Kapitel 2
Harry POV
Ich war ziemlich geplättet nach dem Gespräch mit dem Psychologen, der Tom hieß und etwa 10 Jahre älter war als ich.
Er hatte in dem Gespräch sehr schnell Zugang zu dem Jungen gefunden und es wurde klar, dass dieser Angst hatte, vor allem Louis zu enttäuschen, wenn er nicht so funktionierte, wie der Kleine meinte sein zu müssen.
Seine Alpträume, die wir mit seinen früheren Erlebnissen assoziiert hatten, waren komplett anders geartet. Er erzählte, dass er immer wieder panisch aufwachte, weil wir ihn in seinen Träumen entweder weggeben wollten, weil er uns nicht mehr gefiel, oder wir vor seinen Augen starben.
Was musste bloss in dieser Kinderseele vorgehen, dass er solch furchtbare Träume hatte? Hatten wir schon jetzt Fehler gemacht, in der kurzen Zeit, die er bei uns war? Gaben wir ihm nicht genug Zuneigung?
"Mr. Styles, können wir noch kurz reden?", fragte mich Tom und ich nickte, gab Jamie einen Kuss aufs Haar.
"Magst du bitte kurz im Wartezimmer warten, ich bin gleich bei dir.", er nickte und drückte seinen Bären an sich, bevor er das Sprechzimmer verließ.
"Also...", begann der Schwarzhaarige und legte den Block zur Seite, auf dem er sich nebenbei Notizen gemacht hatte. "Jamie hat eine riesige Verlustangst und ich denke wir müssen beide nicht lange nachdenken, woher das bei seiner Geschichte herrührt. Er hat ein kleines Entwicklungsdefizit, denn einige Verhaltensweisen, die ich jetzt hier schon in der kurzen Zeit gesehen habe, ähnelten eher einem kleinere Kind, als einem Jungen seines Alter. Das er noch einen Bären mit sich rum schleppt, ihn an sich drückt, als Halt wenn er etwas erzählt ist schon sehr prägnant. In meinen Augen versucht seine Seele bei ihnen jetzt das nachzuholen, was sie in dem eigentlichen Alter hätte machen wollen, nämlich Kind sein.", er sah mich direkt an.
"Jamie braucht auf alle Fälle eine regelmässige Therapie, damit all die schlimmen Dinge aufgearbeitet werden können, die ihm widerfahren sind. Gleichzeitig ist aber in meinen Augen das Wichtigste, dass sie ihm zu keinem Zeitpunkt und ich betone zu keinem, dass Gefühl geben unerwünscht zu sein, nicht gut genug oder sonst irgendwas in der Art.", er nahm einen Schluck von seinem Kaffee und wendete sich dann wieder mir zu.
"Mir ist aufgefallen, dass er sich bei ihnen sehr sehr sicher fühlt, aber ihr Mann scheinbar emotional enger mit ihm verhandelt ist. Es war interessant zu hören, dass er ihn nicht mitnehmen wollte. Das spricht aber auch dafür, dass er Angst hatte ihren Mann in irgendeiner Form zu enttäuschen.", ich nickte und dachte an das Gespräch im Auto.
"Genau das hat er mir auf der Fahrt hierher gesagt.", ich kratzte mich am Kopf und sah den Psychologen unsicher an. "Was können wir tun?"
"Als Erstes, ihm immer wieder zeigen, wie sehr sie ihn lieb haben. Das ist etwas, was er jetzt unbedingt braucht. Sagen sie es ihm immer wieder, nehmen sie ihn in den Arm, setzte sie sich Abends wenn er ins Bett geht mit ihm ans Bett. Lesen sie ihm vielleicht auch was vor, wie es Eltern mit kleineren Kindern machen. All das sind Dinge, die einem Kind zeigen, dass die Eltern es lieb haben. Wie weit ist das Thema Adoption?", die blauen Augen des Arztes sahen mich fragend an.
"Wir haben derzeit noch die Pflegschaft und die Adoption noch nicht beantragt. Wir wollten uns Zeit lassen....", er hob sofort die Hand.
"Sind sie sicher, dass dieses Kind das Kind ist, was sie für den Rest seines Lebens an ihrer Seite wissen wollen?", ich merkte wie mein Herz schlug und mir nur eines zuschrie.
"Natürlich wollen wir das. Wir lieben Jamie!". sagte ich überzeugt und Tom lächelte.
"Dann zeigen sie es ihm, in dem sie ihm die Sicherheit geben, zu ihnen zu gehören. Beantragen sie mit ihm zusammen die Adoption. Ich bin mir sicher, dass sie ihm damit sehr viel Selbstvertrauen geben werden und seine Angst gedämpft wird, dass das bei ihnen alles nur ein schöner Traum ist und er irgendwann doch zurück ins Heim muss. Alles andere schaffen wir dann mit der Therapie.", er nickte mir zu.
"Das hört sich nach einem Plan an. Wir haben bald Aufnahmen fürs neue Album in L.A. und werden dort für ein paar Wochen mit ihm sein. Gibt es die Möglichkeit, dass sie vielleicht auch online mit ihm sprechen könnten?", ich hoffte das er ja sagte, doch er runzelte die Stirn.
"Mit einem Kind ist das eigentlich nicht unbedingt eine gute Idee.", sagte er langsam und sah einen Moment aus dem Fenster. "Erstmal kommen sie bis sie fliegen dreimal die Woche mit ihm hierher und dann sehen wir weiter."
Ich nickte, lächelte und streckte ihm meine Hand entgegen. "Danke für ihre Hilfe, Tom."
"Gern. Sie haben einen tollen Jungen. Greta an der Anmeldung wird ihnen die Termine mitgeben. Passen sie gut auf ihn auf!"
Als ich mit Jamie wieder im Auto saß, drehte ich mich zu ihm nach hinten um und sah ihn lächelnd an. "Weißt du eigentlich, wie stolz du mich da drin gemacht hast?", fragte ich und seine Augen wurden groß.
"Du hast dich geöffnet, obwohl du große Angst davor hattest. Das ist eine ganz tolle Leistung!", ich sah wie seine Mundwinkel nach oben gingen und er mich anstrahlte.
"Wirklich?", fragte er und ich nickte.
"Wirklich, wirklich. Und weil ich so stolz auf dich bin, fahren wir jetzt noch den Spielzeugladen und du darfst dir aussuchen was du möchtest. Was hältst du davon?", fragte ich und seine Augen glänzten. Auch wenn er wusste, dass er von uns eigentlich alles haben konnte, war er bescheiden und hatte noch nicht einmal um irgendetwas für sich gebeten.
"Das, das wäre toll.", sagte er leise und somit machte ich mich auf dem direkten Weg dorthin.
XXX
Im Spielzeugladen gingen wir durch die Regale, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass nichts den Jungen irgendwie anzog. Wir liefen an Legotechnik vorbei, an Rennautos die man fernsteuern konnte, an Spielzeugdrohnen und Baggern, doch nichts erreichte wirklich seine Aufmerksamkeit.
Erst als wir Richtung Puppen kamen, ging sein Blick hin und her und als wir an die Schminkköpfe kamen, blieb er kurz stehen, bevor er hektisch wegsah und schnell weiterlief.
"Warte mal, Jamie.", sagte ich sanft, griff seine Hand und zog ihn wieder zu den Puppenköpfen zurück. "Möchtest du gern einen Schminkkopf haben?"
Seine Augen waren weit aufgerissen und ein gewisses Maß an Panik war daraus zu lesen.
"Hey.", ich hockte mich neben ihn und sah ihn mit einem Lächeln an. "Ich finde es überhaupt nicht schlimm, wenn du eine Schminkpuppe haben möchtest.", ich zog einen Puppenkopf hervor, besah mir das Zubehör, bevor ich ihn wieder zurück schob.
"Doch, ich, ich bin ein Junge. Die Jungs im Heim haben sich immer lustig gemacht, wenn ich mit den Mädchen mit den Puppen spielen wollte.", in seinen Augen standen Tränen und vermutlich suchten ihn gerade schreckliche Erinnerungen heim.
"Komm mal her.", ich zog ihn fest in meinen Arm, drückte ihn und ließ ihn die schlimmen Momente beweinen, die zum Glück der Vergangenheit angehörten.
Als er sich wieder beruhigt hatte, schob ich ihn von mir und griff wieder seine Hand. "Weißt du, ich habe übrigens ganz viele verschiedene Flaschen Nagellack zu Hause.", eröffnete ich ihm und er sah mich an, als hätte ich ihm gestanden ein Alien zu sein.
"Was?", fragte er und sein Mund stand offen.
"Ja, ich mag es gern, mir mal die Nägel bunt zu lackieren und ob du es glaubst oder nicht, ich habe für Gucci, dass ein ist ein ganz bekanntes Modelabel gemodelt und dort ein Kleid getragen. Ich mag es nicht, wenn man Kleidung auf Frau oder Mann reduziert. Kleidung soll Spaß machen und wenn ein Mann gern ein Kleid trägt und es ihm steht, warum also nicht?", noch immer war er sprachlos und mir war klar, dass ich es ihm beweisen musste, weil er gerade vermutlich dachte, ich wolle ihn nur trösten.
"Warte eine Sekunde.", ich kramte mein Handy heraus, scrolle durch meine Bilder und hielt ihm das Bild vor die Augen, in dem ich in dem grauen Kleid posierte. Danach das im Tütü und im Rock.
"Wahnsinn.", sagte er und blickte mit riesigen Augen auf die Fotos.
"Glaubst du mir jetzt, dass ich es überhaupt nicht schlimm finde, wenn du Lust hast am Schminken? Du erinnerst dich doch noch an Timothy, oder? Der Freund von Liam?", er nickte und ich grinste. "Er ist Make-up-Artist. Ich wette er hätte große Freude, dir vielleicht ein paar seiner Tricks zu zeigen."
In dem Moment schien etwas in seinem Kopf klick zu machen und er drehte sich wieder zu den verschiedenen Modellen, bevor er mich einmal fest umarmte.
"Danke Harry. Danke danke danke!"
XXX
Louis POV
Harry hatte mir geschrieben, dass die erste Sitzung wirklich erfolgreich gewesen war, er mir später Näheres erzählen wolle, weil er mit Jamie zur Belohnung noch in ein Spielzeuggeschäft fahren wollte.
Ich saß schon auf heißen Kohlen und als endlich die Tür aufging musste ich mich zwingen nicht aufzuspringen und in den Flur zu rennen.
"Trag die Tüten bitte ins Esszimmer. Ich mag kein McDonalds auf dem Wohnzimmertisch.", hörte ich Harry sagen und sah keine Sekunde später seinen Kopf, der zu mir ins Zimmer blickte.
"Fastfood?", fragte ich und musste lächelnd.
"Ja, das hat er sich verdient. Komm mit rüber, ich hab dir auch deine Leibspeise mitgebracht."
Während sich Jamie schon über das Essen hermachte, holte Harry gerade einen großen Karton aus einer Tüte.
"Wow.", sagte ich und sah auf den Puppenkopf. Das hatte ich tatsächlich nicht erwartet.
"Wir müssen mal mit Timmy telefonieren. Er muss unserem Kleinen hier mal ein paar Schminktipps geben.", grinste er und ich zog die Augenbrauen hoch.
"Ach ja und die Nackellackflaschen wollte ich ihm nachher auch noch zeigen. Ich glaube unser Jamie hier könnte genau so ein Faible für Mode und alles was dazu gehört haben wie ich.", Harrys Lächeln wurde immer breiter und auch wenn ich im ersten Moment dachte, dass es mich freute, kam dann doch der Stich.
Was wäre, wenn jetzt bald Harry Jamies Nummer eins werden würde? Ich hatte keine Ahnung von Mode, interessierte mich weder für Schminke, noch für Klamotten. Ich lief am liebsten in Trainingssachen rum...
"Louis dein Essen wird kalt.", rief Jamie mit vollem Mund und ich nickte. "Komm setzt dich zu mir.", sagte er und klopfte neben sich auf den Stuhl und ich musste lächeln.
"Ich komme Kleiner.", ich ging um Harry herum, beugte mich herunter und drückte Jamie einen Kuss auf seine Haare und ließ mich dann neben ihn auf den Stuhl sinken.
XXX
Nachdem Jamie im Bett lag, saßen Harry und ich im Wohnzimmer und ich versuchte die Neuigkeiten für mich zu verarbeiten, die er mir erzählte.
"Er hat Angst mich zu enttäuschen?", sagte ich und merkte wie mein Herz schmerzte bei dem Gedanken.
"Ja, das ist wohl so. Du bist ihm verdammt wichtig, Louis. Er hat dich sehr sehr lieb und deshalb ist es ihm so wichtig, was du von ihm denkst.", Harry lächelte mich an und nahm ein Schluck von seinem Bier.
"Morgen früh fahren wir gleich, wenn Jamie in der Schule ist zum Jugendamt und beantragen die Adoption.", sagte ich darauf hin und versuchte die Tränen wegzudrücken, die zu kommen versuchten.
"Auf alle Fälle. Ich denke Tom hat Recht damit. Wenn er sagen kann, er ist wirklich unser Kind, wir sind jetzt seine Eltern, wird ihm das ganz viel Sicherheit geben.", er nickte mir zu und griff nach seinem Handy, auf dem er die Handynummer der aktuell für uns zuständigen Jugendamtsbetreuerin eingespeichert hatte.
"Du willst doch Miranda jetzt nicht mehr anrufen?!", sagte ich und zeigte auf die Uhr, die 20.30 Uhr anzeigte.
"Doch, sie sagte jederzeit und es ist schließlich wichtig.", er zwinkerte mir zu und stand dann auf, als ich das Freizeichen hörte.
Als Miranda abnahm verschwand er aus dem Wohnzimmer und telefonierte draußen mit ihr, sodass ich nichts von dem Gespräch mitbekam. Wenn er rausging zum Telefonieren war es inzwischen ungeschriebenes Gesetz, dass er nicht wollte, dass ich zuhörte und so wartete ich an der Terrassentür, mit Blick in den Garten darauf, dass er zurückkam.
Ein paar Minuten später stand er mit hochrotem Kopf in der Tür. Die grünen Augen blitzten.
"Was ist los?", fragte ich und Harry schnaubte nur.
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