Mission "Trust" (Teil 5)
(5/5)
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Jemand schoss auf uns.
Jemand musste sich an einem Fenster des benachbarten Gebäudes positioniert, seine Schusswaffe mitgebracht und Livseys Büro gezielt ins Fadenkreuz genommen haben. Mitsamt Niall und mir, die wir uns noch immer darin befanden und jetzt gerade emsig damit beschäftigt waren, die Datenträger einzusammeln, um uns danach umgehend in Sicherheit zu bringen.
Unsere Prioritäten waren schon sehr merkwürdig, gehörten aber leider zum Job dazu. Zumindest zu meinem. Was genau Nialls Job war ... da war ich mir nicht ganz sicher. Auf jeden Fall ahnte ich, dass er sein eigenes Süppchen kochte. Was auch immer die Zutaten sein mochten.
„Heilige Scheiße!", schrie mein Begleiter in dieser Sekunde, nachdem erneut eine Kugel über unsere Köpfe hinweggepfiffen und irgendwo splitternd eingeschlagen war. „Wer ist das denn? Ich dachte, die Attacke ist reine Scharade?!"
„Ist sie auch!" Wütend griff ich nach dem Schreibtisch hinter uns, in der Hoffnung, ihn umwerfen und als notdürftigen Schutzschild missbrauchen zu können, doch natürlich bewegte sich das massive, bleischwere Scheißteil um keinen Millimeter. Wahrscheinlich war es aus Mahagoni oder sonstigem Schrott. „Ich befürchte fast, das sind Livseys hochwohlgeborene Geschäftspartner, die keinen Bock darauf haben, aufzufliegen und-..."
Eine Kugel schlug unmittelbar neben uns in den Schrank ein und ich konnte einen Aufschrei nicht unterdrücken, als Scherben auf uns hinabzuregnen begannen – offenbar hatte die obige Vitrine die neueste Attacke nicht überlebt.
„William an alle Einsatzkräfte, wir stehen unter Beschuss!" Blitzschnell rappelte ich mich auf, um mich dann ebenso blitzschnell wieder hinfallen zu lassen, als schon wieder eine Kugel mit der Wand kollidierte.
Verdammte Scheiße.
Lange würde es nicht mehr dauern, bis der Angreifer einen Treffer landete. Treffer im Sinne von einen von uns. Wenn schon nicht aufgrund von gutem Zielwasser, dann durch reinen Zufall, weil wir hier wie auf einem verdammten Präsentierteller saßen und wundervolle Zielscheiben abgaben.
Hektisch beäugte ich den restlichen Inhalt des Safes. Da waren noch so viele Dokumente und Umschläge und Datenträger und-...
Aber das Risiko war zu groß.
Es gab immerhin einen Unterschied zwischen professioneller Auftragsausführung und leichtsinnigem Kopfhinhalten.
„Los!" Ich versetzte Niall einen Stoß, als der sich gerade nach einem USB-Stick strecken wollte, der ganz hinten lag. „Lass liegen und hau ab! Wir haben genug Material!"
„Aber ..." Niall wirkte ganz und gar unzufrieden mit diesem Entschluss, obwohl ihm die Furcht ins Gesicht geschrieben stand. „Aber nicht alles! Wir müssen-..."
„Hörst du schlecht?!", herrschte ich ihn an. Allmählich verlor ich die Geduld. Wollte dieser dickköpfige Wasserstoffzwerg etwa draufgehen? Nun gut, das konnte er ja durchziehen, aber dann doch bitte nicht in meinem Beisein. „Beweg dich!"
Niall jammerte irgendetwas, doch ich war längst dazu übergegangen, ihn kurzerhand am Kragen zu packen, auf die Beine zu ziehen und in Richtung Gang zu stoßen. Zufrieden sah ich zu, wie er im Schutz der Wand zu Boden ging, ungeachtet dessen, dass er sich dabei das Kinn an einer Stuhlkante blutig schlug. Lieber ein blutiges Kinn als blutiges Organversagen durch eine Schussverletzung.
„Louis?" Harrys besorgte Stimme meldete sich über den privaten Kanal. „Lou, ist bei euch alles in Ordnung? Braucht ihr Verstärkung?"
Grimmig schnappte ich mir den kleinen Rucksack, in dem wir die Speichergeräte gesammelt hatten. „Alles paletti, Harold. Wir-..."
Nun ja. Es war zuvor schon nicht alles paletti gewesen, aber noch weniger paletti waren die Dinge plötzlich, als erneut das charakteristische Zischen eines Projektils erklang, dicht gefolgt von leisem Splittern – offenbar hatte sie eine der heilgebliebenen Ecken der Fensterfront gestreift – und als dann, wie aus dem Nichts, schmerzhaftes Brennen meinen linken Fuß hinabstach, wusste ich, dass ich gerade den Kürzeren gezogen hatte.
Ich schaffte es gerade noch, mich neben den bockenden Niall auf den Gang fallen zu lassen und dabei die Tür mit dem unverletzten Fuß zuzuziehen, da hörte ich auch schon, wie mehrere Kugeln auf einmal das Holz splittern ließen.
Mein linkes Bein brannte wie die Hölle.
„Fuck!" Gekeuchte Flüche waren das Einzige, was ich zustandebrachte. „Verdammte Sch-... Fuck!"
Niall hatte sein unzufriedenes Jammern lange genug eingestellt, um mich völlig perplex anzustarren, bis sein Blick schließlich auf mein blutdurchtränktes Hosenbein fiel. Seine Augen weiteten sich in Entsetzen.
„Oh Shit!" Er schlug meine Hände weg, als ich selbst nach dem Ursprung des Bluts greifen wollte, der wohl sich irgendwo an der Oberschenkelpartie befand. „Ist es schlimm? Kannst du noch laufen? Du-..."
„Halt den Rand und hilf mir lieber!" Fluchend zog ich mich an der Klinke der benachbarten Tür und Nialls Arm hoch. „Weg hier!"
Überraschenderweise befolgte Niall die Anordnung und schlang sich sogar bereitwillig meinen Arm um den Nacken, um uns dann beide unter verbissener Anstrengung in Richtung Hauptgebäude zu manövrieren.
Wir kamen gut voran. Zumindest am Anfang.
Die Tür, die in den Hauptbereich des Firmengebäudes hinausführte, kam immer näher, die Schüsse waren eingestellt worden (jedenfalls temporär), wir hatten den gut gefüllten Rucksack bei uns und sicherlich würde es auch nicht mehr lange dauern, bis ein paar meiner Kollegen hier auftauchten.
Niall laberte zwar ununterbrochen, war ansonsten aber so außer Atem, dass es für seine üblichen schlechten Witze nicht mehr reichte.
Es sah also gut aus.
Doch dann, nach ungefähr der Hälfte der Strecke, schwappte eine Welle des Schwindels über mich hinweg, und ich musste abrupt nach dem Handlauf greifen, als mein Körper nach vorne wegzukippen drohte. „Fuck."
Plötzlich war ich mir der Tatsache, dass gerade in rasanter Geschwindigkeit Blut aus einer klaffenden Wunde an meinem Oberschenkel strömte, hyperbewusst. Plötzlich glaubte ich, regelrecht spüren zu können, wie es austrat, mein Bein hinabrann und den Stoff der Hose durchtränkte. Zu dem stechenden Schmerz, der bei jedem Schritt aufflammte, gesellte sich ein merkwürdiges, ziehendes Gefühl. Ein leeres Gefühl.
„To-... Louis. Louis." Nialls Gesicht tauchte vor mir auf, doch es war an den Rändern so verschwommen, dass der Übergang zwischen seiner Stirn und seinem Haar für mich beinahe fließend war. Lediglich der blutige Fleck an seinem Kinn stellte einen markanten Punkt dar. „Hey. Mach jetzt bloß nicht schlapp. Diese Wichser sind mit Sicherheit gleich hier und machen uns fertig, wenn wir uns nicht verpissen."
Normalerweise hätte ich ihn jetzt gnadenlos angepflaumt, dass er doch bitte seinen Rand halten und mir nicht mit seiner übertrieben vulgären Ausdrucksweise auf den Keks gehen sollte, doch im Moment war mir so speiübel, dass ich mich vermutlich lediglich übergeben hätte, hätte ich den Mund aufgemacht.
So beließ ich es dabei, die Zähne zusammenzubeißen, den Schwindel weitgehend zu ignorieren und mich am Handlauf vorwärtszuziehen. Niall hielt sich noch immer meinen Arm um den Nacken geschlungen und plapperte weiterhin unaufhörlich (was sollte diese Labertasche auch sonst tun), aber sein Gelaber wurde im Strudel meiner restlichen, sehr chaotischen Sinneseindrücke zur Unverständlichkeit erstickt.
Ein Knall ertönte, gefolgt von trappelnden Geräuschen, die sich anhörten wie Schritte. Dann schrie Niall neben mir auf und ließ ohne Vorwarnung von meinem Arm ab, woraufhin es mir nur durch reinen Zufall gelang, mich mithilfe des Handlaufs auf den Beinen – oder auf dem einen, gesunden Bein – zu halten.
Wir hatten Gesellschaft.
Panik beschleunigte meinen Puls um ein Vielfaches.
Den Geräuschen nach zu urteilen, lieferte sich Niall gerade einen Kampf, während ich wie ein nutzloser Sack Kartoffeln hier herumhing, in meinem persönlichen Kinderkarussell gefangen, und unfähig dazu, mich irgendwie zu beteiligen. Das Einzige, was ich einigermaßen erfolgreich auf die Reihe bekam, war, nicht umzukippen und mir die Rübe am Handlauf aufzuschlagen.
Frustriert manövrierte ich mich so weit herum, bis ich mich mit dem Rücken gegen den Handlauf lehnen konnte. Schnelle Bewegungen und nicht identifizierbare Personen tauchten vor mir auf. Dort war ein blonder Haarschopf, den ich natürlich sehr gut zuzuordnen wusste, aber dann sah ich da auch noch zwei Gestalten, die eindeutig eine Haube oder eine Kapuze über dem Kopf trugen.
Wenn das mal nicht unsere Attentäter waren.
Ich zuckte zusammen, als Niall ganz offensichtlich einen Schlag ins Gesicht kassierte, doch dann revanchierte dieser sich mit seinem berüchtigten Diamantentritt, woraufhin sein Gegner mit einem Quietschen in die Knie ging, nur um dort per Kinnhaken komplett außer Gefecht gesetzt zu werden.
Widerwillig war ich beeindruckt. Babyface konnte nicht nur hacken, sondern auch kämpfen.
Ich fragte mich wirklich, wo er das alles gelernt hatte. Während einer Ausbildung zum Informatiker kam es normalerweise doch eher selten vor, dass man Kniffs im Nahkampf beigebracht bekam, oder?
Was auch immer. Jedenfalls war Niall gerade dabei, uns den Arsch zu retten.
Zumindest so lange, bis er plötzlich auf dem Boden lag, der zweite Kapuzenwichser über ihm, etwas über seinem Gesicht erhoben, das verdächtig nach einem Messer wirkte.
Sofort war meine Begeisterung dahin.
Verdammte, gottverdammte Scheiße.
Sah ganz so aus, als müsste ich meine aller-allerletzten Kraftreserven anzapfen.
Die zwei waren so damit beschäftigt, miteinander zu ringen und sich dabei anzuschreien, dass sie gar nicht bemerkten, wie ich mich vom Handlauf abstieß, blind nach meiner Waffe tastete und dann wie ein Clown auf Crack über den Gang taumelte.
Im allerletzten Moment wirbelte der Trottel noch herum und ich glaubte, tatsächlich sehen zu können, wie er Mund und Augen aufriss (wo ich ja sonst schon nichts mehr sah), dann zog ich ihm auch schon zielgerecht den Griff meiner Glock über den Schädel.
Zufrieden sah ich zu, wie er zur Seite wegkippte.
Nur einen Wimpernschlag später schwand der Adrenalinschub auch schon wieder, sorgte dafür, dass ich taumelte und prompt die Waffe fallenließ. Vermutlich war es besser so, in meinem Zustand hätte ich es garantiert fertiggebracht, versehentlich einen von uns zu erschießen.
Zu meinem Entzücken landete sie darüber hinaus geradewegs auf Niall, der gerade dabei war, sich laut fluchend aufzurichten. Um genau zu sein, landete sie genau dort, wo er andere Leute hinzutreten pflegte, mit dem Resultat, dass er wie ein Schweinchen quiekte.
Trotz allem musste ich grinsen.
Tja.
„Schön, dass du Spaß hast." Er packte meine Schultern, als mein Körper schon wieder zu einem Ausflug gen Boden ansetzte. „Jetzt aber raus hier. Mir reicht's."
Dass er mir dabei den Rucksack entriss, registrierte ich an der Stelle überhaupt nicht.
Wir erreichten den Gang des Hauptgebäudes ohne weitere Zwischenfälle. Zumindest, wenn man davon absah, dass ich davor noch schnell hinter die Tür gekotzt hatte und mich nun noch elender fühlte als zuvor. Ich hoffte inständig, dass es sich nur um einen harmlosen Streifschuss handelte, der sich schnell und leicht behandeln ließ, ohne befürchten zu müssen, an den Komplikationen draufzugehen.
Erneut wurden Schritte laut und mein Körper versuchte automatisch, in den Verteidigungsmodus zu schalten, doch es klang nicht so, als wäre uns unsere neueste Gesellschaft sonderlich feindlich gesinnt.
„Niall?"
Eine männliche Stimme, die ich nicht kannte.
Mein Kopf schwamm, aber trotzdem gelang es mir, aufzusehen. Jemand mit tiefschwarzem Haar näherte sich uns, ein hochgewachsener Mann mit dunkler Kleidung und gebräunter Haut.
Ich zwinkerte mehrmals, ehe ich stirnrunzelnd die Augen schmälerte, als könnte ich so mein Sichtfeld verbessern. Wer zur Hölle war das denn?
Ich war mir ziemlich sicher, dass er nicht zu unserem Team gehörte. Nein, nicht nur ziemlich sicher, sondern sehr sicher. Wir kannten jedes einzelne Mitglied unseres Teams gut genug, um es auch anhand der bloßen Silhouette identifizieren zu können. Etwas, das bitter nötig war. Unter anderem in beispielhaften Situationen wie dieser hier.
Und diesen Typen dort kannte ich definitiv nicht.
Ganz im Gegensatz zu Niall.
Meine Kinnlade landete im Keller, als ich verfolgte, wie mein blonder Zwangspartner mit einem erleichterten Seufzen auf den Neuankömmling zuhielt, die Arme um ihn schlang – und die beiden prompt einen Kuss austauschten. Auf die Lippen.
Ich war schockiert.
Moment mal. Moment. Stopp. Was?
Aber-...
„Hast du den Kram, Babe?" Die Stimme des Mannes klang weich, nicht so, als wäre er darauf aus, hier irgendwelchen Schaden anzurichten oder jemanden (mich) zu erschießen. Und Niall schon gleich dreimal nicht.
„Was denkst du denn, Z?" Niall reichte ihm etwas, das verdächtig aussah wie unser kleiner, schwarzer Rucksack, und als ich an meine Schulter griff, stellte ich horrorerfüllt fest, dass ich ihn nicht mehr bei mir trug. Babyface, dieses gerissene Wiesel! „Alles drin."
„Niall, was-...?!" Ich brach ab, als mein Bein ohne Vorwarnung komplett unter mir nachgab und mich unsanft zu Boden sacken ließ.
Ich war müde. So unfassbar müde.
Aber dieser Typ. Wer war dieser Typ? Und warum ... warum händigte Niall ihm unsere Beute aus? Was zur Hölle lief hier?
Hände an meiner Wange rissen mich aus meinen verworrenen Überlegungen.
„Louis?" Nialls Stimme klang aufrichtig besorgt. „Tomlinson. Hey." Ein Fluch folgte. „Z, rück mal deinen Schal raus."
Mein Bewusstsein war schon viel zu sehr im Jenseits, als dass ich noch richtig zur Kenntnis hätte nehmen können, wie ein Stück Stoff um meinen Oberschenkel geschlungen und fest zusammengezogen wurde. Es tat zwar weh, aber der Schmerz war so gedämpft, dass ich ihn fast nicht spürte.
Dennoch gelang es mir reflexartig nach Nialls Handgelenk zu greifen, als er sich wieder erheben wollte. „Niall, was ... warum ..."
Er zögerte. „Tut mir leid, Tommo. Aber ihr wart nicht die Einzigen, für die ich gearbeitet habe." Ich spürte, wie er mir unbeholfen den Handrücken tätschelte. „Harry weiß, wo du bist, und ist schon unterwegs. Richte Liam einen schönen Gruß aus und sag ihm, dass es mir leidtut. Ich weiß, dass er Hoffnungen hatte."
Irgendwo hinter ihm ertönte ein argwöhnisches Grunzen. „Babe, wer ist Liam?"
Zwar sah ich nicht mehr viel, aber ich hatte den Eindruck, dass Niall die Augen verdrehte. „Erklär ich dir später. Wir müssen los." Er wandte sich wieder mir zu, seine Ausrüstung landete neben mir auf dem Boden. „Man sieht sich, Giftzwerg."
Und dann verpissten sich die zwei und ließen mich mitten im vierten Stock, nur wenige Meter von der Tür zu Livseys persönlichem Bürokomplex, allein zurück. Mit einem angeschossenen Bein, den widersprüchlichsten Informationen und – vor allem – ohne Rucksack.
Und ohne Niall.
Verdammte Scheiße.
***
Harry sah aus, als hätte er am liebsten jede einzelne Person im Raum mit dem Kabel des elektrischen Krankenbetts stranguliert. Es war offensichtlich, dass er sich am liebsten zu mir ans (oder ins) Bett gesellt, nach meiner Hand gegriffen und diese festgehalten hätte, wären wir denn allein gewesen.
Aber das waren wir nicht. Neben ihm, Liam und mir selbst befanden sich noch der Boss sowie einige weitere Kollegen im Raum, mit denen wir eben eine Lagebesprechung abgehalten hatten. Eine sehr ernüchternde Lagebesprechung.
So musste mein Partner sich damit zufriedengeben, ein Stück von mir entfernt an der Wand zu lehnen, mit dem finstersten Gesichtsausdruck des Jahrhunderts auf seiner Unterlippe herumzukauen und mich ununterbrochen anzustarren.
Verständlicherweise war er komplett von den Socken gewesen, als er und eine Kollegin mich so gut wie bewusstlos vom Gang gekratzt hatten. Mit Mühe hatte ich ihnen noch stecken können, was der Stand der Dinge war – vor allem, was Niall und dessen Komplizen/Freund/Ehemann/was auch immer betraf – dann hatte ich unserer Kollegin auf die Schuhe gekotzt, Harrys Funkgerät mit Blut eingesaut und hatte mich dann endlich komplett verabschiedet.
Die Begeisterung aller Beteiligen hielt sich noch immer in Grenzen.
„Horan ist also getürmt?" Der Boss klang noch immer ungläubig. „Mit dem Beweismaterial und ... und einem Herrn namens Z?"
Müde rieb ich mir die Nasenwurzel. Ich war immer noch völlig fertig. „Ja. Ich konnte nichts machen."
„Wie auch?", schaltete sich Harry in giftigem Tonfall ein, dem es noch immer ganz und gar nicht passte, dass unser Boss sogleich die ersten fünfzehn Minuten meines Wachzustands genutzt hatte, um mich erbarmungslos auszuquetschen. Zugegeben, es blieb ihm auch nichts anderes übrig, wenn er schnell agieren wollte. „Er hatte eine Kugel im Bein."
Ein Ächzen drang aus Liams Ecke des Zimmers. „Aber ... aber Niall hat dafür gesorgt, dass du nicht verblutest, richtig?" Er klang hoffnungsfroh. Und verzweifelt. „Er hat die Wunde noch abgebunden und uns dann informiert, wo genau du bist."
„...und ist dann über alle Berge verschwunden", vollendete Harry seinen Satz säuerlich. „Mit seinem Freund." Er sah in die Runde. „Wer zur Hölle sind die zwei? Ein Verbrecherehepaar? Bonnie und Clyde und der Schwulenversion? Für wen arbeiten sie? Und für was? Ich verstehe nichts. Wirklich nichts."
„Sieht ganz so aus, als hätten wir uns in Mr. Horan ordentlich getäuscht." Der Boss warf einen Blick auf die Uhr. Der Kugelschreiber zwischen seinen Fingern bebte, so fest hielt er ihn umfasst. Seine Frustration musste irrsinnig groß sein. „Ich muss los. Wir sind noch damit beschäftig, ihn zu orten. Vielleicht haben wir ja Erfolg." Er nickte mir zu. „Gute Besserung, Mr. Tomlinson."
Ich wartete, bis er sich mit dem Rest seiner aktuellen Mannschaft verkrümelt hatte, ehe ich Harry und Liam einen säuerlichen Blick zuwarf. „Ich habe euch doch gesagt, dass mit Babyface etwas nicht stimmt."
Harry seufzte, während Liam einfach nur die Wand anstarrte.
Armer Teufel.
Er hatte Niall wirklich gemocht. Definitiv ein wenig zu sehr.
„Schon gut, Lou." Mein Partner spähte prüfend durch die Milchglasscheibe, bevor er es riskierte, mir einen kleinen Kuss auf die Lippen zu geben. „Wie fühlst du dich?"
„Wie ein Stück Dreck."
„Louis."
Ich ließ den Kopf auf das Kissen zurücksinken. „Es geht, Harold. Wie soll ich mich denn fühlen? Ich hab eine Kugel abbekommen und es geschafft, das Beweismaterial an einen neunzehnjährigen, blondierten Möchtegerngauner zu verlieren. Alles ist super."
„Leute."
Liams Stimme klang so alarmiert, dass wir unsere Unterhaltung unterbrachen, um ihn fragend anzusehen. Er hielt sein übliches Tablet in der Hand und als er den Kopf hob, war sein Gesicht blank.
„Leute, ich denke, ich weiß, für wen oder als was Niall arbeitet." Zähneknirschen drehte er das Tablet um, sodass wir einen Blick auf das Display erhaschen konnten, genau genommen, auf den News-Artikel, den er darauf geöffnet hatte. „Dreimal dürft ihr raten, was in den Medien gerade die Runde macht."
Binnen Sekunden war Harry auf den Beinen, um unserem Kollegen das Gerät aus der Hand zu reißen. „Was? Was?!" Fassungslos starrte er erst das Display an, dann wieder uns. „Er ist ein ... Journalist?"
Liam sah aus, als hätte er am liebsten alles und jeden geohrfeigt, zu allererst sich selbst. „Nicht er selbst. Die Quelle der Informationen ist ein gewisser Zayn Malik. Ist schon ein verdammter Zufall, dass Nialls Komplize von gestern ausgerechnet Z hieß, nicht wahr?"
Das mussten wir alle erst einmal sacken lassen.
Irgendwann ließ Liam die Hände auf die Oberschenkel niedersausen. „Schön. Ich geh heim. Mir reicht es für die nächsten zwanzig Jahre."
Betroffen sah ich zu, wie er zur Tür schlurfte. „Es tut mir leid, Li. Wir wissen, dass du ihn gemocht hast."
Liam winkte ab. „Schon gut. Mit Reporteraasgeiern sollte man ja ohnehin nichts anfangen, richtig? Und wie's aussieht, ist er sehr glücklich vergeben. Gute Nacht."
Und damit verschwand er, ohne sich weiter um den Stand der Dinge zu kümmern.
Nun gut. Verübeln konnte man es ihm nicht.
„Weißt du was?"
Harry, der geistesabwesend eine seiner Locken zwischen den Fingern gezwirbelt hatte, sah auf. „Was?"
Geschäftig zog ich die Bettdecke zurecht. „Sollte ich dieses blondierte Riesenbaby jemals wieder in die Krallen bekommen, werde ich ihn grün und blau vermöbeln."
Mein Partner lachte müde. „Ich glaube, dann kriegst du ein Problem mit seinem Typen." Er zögerte. „Außerdem ... außerdem glaube ich nicht, dass er wirklich ein schlechter Mensch ist. Ich meine, ihm war es wichtig, dich in Sicherheit zu wiegen, bevor er abgehauen ist. Wäre er ein rücksichtloser, krimineller Psycho, hätte er sich nicht darum geschert, ob du nun draufgehst oder nicht. Und auch wenn du es nicht hören willst, bin ich ihm sehr dankbar dafür, dass er dich nicht verbluten lassen hat. Das wäre für mich sehr schlimm gewesen, musst du wissen."
Mit einem Seufzen rieb ich mir die Augen. „Sehr schmeichelhaft, Harold. Ich nehme an, du hast gerade keine Zeit für eine Kuschelsession, oder? Ich hätte gerade sehr dringend eine nötig."
Harry zögerte, sichtlich mit sich kämpfend, und sah zur Tür. „So ungern ich dir diesen Wunsch abschlage, ist es einfach zu riskant. Jeder, der uns sieht und Eins und Eins zusammenzählt, ist eine Gefahr."
Ich nickte schwermütig, schluckte jeglichen weiteren Protest hinunter. „Ich weiß. Was macht ihr heute noch? Versucht ihr jetzt wirklich die ganze Nacht lang, Niall und seinen Z ausfindig zu machen?"
Harry zuckte die Schultern. „Mal sehen. Eigentlich geht von den beiden ja keine akute Gefahr aus. Auch wenn der Fall jetzt ein wenig anders – vor allem auffälliger – abläuft als geplant, ist das Resultat dasselbe. Livsey wandert vor Gericht und dann vermutlich in den Knast. Zwei ihrer Komplizen konnten wir immerhin schnappen, der dritte steht ganz oben auf der Liste. Und die Öffentlichkeit weiß jetzt ohnehin über so ziemlich alles Bescheid. Dank unserem ... wie nennst du ihn ständig? Blondierten Riesenbaby."
Ich musste lachen. „Bei dir klingt das irgendwie blöd. Das ist nicht dein Vokabular."
Harry schnaubte. „Danke." Dann beugte er sich vor, um mich sanft zu küssen, eine Hand an meiner Wange, die andere auf meinem unverletzten Bein. Der Blick seiner smaragdgrünen Augen fand meinen. „Sobald ich kann, komme ich zurück, klar? Und diese Kuschelsession holen wir nach." Wieder küsste er mich. „Bis dann."
„Geht klar." Nur widerwillig ließ ich seine Hand los, als er sich erhob. „Bis später."
Und damit verschwand auch Harry, um sich wieder an die Arbeit zu machen, während ich mich damit zufriedengeben musste, nutzlos herumzugammeln und Löcher in die Decke zu starren.
Irgendwann schnappte ich mir mein privates Handy, um die zahllosen Beiträge im Internet und in den sozialen Medien durchzugehen, die Niall und sein Z-Freund dort verursacht hatten. So wenig ich Niall leiden hatte können, war ich verdammt neugierig, was ihn antrieb. Ich brannte förmlich darauf, eine Gelegenheit zu bekommen, ihn auszuquetschen.
Und selbstverständlich dafür, ihm endlich eine zu klatschen.
Natürlich dürfte wohl auch ein kleines Dankeschön angebracht sein, weil er mir gewissermaßen das Leben gerettet hatte, aber ... nun ja. Das verdrängte ich jetzt mal lieber.
Jetzt war nur wichtig, dass Harry mir noch einen Besuch versprochen hatte.
Wenigstens etwas, dem ich entgegenfiebern konnte.
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Sorry für das abgewürgte Ende, ich wollte nicht, dass der Kram noch länger wird🙈
Well ... wer von euch hätte tatsächlich noch mit Ziall gerechnet?🤭😂
Wenn euch die Story gefallen hat, lasst mir sehr, sehr gerne Sternchen da😉🤗 Ich habe eine ganze Weile daran gesessen bzw. sie halbfertig monatelang liegenlassen, daher würde ich mich sehr über ein wenig Feedback freuen🎀
Feel free, in "Bodyguard (Niam)" reinzuschauen, da steht noch einiges an Drama an!
DANKE an alle, die kommentieren und Sternchen dalassen, und liebe Grüße!❤
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