117. Jonisha
Vorsicht: Das folgende Kapitel enthält Spoiler!
Der Oneshot handelt von zwei Figuren aus dem Buch „Qualityland" von Marc-Uwe Kling. Ich hab zwar keine Spoiler über den Ausgang der Story im Oneshot, aber es kommen Personen vor, die erst in der Mitte vom Buch auftauchen, wer sich also nicht gerne spoilern lässt, der sollte das Kapitel vielleicht lieber nicht lesen.
Für alle die keine Ahnung haben, worum es geht: Qualityland ist eine konstruiere Zukunft, in der nahezu alles automatisiert ist. In fast jedem technischen Gerät sind künstliche Intelligenzen (KIs) integriert und deswegen hat eine Partei einen Androiden, John, als Präsidentschaftskandidaten aufgestellt. Aisha ist seine Wahlkampfmanagerin.
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Es war spät abends und Aisha saß, mit dem Kopf auf den verschränkten Armen, an ihrem Bürotisch und war kurz davor, einzunicken. Der Stress des Tages, die Wahlen, der ganze Trubel, die Interviews, die sie und John hatten geben müssen, hatten sie ausgelaugt.
Plötzlich ging die Tür zu dem kleinen Raum auf und John kam mit einer Tasse Kaffee in der Hand in den Raum. Mit einem Lächeln stellte er sie vor Aisha ab. „Danke", murmelte sie und nahm einen großen Schluck des warmen Getränks. Sie schien förmlich zu spüren, wie die Müdigkeit langsam aus ihren Gliedern wich.
„Ich möchte mich bei Ihnen bedanken", sagte John plötzlich frei heraus. „Was? Wofür?", murmelte Aisha überrascht. „Dafür, dass Sie mir im Wahlkampf so geholfen haben. Die ganze Zeit, die Sie in ein Projekt investiert haben, das zugegebenermaßen doch sehr riskant war." „Wollen wir uns nicht duzen?", fragte Aisha, statt einer Antwort. Sie hatte dieses höfliche Getue satt. Sie hatte die letzten Monate mehr Zeit mit John als mit irgendjemandem sonst verbracht.
„Gerne", antwortete John und sein Lächeln schien noch einen Tick wärmer zu werden. Kurz verlor sich Aisha im Anblick des Androiden, dann rief sie sich wieder ins Gedächtnis, von was sie sich vorgenommen hatte, es zu tun, sobald die Wahlen vorüber waren.
„John", fragte sie deshalb, „darf ich was ausprobieren?" „Gerne", antwortete der Androide und ohne weiter darüber nachzudenken beugte Aisha sich vor, um John zu küssen.
Er erwiderte nicht, tat nichts, sagte nichts. Er bewegte sich nicht, bis Aisha es schließlich aufgab, sich von ihm löste und in ihrem Bürostuhl in sich zusammen sackte. In Johns Gesicht lag immer noch derselbe Ausdruck wie vor dem Kuss, dieses leichte Lächeln und der freundliche Blick. Genau die Reaktion vor der sich Aisha gefürchtet hatte.
Ein wenig Entsetzen oder zumindest Verwunderung in Johns Augen hätten ihr als Rektion schon gereicht, doch dieses Lächeln bestätigte ihr, dass sie genauso berechenbar war, wie sie es immer befürchtet hatte.
Leise sagte John: „Es tut mir Leid Aisha, aber ich kann keine derartigen Gefühle empfinden, das würde mich beeinflussbar machen." „Ich weiß", antwortete die junge Frau, „ich weiß nicht, warum ich das gemacht habe..."
Nach einem langen Schweigen fragte sie vorsichtig: „Könnten wir... sowas wie Freunde werden?" „Ja", antwortete der Androide und zum ersten Mal an diesem Abend schien sein Lächeln völlig ehrlich zu sein.
Und entgegen aller ihrer Erwartungen erfüllte dieses kleine Wort Aisha mit angenehmer Genugtuung.
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