Magicist
Schäumende Wellen schlugen in sekündlichen Abständen gegen das Felsufer und kalte Gischt spritze an den brüchigen Mauern auf.
Das Meer wurde aufgepeitscht von wütdenden Windböhen, die an meinem Umhang zerrten.
Die Nacht war wolkenverhangen und die Mondsichel ließ sich nur als heller Fleck über mir erahnen.
Ich umklammerte mit kalten Händen den weißen, sorgfältig gearbeiteten Stab, dessen verzweigtes Ende von golden schimmernden Steinen besetzt war. Ich spürte die Kraft die von ihnen ausging und die mir, genau wie der angenehm warme Stein an meinem Schwertknauf, Mut und Zuversicht schenken sollten. Ob das gelang, vermochte ich nicht zu sagen.
Ich zog meinen Mantel enger um mich, denn der vom Wind erfasste, dunkelblaue Umhang konnte mir im Moment keine Wärme spenden.
Argwöhnisch sah ich mich um, ließ zuerst den Blick über das weite, schwarze Meer gleiten, dann über die Ruine der kleinen Burg, auf deren Mauer ich, dem Wetter ausgesetzt, stand.
Die Wände schloss sich um einen bewucherten Innenhof und verschlang sich in kleinen Treppen, Winkeln und düsteren Gängen um schlussendlich in einem leicht erhöhen Turm zu enden.
Insgesammt maß die Insel vielleicht zweihundert Fuß, gemessen von den äußersten Punkten aus.
Auch wenn ich für den kurzen Moment niemanden entdecken konnte, wäre es töricht gewesen zu glauben keiner von ihnen wäre da.
Alle sechs Zauberer des Landes waren in dieser Nacht von einer unausweichbaren Kraft hier her gezogen worden um zu entscheiden welche zwei von ihnen für die nächsten hundert Jahre mit dem Schutz der Bevölkerung und der Lande betraut sein würden.
Es gab oftmals mehr ausgebildete Zauberer als es brauchte und so kamen mit dem Tod der alten Meister alle zusammen, um eine Entscheidung zu fällen.
Eine Entscheidung ohne Worte, die die Verlierer mit ihrem Leben im Kampf bezahlten. Es konnte zwei Zauberer geben, alle anderen mussten sterben.
In diesem Fall würde das Schicksal vier, der nun Anwesenden ereilen und ich hatte nicht vor, unter ihnen zu sein.
Ich spürte lauernde Augen auf mir, hier oben war ich ein leichtes Ziel, um mit einigen gezielten Zaubern auf die zerklüfteten Felsen jenseits der Burgmauer gestürzt zu werden und dann, umhüllt vom Stoff meines Umhangs, in die Tiefen hinab zu sinken.
Ich machte mich klein und suchte geduckt nach einen Weg ins Innere der Burg, doch blieb erfolglos. Gerade als sich leise Verzweiflung in mir breit machte, flammte ein Licht im Hof auf, nur kurz und doch so verräterisch weiß bläulich. Einer der Magier hatte einen Schildzauber gewirkt, eine dumme Entscheidung, denn damit hatte er sich mehr als verraten.
Mit einem Kampfschrei sprang einer schwarzhaarige Hexe mit makellosem Zopf aus einem Fenster hervor. Sie landete mit wehenden Stoffstreifen ihres Gewandes auf dem Boden und noch im selben Augenblick begann die Spitze ihres Stabes rot zu glühen.
Das war der Startschuss!
Ich verfolgte noch immer gebannt den entbrennenden Kampf im Hof, als ein Pfeil dicht an meiner Schultervobei surrte und sich zwischen die Steinplatten hinter mir bohrte, wo die grünen Flammen, die so unschuldig an seiner Spitze gelodert hatten, verloschen. Sofort folgte ein weiterer Pfeil, abgefeuert aus einer versteckten Nische im Gemäuer. Ich duckte mich gegen einen Haufen aufgetürmter Steine um in Deckung zu bleiben. Meinen Mantel musste ich hier zurück lassen, er würde mich nur behindern und so löste ich die filigrane, silberne Spange die ihn gehalten hatte. Dann hob ich die Spitze meines Stabes dicht an die Lippen und flüsterte zwei mystische Worte.
Ich spürte wie eine sonst unmenschliche Energie mich durchströmte und meine Reflexe sich verbesserten. Ab jetzt hatte ich nur wenige Augenblicke, also sprang ich auf und sprintete leichtfüßig über die Mauer, jedem Pfeil, den die Bogenschützin in der kuren Zeit in meine Richtung sendete, wich ich spielend aus und erklomm mit einem perfekten Sprung das Dach des Turmes. Damit entkam ich endlich aus ihrer Reichweite. In dem Augenblick ließ der Zauber nach und ich musste mich wieder mehr konzentrieren, um mich in Sicherheit zu wiegen.
Auf der anderen Seite des Turmes sprang ich wieder hinunter auf die Burgmauer. Mit meinem lauten Aufkommen hatte ich der Gegnerin vermutlich verraten wo ich nun war, doch vielleicht könnte ich es schaffen schnell genug zu sein um sie von hinten zu überraschen. Geschickt ließ ich mich auf der Außenseite der Mauer hinab und nutzte den Schwung, um mich durch ein halb eingestürztes Fenster ins Innere der Burg fallen zu lassen. Ich hockte am Boden, mit einer Hand abgestützt und lauschte auf die Schritte der Zauberin, die ich gleichermaßen als leichte Vibration im uralten Gemäuer spürte. Von draußen her hallten Schreie und das Zischen funkenstobender Zauber.
Dann sah ich sie, die Bogenschützin lief durch den Gang, halb verdeckt von einem schmalen Torbogen, der weiße Rock wehte geisterhafthinter ihr her, während sie in der grünen, ledernen Rüstung ein Stück mit der Umgebung verschmolz, den Bogen gespannt. Noch bevor ich eine Bewegung machen konnte, fuhr sie herum und dem Surren des heransausenden Pfeils entkam ich nur um Haaresbreite. In den Sekunden in denen ich mich wieder fing, rief sie einen Zauber, die Spitze ihres hölzernen, erstaunlich kurzen Stabes flammte auf. Der Lichtblitz traf mich in an der Hüfte und schleuderte mich nach hinten, denn meinen Umhang mit leichter Magieresistenz, den ich reflexartig hatte vor mich halten wollen, war nicht da. Staub rieselte herab und sofort kämpfte ich mich wieder auf die Füße, sie hatte mich unvorbereitet getroffen, doch nun brauchte sie Zeit um mir nach zu kommen. Zeit die mir einen Vorteil verschaffte.
Sobald sie nah genug war, schoss ein Seil aus Licht an der Spitze meines Stabes hervor. Es wand sich um ihren Arm, die Schulter hinauf und brannte sich unter ihrem entsetzen Aufschrei durch die Lederrüstung und den Stoff ihres Hemdes um rote Verbrennungen zu hinterlassen. Mit ihrem Messer durchtrennte sie die Verbindung des Seils zu meinem Stab und sofort fiel der Zauber in sich zusammen. Weitere Lichtblitze zuckten durch den Gang und schlugen ins Gemäuer ein. Ich stolperte, für einen Moment geblendet, nach hinten und konnte sie nicht entdecken.
Ein kleines goldenes Projektil sauste auf mich zu, gefolgt von etlichen weiteren. So gut es ging versuchte ich mit dem schnell gewirkten Kraftfeld vor meiner Handfläche alle mir gefährlichen von ihnen abzufangen, doch gleich drei durchbrachen meine Deckung und trafen mich unterhalb der Brust in die rechte Seite.
Ich keuchte, die kleinen Lichtkugeln hinterließen platzwundenartige Flecken auf meiner Haut, die den umliegenden Stoff rot färbten. Von der Bogenschützin fehlte jede Spur, hatte sie angenommen ich sei tot?
Es verstrichen drei Atemzüge innerhalb derer ein lauter Schmerzenschrei, gefolgt von einem triumphirenden Lachen ertönten. Der Magier im Hof musste gestorben sein. Ein dunkles Grollen bahnte sich durch das Gestein, ließ die Wände und Decken erzittern und in der nächsten Sekunde löste sich der letzte Halt der alten Steine auf. Tosend brachen die Wände zusammen und die Decke stützte hinab. Ein schneller Schild rette mich davor erschlagen zu werden und am anderen Ende des Ganges sah ich die Zauberin, wie sie triumphierend beobachtet, dass ihr Zauber mir immer größere Schwierigkeiten bereitete.
Binnen Sekunden verwandelte sich der Stolz jedoch in Panik als ihr klar wurde, dass der Einsturz vor ihr keinen Halt machte. Sicherlich hatte sie das anders gedacht, doch sie schien die Magie nicht mehr unter Kontrolle zu haben und im selben Augenblick in dem der Boden unter mir weg brach, stürzte auch über ihr alles zusammen.
"Seregento!", hallte mein Schrei laut und dunkel durch das Chaos und die Zeit wurde zähflüssig wie Honig. Das bedeutete zwar, dass ich meinen Schutz aufgeben musste, doch dafür war es ein leichtes einen Zauber auf die Bogenschützin zu schleudern, der sie, als die Zeit mit einem Schlag normal weiterlief, über die Burg hinaus auf das scharfkantige Ufer schleuderte. Im selben Augenblick riss es mich mit den Gesteinsbrocken zu Boden und die Welt wurde dunkel.
Nur für einen kurzen Moment war ich weg, dann erkannte ich wieder blinzend den Haufen Schutt um mich herum. Mein Rücken, mit dem ich auf den Steinen zuerst aufgekommen war, schmerzte als ich mich aufsetzte und dabei einige kleinere Ziegel von mir schob. Sie hatten etliche Wunden und dem Gefühl nach einige gebrochene Rippen hinterlassen, das war nichts was ein Heilzauber nicht wieder richten könnte. Doch für dieses Vorhaben, musste ich mir schleunigst ein Versteck suchen, denn der unter lautem Grollen einstürzende Mauerteil war natürlich nicht unbemerkt geblieben.
Hin und her gerissen überlegte ich einen runden Schild um mich zu legen, der mich jedoch einiges an Kraft kosten würde, oder auf mein Glück, noch für einen Moment noch unentdeckt zu bleiben, zu hoffen. Diese Entscheidung wurde mir abgenommen als die Hexe vom Anfang mit einem katzenhaften Sprung am Rand des Trümmerhaufens landete und mich mit funkelnden, roten Augen anvisierte.
Ich wirbelte etwas ungelenk meinen Stab herum und die Schutzkugel umgab mich bevor sie etwas tun konnte. So schnell wie es irgendwie möglich war rannte ich los. Die Platzwunden brannten und die gebrochenen Rippen schmerzten mit jedem Atemzug, genau wie mein vermutlich verstauchte Knöchel und doch nahm ich keine Rücksicht darauf.
***
Ich hastete eine Wendeltreppe nach oben, kurz bevor ich ankommen konnte, sprang ich jedoch über das vermoderte Geländer hinab, auf geradem Weg wieder nach unten. Ein leiser Schmerzenslaut entwischte mir als ich auf dem verletzten, sowie dem gesunden Fuße landete und mein mitgenommener Körper zusammengestaucht wurde. Doch ich schaffte es ansonsten still zu bleiben und mich schwer atmend unter der Treppe zu verstecken. Die schützende Kugel hatte sich längst wieder aufgelöst, doch hier würde die Hexe mich, zumindest vorübergehend, nicht finden.
Endlich murmelte ich die wohltuenden Worte des Heilzaubers und die magischen Steine taten ihr übriges um mich zu versorgen. Es war jedes Mal aufs neue ein unfassbares Gefühl wie die Kraft in den Körper zurück kehrte und die Wunden mit leichtem Kitzeln heilte.
Es gab einige Magier die süchtig nach dem nahezu berauschenden Zauber wurden und begannen sich selbst zu verletzen nur um sich im Anschluss zu heilen. Eine Tätigkeit die, die eigenen Kraft immer weiter schwächte und damit Körper und Geist zerbrechlich werden ließ.
Ich nahm mir die Zeit, einen Moment lang dort zu sitzen, gut versteckt und aufmerksam lauschend, bis ich nicht mehr nur die Schritte der Hexe über mir hörte, sondern auch das Wellenrauschen und die Geräusche eines weiteren Kampfes, irgendwo in dem Gewölbe. Die rotäugige Magierin schien nicht nur ehrgeizig zu sein, denn das waren wir alle, sie schien sich ihres Talents bewusst und war vielleicht sogar etwas zu selbstsicher damit. Trotzdem war sie eine verdammt gefährliche Gegnerin. Anders als die Bogenschützin, die mich zwar mit der schieren Menge ihrer Zauber überrascht, später jedoch die Kontrolle verloren und sich praktisch selbst in den Tod gestürzt hatte.
Als die Hexe sich, auf der Suche nach mir, ein ganzes Stück entfernt hatte, kam ich leise wieder hervor. Mit gezücktem Stab machte ich mich auf die Suche nach den verbliebenden Kämpfern, denn in einen bestehenden Kampf überraschend einzugreifen, könnte zwei weitere Gegner ausschalten. Ich vermied den grasbedeckten Hof und huschte, geduckt hinter der Brüstung, eine Treppe hinauf zu einem Balkon, von dem aus ich in einen offeneren Teil der Burg gelangte.
Es tat sich vor mir ein großer Saal auf, halb getrennt von den Säulen die eine Galerie trugen, von der aus man durch die, einst prunkvollen, Bogenfenster hinaus auf das Meer sehen konnte.
Auf dem mehrfach gesprungenen Mamorboden lag eine Gestalt, neben ihr einige verwischte Blutstropfen. Ich schwang mich über die Brüstung, mit gesunden Füßen war es für mich kein Problem nach einem Sprung aus drei Metern Höhe sicher zu landen. Mit wenigen Schritten war ich bei der Gestalt, sah mich kurz um ob jemanden in meiner Nähe war und beugte mich über den Magier. Obwohl er graue Haare hatte, die wirr um sein Gesicht lagen, war er genau so jung wie alle anderen auch. Seine eiskalte Hand krampfte sich um einige oval geschliffene, scharfkantige Steine in königsblauer Farbe. Der Stab und jegliche anderen, magischen Gegenstände, die auf ihn selbst zugeschnitten waren, waren mit seinem Tod zu feinem, weißen Staub zerfallen. Doch diese Steine waren nicht auf einen Magier geprägt und vor allem nicht auf ihn, denn ihre Farbe hob sich kontrastartig von dem sonst warmen Rot der Ornamente auf seinem Gewand ab. Das Einzige was sie besonders machte war ihre Seltenheit, denn wenn mich nicht alles täuschte, waren das hier kleine magische Geschütze, deren Anwendung zwar schwer zu erlernen, dafür aber umso mächtiger war.
Ich verstaute den kleinen Schatz sicher in einer Tasche meines Mantels und musterte den Zauberer, auf der Suche nach seiner Todesursache.
An seiner Brust, größtenteils verborgen durch die Kleidung, fand ich schließlich etwas, dass mich staunen ließ. Er wurde durch einen Verwandlungszauber getötet, sein halber Oberkörper bestand nun aus rau melierter Baumrinde und massivem Holz. Die Verwandlung musste ihn sämtlicher lebenswichtiger Organe beraubt haben und war vermutlich unaufhaltsam gewesen, denn wer auch immer es vermochte mit Verwandlungen zu töten, war ein starker Gegner.
Stark, aber scheinbar unaufmerksam, denn er hatte es versäumt die königsblauen Edelsteine an sich zunehmen.
Ich überließ die Leiche sich selbst und lief weiter in die Richtung, aus der stetig die Geräusche von zischenden Zaubern herüber getragen wurden. Der Wind hatte mit der Zeit abgeflaut, auch wenn er immer noch kalt und schneidend war. Hinter den Mauern hellte sich der Horizont langsam auf und bald würde die Sonne versuchen ihre Strahlen durch die dichte Wolkendecke zu schicken.
Es wurde Zeit, dass sich die Gewinner zeigten und scheinbar hatten erst zwei von uns ihr Leben gelassen.
Ich folgte einem Gang nach draußen in den Hof. Mit dem unguten Gefühl beobachtet zu werden trat ich ins Freie. Mein Blick huschte hinauf zu der von Zinnen gezierten Mauer, von dort aus wäre es ein Leichtes mich mit einigen gezielten Projektilen zu treffen.
Ich konnte niemanden entdecken, doch wer wäre schon dumm genug sich blicken zu lassen?
Ein Kampfschrei ertönte und ich fuhr herum. Im letzten Moment riss ich meinen Stab hoch um die beiden Kingen der rotäugigen Magierin abzufangen, so dass sie lange Kratzer in dem weißen Holz hinterließen. Ich sprang zur Seite, verstaute in einer fließenden Bewegung den Stab auf meinem Rücken und zog dafür mein Schwert hervor, dessen Griff sich warm in meine Hand schmiegte. Entweder war die Hexe in ihrem engen violetten Oberteil und dem fließenden Cape, sich darüber bewusst, dass ich mit meinem Stab sehr gut umgehen konnte oder sie war schlichtweg besser im Nahkampf. Ich hoffte, dass sich Letzteres Bewahrheiten mochte, denn das bot mir eine Chance gegen sie zu gewinnen, nachdem sie den Zauberer, der sich zu Anfang verraten hatte, gnadenlos getötet hatte.
Sie entfernte sich einige Schritte und beobachtet mich abschätzend, in ihrem Blick versuchte ich zu lesen was sie dachte. Der nächste Angriff kam genau so unvorhergesehen wie der Erste schon, als sie mit unmenschlicher Sprungkraft auf mich zu setzte und von oben ihre Schwerter auf mich herab sausen ließ. Funken stoben als das Metall unserer Klingen aufeinander prallte und der Schwung ihres Sprunges hätte mich beinahe umgeworfen. Es blieb mir keine Zeit Abstand zu nehmen, sofort ließ sie eine Salve an Schlägen auf mich los, die ich nicht alle schaffte zu parrieren, sodass sie mir eine Wunde an der Schulter verpasste.
Der kurze Ausdruck von Triumpf huschte über ihr Gesicht, als sie geschickt einem Angriff meinerseits auswich, geduckt unter meinem Arm hindurch tauchte und im Innbegriff war mir die Klingen in den Rücken zu rammen. Mit einer Hand riss meinen Stab hoch um mit mehr verdrehtem, als starken Arm den Stoß abblockte. Sofort nutzte sie meine missliche Lage, hieb mit der Klinge nach meinem Arm und brachte mich in der selben Bewegung zu Fall. Ich spürte wie Blut meinen Oberarm hinab zum Ellbogen rann und von dort durch den aufgerissenen Stoff zu Boden tropfte.
Trotz der schmerzhafen Verletzung ließ ich den Stab nicht los. Eine unsichtbare Wand von mir stoppte ihren Sprung auf meine am Boden liegende Gestalt und ich kam auf die Füße. Ich musste unbedingt mehr Abstand zwischen uns bringen. Die beiden Schittwunden die sie mir zugesetzt hatten waren auszuhalten, doch sie schien kaum Schaden aus unserem Kampf davon zu tragen.
Verbittert starrte sie mich an, wollte gerade wieder los springen, als ihr Blick zu der zerstörten Mauer neben uns herum schnellte, von der aus man das tobende Meer sehen konnte. Dierekt daneben ragte der Turm, das Prachtstück der Burg, auf. Im nächsten Augenblick stützte aus dem größten seiner Fenster eine Gestalt. Lodernden Flammen fraßen sich an den Rändern ihres Umhangs hinauf, mit denen der Zauberer zu beschäftigt war sie zu löschen, als dass er seinen Sturz hätte abfangen können. Er schlug hat auf den Boden auf, und zerstörte dabei einige der jungen Bäume. Ihm folgte ein weiterer Magier, getragen durch die scheinbar aus Licht bestehenden Flügel auf seinem Rücken, die sich kurz vor dem Boden verflüchtigten. Schnell wurde mir bewusst, dass er nur in der Luft so elegant ausgesehen hatte, denn in Wahrheit hatte der vorherige Kampf auch ihm deutlich zugesetzt.
Viel zu lange starrte ich die Beiden an, die schon wieder, mit in der Luft aufeinandertreffenden Zaubern zu kämpfen begannen. Erst im letzten Moment konnte ich den Blick von den irgendwie faszinierenden Magiern lösen und der erneuten Attacke der Hexe stolpernd ausweichen. Es war unausgesprochenes Gesetz, dass man während des Kampfes kein Wort verlor, abgesehen von Zauberformeln, doch im Gesicht meiner Gegnerin sah ich nahezu die spöttische Bemerkung.
Kurzerhand traf ich eine Entscheidung und ließ wieder meinen unsichtbaren Schild erscheinen, wieder wurde sie zurück geworfen. Die Zeit nutzte ich um mich über das Geländer der Treppe zu schwingen, die hinauf auf die Mauer führte. Nun wieder ungeschützt, beobachtet ich, wie die Hexe sich ihre scheinbar tierähnlichen Kräfte zu Nutze machte und mit Leichtigkeit die Wand erklomm, um mich auf der Burgmauer zu erwarten, nur das ihr das misslingen würde.
Ich murmelte den Spruch, der mir schon länger auf den Lippen gelegen hatte und wieder schoss aus meinem Stab das leuchtende Seil hervor. Zielsicher wand es sich um ihre Hüfte und schlängelte sich den Oberkörper herauf zu ihrem Arm. Von der Brüstung aus stieß ich mich ab und nutzte die magische Verbindung um mich zu ihr heranzuziehen.
Bevor ich mein Ziel erreichen konnte, ließ sie die Mauer los, durchtrennte das Seil und stürzte genauso zu Boden, wie ich. Während sie erschrocken versuchte sich mit einer Rolle abzufangen, landete ich auf den Füßen. Brandblasen zogen sich über ihren Oberkörper, deren Brennen sie mit zusammengebissenen Zähnen ertrug.
Hinter mir wallte Hitze auf und ich wirbelte herum, die anderen beiden Magier hatten die Sträucher in Brand gesteckt und der junge Mann, der die Flügel gehabt hatte, kämpfte verzweifelt dagegen an nicht von seinem Gegner in die Flammen gestoßen zu werden.
Plötzlich erfasste mich von hinten ein Gefühl tausender Nadeln die sich in meine Haut zu bohren schienen.
Zweifellos hatte sich die Hexe in den wenigen Augenblicken der Ablenkung erholt und war bereit sich zu rächen. Der Schmerz wurde immer schlimmer und zwang mich beinahe in die Knie. Allein der Wille sie nicht gewinnen zu lassen, ließ mich den Zauberstab zielsicher auf sie gerichtet herumfahren.
"Kataré inygi!", rief ich und sofort ebbte der Zauber ab.
Die Hexe sackte zusammen, für einige Sekunden ihrer Kräfte beraubt. Das hätte meine Chance sein sollen sie mit einem gezielten Schwerthieb zu töten, doch meine Aufmerksamkeit wurde unweigerlich von den anderen zwei Kämpfern gefordert. Gefräßige Flammen loderten am Stab des Einen auf und sie kamen seinem Gewand immer näher.
Ich fühlte mich gewissermaßen in Zwei gerissen, er war mein Gegner, doch die Faszination, die ihn umgab, ließ mich alles dafür tun wollen ihn zu retten. Denn im Moment sah es nicht so aus, als könnte er diesen Kampf gewinnen.
In dem Wissen, dass es das Dümmste war, was ich tun konnte, rannte ich los. Auf den kräftigen Zauberer zu, der mit seinen Stab den Anderen immer weiter in die Flammen drängte. Es kostete mich fünf lange Schritte um in seine Reichweite zu gelangen, das Schwert sicher in der Hand. Die Klinge schnitt durch die Luft und als sie an meinem Ort vorbei sauste, hörte ich das helle Pfeifen. Ich hätte zielsicher seinen Halse getroffen doch mitten in meiner Bewegung drehte er sich seelenruhig herum und sah mich an.
Er hatte die Realität nicht manipuliert und doch schien alles still zu stehen. Grinsend sah er mich an und streckte die Hand aus, als hätte er alle Zeit der Welt. Mit den Lippen formte er einen stummen Zauber und eine Welle an Hitze schoss mir entgegen. Plötzlich verflüchtigte sich die unerklärliche Zeitlupe und ich wurde nach hinten geschläeudert. Ungewollt landete ich auf der ohnehin verlezten Schulter, die mit einem umnehmen Geräusch aus dem Gelenk sprang. Flammen loderten mir entgegen und züngelten in erschreckendem Tempo meinen Mantel hinauf. Sofort löste ich die Knopfleiste und ließ den dunklen Stoff von meinen Schultern gleiten. Ohne, dass es noch das Zutun des Magiers brauchte umzingelte das Feuer mich. Mein rechter Arm hing so gut wie unbrauchbar am Körper herab, als ich herum schnellte, um einen kurzen Blick zu der Hexe zu werfen, die immer noch außer Gefecht zu sein schien.
In dem kurzen Augenblick waren die Flammen bis an meine Fußspitzen vorgedrungen und ich stolperte zurück. Es schien der halbe Burghof in Hitze aufzugehen und der Wind trieb die dichte Rauchwolke über das Meer. Panische Angst machte sich in mir breit, als die Feuerwand immer weiter mein Sichtfeld einnahm, von dem Engelsmagier war nichts mehr zu sehen, geschweige denn zu hören. Nur das bedrohliche Knacken und Zischen des Feuers umgab mich.
Ich schloss die Augen und atmete tief die schwelend heiße Luft ein um Kraft zu sammeln. Unter einem stechenden Schmerz in meiner Schulter riss ich mit beiden Armen den Zauberstab über den Kopf. "Tesoré inigme!", rief ich so laut es meine Lungen zu ließen und stieß den Stab mit aller Macht zu Boden. Sofort spürte ich wie sämtliche Kraft aus meinem Körper wich, die der Zauber beanspruchte, da die Steine an der Spitze des Stabes nicht stark genug waren.
Im selben Augenblick in dem ich benommen in die Knie sank, fegte eine Druckwelle, von mir ausgehend, über den Burghof, sprengte große Teile des Gemäuers und löschte alle Flammen restlos aus.
Ich atmete schwer, fand nicht die Kraft mich aufzurichten und nach den übrigen Magiern umzusehen. Noch bevor ich sowei war, ließ mich ein Schmerzstoß im Rücken erstarren. Ich spürte die eiskalten Klingen die sich tief in meinen Brustkorb bohrten.
"Erbärmlich.", zischte eine Stimme, die ich zuvor nie gehört hatte, jedoch sicher der katzenartigen Magierin zuordnen konnte. Dann versank die Welt in tiefen, undurchdringlichem Schwarz.
Mit dem Tod endeten Spüren und Denken.
Es endete das Sein.
Seit der Erkenntnis darüber hatte ich mich gefragt wie dieser letzte Moment sich anfühlen mochte und ich hatte mir geschworen alles dafür zu geben, ihn heute nicht erleben zu müssen. Und doch, hatte ich versagt.
Es umfing mich Kälte, eine Kälte wie ich sie nie zuvor gefühlt hatte, sicherlich die Leere meines eigenen Körpers, der sein Leben und somit auch seine warme, stetig fließende Magie verloren hatte.
Ich wartete, wartete darauf, dass etwas geschah.
Dass es endete.
Nichts.
Plötzlich war es, als hätte mich jemand grob herum gerissen, weg von dem ungewissen Ort an dem ich gerade noch gewesen war, zurück auf den Boden. Unebener Boden, unter meinen Handflächen bedeckt von lebensschwachen Grashalmen.
Da war noch mehr.
Dünner Stoff, der an meiner Brust klebte, vollgesaugt mit Blut, wie mir klar wurde, und der glatte Stab auf dem meine Fingerkuppen ruhten.
"Es ist Zeit aufzustehen.", mahnte mich eine warme Stimme und ich öffnete schlagartig die Augen. Sofort stützte ich mich auf, um auf die Füße zu kommen, doch sobald ich meine rechte Schulter beanspruchte sackte ich mit einem überraschten Schmerzenslaut in mich zusammen. Die Wunden auf meinem Rücken brannten und mein Körper fühlte sich so schwach und ausgelaugt an wie nie zuvor. Dennoch kam ich achtsam ins Sitzen.
Argwöhnisch musterte ich den jungen Magier der vor mir saß und mich prüfend ansah.
"Warum hast du das gemacht?", fragte ich leise und ohne jede Wärme in der Stimme. "Dich gerettet? Ich dachte als eine Art Dank. Hast du nicht das Selbe für mich getan?"
Das hatte ich, das wusste er genau, doch anstatt darauf einzugehen, fragte ich weiter, dieses Mal jedoch in neutralem Tonfall: "Was ist passiert?"
Er nickte langsam. "Das ist eher die Frage die ich erwartet hatte." Mit der Antwort ließ er sich Zeit, sah sich um und als ich seinem Blick folgte, blieb er an der Hexe hängen. Sie lag da, die roten Augen aufgerissen vor Erstaunen, die Hälfte ihres Körpers zu hellem Stein erstarrt.
"Warst du das?", wollte ich wissen ohne die Ehrfurcht in meiner Stimme verbergen zu können.
"Als du die Druckwelle gesandt hast, hast du mich gerettet. Ich kann nicht leugnen, dass die Flammen sich längst über meinen Rücken hergemacht hatte und ich dem Tod ins Auge geblickt habe. Der Turm ist eingestürzt, er muss instabiler gewesen sein als andere Teile der Mauer. Es war wohl unfassbares Glück, dass die Steine nicht mich, sondern meinen Gegner erschlagen haben. Sein Körper ist zermalmt, sei froh, dass du dir den Anblick sparen kannst." Mit der Hand deutete er vage hinter mich, doch ich fand nicht die Kraft mich umzudrehen.
"In dem Moment, in dem ich mich von den Verbrennungen heilen wollte, habe ich gesehen, wie diese hinterlistige Schlange dich gewissermaßen abgestochen hat. Sie hatte sich schon lange von deinem Zauber erholt, jedoch wohl ihren Vorteil darin gesehen, das nicht zu offenbaren. In diesem Augenblick habe ich mich für dein Leben, anstatt für meine Heilung und sie als künftige Magierin entschieden. Den Rest kannst du dir zusammen reimen.", schloss er. Ich dachte er sei fertig, doch mit leiser Stimme fuhr er fort: "Ich hätte dich gerne ganz von den Schmerzen befreit, doch auch meine Kraft hat ihre Grenzen erreicht und für das Erste konnte ich nur dein Leben retten."
Ich musste schmunzeln. "Da sitzen wir. Die nächsten Magier, auf hundert Jahre an unser Amt gebunden und nur am Leben weil wir einander geholfen haben, was doch sonst keinem hier in den Sinn gekommen wäre."
"Nur eine Sache kann ich nicht verstehen. Warum hast du so viel geopfert um mir zu helfen?", forschte er nach und blickte mich eindringlich an. Ich erwiderte seinen Blick und bemerkte erst jetzt wie eingefallen seine Wangen waren, dass sein Oberteil nur lose an ihm hing, weil große Teile davon verkohlt waren und sich schmerzhaft aussehende Verbrennungen über seine Schultern zogen.
"Willst du eine ehrliche Antwort?"
Er nickte stumm.
"Von dem Moment an in dem du mit Flügeln aus Licht vom Turm herab geschwebt bist, hast du mich fasziniert. Der Gedanke ließ mich nicht los, nicht einmal als ich mich auf den Kampf hätte konzentrieren müssen. Es war eine dumme Idee, völlig lebensmüde. Doch in dem Moment habe ich kaum länger nachgedacht, als an die Chance wir Beide könnten das hier überleben. Und jetzt... jetzt hast du dich von dem selben Gedanken leiten lassen.", gab ich zu und sah mit warme Wangen an ihm vorbei.
Stillschweigend saßen wir im Licht der aufgehenden Sonne, die ihre Strahlen durch kleine Löcher in der Wolkendecke schickte. Es roch nach den verkohlten Ästen der jungen Bäume, nach einem Hauch von Blut und salziger Seeluft.
Für mich war es der Geruch einer neuen Reise die begann, einem neuen Abschnitt, den ich niemals erwartet hätte auf diese Weise zu erleben.
Mit jeder Minute gewann mein Körper langsam an Energie zurück, bis ich mich schließlich auf wackelige Beine kämpfte. "Ich denke es ist an der Zeit von hier zu verschwinden. Die Gewinner dieser Nacht stehen fest.", sprach ich aus, was auf der Hand lag.
Der Magier neben mir nickte. "Ich denke, das ist nur das Erste von vielen Malen, dass wir beide uns begegnen. Möge dich die Magie begleiten, bis es wieder soweit ist."
Er lächelte und das war das Letzte was ich sah, bevor die geheimnisvolle Kraft, die mich auch hier her gebracht hatte, uns wieder verschluckte und fort trug.
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In den lezten Tagen habe ich unfassbar viel Zeit in diese 4700 Wörter gesteckt, die im Zuge einer Schreibchallange entstanden sind.
Ich bin tatsächlich sehr stolz auf das Ergebnis und würde mich sehr über ein bisschen Feedback freuen.
Konnte man die Kamfszenen und die Spannung mitfühlen?
Und wie sehr stört es so wenig über den Protagonisten zu wissen?
Ich freue mich sehr über Verbesserungsvorschläge :)
Izy
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