1. Fliegen
Ich renne. Doch so fühlt es sich nicht an. Mein Körper rennt. Mein Herz steht gemeinsam mit meiner Seele noch genau da, auf den knirschenden Holzbrettern, deren splittrige Rauheit ich erst vor wenigen Momenten verlassen habe.
Aber es fühlt sich wie eine Ewigkeit an.
Ich kann nichts wirklich einordnen. Mein Atem ist schnell und ungleichmäßig, genau wie die Schritte meiner nackten Füße auf dem feinen Sand, in dem sie bei jedem Schritt etwas einsinken.
In den kleinen Abständen beim Laufen, in denen keiner meiner Füße den Boden berührt, spüre ich die vertraute Schwerelosigkeit, die bis jetzt immer nur eine unsinnige Sehnsucht, ein alberner Kindertraum war.
Das unwohle Gefühl in meiner Magengegend nimmt von Sekunde zu Sekunde ab, in denen ich dem Ziel immer näher komme. Die Klippen. Sie erschienen mir immer so riesig. Nichts im Gegensatz zu der Größe dieses Moments. Dieser Stunde, die alles auf den Kopf stellt.
Ich würde gern behaupten können, dass ich mir Sorgen mache, überhaupt irgendwelche Gefühle empfinde neben dieser seltsamen neuen Freiheit, verbunden mit tiefer Erleichterung, die ich immer noch zu begreifen versuche. Nichts dergleichen ist existent. Nicht einmal der Anstrengung bin ich mir bewusst, währund ich immer höher und steiler bergauf stürme.
Unaufhaltsam fühle ich mich.
Der Sand unter mir weicht dem pieksenden Grass der Steppen, doch ich achte nicht darauf. Schon bald umgibt mich nichts anderes mehr als die Luft, das Nichts, Leere. Keine Ahnung, woher ich die Sicherheit nehme, doch sie scheint so real und greifbar wie die robusten Flügel an meinem Rücken.
Flügel. Meine Flügel. Besser noch, meine Freiheit, mein Fluchtweg, die Lösung für alles.
Der starke Wind nimmt zu. Nichts schützt mich mehr oder schränkt mich ein. Ich sehe das schräge Ende der Klippe, über der nur Himmel und Wolken liegen. Ein Lachen dringt aus den Tiefen meiner Kehle, gedämpft von besagtem Wind. Es ist ein Lachen puren Glücks, eines, das die Welt noch nicht gesehen haben kann, anders will mein Kopf es sich nicht erklären.
Ich werfe keinen letzten Blick zurück oder verabschiede mich, ob laut oder leise. Es gibt nichts, was mir fehlt, nichts, was mir je fehlen wird.
Nie, sage ich mir, der Rest ist für immer, komme mit Anlauf an den Klippen an, springe, breite die gigantisch wirkenden Flügel aus und meine Zuversicht hat Recht.
Ich fliege.
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