underwater
Kürbistumor
(Nur vorab: Dieser Os spielt in irgendeiner random Welt, die unserer in der technischen und industriellen Entwicklung sehr ähnlich ist, hat aber echt überhaupt nichts mit unserer Weltgeschichte zu tun :))
Beständiges Piepsen der Navigationssysteme und das Stampfen aus dem heißen Maschinenraum sind mein ständiger Begleiter auf der Seestern. Eingebrannt in mein Gehör, genau wie die immerwährende Anwesenheit eines oder mehrerer Crewmitglieder.
In einem Uboot gibt es keine Privatsphäre. Keinen Platz, keine Zeit für den Einzelnen. Es gibt nur ein Ziel und die Soldaten die es erreichen werden, ohne einen Blick hinter die Kulissen.
Ich fühle mich unfassbar eingeengt, als würde jeden Moment die Luft zum Atmen ausgehen, so als läge all der Druck des Wassers direkt auf meinen Schultern und ich weiß, dass es uns allen so geht.
In achtzehn Tagen sind wir am Ziel, nur um zwei Tage später wieder hinab zu tauchen und den Sprengstoff, den wir dann geladen haben, das Ziel dieser Fahrt, nach hause zu bringen. Jeden Morgen sehe ich in den Augen des Kommandanten die Sorge, dass wir längst auf dem Radar der Feinde zu sehen sind, dass sie längst wissen wo wir sind und was wir tun.
Ich meine das Wasser zu hören, aufgewirbelt von den Torpedos die uns jeden Augenblick treffen werden, uns in Stücke reißen und uns, ein für alle Mal, auf dem Grund des Meeres zwingen. Natürlich höre ich das Wasser nicht. Da ist nur das Stampfen der Maschinen, das Piepsen der Navigationsgeräte und das gelegentliche Knacken des Funkgerätes.
Wie spät ist es? Wie lange liege ich schon in dem harten Hochbett? Schlaflos oder gerade erst aufgewacht? Unter die Geräuschkulisse des Uboots, die in den letzten Wochen meine Stille geworden ist, mischt sich eine weitere Komponente, eine Stimme: "Psst, Manuel."
Ich blinzle in die Richtung aus der die Stimme kommt. Im roten Schein der Lämpchen am Ausgang des Kojenraums, erkenne ich eine Gestalt, die sich auf das Metallgestell des gegenüberliegenden Stockbettes stützt. "Du bist doch wach oder?", ich nicke und weiß nicht ob ich hoffe, dass er diese Antwort erkennt, oder ob ich will, dass er denkt ich schlafe und mich in Ruhe lässt. "Wir müssen Reden."
"Dann rede.", zische ich zurück. Der andere Soldat verharrt einen Moment uns schüttelt dann den Kopf. Seine Haare, die ihm in die Stirn hängen, fliegen hin und her, auch wenn ich das kaum erkennen kann. Es ist Patrick, ich habe mir gemerkt wo er schläft.
Er will nicht, dass einer der Anderen ihn hören könnte, trotzdem bleibe ich liegen. "Bitte.", beharrt er und etwas in seiner Stimme sorgt dafür, dass ich mich schließlich leise aus dem Schlafsack schäle, die Leiter hinab steige und barfuß in die schweren Arbeitsschuhe schlüpfe.
Ungeduldig warte ich bis er auch endlich auf dem schmalen Gang steht und gemeinsam schleichen wir, so gut es die Uniform zulässt, zum Navigationsraum, in der Hoffnung keiner, derer die die Nachtschicht übernehmen, könnte uns gehört haben.
Das Piepsen ist nur penetrant Laut. In einem gleichmäßigen Rhythmus leuchten die Lämpchen auf und mit ihnen einher geht der schrille Ton.
Wenn ich mich auf ihn konzentriere, frisst er sich durch meinen Gehörgang, immer weiter, bis zu meinem mitgenommenen Gehirn.
Macht es matschig, zusammen mit den stampfenden Maschinen.
Wenn ich nicht bald hier raus komme, werde ich wahnsinnig, da bin ich mir sicher.
Ich spüre wie ein kleines Ungetüm lauernd in meinen Gedanken hockt und nur darauf wartet, dass ich mich der erdrückenden Atmosphäre hingebe, um meinen Kopf schließlich von innen heraus in seinen Rachen zu stopfen.
Schnell schüttle ich den Kopf über eine so unsinnige Vorstellung und gebe mir die größte Mühe das Piepsen auszublenden.
"Du willst genau so hier raus wie ich.", stellt Patrick fest. "Ich sehe es in jeder deiner Bewegungen, in jedem Blick. Weil ich mich ganz genau so fühle."
"Schön.", seufzte ich. "Dir ist aber durchaus aufgefallen, dass wir meilenweit unter der Wasseroberfläche in einer Metallkapsel feststecken, noch dazu gebunden durch ein Gesetzt, dass uns zum Dienst verdammt?"
Er stöhnt auf. "Natürlich weiß ich das, aber es ändert nichts. Wenn wir ankommen werden alle aus der Crew am Ende sein, aber es werden nur die, die freiwillig hier sind das wegstecken." Ich weiß, dass er Recht hat. Keiner der Neuen hier wird das durchhalten. Er nicht, ich nicht.
"Das hier macht so viele Menschen kaputt, es wird niemand dir eine Therapie anbieten, weil du das Piepen in deinem Kopf nicht los wirst und keiner wird sich um die Klaustrophobie scheren, die dich einholt sobald wir hier den ersten Notfall erleben."
"Warum willst du plötzlich so dringend hier weg, wenn du dich trotzdem hast herschleppen lassen?", frage ich argwöhnisch.
Woher nimmt er all die Überzeugung? Wenn es ihn selbst so sehr mitnimmt, wieso kann er dann so viel Kraft aufbringen?
Mit einem Seufzten sieht er mich an und tippt mit dem Fingern auf dem Tisch herum. "Du weißt wie es war als sie kamen. Man kann sich nicht einfach weigern." Auch das stimmt. Natürlich.
Ich erinnere mich noch genau wie sie alle Männer im richtigen Alter in die Behörden beorderten, ganz ohne Vorwarnung. Sie untersuchten uns, gaben uns eine Uniform und ein bereits ausgefülltes Formular, unter das wir eine Unterschrift setzten mussten, immer bewacht von den strengen Augen des Staates. Neunzig Minuten hatten wir Zeit um uns zu verabschieden und einige persönliche Dinge mitzunehmen. Sie brachten jeden von uns nach Hause und holten uns mit den großen Transportern wider ab, waren höflich zu den Angehörigen, lächelten und sagten alles würde gut werden, es ginge nur darum einen Krieg zu verhindern. Einige hatten versucht sich zu weigern, waren nicht zum Transporter gekommen und plötzlich war all die Freundlichkeit wie fortgeblasen, sie holten die Verweigerer, schlugen zu, wenn sie sich wehrten und verfolgten erbarmungslos den einen von uns, der sich traute die Flucht zu ergreifen.
"Und warum ich? Wenn du abhauen willst, sind Mitwissende Lücken wie tropfende Öllecks.", es klingt verlockend ihm eine Chance zu geben, wie als hänge man verzweifelt an einer Klippe und müsste sich Zeit über verzweifelt an einem Vorsprung festkrallen und er wirft einem plötzlich ein rettendes Seil zu. Aber woher kann man wissen, dass sein Seil nicht angerissen ist und einen erst recht hinab stürzen lassen würde?
"Weil ich das alleine nicht durchzeihen kann. Ich habe schon nach drei Tagen begriffen, dass ich hier weg will und seit dem an nichts Anderes gedacht. Ich habe Ideen gesammelt und versucht alle einzuschätzen. Die freiwilligen Soldaten fallen raus, die Älteren sind schon zu lange unter Befehl, sie würden sich nicht trauen die Autorität zu untergraben. Dann bleiben noch drei Leute aus der Crew. Erik, der sich die größte Mühe gib alles richtig zu machen und-"
Ich unterbreche ihn mit einer Handbewegung. "Erik tut das, weil er glaubt das macht es besser, nicht weil er sich hier unten wohlfühlt. Er denkt irgendwann wird sich dieser Job für ihn gut anfühlen, weil er zu jung ist um zu verstehen, dass es das nicht wird.", ich beiße mir auf die Lippe. Das ist eine recht radikale Ansicht aber auch wenn einige mit dem Druck umgehen können, wird Erik nicht zu ihnen gehören.
Patrick geht nicht wirklich auf meinen Kommentar ein sondern zählt weiter auf. Wilson, der Lockenkopf, hat viel zu viel Angst um etwas zu unternehmen, das weißt du selbst. Also bleibst nur du. Dir geht es nicht gut hier, du verzweifelst langsam aber sicher, obwohl du es nicht willst und eben das ist der Grund warum du noch nicht aufgegeben hast, warum du dich mit mir da durch kämpfen würdest. Weil du weißt, dass es auf etwas Besseres hinaus läuft."
Er sieht mich an, unverwandt blickt er mir in die Augen. "Es geht nicht nur um das U-Boot, es geht um viel mehr. Es steht ein Krieg bevor. Wenn wir da bleiben wo wir sind, dann werden wir sterben, nachdem wir wochenlang gehofft haben wir könnten fliehen."
Es ist still. Stiller als sonst. Nicht weil das Piepsen verstummt ist, sondern weil seine Worte das ausgesprochen haben, was alle denken. Das ist der Beginn eines Krieges, ein Krieg der tausende Opfer fordern wird, auf zermürbende Art und weise Soldaten in den Wahnsinn treiben und Familien zerreißen wird. Nur weil der Startschuss noch nicht gefallen ist, heißt es nicht, das der Krieg nicht schon längst über uns hergefallen ist.
"Du willst dort bleiben.", entfährt es mir leise. "Das hier ist unsere Flucht, das Boot bringt uns ans andere Ende der Welt und wir steigen einfach aus.", flüstere ich in unser Schweigen hinein.
"Der Krieg wird auch in die kalten Länder kommen, nur weil der Boden dort fast das ganze Jahr von Schnee bedeckt ist, heißt es nicht, dass wir dort nichts davon spüren werden, doch es wird nicht so schlimm.", in diesem Augenblick wird mir klar, dass er seinen Plan durchziehen wird, egal ob ich dabei bin oder nicht, es ist für ihn der einzig sinnvolle Ausweg und er reicht mir die Hand, bietet mir an mitzukommen.
"Wie stellst du dir das vor?", frage ich und weiß, dass das Misstrauen in meiner Stimme längst nur noch aufgesetzt ist. "Erst muss ich wissen ob du dabei bist.", verlangt er und sieht mich eindringlich an. Geschlagen nicke ich. "Ich weiß, dass du Recht hast, aber es klingt so absurd."
"Wir wissen alle was passieren wird. Es ist nur eine Frage der Zeit bis ein kleiner Angriff alles lostritt. Vielleicht bleiben uns noch Wochen oder Monate, im schlimmsten Fall nur noch Tage." "Ja, weil wir es sind, die angegriffen werden! Dann ist es egal.", grätsche ich ihm dazwischen und er nickt betroffen.
"Die Bomben werden in den mittleren Teilen der Welt toben, geradewegs auf die Stellen an denen die drei Mächte am verwundbarsten sind. Es wird einige Zeit dauern bis die Zivilbevölkerung flieht, einige werden zu sehr an ihrer Heimat hängen, andere werden schon früh gezwungen zu flüchten, weil an den Grenzen kleinere Kriege entbrennen. Einige, Wenige, werden sich auf den Weg in die nördlichen Länder machen, doch die Meisten werden in die Süden gehen, dort müssen sie nur ein kurzes Stück über das Meer oder können sogar laufen. Die warmen Länder werden mit dem Ansturm nicht umgehen können, sie werden ihr Bestes tun, aber es wird nicht reichen. Wir wären früh, so früh, dass meine Familie nachkommen könnten. Wir hätten vielleicht ein neues Leben, bevor es ganz schlimm wird, auch wenn es nicht einfach wäre."
"Deine Familie?", frage ich mir hochgezogenen Augenbrauen. Er hat eine Frau und Kinder. Das ist seine Antriebskraft, deshalb will er so dringend etwas unternehmen. Bin ich nur ein nötiges Mittel zum Zweck, weil er es alleine nicht schafft? Er lächelt traurig und erzählt leise: "Ich habe zwei Kinder, meine Eltern sind, ein Glück, an einem besseren Ort und meine Frau hat uns kurz nach der Geburt meiner zweiten Tochter verlassen. Also sind die Beiden bei meiner Schwester geblieben, dabei ist sie selbst noch so jung. Ich will die drei um alles in der Welt vor einem schrecklichen Schicksal schützen."
Seine Augen glänzen traurig als er sich an sein zu Hause erinnert und ich sehe ganz deutlich wie sehr er seine Familie vermisst. "Ich habe ihnen versprochen, dass alles gut wird. Ich habe es nicht nur gesagt, ich habe es ihr versprochen, sonst hätte Thilda mich nicht gehen lassen.", flüstert er erstickt. Vorsichtig lege ich eine Hand auf seine zitternden Finger. "Wir schaffen das, du wirst dieses Versprechen nicht brechen müssen." Dankbar blinzelt er mich an und drückt meine Hand. Er zwingt sich zu einem Lächeln und der Kampfgeist, der eben noch drohte von der Verzweiflung erstickt zu werden, kehrt in seine Miene zurück, als er mir seinen Plan beschreibt.
"Wenn wir einmal da sind, haben wir das Schwerste geschafft. Wenn wir aus der Reichweite der Armee sind, werden sie nicht nach uns suchen, dazu sind wir zu unwichtig.", schließt er selbstsicher. Obwohl ich nicke, überrollen mich tausende Zweifel. Wir müssten Arbeit finden, die Sprache lernen, ganz von vorne Anfangen, doch vermutlich wäre es das Beste was wir kriegen könnten, denn als ein Kriegsflüchtling unter tauschenden Anderen, hätte eine junge Familie wie Patricks keine Chance.
"Achtzehn Tage noch.", stelle ich fest und Patrick nickt. "In achtzehn Tagen wird-", er hält erschrocken Inne. Da sind Schritte auf dem schmalen Gang, schwere Stiefel die selbstsicher auf den Metallboden aufsetzen. "Die Patrouille.", hauche ich kaum hörbar. Mein Gegenüber sieht sich hektisch um. "Verdammt, ich dacht es sei noch früh genug." "Und jetzt?", frage ich tonlos. Er sieht mich an, mustert mich kurz und scheint eine Entscheidung zu treffen. "Das wird dir nicht gefallen, aber ich denke es ist der einzige Weg aus der Nummer noch raus zu kommen." Ich schaue ihn starr an und warte auf eine Erklärung. "Naja, ich habe von Miller gehört, dass nach einiger Zeit doch der Sexualtrieb siegt, auch in einem U-Boot mit durchweg männlicher Besatzung. Das wird man uns eher durchgehen lassen als die Planung einer Flucht."
"Du willst was?", frage ich schockiert. Die Schritte kommen immer näher, ich sehe vor meinem Inneren Auge wie der Soldat gleich die Tür auf stoßen wird, während sämtliche Gedanken durch meinen Kopf huschen, die mir vor halten, dass so etwas eher unangebracht als normal ist. "Ich mache nichts, aber bitte spiel einfach mit." Er sieht mich entschuldigend an, dann zieht er mich kurzerhand auf seinen Schoß und legte seine Lippen auf meine. Ich erstarre einen Moment lang doch als seine kalten Finger unter das schlichte Schlafshirt meiner Uniform fahren und es nach oben schieben, besinne ich mich auf den Grund dieser Aktion und erwidere den etwas unbeholfenen Kuss. Mit einer Hand zerzause ich seine Haare und muss fast kichern, als seine Finger kitzelnd an meiner Taille entlang fahren.
Dann fliegt die Tür auf, jemand atmet Laut ein und wir fahren auseinander. Ich versuche so gut es auf unauffällige Weise geht, Abstand zwischen uns zu bringen, doch Patricks Finger verharren auf meiner Haut und er starrt den Soldaten an. "Ich empfehle ihnen dringen sich auf die wichtigen Aufgaben zu besinnen und ins Bett zurück zu kehren.", lässt er streng verlauten und schiebt nur Sekunden später ein nachdrückliches: "Allein.", hinterher. "Natürlich.", antwortet Patrick sofort und sieht zu Boden. Er zieht mich mit sich auf die Füße und wir verlassen schnell den Raum. "Ziehen sie sich vernünftig an Büttinghaus!", ruft er mir noch hinterher, bevor der Soldat seinen Rundgang fortsetzt. Ich befolge seine Anweisung und richte mein Shirt wieder, sobald wir zwischen den Kojen stehen.
"Tut mir leid, dich so in Verlegenheit gebracht zu haben. Das war nicht geplant.", murmelt Patrick und macht Anstalten wieder in sein Bett zu klettern. Ich schnaube leise. "Gut zu wissen." und lasse mich endlich wieder auf die durchgelegene Matratze sinken. Bevor ich, in Gedanken an die bevorstehenden Ereignisse die Augen schließe, richte ich mich nochmal auf. "Hey Patrick." Er sagt etwas, dass ich nicht ganz verstehe und sieht in meine Richtung. "So schrecklich fand ich es gar nicht.", grinse ich leise und höre noch seine geflüsterte Antwort: "Sehr gut, wir werden immerhin noch einige Zeit zusammen verbringen."
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro