Kapitel 69
Harry POV
Doch anders als ich gedacht hatte, sah er mich irritiert an, drehte langsam den Kopf, als würde er etwas suchen.
"Wir sind alle da. Alles ist gut.", er wurde unruhig, seine Arme, die er nun anfing zu bewegen gingen fahrig über die Decke und in seinen Augen stand die pure Panik.
"Schwester!", rief ich und diese kam sofort, drückte mich zur Seite und sah Louis fest an.
"Ganz ruhig Louis. Sie sind im Krankenhaus. Nicht aufregen.", sprach sie sanft, streichelte über seinen Arm, rückte die Sauerstoffmaske zurecht, doch die Panik schien nicht nachzulassen.
"Linda!", rief sie dann, "Sedierung!" und kurze Zeit später stürmte eine weitere Intensivschwester mit einer aufgezogenen Spritze herein, die sie in den Zugang spritze.
"Alles ist gut. Schön ruhig atmen.", sie drückte Lous Arme nach unten und ich hasste es in dem Moment so vollkommen hilflos zu sein.
Es dauerte noch ein paar Minuten, ehe ihm wieder die Augen zu fielen, das Piepen ruhiger wurde und die Armbewegungen erschlafften.
"Puh.", Schwester Linda lächelte, wischte sich mit dem Ärmel über die Stirn. "Das sieht ganz verdächtig nach Delir aus.", sagte sie zu ihrer Kollegin diese nickte.
"Dabei ist er noch so jung. Mr. Styles", wendete sie sich jetzt an mich. "normalerweise ist ein Delir eher eine Erscheinung bei älteren Patienten. Dennoch kann es auch mal bei jüngeren nach großen Operationen, wie sie ihr Mann hatte, vorkommen. Wir haben ihn jetzt nochmal sediert, weil er körperlich noch zu schwach für Panikattacken ist. Er soll sich lieber noch ein wenig körperlich erholen, bevor wir ihn wieder in die Realität holen."
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Lottie hatte in der Zwischenzeit Jamie überzeugen können, doch mit nach Hause zu ihnen zu fahren, nachdem der Arzt ihm gesagt hatte, dass sein Daddy noch etwa zwei Tage schlafen würde, ehe er mit ihm reden konnte. Das das so nicht stimmte, sollte der Junge nicht wissen, aber wir waren uns einig, dass er ein derartiges Aufwachen nicht miterleben sollte.
"Gut, wir lassen ihn dann jetzt wieder zu Bewusstsein kommen. Stellen sie sich erneut darauf ein, dass er sie nicht erkennt und Angst bekommt, ja?", der Arzt sah mich an und Jakob, der wieder bei uns war, legte mir eine Hand auf die Schulter.
"In Ordnung.", sagte ich, sah zu wie der Arzt ein Mittel spritze, dass die Wirkung der Beruhigungsmittel aufheben sollte.
Es ging relativ schnell, Louis begann sich erneut zu bewegen und versuchte direkt, die Sauerstoffbrille unter seiner Nase, die inzwischen die Maske ersetzte, abzureissen.
"Na na.", der Arzt griff nach seinen Händen, hielt sie fest und besah sich die Vitalwerte auf dem Monitor. Die Augenlider begannen zu flattern und kurz danach riss Louis die Augen auf.
Hektisch ging sein Blick durch den Raum, blieb für einen Moment auf mir liegen, dann ging er weiter und stoppte bei Jakob.
Ich hielt die Luft an, sah wie Louis etwas sagen wollte. Er hob seinen Arm, den der Arzt los ließ und zeigte auf Jakob. Vollkommen heiser, kaum verständlich sagte er. "Mein Mann!"
Der Arzt sah Louis irritiert an, schüttelte den Kopf. "Gehen sie bitte mal ans Bettende.", forderte er Jakob auf, sodass er sicher sein konnte, dass Louis Jakob tatsächlich gemeint hatte, doch dieser ließ den Blick auf ihm und ich erschauderte, als er dann mit kratziger Stimme wiederholte. "Mein Mann."
Ich hatte gar nicht gemerkt, wie mir die Tränen gekommen waren, hörte den Arzt nur entfernt sagen, dass der Zustand sich normalerweise in Kürze normalisieren würde, doch das begriff mein Herz nicht. Louis hatte mich nicht als seinen Mann erkannt, sein Unterbewusstsein hatte Jakob als solchen festgelegt und es tat mir so unendlich weh.
"Er ist nicht bei Verstand.", versuchte mich der Ältere zu trösten, ging trotzdem näher zu Louis, wollte ihm über den Arm streichen, doch dieser klammerte sich direkt an seine Hand und das war für mich zu viel. Ich sprang auf und verließ unter Tränenbächen das Krankenzimmer.
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Jakob POV
Da saß ich nun an Louis Bettkante, seine Hand hatte meine umklammert und es hatte sich ein zufriedenes Lächeln auf seine Lippen geschlichen.
"Louis, ich bin es, Jakob. Nicht dein Mann. Harry ist draußen.", versuchte ich es sanft, strich ihm die inzwischen fettigen Haare aus der Stirn.
"Nein.", sagte er schlicht, schüttelte den Kopf. "Ich liebe dich."
Es kam mir vor, als wäre ich gerade in einem perfiden Alptraum gefangen und die Schwester, die gerade die Perfusoren kontrollierte seufzte.
"Hatten sie eine sehr enge Bindung in der Vergangenheit, sodass sein Unterbewusstsein ihm derartigen Streich spielen kann?", fragte sie und ich fuhr mir mit meiner freien Hand durch die Haare und nickte.
"Ja, wir sind alle sehr eng befreundet. Aber, aber nicht so.", gab ich dann zurück und sie nickte. Natürlich hatten die Worte wieder meine damalige Unsicherheit getriggert, die Angst, dass ich mehr empfinden könnte, für den jungen Mann der hier vor mir lag. Möglicherweise war ich damals nicht mal komplett falsch gelegen, dass er ähnliche Gefühle tief in sich hegte.
"Normalerweise hält ein Delir ein paar Tage. Manchmal überwinden es die Patienten nie. Aber Louis bekommt noch sehr viele Medikamente, die wir alle langsam reduzieren. Ich gehe davon aus, dass sich die Verwirrtheit bald legen wird.", versuchte sie mir Mut zu machen und ich hoffte so sehr, dass sie Recht behielt.
Leider ließ Louis mich nicht mehr weg. Wenn ich aufstehen wollte, meine Hand entziehen, begann er innerhalb seiner körperlichen Möglichkeiten zu toben und es war, als wäre da ein anderer Mensch im Bett, als den, den wir alle als Louis kannten. Er hatte seine Stimme ein wenig wieder gefunden. Er schimpfte dann wie ein Rohrspatz und seine Werte wurden schnell schlechter, sodass ich nach Rücksprache mit dem Arzt da blieb.
Harry, der zwischenzeitlich wiedergekommen war, wurde von ihm mit den Worten. "Dich will ich nicht sehen.", vom Bett weggeschickt und ich wünschte mir, ich könnte ihm Halt geben, denn ich sah die pure Verzweiflung in seinen Augen.
Zum Glück war Luca da, der sich um ihn kümmerte und auch die Psychologin der Klinik hatte sich ihm angenommen, versuchte zu vermitteln, dass das alles eine falsche Realität war, die Louis erlebte.
"Könnte sein Sohn ihm helfen?", fragte ich den Arzt, als Louis zwischendurch wieder schlief und dieser kratzte sich im Nacken.
"Möglich, aber ich habe Angst, dass er ihn möglicherweise nicht erkennt und der Junge dadurch traumatisiert wird. Er hat sowieso schon viel durchgemacht.", gab er zu bedenken und wendete sich an Harry, der im anderen Bett lag und aus dem Fenster starrte.
"Macht was ihr meint.", war seine Antwort, tot traurig und resigniert.
"Gut, dann versuchen wir es.", entschied ich dann und rief Lottie an, damit sie Jamie vorbeibrachte.
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Da Louis noch schlief, hatten der behandelnde Arzt, eine Schwester, die Psychologin und ich uns mit Jamie zusammen gesetzt und ganz in Ruhe die Situation erklärt. Erstaunlicherweise schien er genau zu verstehen wovon wir sprachen und straffte sich, hob den kleinen Kopf.
"Das wird bald wieder. Jakob gehört zu Luca und Daddy zu Dad.", sagte er fest, stand dann auf. "Ich regele das schon.", seine Worte waren so voll Überzeugung und ich hoffte sehr, dass er Recht behielt.
Ich nahm Jamie an die Hand, öffnete die Schiebetür und sah, dass Louis bereits wieder die Augen geöffnet hatte.
"Wo warst du?", fragte er mich direkt vorwurfsvoll, bevor sein Blick auf Jamie glitt. "Oh unser Herr Sohn.", sagte er nur und ich drückte die Hand des Jungen zur Aufmunterung.
"Ich dachte es wäre schön, wenn du Harry und deinen Sohn sehen könntest.", sagte ich und schob den Kleinen näher an das Bett, der scheinbar auch die sonderbare Ausstrahlung seines Adoptivvaters merkte.
"Harrys Sohn?", fragte er, schüttelte den Kopf abfällig. "Das ist dein Sohn, Jakob. Wie kommst du darauf, ihn als Harrys zu bezeichnen. Als wenn ich mit diesem Fremdgeher je was anfangen würde.", haute er raus und ich schloss für eine Sekunde die Augen, lehnte mich dann vor und flüsterte Jamie ins Ohr. "Du weißt, er ist durcheinander. Nichts davon ist wahr."
"Daddy.", Jamies Stimme war leise, als er jetzt zu Louis aufs Bett kletterte, seine Hand griff. "Du erkennst mich?"
Louis sah ihn an, als wäre er verrückt, antwortete aber. "Natürlich erkenne ich meinen Sohn."
"Gut. Weißt du Daddy, ich habe das alles nicht gewollt. Ich wollte nicht, dass du zusammen brichst und das...", er stockte und ich sah, dass der Kleine mit den Tränen kämpfte.
Doch Louis tat nichts dagegen, beruhigte ihn nicht, sagte nicht, dass er nicht Schuld war. Nichts Dergleichen war von ihm zu vernehmen.
"Es war nicht deine Schuld, Jamie.", hörte ich stattdessen Harry sagen, der von dem Bett aufgestanden war, seinen Sohn zu sich zog und ihn fest an sich drückte. "Alles ist gut. Alles wird wieder gut.", murmelte er ihm noch zu, ehe die Beiden auf dem anderen Bett Platz fanden und ich seufzend Louis ansah.
"Musste das sein?", fauchte ich ihn an und seine Augenbrauen lüpften sich ein wenig.
"Was?", fragte er und ich schüttelte nur den Kopf.
"Dein Kind kann für das Ganze hier überhaupt nichts.", sagte ich und merkte, dass meine innere Beherrschung heute wirklich schon an die Grenzen stieß.
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Der erhoffte Durchbruch blieb aus. Stattdessen trat das ein, was der Arzt befürchtet hatte, Jamie war aufgelöst und Lottie holte ihn ab, brachte ihn auf direktem Wege zu seinem Therapeuten, um die Erlebnisse aufzuarbeiten.
Ich war froh, dass sie sich so gut kümmerte, genau wie Anne und alle anderen Freunde der Beiden.
Harry war still geworden, hatte er anfänglich noch versucht Louis davon zu überzeugen, dass er sein Mann war, nicht ich, schien aufgegeben zu haben.
"Ich werde gehen.", hörte ich ihn irgendwann plötzlich sagen, sah wie er sich seine Schuhe anzog und nach der Jacke griff, die an der Wand hing.
"Aber...", wollte ich intervenieren, doch er schüttelte nur den Kopf.
"Ich habe hier nichts mehr verloren. Vielleicht kommt er zu sich, vielleicht aber auch nicht. Ich kann es mir nicht mehr antun, es tut so weh, so weh Jakob. Ich weiß, du hast keine Schuld, aber ich bin wütend, ich bin sauer, dass wir uns je kennengelernt haben. Wenn das alles nicht..."
Ich ließ ihn, denn mir war klar, dass es nur Worte im Affekt waren. Sie waren getragen von purer Verzweiflung und ich konnte ihn verstehen und jedes Wort, was er sagte.
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Ja, am Kopf kratz... Einige wollten gern Drama... na ja, da hab ich es Euch jetzt auf dem Silbertablett serviert.... Mal schauen, was daraus so wird.
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