entschuldigen Sie. Es ist manchmal nicht gerade praktisch, mit jemandem vom Personal befreundet zu sein.", lächele ich und schaue kurz auf meine Uhr.
"Kein Problem. Sind Sie hier soweit fertig? Es hat sich so angehört, als müssen Sie weg."
Ich nicke. "Ja, ich habe jetzt Mittagspause. Vielleicht sehen wir uns danach nochmal. Jedenfalls war es schön, Sie kennenzulernen, Niall.", entgegne ich und nehme die Handtücher und die Schüssel mit dem Rasierzubehör in die Hand.
"Hat mich auch gefreut. Vielleicht sehen wir uns wann anders nochmal, aber ich muss gleich auch los.", entgegnet er und ich nicke lächelnd.
"Ganz bestimmt. Ich komme nach der Mittagspause nochmal zu dir." Den letzten Satz widme ich Harry und drücke noch ein letztes Mal seine Hand, bevor ich mit einem Nicken an Niall gerichtet den Raum verlasse.
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