20. Tardy
!Triggerwarnung!
Der mich gestohlen hat
PoV Ardy
Ich war mir vorgekommen, als hätte mir jemand alles genommen, was ich gehabt hatte.
Ich war einkaufen gewesen. Ganz normal wie jeden Mittwoch war ich danach zu unserer Wohnung zurück geschlendert. Eigentlich hatte ich keine große Lust gehabt, nach Hause zu kommen und mich von meiner Mutter beleidigen und meinem Vater schlagen zu lassen, doch wenn ich floh, würde bei meiner Heimkehr alles nur noch schlimmer werden, wie ich schon am eigenen Leib hatte erfahren müssen.
In vier Monaten würde ich hier endlich raus kommen. Dann war ich volljährig und niemand konnte mir vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen hatte. Ich hatte vor, mich nächste Woche bei einem Studio für graphische Gestaltung und Bearbeitung von Videomaterial zu bewerben. Ich hatte ein gewisses Talent für sowas und da der Laden in meiner Nähe sowieso gerade nach Mitarbeitern suchte, schätzte ich meine Chancen eigentlich ganz gut ein.
Das war mein Plan.
Ich hatte bis dahin eigentlich ein normales Leben mit mehr oder weniger normalen Teenager Problemen, normalen Freunden und einer relativ normalen Umgebung gehabt. Ich war an diesem Abend eine Abkürzung gegangen, um mich nicht zu verspäten, aber an mein Ziel war ich trotzdem nicht gekommen.
Die engen Gässchen in diesem Viertel waren mir sowieso schon immer suspekt vorgekommen, doch heute verspürte ich bei jedem Schatten, jeder Bewegung die ich sah, jedem Windhauch den ich spürte und jedem Geräusch das ich hörte ein immer mulmiges Gefühl in der Magengegend.
Berechtigt.
Ich hatte das Viertel fast verlassen und wollte gerade erleichtert aufatmen, dem seltsamen Gefühl entkommen zu sein, als ich aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm und mir kurz darauf jemand eine Hand über den Mund legte. Noch ehe ich mich wehren konnte, hatte mir die Person einen Riemen um den Oberkörper geschlungen und um meine Arme festgezurrt. Dann stopfte mir jemand einen Knebel in den Mund, der mich augenblicklich würgen ließ und schlussendlich zog man mir ein Tuch über die Augen, das so fest geknotet war, dass ich auch kaum mehr etwas hören konnte.
Dieser Bewegungsablauf musste lange geübt worden sein, denn er ging völlig geräuschlos und innerhalb weniger Sekunden von statten. Jetzt stand ich da, völlig in Dunkelheit gehüllt und unsicher, da mir mit meinem Seh- Und Gehör- auch der Gleichgewichtssinn geraubt worden war. Mein Herz klopfte laut und ich konnte nur noch das Rauschen meines Blutes hören.
Irgendwann packte mich jemand und hob mich hoch. Als ich versuchte, mich zu wehren, indem ich mit den Beinen strampeln wollte, merkte ich, dass man mir die Schnürsenkel aneinander geknotet und zusätzlich die Knie zusammengebunden haben musste. Panik stieg in mir hoch, doch mit aller Kraft verhinderte ich, dass sie von meinem Körper Besitz ergriff. Ich wusste, dass es mir nichts brachte, mich zu wehren, ich würde nur meine Energie verschwenden. Und ich wusste nicht, und wollte auch nicht wissen, was noch von mir verlangt werden würde.
Eines war mir damals schon klar. Niemand würde Rücksicht auf meine Bedürfnisse nehmen.
Meine Befürchtungen bewahrheiteten sich.
Ich kam an einen Ort, der mir anfangs vorkam wie die Hölle. Ich war in einem Raum, der aussah, wie eine Gummizelle. Ich wusste nicht, wie lange ich dort saß und wartete, aber ich merkte, dass ich langsam austrocknete. Niemand gab mir etwas zu trinken, geschweige denn Essen.
Gefangen in wahnsinnigen Illusionen, mit denen mein Körper wohl versuchte, den Wassermangel zu kompensieren, kam jemand und rettete mich. Es war ein Mann. Er war größer als ich, hatte blonde Haare und fesselnde blaue Augen. Er sah beängstigend aus. Er sah gut aus. In diesem Moment war er mein Held.
Er rettete mir mein Leben und das nicht nur einmal.
Ich wusste nicht genau, wo ich gelandet war, aber ich hatte die Vermutung, es könnte eine Art Versuchslabor sein, in dem die menschliche Schmerz und Willensgrenze ausgetestet wird.
Immer wenn ich von dieser maskierten Person, die mich täglich abholte, in einen der Räume geführt wurde, in dem mir die schlimmsten Dinge angetan wurden, war es der Blonde, der mich am Ende des Tages abholte und sicher auf mein Zimmer brachte. Doch immer verschwand er wortlos und tauchte erst am nächsten Tag wieder auf.
Anfangs war ich einfach nur erleichtert gewesen, ihn sehen zu können, denn er bedeutete Sicherheit. Ich machte mir nie Gedanken über seine Beweggründe. Doch er hatte welche.
Er wollte mein Vertrauen.
Und als er es hatte, begann er, mir alles zu nehmen.
Meine Freiheit.
Ich fand schnell heraus, dass ich nicht der Einzige war, der hier gefangen gehalten wurde. Wir waren mindestens zehn, alles Jugendliche in meinem Alter, vier Mädchen und fünf oder sechs Jungen, die ich schon getroffen hatte, doch etwas sagte mir, dass hier noch viel mehr Menschen eingesperrt waren.
Ich hatte noch nie mit jemandem geredet, mit keinem Gefangenen, mit keinem maskierten Wärter, nicht einmal mit dem Blonden. Ich hätte gerne, doch ich durfte nicht. Der Blonde hatte mir einen Zettel mit Regeln gegeben. Und ich musste sie einhalten, sonst wurde ich bestraft. Ich wusste, dass es nicht so war, aber es kam mir trotzdem vor, als hätte der Blonde die Regeln aufgestellt und ich konnte nicht anders, als ihn dafür zu hassen.
Meinen Willen.
Er machte mit mir, was er wollte und ich musste mich ihm fügen.
Und natürlich tat das hier eigentlich jeder, aber er war nun mal die einzige Person, die ich identifizieren konnte, der ich ein Gesicht zuordnen konnte und deshalb hatte dieses Verhalten auch nur bei ihm eine Wirkung auf mich.
Und schließlich sogar meine Unschuld.
Ich kann und will nicht beschreiben, was passiert ist, aber es war schrecklich. Er war meine einzige Bezugsperson gewesen und hatte mir das Einzige genommen, was ich noch gehabt hatte.
Und trotzdem liebte ich ihn.
Ich weiß nicht warum, bis jetzt habe ich keine Ahnung.
Stockholm Syndrom?
Als die Entführung eines armen jungen Mädchens vor einigen Jahren ganz groß in den Medien gewesen war, hatte uns unsere damalige Deutschlehrerin erst über das Stockholm Syndrom recherchieren und dann einen Aufsatz schreiben lassen. Das genaue Thema war gewesen: „Wie würde sich das Stockholm Syndrom auf mich auswirken?"
Ich habe keine Ahnung, wer sich diese bescheuerte Idee ausgedacht hat, aber jedem schien etwas dazu einzufallen, nur mir nicht. Ich wusste nicht, wie es war, eine emotionale Bindung zu jemandem aufzubauen, denn ich war immer von meiner Familie gehasst und meinen Klassenkameraden ignoriert worden. Ich hatte nie erfahren, was Liebe bedeutete.
Mein Aufsatz hatte aus einem Satz bestanden:
>> Wenn ich nicht mal weiß, wie sich Liebe anfühlt, wie soll ich sie dann zu einer wildfremden Person aufbauen? <<
Meine Lehrerin hatte sich fürchterlich aufgeregt und mich gezwungen, einen normalen Aufsatz zu schreiben. Niemand hatte meinen stummen Hilferuf verstanden. Niemand hatte sich für mich interessiert.
Und doch war genau das passiert. Ich hatte Gefühle für den Blonden entwickelt, die ich nie gekannt hatte und die mich kaputt machten. Sie fühlten sich gleichzeitig richtig und falsch an. Sie spielten verrückt, wenn er mich berührte. Sie kochten bei jeder Gelegenheit in mir hoch.
Doch ich durfte sie nicht zeigen.
Sie waren wohl trotzdem offensichtlich genug. Als mich der Blonde einmal nach einem besonders schlimmen Tag abgeholt hatte, war ich auf dem Weg zusammen gebrochen. Er hatte mich hochgehoben und weiter getragen. Und ich hatte das Bedürfnis verspürt, mich bei ihm zu bedanken. Als er mich auf meinem Bett abgesetzt hatte, streckte ich meine Arme nach ihm aus. Und entgegen meinen Erwartungen, kam er auf mich zu und zog mich in eine feste Umarmung. Irgendwie hatten unsere Lippen zueinander gefunden. Doch nach einigen Sekunden, in denen ich die intensivste und schönste Berührung meines Lebens hatte spüren dürfen, war er aufgesprungen, hatte mich erschrocken angesehen und war aus dem Zimmer gerannt.
Es war nicht bei diesem einen Kuss geblieben und seine Reaktion hatte sich deutlich geändert. Alle meine weiteren Küsse waren nicht unerwidert geblieben.
Ich hatte mein Zeitgefühl verloren. Vielleicht war ich einen Monat dort gewesen, vielleicht ein Jahr.
Ich hatte nicht auf Rettung gehofft. Doch plötzlich war sie gekommen. Der Blonde war mitten in der Nacht in mein Zimmer gestürzt und hatte mich geweckt. Er hatte einen Finger auf die Lippen gelegt und mir so signalisiert, bloß leise zu sein. Dann hatte er mich an der Hand nach draußen auf den Gang gezogen.
Ich war nachts immer in meinem Zimmer gewesen und hatte deswegen nie mitbekommen, dass die Beleuchtung nur tagsüber an war. Jetzt war es stockdunkel, aber der Blonde schien sich gut genug auszukennen, um den Weg auch im Dunkeln finden zu können. Oder er war hier öfter nachts unterwegs.
Eine gefühlte Ewigkeit lang war ich durch ein riesiges System aus Gängen und Tunneln gezerrt worden, die Orientierung hatte ich längst verloren, doch irgendwann hatten wir vor einer angelehnten Sicherheitstüre gestanden. Ganz leise war mein Begleiter darauf zu geschlichen und hatte sich dabei an der Wand entlang bewegt. Auf meinen fragenden Blick hin hatte er nach oben gedeutet, wo ich ein rotes blinkendes Licht erkennen konnte. Eine Kamera und der Blonde schien ihren toten Winkel zu kennen.
Ich war ihm auf dieselbe Weise gefolgt und zusammen waren wir an der Türe angekommen. Vorsichtig hatte der Blonde sie ein Stück aufgedrückt und war hindurch geschlüpft. Als auch ich draußen stand, packte er mich sofort am Handgelenk und hielt mich vom Weiterlaufen ab. Und nach einigen Blicken nach oben war mir auch bewusst warum; Der komplette Hof war gespickt mit Kameras.
Ein erschrockener Ausdruck hatte sich auf mein Gesicht gelegt, doch mein Begleiter hatte nur zuversichtlich gegrinst und mir dann bedeutet, ihm zu folgen. Die nächste halbe Stunde hatten wir damit verbracht, uns an Hausmauern entlang zu schlängeln und so den Kameras auszuweichen.
Und irgendwann hatten wir es endlich geschafft. Wir standen vor dem Hoftor, das mein Begleiter mit einer eingegebenen Zahlenkombination öffnete. Schnell schlüpften wir hindurch und liefen einige Straßen weiter, ehe wir kurz Halt machten. Und als wir nebeneinander auf der Straße standen, um uns herum völlige Stille, konnte ich ein Gefühl der Freiheit spüren, das so berauschend war, dass ich es irgendwie zum Ausdruck bringen wollte. Also drehte ich mich zu meinem Begleiter um und fiel ihm um den Hals. Er erwiderte die Umarmung.
Und plötzlich fragte er: „Wie heißt du?" Überrascht sah ich ihn an. Ich hätte nie erwartet, dass er eine so tiefe Stimme hatte, aber sie gefiel mir. „Ardy", murmelte ich leise, „Und du?" „Taddl", flüsterte er. Lange sahen wir uns nur in die Augen, bis ich leise anfing zu reden: „Taddl, ich hab keine Ahnung warum, aber ich glaube... also vielleicht liebe ich dich" Verunsichert hatte ich ihn angesehen. War das zu früh gewesen? Doch Taddl näherte mir sein Gesicht ein wenig und flüsterte: „Ich dich auch", bevor er seine Lippen auf meine legte. Der erste Kuss in Freiheit – er fühlte sich viel besser an, als alles vorher.
Als wir uns voneinander lösten, sah er mir wieder in die Augen und fragte: „Bleibst du bei mir?" Glücklich nickte ich und Taddl zog mich an der Hand weiter durch einige Gassen, bis wir in einen Stadtteil kamen, der mir schon etwas bekannter vorkam. Erst nach einigen Minuten fiel mir auf, wohin wir gerade unterwegs waren. Zum Flughafen.
Als wir die große Eingangshalle betraten, steuerte Taddl sofort auf einen der Schalter zu. Ich wartete etwas abseits und kurz darauf kam mein Begleiter auch schon wieder angelaufen, mit zwei Flugscheinen in der Hand. Fragend sah ich ihn an, doch Taddl schnappte sich nur meine Hand und zog mich in Richtung der Landebahnen. Während wir durch die Leute hetzten, erklärte er kurz: „Wir müssen uns beeilen, der Flug geht in zwei Minuten!" Das war mir für den Moment Information genug und ich konzentrierte mich darauf, mit Taddl Schritt halten zu können.
Endlich bei unserem Flieger angekommen beeilten wir uns, die Maschine in letzter Sekunde noch zu erwischen. Die Stewardess warf uns zwar einen missbilligenden Blick zu, doch das war uns herzlich egal.
Und endlich erklärte Taddl mir, was eigentlich passiert war.
Ich war vor einem halben Jahr entführt worden, um als Testobjekt bei einer illegalen Studie für Menschenhandel zu fungieren. Es sollten sowohl die Physische als auch die Psychische Schmerzgrenzen eines Menschen ausgereizt und getestet werden. Jeder Entführte hatte eine Bezugsperson zugeteilt bekommen, um nicht sofort an Einsamkeit zu zerbrechen, allerdings war nicht vorgesehen, dass die Betreuer und ihre Schützlinge tatsächlich eine emotionale Bindung zueinander aufbauten. Taddl hatte schon damit, dass er mich selbst getragen hatte, nachdem ich gestürzt war, eine Regel gebrochen, erst recht allerdings, als er mich freiwillig geküsst hatte.
Ich erfuhr auch, dass er mich nur vergewaltigt hatte, weil er gezwungen worden war. Man hatte meinen Willen brechen wollen. Und wären da nicht die Küsse gewesen, mit denen er mir seine Entschuldigung wohl unterbewusst schon viel früher gegeben hatte, wäre ihnen das auch fast gelungen.
Und dann hatte sich ihm diese Chance aufgetan; Der Nachtdienst hatte die Türe nicht anständig abgeschlossen und Taddl hatte mit mir den Fluchtversuch gewagt.
Und jetzt waren wir auf dem Weg nach New York. Meine Lieblingsstadt, doch Taddl war nie dort gewesen. Wir würden uns äußerlich stark verändern müssen, das war uns beiden klar, denn man würde uns suchen.
Aber ich hatte eigentlich immer vorgehabt, mir Tattoos stechen zu lassen und was sprach denn gegen gefärbte Haare?
Es machte mir nichts aus, in einem anderen Land unterzutauchen, solange Taddl dabei war, war alles gut.
Er hat mir nichts gestohlen. Er hat mir etwas geschenkt. Liebe.
------------------------------------------------------------
Leute, ich will Applaus für meine Dummheit.
Ich hab mein Handy verloren :x
Da war meine ganze Musik und ein halber Stexpert Oneshot drauf :c
Naja, den kriegt ihr dann wohl erst nächste Woche oder so zu Gesicht ^^
Und weil sich das wer gewünscht hat, gibt's demnächst auch mal girlxgirl, nämlich Kellina (Ich hoffe mal dass das der Shippingname von KellyxMelina is, wenn nicht, korrigiert mich bitte), den muss ich aber noch tippen, also frühestens morgen.
Aber ich hab ne Brandblase an der Hand weil wegen Tollpatschigkeit, also is tippen grad nich so angenehm...
naja egal, irgendwie muss es gehen xD
Bye!
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro