Zerbrochene Wahrheiten •Montgomery de la Cruz•
Da ich Urlaub bin, nehme ich bis zum 02.11 erstmal keine Wünsche mehr an.
Ich hasse es, neu an einer Schule zu sein. Dieses Gefühl, als ob man nirgendwo hingehört, schleicht sich wie eine kalte Welle über mich. Und doch stehe ich hier, in den Fluren der Liberty High, und suche nach Raum 204. Während ich versuche, den richtigen Weg zu finden, höre ich plötzlich lautes Gelächter. Eine Gruppe Jungs steht vor den Spinden, und mitten in der Gruppe sehe ich ihn: **Montgomery de la Cruz**. Schon am ersten Tag haben mir einige Mädchen in meiner Klasse über ihn erzählt. Sportlich, beliebt, und... kompliziert. Angeblich hat er eine Freundin, ein Mädchen namens Sarah. Aber das interessiert mich nicht. Ich habe sowieso keine Lust auf Drama. Ich senke den Kopf und gehe an der Gruppe vorbei, hoffe, nicht weiter aufzufallen. Doch plötzlich höre ich jemanden hinter mir: "Hey, brauchst du Hilfe?" Überrascht drehe ich mich um und sehe, dass Monty mich anspricht. Seine Augen ruhen auf mir, intensiver, als ich erwartet hätte. "Äh... ja, ich suche Raum 204", sage ich und versuche, die Nervosität zu unterdrücken. Er grinst, und für einen Moment wirkt er nicht wie der Typ, den man mir beschrieben hat. "Den Weg kann ich dir zeigen. Ich muss da auch hin." Während wir nebeneinander gehen, herrscht eine kurze, aber unangenehme Stille. Was soll ich sagen? Und warum hilft er mir überhaupt? "Du bist neu hier, oder?" fragt er schließlich. "Ja, heute ist mein erster Tag." "Na, dann willkommen in der Hölle", sagt er mit einem schiefen Grinsen, das mir irgendwie den Atem raubt. Etwas an ihm zieht mich an, obwohl ich das Gefühl habe, dass ich mich vor ihm in Acht nehmen sollte.
Die nächsten Wochen vergehen wie im Flug. Ich sehe Monty immer wieder in den Gängen, aber meistens mit Sarah an seiner Seite. Sie sehen aus wie das perfekte Paar. Und trotzdem gibt es diese Blicke, die er mir zuwirft, als würde er mich sehen wollen – wirklich sehen. Es verwirrt mich. Wieso schenkt er mir überhaupt Aufmerksamkeit, wenn er bereits vergeben ist? Eines Tages, nach dem Unterricht, bleibe ich etwas länger in der Bibliothek, als ich seine Stimme hinter mir höre. "Hey, Emma." Ich drehe mich um. Er steht da, unsicher, und das ist ein Ausdruck, den ich an ihm noch nie gesehen habe. "Kann ich dich kurz sprechen?" fragt er und kratzt sich nervös am Nacken. "Klar." Ich lege mein Buch zur Seite und stehe auf. Er sieht mich direkt an, und seine Augen wirken dunkel und entschlossen. "Ich hab mich von Sarah getrennt." Die Worte treffen mich unerwartet. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll, also frage ich nur: "Warum erzählst du mir das?" Er macht einen Schritt näher, und ich kann sein Parfum riechen. "Weil ich dich kennenlernen will, Emma. Ich kann nicht aufhören, an dich zu denken, seitdem wir das erste Mal gesprochen haben." Mein Herz beginnt schneller zu schlagen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er so direkt sein würde. "Aber... was ist mit Sarah?" Er seufzt. "Es war nie echt zwischen uns. Nicht so wie das hier..." Seine Hand berührt kurz meine, und obwohl es nur eine kleine Geste ist, löst es ein Feuerwerk in mir aus.
Von diesem Moment an änderte sich alles. Monty und ich verbrachten immer mehr Zeit miteinander. Die Leute an der Schule tuschelten natürlich. "Monty und Emma?" hörte ich oft, als ob das etwas Unmögliches wäre. Aber die Blicke von anderen kümmerten mich nicht. Ich sah eine andere Seite von ihm, eine verletzliche, eine, die er vor den meisten verbarg. "Warum zeigst du diese Seite niemandem?" fragte ich ihn eines Abends, als wir zusammen am See saßen. Er starrte auf das Wasser und zuckte mit den Schultern. "Weil ich nicht weiß, wie." Ich legte meine Hand auf seine und drückte sie sanft. "Vielleicht musst du es auch nicht jedem zeigen. Aber ich bin froh, dass du es bei mir tust." Er drehte sich zu mir um, und in diesem Moment wusste ich, dass wir zusammengehörten – auf eine Weise, die ich nie erwartet hätte.
Es war ein ganz normaler Tag in der Liberty High – bis ich in der Cafeteria plötzlich auf Clays ernsten Blick traf. Ich hatte ihn oft gesehen, aber nie wirklich mit ihm gesprochen. Er war immer ruhig, schien in seiner eigenen Welt zu leben, die voller Gedanken und Sorgen war, von denen niemand wirklich etwas wusste. Aber heute sah er mich an, als hätte er etwas zu sagen. "Emma?" Seine Stimme klang unsicher, als ich mich neben ihm an den Tisch setzte. "Hast du kurz Zeit?" "Klar, was gibt's?" Ich spürte sofort, dass etwas nicht stimmte. Seine Stirn war gerunzelt, und es schien, als würde er sich jedes Wort genau überlegen. Clay sah sich kurz um, als wollte er sicherstellen, dass uns niemand zuhört. "Es geht um Monty. Ich weiß, dass ihr euch gerade näher kommt, aber... es gibt Dinge, die du wissen solltest." Mein Herz setzte einen Schlag aus. Ich hatte in den letzten Wochen gemerkt, dass die Stimmung um Monty und seine Freunde manchmal angespannt war, aber ich hatte nie gefragt. Es schien, als wollte jeder die Vergangenheit hinter sich lassen. "Was meinst du?" fragte ich vorsichtig. Clays Blick verriet, dass das Gespräch tiefgreifender werden würde, als ich gehofft hatte. "Kennst du die Kassetten? Die von Hannah Baker?" Ich hatte den Namen schon gehört, aber nie die ganze Geschichte gekannt. "Ja... also, ich weiß, dass es da diese Geschichte gab. Aber was haben die Kassetten mit Monty zu tun?" Clay seufzte schwer und schloss kurz die Augen, als würde es ihm weh tun, darüber zu sprechen. "Hannah hat Kassetten hinterlassen, auf denen sie erzählt, warum sie sich das Leben genommen hat. Auf den Kassetten spricht sie über die Menschen, die sie verletzt haben. Über Bryce Walker, Justin Foley, und... auch Monty." Ich schluckte hart. Ich wollte ihn unterbrechen, ihm sagen, dass Monty nicht so ist, aber Clay hob eine Hand, als wollte er mich warnen, weiter zuzuhören. "Monty war Teil von dem, was Bryce und die anderen getan haben. Er hat nicht nur zugesehen, sondern selbst Gewalt und Schmerz verbreitet. Mobbing, Einschüchterung – und Schlimmeres. Er war nicht unschuldig, Emma." Meine Hände begannen zu zittern. "Nein", flüsterte ich. "Das... das kann nicht sein. Du hast ihn nicht so gesehen wie ich." "Vielleicht habe ich das nicht", erwiderte Clay ruhig. "Aber ich habe gesehen, was er anderen angetan hat. Und nicht nur mir. Monty hat viel in sich – Wut, Schmerz, vielleicht sogar Schuldgefühle. Aber das ändert nichts an dem, was passiert ist." Ich spürte, wie Tränen in meine Augen stiegen. All die Momente, die wir zusammen verbracht hatten, all die sanften Blicke, die er mir zugeworfen hatte – konnte das wirklich dieselbe Person sein? Jemand, der so viel Dunkelheit in sich trug? "Es ist nicht einfach", fuhr Clay fort, als er mein Schweigen bemerkte. "Ich weiß, wie es ist, jemanden zu mögen und dann herauszufinden, dass er nicht der ist, für den du ihn gehalten hast. Aber du musst die ganze Wahrheit kennen." Ich stand langsam auf, als würde mein Körper von einer unsichtbaren Last nach unten gezogen. "Danke, Clay", flüsterte ich und drehte mich um, um den Raum zu verlassen. Meine Gedanken rasten. Ich musste mit Monty reden. Ich musste wissen, ob es wahr war.
Später an diesem Abend stand ich vor Montys Spind. Er sah mich an, ein kleines Lächeln auf den Lippen. Doch als er meinen Gesichtsausdruck bemerkte, verschwand das Lächeln sofort. "Was ist los?" fragte er und trat einen Schritt auf mich zu. Ich schüttelte den Kopf, kämpfte darum, die richtigen Worte zu finden. "Hannah Baker. Die Kassetten. Du... du warst Teil davon, oder?" Montys Gesicht versteinerte. "Wer hat dir das gesagt?" "Clay." Meine Stimme zitterte. "Er hat mir erzählt, was du Bryce und den anderen geholfen hast. Was du getan hast." Sein Kiefer spannte sich an, und ich sah, wie die Wut in seinen Augen aufflammte. "Das ist vorbei, Emma. Es war eine andere Zeit. Ich... ich war anders." "Aber es ist passiert", flüsterte ich. "Du hast Menschen verletzt." Er sah mich an, als wolle er etwas sagen, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. Stattdessen ließ er den Blick sinken. "Ja. Es ist passiert. Aber ich bin nicht mehr der gleiche Mensch." Die Tränen, die ich den ganzen Tag zurückgehalten hatte, stiegen endlich in meine Augen. "Wie soll ich das glauben, Monty? Wie kann ich glauben, dass du dich geändert hast, wenn du das getan hast?" Er trat näher an mich heran, doch ich wich zurück. "Emma, bitte. Ich wollte nie, dass du das erfährst. Nicht so. Aber ich habe mich verändert, wegen dir." "Aber was ist, wenn das nicht reicht?" fragte ich leise. "Was ist, wenn ich immer an das denken werde, was du getan hast?" Er sah mich lange an, und in seinen Augen sah ich die Wahrheit – und die Schuld, die ihn verfolgte. "Ich weiß es nicht", sagte er schließlich, kaum hörbar. "Aber ich will es versuchen. Mit dir."
Es war ein verregneter Nachmittag, als ich in der Schulbibliothek saß, tief in ein Buch versunken. Der Regen prasselte sanft gegen die Fenster, ein beruhigender Rhythmus, der meine Gedanken immer wieder zu Monty zurückführte. Unsere Beziehung war alles andere als einfach, aber trotzdem fühlte es sich so an, als hätten wir eine echte Verbindung – als würde ich eine Seite von ihm sehen, die sonst niemand zu Gesicht bekam. Doch heute schien die Luft schwerer zu sein. Vielleicht lag es am Regen, vielleicht an den leisen Gesprächen, die mich umgaben. Irgendetwas stimmte nicht, und ich spürte es tief in mir. Ich schaute auf, als ich Tyler Down hereinkommen sah. Er sah nervös aus, wie immer, aber etwas in seiner Haltung schien anders – gebrochener, verletzter als sonst. Ich hatte nie wirklich mit ihm gesprochen, aber ich wusste, dass er schwere Zeiten durchgemacht hatte. Die Gerüchte in der Schule über ihn und die Kassetten von Hannah Baker waren allgegenwärtig. Trotzdem schien er seit einiger Zeit Abstand zu halten, als würde er versuchen, unsichtbar zu werden. Als er an mir vorbeiging, stolperte er fast über seine eigenen Füße, und ich hörte, wie ihm ein paar Blätter aus seiner Tasche fielen. Instinktiv bückte ich mich, um ihm zu helfen. "Hey, hier, lass mich dir helfen." "Danke", murmelte er kaum hörbar, während ich ihm die Zettel reichte. Doch als ich ihm in die Augen sah, bemerkte ich eine Art von Schmerz, die ich nicht ignorieren konnte. Etwas in mir drängte mich, mehr zu wissen. "Tyler?" fragte ich vorsichtig, als er sich zum Gehen wandte. "Geht es dir gut?" Er hielt inne, seine Schultern spannten sich an, und für einen Moment dachte ich, er würde einfach weiterlaufen. Aber dann drehte er sich langsam um. "Warum fragst du das?" Seine Stimme war leise, aber da war etwas in seinem Ton – eine Bitterkeit, die ich nicht erwartet hatte. "Ich weiß nicht", sagte ich ehrlich. "Es scheint einfach so, als wäre... irgendetwas nicht in Ordnung." Er sah mich lange an, als ob er sich entschied, ob er mir vertrauen konnte oder nicht. "Du bist mit Monty zusammen, richtig?" Seine Worte trafen mich hart, und ich spürte, wie sich ein Knoten in meinem Magen bildete. "Ja", antwortete ich zögernd. "Wieso?" Tyler schüttelte den Kopf, als würde er mit sich selbst kämpfen. "Es ist nur...", begann er, doch seine Stimme brach ab. Er wandte sich ab, als wollte er gehen, doch dann drehte er sich wieder zu mir um, seine Augen voller unausgesprochener Emotionen. "Du weißt nicht, was er getan hat, oder?" Mein Herzschlag beschleunigte sich. "Was meinst du?" Tyler sah sich um, als wollte er sicherstellen, dass uns niemand hört, bevor er seine Stimme senkte. "Monty hat mir... etwas Schreckliches angetan. Er und seine Freunde... Sie haben mich in der Umkleide festgehalten. Er..." Tylers Stimme zitterte, und ich konnte sehen, wie schwer es für ihn war, weiterzusprechen. "Er hat mich mit einem Besenstiel vergewaltigt." Meine Gedanken stoppten. Die Worte hallten in meinem Kopf wider, während ich versuchte, zu begreifen, was er gerade gesagt hatte. Meine Welt begann zu schwanken, als ich realisierte, was Tyler mir da offenbarte. "Nein..." flüsterte ich, unfähig, das Bild in meinem Kopf zu akzeptieren. "Das... das kann nicht wahr sein." Tyler schüttelte traurig den Kopf, seine Augen voller Schmerz und Verzweiflung. "Es ist wahr. Er hat mir mein Leben zur Hölle gemacht. Es war nicht nur Mobbing, Emma. Es war pure Gewalt. Und niemand hat etwas getan, um mich zu schützen." Ich wollte etwas sagen, etwas, das diese schreckliche Wahrheit weniger real machen würde, aber mir fehlten die Worte. Wie konnte das der Monty sein, den ich kannte? Der Monty, der mich mit seinen Augen ansah, als wäre ich der einzige Mensch, dem er vertraute? Wie konnte derselbe Monty einem anderen Menschen so etwas antun? "Warum erzählst du mir das?" fragte ich schließlich, meine Stimme kaum mehr als ein Flüstern. "Weil du es wissen solltest", sagte Tyler ernst. "Du verdienst es, die Wahrheit zu kennen. Du verdienst es, zu wissen, wer Monty wirklich ist." Ich nickte mechanisch, unfähig, etwas anderes zu tun. Mein ganzer Körper fühlte sich taub an, als ich Tyler beobachtete, wie er sich umdrehte und die Bibliothek verließ. Die Wahrheit war wie ein Schlag in den Magen, und ich wusste, dass nichts mehr so sein würde wie zuvor.
Als ich Monty später an diesem Tag sah, fühlte ich mich wie in einem Albtraum. Er kam auf mich zu, mit seinem vertrauten Lächeln, als wäre alles normal. Doch ich konnte ihn nur stumm anstarren, die Worte von Tyler hallten noch immer in meinem Kopf wider. "Emma?" fragte er verwundert, als er meinen Gesichtsausdruck sah. "Was ist los?" Ich schluckte schwer und rang mit mir, ob ich die Konfrontation überhaupt wagen sollte. Aber ich musste es wissen. Ich musste die Wahrheit hören – auch wenn sie mir das Herz brechen würde. "Monty... was hast du Tyler angetan?" Sein Gesicht erstarrte. Für einen Moment schien es, als würde er nicht wissen, was er sagen sollte. "Was... was hat er dir erzählt?" "Alles", sagte ich, meine Stimme fest, obwohl ich innerlich bebte. "Er hat mir erzählt, was du ihm in der Umkleide angetan hast." Montys Augen verengten sich, und ich sah eine Mischung aus Wut und Verzweiflung auf seinem Gesicht. "Es war nicht... Es ist nicht so, wie er es dir erzählt hat." "Nicht so?" fragte ich, die Tränen kämpfend. "Monty, er hat mir gesagt, dass du ihn missbraucht hast. Dass du ihm Gewalt angetan hast. Wie kann das *nicht* so sein?" Er sah mich lange an, seine Fassade bröckelte. "Ich war wütend, Emma. Ich... Ich weiß, es war falsch. Aber es war in dem Moment... ich konnte nicht anders." Seine Stimme brach ab, als er die Wahrheit endlich aussprach. "Ich hab's getan. Aber ich wünschte, ich könnte es rückgängig machen." Ich starrte ihn an, mein Herz fühlte sich schwer und zerbrochen an. Die Person, die ich geglaubt hatte zu kennen, existierte nicht mehr – oder vielleicht hatte sie nie existiert. "Ich weiß nicht, wie ich dir noch vertrauen soll", flüsterte ich schließlich und sah die Tränen in seinen Augen, die seine eigene Schuld widerspiegelten. Doch das änderte nichts an dem, was passiert war.
Zwei Jahre sind vergangen, seit die Ereignisse an der Liberty High alles verändert haben. Zwei Jahre, in denen so viele Wunden aufgebrochen sind, aber auch der Versuch unternommen wurde, diese Wunden zu heilen. Die Schule ist längst vorbei, und jeder von uns hat seinen eigenen Weg eingeschlagen. Ich hatte nie erwartet, dass ich und Tyler so enge Freunde werden würden. Doch durch das, was passiert ist, haben wir beide etwas Gemeinsames gefunden – die Erkenntnis, dass wir unsere Vergangenheit nicht ändern können, aber wie wir damit umgehen, liegt in unserer Hand. Tyler hat sich enorm verändert. Er hat die Kunst für sich entdeckt, fotografiert nun für lokale Projekte und scheint eine Art Frieden gefunden zu haben. Wir haben viel miteinander gesprochen – über Monty, über seine Wut und das, was geschehen ist. Es war nicht einfach, all das zu verarbeiten. Aber Tyler hat mir geholfen, die Dinge aus einer anderen Perspektive zu sehen. Monty hingegen war seit dem Abschluss ein Rätsel für mich. Nach dem, was passiert ist, hatten wir keinen Kontakt mehr. Es gab Gerüchte, dass er versuchte, sich zu ändern, dass er Hilfe suchte. Doch ich hielt mich fern. Zu tief saßen die Verletzungen und das Vertrauen, das unwiderruflich zerstört schien. An einem gewöhnlichen Nachmittag saß ich mit Jessica im Café, als sie etwas erwähnte, das mich aus meinem Gedankenstrom riss. "Wusstest du, dass Monty jetzt Seminare für Mobbing-Opfer gibt?" Ich erstarrte, die Kaffeetasse in der Hand. "Monty? Montgomery de la Cruz?" Jessica nickte und nahm einen Schluck von ihrem Latte. "Ja, ich hab's auch kaum geglaubt, als ich es zum ersten Mal gehört habe. Aber er scheint sich wirklich verändert zu haben. Er arbeitet mit einer lokalen Organisation zusammen und leitet Seminare, in denen er seine Erfahrungen teilt – wie er sich geändert hat und wie er versucht, anderen zu helfen, nicht den gleichen Fehlern zu verfallen." Ich schüttelte den Kopf. "Das klingt... unglaublich. Ich meine, Monty? Ich hätte nie gedacht, dass er so etwas tun würde." Jessica sah mich aufmerksam an. "Emma, ich weiß, dass er dir wehgetan hat. Aber es scheint, als würde er wirklich versuchen, ein besserer Mensch zu sein. Vielleicht solltest du dir eins dieser Seminare mal ansehen." Ich lehnte mich zurück, meine Gedanken wirbelten. Die Vorstellung, Monty in einer solchen Rolle zu sehen, war schwer zu begreifen. Doch tief in mir spürte ich, dass ich wissen wollte, ob es wahr war. Hatte er sich wirklich verändert? Oder war das nur eine weitere Maske, die er trug?
Ein paar Tage später fand ich mich in einem kleinen Gemeindezentrum wieder, in dem das Seminar stattfinden sollte. Der Raum war schlicht, ein paar Stuhlreihen, ein Pult vorne. Ich hatte Tyler nichts davon erzählt, dass ich hier war. Ich wollte es erst selbst herausfinden, bevor ich darüber sprach. Die Vorstellung, Monty wiederzusehen, brachte mein Herz zum Rasen, aber ich musste es wissen. War er wirklich nicht mehr der Monty, den ich einst gekannt hatte? Kurz bevor das Seminar begann, sah ich ihn. Monty stand vorne am Pult, in ein Gespräch mit einem anderen Organisator vertieft. Er sah anders aus – reifer, ruhiger, aber es war definitiv er. Als er den Raum überblickte, bemerkte er mich nicht sofort. Doch als seine Augen mich trafen, hielt er inne, als hätte er einen Geist gesehen. Ich sah weg, unsicher, ob ich wirklich hier sein sollte. Aber bevor ich die Chance hatte, zu fliehen, begann er zu sprechen. "Hallo zusammen. Mein Name ist Montgomery de la Cruz, und ich möchte heute mit euch über meine Erfahrungen sprechen." Seine Stimme war fest, aber auch verletzlich – etwas, das ich nie zuvor bei ihm gesehen hatte. "Ich war jemand, der andere verletzt hat. Ich habe nicht verstanden, was meine Taten anrichten, wie viel Schmerz ich verursacht habe. Aber jetzt weiß ich es." Er sprach weiter, erzählte von seiner eigenen Wut, seiner Unsicherheit, und wie er sich hinter einer Fassade aus Gewalt versteckt hatte, um nicht selbst verletzt zu werden. Er erzählte von Bryce Walker, von den Fehlern, die er gemacht hatte, und wie er versucht hatte, alles zu verdrängen, bis es ihn irgendwann eingeholt hatte. "Es gab einen Moment, an dem ich realisierte, dass ich mich ändern musste", sagte Monty, und ich spürte, wie sich mein Herz zusammenzog. "Ich habe Menschen wie meine Mitschüler und..." Er zögerte. "Und jemanden, den ich wirklich geliebt habe, zutiefst verletzt. Jemanden, der es nicht verdient hatte, dass ich so war." Meine Hände zitterten, als ich spürte, dass seine Worte direkt an mich gerichtet waren. Er sprach von mir. "Aber ich weiß jetzt, dass Worte allein nicht ausreichen. Es geht darum, Taten folgen zu lassen. Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen und zu zeigen, dass man sich wirklich geändert hat." Ich konnte nicht länger still sitzen. Als das Seminar endete, blieb ich einen Moment sitzen, während die anderen sich erhoben und nach draußen gingen. Monty stand vorne, sprach noch mit ein paar Teilnehmern, doch ich konnte sehen, dass seine Augen immer wieder zu mir wanderten. Schließlich, als der Raum sich geleert hatte, kam er zu mir. "Emma..." Ich sah zu ihm auf, und in seinen Augen sah ich etwas, das ich lange nicht mehr gesehen hatte – Hoffnung. "Ich wusste nicht, dass du kommen würdest", sagte er leise. "Jessica hat es mir erzählt", antwortete ich. "Ich wollte sehen, ob es wahr ist. Ob du dich wirklich geändert hast." Er atmete tief ein. "Ich weiß, was ich getan habe, war unverzeihlich. Und ich weiß, dass ich dir wehgetan habe. Aber ich habe mich verändert, Emma. Ich will es dir beweisen. Ich werde nicht aufhören, es dir zu zeigen." Meine Gefühle kämpften in mir. Der Monty vor mir war nicht mehr der Junge, den ich einst gekannt hatte. Er war reifer, ehrlicher – aber konnte ich ihm wieder vertrauen? Nach allem, was passiert war? "Ich weiß nicht, ob ich das kann", flüsterte ich. "Ich weiß nicht, ob ich das jemals vergessen kann." Er nickte langsam, als hätte er das erwartet. "Ich erwarte nicht, dass du es vergisst. Aber vielleicht kannst du mir irgendwann verzeihen. Und wenn nicht... ich werde trotzdem weiterkämpfen. Für mich. Für die Menschen, die ich verletzt habe." Seine Worte trafen mich tief, und in diesem Moment erkannte ich, dass er wirklich versuchte, sich zu ändern. Doch die Frage blieb: War das genug?
Nachdem das Seminar zu Ende war, verließ ich den Raum mit einem verwirrten Kopf und einem schweren Herzen. Monty hatte sich verändert – das konnte ich sehen. Er hatte sich bemüht, sich zu bessern und Verantwortung für seine Fehler zu übernehmen. Aber war das genug? Reichte es aus, um ihm eine zweite Chance zu geben, nach allem, was zwischen uns passiert war? Ich wusste, dass ich darüber mit jemandem reden musste, und es gab nur eine Person, mit der ich das wirklich teilen konnte: Tyler. Es war seltsam, aber Tyler und ich waren in den letzten zwei Jahren so eng zusammengewachsen. Er war ein Anker in meinem Leben geworden, jemand, der verstand, was es bedeutete, verletzt zu werden – und wie schwer es war, den Menschen zu verzeihen, die einem diesen Schmerz zugefügt hatten. Am nächsten Tag trafen wir uns wie gewohnt in unserem Lieblingscafé. Tyler saß schon an einem Tisch am Fenster und tippte auf seinem Handy herum, als ich hereinkam. Sein Gesicht hellte sich auf, als er mich sah, und er winkte mir zu. "Hey", sagte er, als ich mich ihm gegenüber setzte. "Alles okay? Du siehst irgendwie... nachdenklich aus." Ich nahm einen tiefen Atemzug und überlegte, wie ich anfangen sollte. "Ich war gestern bei einem von Montys Seminaren", sagte ich schließlich. Tylers Gesicht zeigte kurz eine Mischung aus Überraschung und Neugier. "Montys Seminare?" "Ja", fuhr ich fort. "Jessica hat mir erzählt, dass er jetzt solche Seminare für Mobbing-Opfer gibt. Er hat darüber gesprochen, wie er sich geändert hat und dass er seine Fehler eingesehen hat." Tyler lehnte sich in seinem Stuhl zurück und zog die Augenbrauen hoch. "Und? Wie war es?" Ich hielt einen Moment inne, um meine Gedanken zu sammeln. "Es war... seltsam. Er wirkte wirklich anders. Reifer, irgendwie. Er hat die Verantwortung für das übernommen, was er getan hat. Er hat gesagt, dass er sich ändern will und dass er sich für Leute einsetzt, die gemobbt wurden." Tyler nickte langsam und betrachtete mich aufmerksam. "Und was denkst du? Glaubst du ihm?" Ich zögerte. "Ich weiß es nicht", gab ich ehrlich zu. "Ich meine, ich sehe, dass er sich bemüht, aber nach allem, was passiert ist... Ich weiß einfach nicht, ob ich ihm wieder vertrauen kann. Aber gleichzeitig denke ich daran, wie es früher war. Bevor alles auseinanderfiel. Ich... Ich weiß nicht, ob ich ihn immer noch liebe, aber da ist noch etwas. Und es verwirrt mich." Tyler betrachtete mich lange, als würde er meine Worte sorgfältig abwägen. Dann lehnte er sich vor, seine Hände auf den Tisch gelegt. "Weißt du, Emma, ich hätte vor zwei Jahren nie gedacht, dass ich das sagen würde... aber Monty hat sich wirklich verändert. Ich meine, ich werde ihm wahrscheinlich nie wirklich vergeben, was er mir angetan hat, aber..." Er hielt inne, als suchte er nach den richtigen Worten. "Er hat sich den Konsequenzen seiner Taten gestellt. Er hat sich der Realität gestellt, dass er nicht einfach so weitermachen kann, als wäre nichts passiert. Und das ist mehr, als viele Menschen tun würden." Ich sah ihn überrascht an. "Du... du würdest es also verkraften, wenn ich ihm noch eine Chance gebe?" Tyler zuckte mit den Schultern, ein leichtes Lächeln auf seinen Lippen. "Emma, ich will, dass du glücklich bist. Und wenn du Monty noch liebst... dann glaube ich, dass du vielleicht in Betracht ziehen solltest, ihm eine zweite Chance zu geben. Nicht wegen ihm, sondern wegen dir. Manchmal brauchen Menschen einen Neuanfang. Und wenn du ihm diesen geben kannst, dann könnte das vielleicht der Weg sein, wie du damit abschließt." Sein Gesicht wurde etwas ernster, und er fügte hinzu: "Ich sage nicht, dass wir jemals Freunde werden. In diesem Leben wohl kaum. Aber ich habe gesehen, dass er es wirklich bereut, was passiert ist. Und wenn du ihn wieder in deinem Leben haben willst, dann... werde ich damit klarkommen. Solange du dir sicher bist, dass er es wert ist." Ich fühlte, wie mir Tränen in die Augen stiegen. Tyler hatte so viel durchgemacht, und trotzdem war er bereit, mich zu unterstützen, egal, welche Entscheidung ich traf. "Du bist unglaublich, weißt du das?" sagte ich mit einem dankbaren Lächeln. Er lächelte zurück, leicht verlegen. "Emma, ich will einfach, dass du glücklich bist. Und wenn Monty derjenige ist, der das schaffen kann, dann... warum nicht? Du hast das Recht, das herauszufinden." Ich schluckte schwer und nickte langsam. "Vielleicht hast du recht. Vielleicht sollte ich mit ihm reden. Aber ich werde es langsam angehen. Es ist nicht so, als würde ich alles vergessen, was passiert ist." Tyler nickte zustimmend. "Genau. Du musst es in deinem eigenen Tempo machen. Aber sei ehrlich zu dir selbst, Emma. Wenn du noch etwas für ihn empfindest, dann versteck das nicht vor dir."
Als ich später am Abend nach Hause ging, war ich immer noch tief in Gedanken versunken. Tylers Worte hallten in meinem Kopf wider. Er hatte Recht – ich musste ehrlich zu mir selbst sein. Monty hatte Fehler gemacht, riesige Fehler, aber er schien sich wirklich geändert zu haben. Vielleicht konnte er mir zeigen, dass er nicht mehr derselbe Mensch war. Und vielleicht... war ich bereit, ihm das zuzugestehen.
Es waren einige Tage vergangen, seit ich mit Tyler gesprochen hatte. Seine Worte schwebten immer noch in meinem Kopf, aber es brauchte Zeit, bis ich den Mut fand, Monty direkt zu konfrontieren. Irgendwie wusste ich, dass das Gespräch unvermeidlich war. Ich musste Klarheit für mich selbst finden, aber ich musste es in meinem Tempo tun. An einem Samstagnachmittag hielt ich schließlich mein Handy in der Hand und tippte eine Nachricht an Monty.
"Können wir uns treffen?"
Es dauerte nicht lange, bis seine Antwort kam.
"Natürlich. Wann und wo?"
Wir verabredeten uns in einem kleinen Park in der Nähe der Stadt. Es war ruhig dort, ein Ort, an dem ich wusste, dass wir ohne Ablenkungen reden konnten. Als ich ankam, saß Monty bereits auf einer Bank und schaute in die Ferne. Er wirkte ruhig, fast nervös, und als er mich sah, stand er sofort auf. "Hey," sagte ich vorsichtig, als ich vor ihm stehen blieb. Es fühlte sich ungewohnt an, ihn so nach all der Zeit wiederzusehen, ohne den Schmerz und die Wut, die zwischen uns gestanden hatten. "Hey," erwiderte er leise. "Danke, dass du gekommen bist." Ich setzte mich auf die Bank, und er tat es mir nach. Eine Weile herrschte Stille. Ich wusste nicht genau, wie ich anfangen sollte, aber Monty war der Erste, der sprach. "Ich weiß, dass du mir wahrscheinlich nicht vertraust. Und ich verstehe das. Aber ich will nur, dass du weißt, dass ich mich wirklich geändert habe, Emma. Alles, was ich tue – die Seminare, die Arbeit mit den Mobbing-Opfern – das mache ich nicht, um mich reinzuwaschen oder irgendeine Schuld loszuwerden. Ich mache das, weil ich weiß, wie falsch ich lag. Ich habe zu viel Schaden angerichtet, und ich will das irgendwie wiedergutmachen." Ich atmete tief ein und sah ihn an. Seine Worte klangen aufrichtig, aber ich musste ihm etwas sagen, das ich schon lange auf dem Herzen hatte. "Monty, ich habe dir so sehr vertraut. Und als alles auseinanderfiel, hat es mich völlig zerrissen. Nicht nur, was du mit Tyler gemacht hast, sondern auch, dass du nicht ehrlich zu mir warst. Du hast mir nicht die Chance gegeben, dich wirklich zu verstehen." Er senkte den Kopf, als würde er jeden meiner Worte spüren. "Ich weiß. Und das tut mir leid. Ich war feige. Ich wusste nicht, wie ich dir sagen sollte, wer ich wirklich war. Ich hatte Angst, dass du mich verlassen würdest, wenn du wüsstest, wie wütend und verletzt ich eigentlich war. Aber am Ende habe ich dich trotzdem verloren, weil ich nicht ehrlich war." Wieder herrschte Stille, aber dieses Mal war sie nicht so schwer wie zuvor. Es fühlte sich an, als würden wir langsam all die unausgesprochenen Dinge zwischen uns klären. "Tyler hat mir gesagt, dass er verkraften könnte, wenn ich dir noch eine Chance gebe," sagte ich schließlich. "Er wird dir vielleicht nie verzeihen, aber er hat gesehen, dass du dich geändert hast. Und ehrlich gesagt... ich habe es auch gesehen." Monty sah mich an, und in seinen Augen war eine Mischung aus Überraschung und Hoffnung. "Emma, ich werde alles tun, um dir zu zeigen, dass ich es ernst meine. Ich weiß, dass Worte nicht genug sind, und ich will dir nicht versprechen, dass ich perfekt bin. Aber ich verspreche, dass ich nie wieder denselben Fehler machen werde." Ich nickte langsam und ließ meine Worte sacken. Er war wirklich bereit, sich zu ändern, nicht nur für mich, sondern auch für sich selbst. Und so sehr ich auch versucht hatte, ihn aus meinem Leben zu verdrängen, da war immer noch etwas zwischen uns. Es war nicht einfach, nach allem, was passiert war, aber es war auch nicht unmöglich. "Ich habe dir verziehen, Monty", sagte ich schließlich, meine Stimme ruhig, aber fest. "Aber das bedeutet nicht, dass ich vergessen habe. Vertrauen braucht Zeit, und wenn wir es nochmal versuchen, dann muss es anders sein. Ehrlicher. Offener." Monty nickte sofort, als hätte er das erwartet. "Das verspreche ich dir. Ich werde alles tun, um es richtig zu machen." Er stand langsam auf und streckte mir die Hand hin. "Emma, ich liebe dich. Das habe ich nie aufgehört. Und ich werde geduldig sein. Ich werde warten, so lange du brauchst." Ich sah seine ausgestreckte Hand an und fühlte, wie mein Herz raste. War ich bereit, das Risiko einzugehen? Nach allem, was passiert war? Aber dann erinnerte ich mich an Tylers Worte: "Wenn du ihn noch liebst, dann versteck das nicht vor dir." Also nahm ich seine Hand. "Ich liebe dich auch, Monty. Das habe ich nie aufgehört." Er zog mich sanft in seine Arme, und als ich ihn umarmte, spürte ich, wie all die Anspannung der letzten Jahre langsam abfiel. Es war nicht perfekt, und es würde auch nicht einfach werden, aber es war ein neuer Anfang. Und manchmal war das alles, was man brauchte – einen neuen Anfang und die Bereitschaft, es besser zu machen.
~5208 Wörter~
Der OS ist für ponygirl911683
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