Mission "Trust" (Teil 2)
Von grimmiger Entschlossenheit erfasst, stürzte ich mich auf die Treppenstufen, gerade noch rechtzeitig genug, um zu hören, wie unten die Kellertür ins Schloss fiel.
Mit einem triumphierenden Grinsen hob ich mir das winzige Mikro an meinem Kragen an den Mund und nahm mir nicht einmal die Zeit, kurz meinen stoßweise gehenden Atem zu beruhigen. Liam sollte ruhig wissen, dass ich gerade alles daran setzte, unseren Patzer wieder geradezubiegen.
„Leeroy!" Mein Hecheln war irgendwie erbärmlich. „Entriegelung der Kellertür!"
Noch während ich mithilfe weniger Sätze die Treppenstufen hinter mich brachte, bestätigte Liam meine Anordnung mit einem knappen „Check", mit dem Resultat, dass sich die schwere, massive Echtholztür am untersten Absatz ungehindert öffnen ließ.
Erst jetzt zwang ich mich dazu, kurz innezuhalten, um meinen viel zu lauten Atem unter Kontrolle zu bekommen, ehe ich meine Waffe fester umfasste und mit dem Fuß die Tür komplett aufschob.
Gähnende Dunkelheit schwappte mir entgegen.
Ich wusste, dass es vernünftiger wäre, auf Harry zu warten und dann zusammen mit gegenseitiger Rückendeckung in das Gebäude vorzudringen, doch in diesem Fall schlug ich unser gewohntes Vorgangsprotokoll in den Wind.
Wenn ich nun wartete, verschaffte das dem Eindringling unnötige Zeit, die am Ende zur Rettung von Livsey womöglich ausschlaggebend sein könnte. Und Livseys Überleben war oberste Priorität.
Gleich nach meinem Wunsch, mein Gedächtnis behalten zu dürfen.
Und Harry, versteht sich.
„Will an Edward", murmelte ich in das Mikro. „Ich bin drin. Setze den Weg fort."
Harry reagierte nicht, doch ich zwang mich dazu, nicht in Besorgnis zu verfallen. Mein Kollege war mir um ganze Erfahrungsjahre überlegen. Wenn hier einer von uns dem anderen den Arsch retten musste, dann war das garantiert Harry, nicht umgekehrt.
Mithilfe dreimaligen Zwinkerns aktivierte ich meine Kontaktlinse – etwas, das ich in all der Hektik kurz vor Aufnahme der Verfolgung vollends vergessen hatte – und wurde einen weiteren Wimpernschlag später mit grünlicher, leicht undeutlicher Nachtsicht beschenkt.
Ein großer, unübersichtlicher Kellerraum tauchte vor mir auf, gespickt mit haufenweise alten Möbeln, einigen Fahrrädern, vollgestopften Regalen an den Seitenwänden sowie eine mobile Tischtennisplatte und Golfausrüstung in der Ecke.
Das Chaos streifte ich nur mit einem flüchtigen Blick. Dort war nichts, was sich als Versteck für einen Menschen eignete, und war daher für mich nicht relevant.
Unvermittelt drang unterdrücktes Fluchen aus meinem In-Ear-Piece, dicht gefolgt von einer mit meinem Namen kombinierten Verwünschung. Offenbar wusste Harold meinen Alleingang nicht zu schätzen.
„Ich habe einen kleinen Abgang hingelegt." Er klang alles andere als amüsiert. „Bin sofort bei dir."
Trotz allem musste ich grinsen. Harry hatte es in all seiner sportlichen Leistungsfähigkeit und mit all dem Training in problematischen Verhältnissen also tatsächlich geschafft, sich beim Laufen auf die Fresse zu legen. Wäre das hier eine Übung gewesen, hätte ich ihn gnadenlos ausgelacht.
Doch leider war es keine Übung, also zwang ich mich dazu, ernst zu bleiben und meinen Fokus zu halten – genau zum richtigen Zeitpunkt. Ich hatte den Kopf kaum wieder gehoben, da glaubte ich, auf der gegenüberliegenden Seite des Kellers, direkt hinter der einen Spaltbreit offenstehenden Tür einen Schatten wahrnehmen zu können. Jemand drang gerade ins Herz der Villa vor.
Bingo.
„Hatte kurzen Sichtkontakt", informierte ich meine Kollegen knapp. „Ich nehme die Verfolgung auf."
Meine Glock lag schwer und vertraut in meiner Hand, als ich mir zielstrebig einen Weg durch das Chaos bahnte, sorgfältig darauf bedacht, mit keinem der Gegenstände in Berührung zu kommen und möglicherweise Geräusche zu verursachen.
Ich war mir nicht sicher, ob der Typ schon bemerkt hatte, dass er verfolgt wurde, aber ich würde auf Nummer sicher gehen und mich weiterhin bedeckt halten. Wenn ich etwas nicht brauchen konnte, dann, in eine Falle zu tappen und mir eins über die Birne ziehen zu lassen.
„Lee, siehst du schon irgendetwas auf den Überwachungskameras der Villa?"
„Nein." Liams Stimme klang gepresst. „Leere Gänge."
Stirnrunzelnd umrundete ich einen Tisch. „Was? Auch die innere Kellertreppe? Ich habe mit eigenen Augen gesehen, wie der Typ sie gerade betreten hat!"
Liam fluchte. „Nichts." Hektisches Tippen erklang. „Wobei es natürlich auch sein kann, dass er uns unbewegtes Bildmaterial über die eigentliche Live-Aufzeichnung schiebt. Jemand, der durch ein solches Tor kommt, kann sich garantiert auch in ein geschütztes Überwachungssystem hacken."
Das war alles extrem vertrauenerweckend.
„Scheiße", kam es im nächsten Moment von Liam – offenbar hatte sich seine Vermutung bestätigt. „Ich komme nicht durch. Sorry, Larry, aber ich befürchte, ihr seid vorerst auf euch allein gestellt."
Ich verschwendete keine Zeit, sondern schob mich flink durch die Tür, checkte mit erhobener Waffe ringsum die Umgebung und hastete dann die stoffüberzogene Treppe empor, die glücklicherweise meine schnellen Schritte dämpfte.
Der Eindringling war schon im Wohnbereich.
Wenn wir ihn nicht bald aufhielten, konnten wir uns Livseys Rettung abschminken.
Die Treppe mündete ohne weitere Tür in einen breiten, ebenfalls mit Teppich ausgelegten Gang, an dessen Wänden zu beiden Seiten riesige Portraits von Menschen und Landschaften hingen, halb verdeckt von übertrieben großen Kunstpalmen und sorgfältig kombiniert mit merkwürdigem Wandschmuck, der den Eindruck erweckte, als müsste jeder einzelne davon ein Vermögen wert sein.
Was wohl auch der Fall war. Meines Wissens nach, hatte die reizende Ms. Livsey Geld wie Heu.
Eine Bewegung am linken Ende des Gangs zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Schon wieder eine Tür.
Ohne lange zu fackeln, steuerte ich darauf zu, ignorierte Harrys Stimme in meinem Ohr, die verkündete, dass er nun ebenfalls am Keller angelangt war.
Theoretisch könnte ich jetzt also warten.
Aber ... nein. Mein finsterer Blick blieb auf die Tür geheftet, durch die der Eindringling eben geschlüpft war.
Ich würde diesen Typen erwischen.
Oh ja, und wie ich das tun würde.
Meine Hand schwebte schon über der Klinke der nur angelehnten Tür, drauf und dran, diese hinunterzudrücken, die Waffe zu heben und den Raum zu stürmen, doch eine plötzliche Eingebung ließ mich in letzter Sekunde innehalten.
Diese Tür, vor der ich mich hier befand, führte in Ms. Livseys Arbeitszimmer. Nicht in ihr Schlafzimmer, wo man sie mitten in der Nacht vermuten würde.
Was zur Hölle wollte ein Auftragskiller in ihrem Arbeitszimmer, wenn die Frau selbst sein Ziel war? Oder waren seine Intentionen womöglich ganz andere? War es vielleicht ... eine Falle? Für mich?
Irritiert schüttelte ich den Kopf.
Was für ein Schwachsinn.
Jetzt war der schlechteste Zeitpunkt, plötzlich paranoid zu werden. Was auch immer der Typ vorhatte, sonderlich positiv konnte es nicht sein, und es war mein Job, ihn davon abzuhalten.
Kurz entschlossen stieß ich die Tür auf, riss die Waffe empor und betrat blitzschnell den Raum, prüfte den Freiraum hinter der Tür und wandte mich dann dem Rest meiner Umgebung zu, den Finger weiterhin direkt am Abzug.
Mein hochkonzentrierter Blick flitzte von einer Ecke des relativ kleinen Arbeitszimmers zur nächsten, nahm den Schreibtisch, die Aktenschränke und die Couch an der dem Fenster gegenüberliegenden Seite zur Kenntnis.
Das Zimmer lag still und verlassen vor mir, nichts regte sich, niemand war zu sehen.
Alles war so, wie es sich um diese Uhrzeit gehörte.
Zögerlich trat ich noch einen Schritt vor, bückte mich schnell, um unter den Schreibtisch zu spähten – der einzige Ort in diesem Raum, an dem sich eine durchschnittlich große, erwachsene Person ordentlich verstecken hätte können – doch auch das blieb erfolglos.
Ungeduld erfasste mich.
Ich war doch nicht bescheuert! Ich hatte doch mit eigenen Augen gesehen, wie der Typ das Arbeitszimmer betreten hatte! Er musste sich definitiv hier drin aufhalten, es sei denn, er hatte sich in Luft aufgelöst oder sich aus dem Fenster gestürzt – beides Optionen, die ich für sehr unwahrscheinlich erachtete.
Kurzerhand schob ich mit dem Fuß die Tür hinter mir ins Schloss, das dabei mit einem leisen Klicken einrastete.
Grimmig umfasste ich meine Glock noch fester.
Wenn der Typ hier rauswollte, musste er schon ein paar Geräusche verursachen.
Dann drehte ich mich andächtig einmal um die eigene Achse, ein weiteres Mal das scheinbar leere Zimmer einem Scan unterziehend, bevor ich mich langsam auf dem Schreibtisch niederließ, die Waffe noch immer einsatzbereit im Anschlag. Die Tischplatte ächzte nur leise unter meinem Gewicht.
Auch als ich die Waffe mit einem in der Stille gut hörbaren Klicken entsicherte, blieb es vollkommen ruhig, die grünlichen Konturen der Nachtsichtfunktion blieben unauffällig. Als wäre ich allein im Raum.
Aber ich wusste ganz genau, dass der Schein trog.
Irgendwo hier drin, irgendwo in einer dunklen Ecke versteckte sich jemand, beobachtete mich und wartete nur darauf, dass ich wieder verschwand – oder darauf, dass ich unaufmerksam, leicht zu überrumpeln und somit zu einer Zielscheibe wurde. Und dann vielleicht auch noch zu einem Opfer.
Prompt verzog ich das Gesicht. Wollte ich heute ein Opfer werden? Nicht wirklich.
Ich war so darauf fixiert, mich selbst zu bemitleiden, dass ich fast aus der Haut fuhr, als hinter mir etwas schepperte. Mit zusammengebissenen Zähnen schnellte ich herum und riss die Waffe empor, doch natürlich war nichts zu sehen. Nur der Vorhang auf der rechten Seite des Fensters bewegte sich leicht.
Von allein tat er das sicherlich nicht und da das Fenster geschlossen war, konnte die Bewegung auch nicht von einem Windstoß herrühren.
Angespannt, den Vorhang keine Sekunde aus den Augen lassend, rutschte ich auf die andere Seite des Schreibtischs, bewegte mich langsam auf die Fensterfront zu.
War es möglich, dass sich jemand hinter dem Vorhang verborgen hielt? Eigentlich war das eher unwahrscheinlich, dafür war der Stoffzuschnitt viel zu schmal, zumal er geradlinig gen Boden fiel, ohne auch nur die geringste Wölbung aufzuweisen. Sollte sich jemand dahinter verbergen, musste diese Person ein ordentlicher Strich in der Landschaft und noch dazu ein Winzling sein.
Dennoch beschloss ich, dem Geräusch nachzugehen. Auf keinen Fall würde ich mir etwas durch die Lappen gehen lassen.
Mit einem Ruck riss ich den Vorhang zur Seite – und wurde mit ... nun ja, Nichts konfrontiert.
Verdammte Scheiße.
Ein frustrierter Fluch lag mir auf der Zunge, doch lautes Scharren erstickte dieses Vorhaben im Keim.
Schlagartig wirbelte ich herum, sah gerade noch, wie die Couch zur Seite gestoßen wurde, sich jemand vom Boden aufrappelte und zur geschlossenen Tür flitzte – und das alles in einer derartigen Geschwindigkeit, dass ich fast beeindruckt gewesen wäre.
Aber nur fast.
Im Moment war ich leider viel zu wütend darüber, dass ich mich in die Irre hatte führen lassen.
„Hey!" Zornig ließ ich von endgültig von dem Vorhang ab, hechtete mit Hilfe von Händen und Füßen über den Schreibtisch hinweg und stürzte mich geradewegs auf die flüchtende Person. „Moment!"
Ich erreichte den Kerl gerade noch rechtzeitig, als er die Tür aufriss, packte ihn an den Schultern und riss ihn grob zurück. Zu meiner Überraschung zerrte er jedoch nicht in die entgegengesetzte Richtung, wie ich angenommen hatte, sondern ließ sich bereitwillig von mir rückwärts ziehen, mit dem Resultat, dass ich ebenfalls ins Taumeln geriet. Vermutlich genau das, worauf er abgezielt hatte.
Schlaues Kerlchen.
Schimpfend konnte ich gerade noch eine Kollision zwischen meinem Rücken und der Kante des Schreibtischs verhindern, während sich meine Arme reflexartig in einem Würgegriff um den Hals meines Gegners wanden. Gleichzeitig ließ ich meinen Fuß vorschnellen, schlang ihn gezielt um dessen Knöchel und riss ihn damit von den Beinen.
Multitasking und so. Gelernt war gelernt.
Wie erwartet verlor er das Gleichgewicht und kippte zur Seite, zappelte aber trotzdem noch so dermaßen herum, dass er mich prompt mit sich riss. Verbissen verstärkte ich meinen Griff, während wir in einem Wirrwarr aus Beinen und Armen zu Boden gingen und ich mir sämtliche Gliedmaßen an verschiedenen Möbelstücken anschlug. Meine blöde Glock verabschiedete sich dabei selbstverständlich ins Nirvana.
Verdammtes, nutzloses Stück.
„Will an Edward!", brüllte ich in den Raum, darauf hoffend, dass Harry über das Gerangel hinweg überhaupt irgendetwas von dem verstehen konnte, was ich von mir gab. Geistesgegenwärtig wich ich einem Ellbogenhieb aus, der eindeutig für meinen Magen bestimmt gewesen wäre. „Arbeitszimmer! Direkter Kontakt! Ich-..."
Weiter kam ich nicht, denn nun kollidierte der Hinterkopf meines Gegners hart mit meiner Nase und ließ mich Sterne sehen. Für einen kurzen Moment war ich desorientiert, doch diese wenigen Sekunden reichten dem Kerl vollkommen aus, um seinen Kopf aus meinem Schwitzkasten zu ziehen und meine Arme von sich zu schieben.
Hektisch wollte er sich aufrappeln, doch ich war fokussiert genug, um mir blitzschnell einen Zipfel seiner Lederjacke zu schnappen und kräftig daran zu ziehen, woraufhin er ungeschickt wieder zu Boden ging.
Das schmerzhafte Pochen in meiner Nase ignorierend, stemmte ich mich empor und schaffte es, mich auf ihn zu werfen, ehe er womöglich einen erneuten Aufstehversuch unternehmen konnte.
Dieser Pisser würde mir garantiert nicht durch die Lappen gehen. Schon gar nicht, ohne einen ordentlichen Schlag von mir kassiert zu haben.
„Ganz ruhig, Freundchen!" Mühsam versuchte ich, nach seinen Händen zu greifen, mit denen er nach mir schlug, konnte dabei jedoch nicht verhindern, dass eine seiner Fäuste trotzdem mit meinem Kiefer kollidierte.
Langsam wurde ich wütend.
Was für eine Diva.
Eigentlich hatte ich das hier ohne große Gewalt hinter mich bringen wollen, aber wenn der Typ sich wie eine Dramaqueen prügeln wollte, sollte er das gerne tun. Vielleicht konnte ich ihn per Faustschlag ja so weit benebeln, dass es mir möglich war, ihm eine meiner Betäubungsinjektionen in den Nacken zu rammen. Dann hätte ich wenigstens meine Ruhe.
Ehe er erneut zuschlagen konnte, hatte ich selbst ausgeholt und ihm einen einwandfreien Kinnhaken versetzt, der seinen Kopf herumfliegen ließ und ihm ein mehr überraschtes als schmerzerfülltes Keuchen entlockte.
Mein nächster Handgriff galt der Kapuze, die noch immer sein halbes Gesicht verdeckte. Vergeblich.
Der Typ fluchte, stemmte sich gegen mich, doch da er selbst nicht unbedingt größer war als ich selbst und noch dazu definitiv auch nicht kräftiger, blieben diese Bemühungen ohne Erfolg.
Aufgeben tat er zu meinem Missmut aber trotzdem nicht. Stattdessen schlug er nur noch verbissener um sich, wich meinen eigenen Schlägen erstaunlich geschickt aus und wehrte all meine Ansätze ab, mich nach der Pistole zu strecken, die ich unterdessen in all der Schlägerei unter der Couch gesichtet hatte.
Dass ihm irgendwann in all dem Gerangel schließlich die Kapuze halb vom Kopf rutschte, war wohl eher dem chaotischen Zufall als meiner Nahkampfkompetenz zuzuschreiben.
Aus den Augenwinkeln nahm ich gerade noch einen blond leuchtenden Haarschopf wahr – und dann bekam ich sein Knie so hart zwischen die Beine, dass mir buchstäblich die Luft wegblieb.
Grelle Lichtblitze des Schmerzes zuckten vor meinen fest aufeinander gepressten Augenlidern, während ich ächzend vornüberklappte.
Er war so fällig.
Dieses kleine Aas war sowas von fällig.
Besagtes Aas wollte mein Leid für seine Zwecke nutzen und sich unter mir hervorschieben, ganz offensichtlich ging er also davon aus, mich mit diesem hinterhältigen Tritt vorerst außer Gefecht gesetzt zu haben, aber er konnte ja nicht wissen, dass er damit meine Entschlossenheit nur noch weiter angefacht hatte.
Auch wenn es definitiv nicht die feinste Art des Kämpfens war, sondern so ziemlich das genaue Gegenteil davon, ließ ich in einem trotzigen Reflex meinen Arm vorschnellen und bekam prompt eine Handvoll seines Haars zu fassen, das mir in der Nachtsichtfunktion der Kontaktlinse fast weiß entgegenleuchtete.
Der Typ gab ein wenig männliches Quieken von sich und trat erneut nach mir, aber diesmal konnte ich meine, nun ohnehin schon geschädigte, empfindlichste Körperstelle gerade noch in Sicherheit bringen. Unsere Techniker sollten ihre Ressourcen wohl lieber in Schutzschilder für unsere Geschlechtsteile investieren, anstatt in Kontaktlinsen. Mein bemitleidenswerter Kumpel dort unten hätte einen solchen dringend nötig.
Meine Schulter kollidierte mit dem Boden, als wir schon wieder gemeinsam einen Abgang hinlegten, meine eine Hand noch immer fest in den Haaren meines Gegners vergraben. Meine andere, freie Hand glitt blitzschnell unter die Couch und ich konnte ein zufriedenes Grunzen nicht unterdrücken, als sich meine Finger den Bruchteil einer Sekunde später um den vertrauten Griff meiner Glock schlossen.
Das Gefühl des Triumphs ließ einen neuen Stoß hochkonzentrierten Adrenalins durch mein System schießen, sodass ich den nächsten, wie aus dem Nichts kommenden Schlag irgendwie abwehren und mich im gleichen Zug in eine überlegene Position manövrieren konnte, indem ich meinen Gegner an den Haaren ruckartig herumriss und ihn dann mit dem Gesicht voraus zu Boden drückte.
Im nächsten Moment befand sich auch schon der Lauf meiner geladenen Waffe an seinem Kopf.
Der Kampf war vorbei.
Wie erwartet stellte mein Gegner seine Verteidigung sofort ein. Sein Atem ging schwer und abgehakt, offenbar war er am Ende seiner Kräfte, doch ich ahnte, dass er nur auf einen Wimpernschlag der Unachtsamkeit von mir wartete.
Wenn ich in den vergangenen Augenblicken eines gelernt hatte, dann, dass ich diesen blonden Idioten definitiv nicht unterschätzen sollte. Meine empfindlichste Körperregion war noch immer im Schockzustand und schrie nur so nach Vergeltung.
„So, du kleines Stück Scheiße." Meine Stimme glich einem Knurren, als ich ihm den Lauf meiner Glock noch kräftiger an den Kopf presste und mir statt seiner Haare zusätzlich seinen Arm schnappte, um diesen im Polizeigriff gegen seinen Rücken zu pressen.
Am liebsten hätte ich ihn kurzerhand k.o. geschlagen, schon allein deshalb, um mich für den Tritt in die Weichteile zu revanchieren, aber da das definitiv zu nichts führte und mich Liam danach aufgrund unnötiger Gewaltausübung rügen würde, ließ ich es bleiben.
Stattdessen beugte ich mich so weit zu ihm hinab, dass ich ihm ruhig direkt ins Ohr sprechen konnte. „Hör mir gut zu. Wenn du auch nur einen Finger rührst, schieß ich dir ins Knie. Verstanden?"
Als er keine Reaktion zeigte, drehte ich seinen Arm noch ein Stück weiter herum, woraufhin er eine schmerzverzerrte Grimasse zum Besten gab. „Verstanden?"
Ein knappes Nicken war die einzige Reaktion, begleitet von hörbarem Zähneknirschen.
„Gut." Schweratmend lehnte ich mich wieder ein Stück zurück und senkte dann meinen Mund in Richtung meines Mikrofons hinab, um endlich wieder Kontakt zu meinen Kollegen aufzunehmen, die den ganzen Kampf über merkwürdig still gewesen waren.
„Herrgott nochmal, Partner, bist du im Klo ersoffen oder bist du einfach nur langsam?" Wo trieb Harry sich denn auch herum? „Mach endlich, dass du herkommst! Ich hab den Typen."
Keine Reaktion.
„Hey!" Irritiert lauschte ich erneut auf eine Antwort, doch statt der Stimmen meiner Kollegen war lediglich leises, statisches Rauschen zu vernehmen.
Stirnrunzelnd versuchte ich, einen Blick auf mein Mikrofon zu erhaschen.
Was zur Hölle ging denn nun wieder schief? Eigentlich sollte das-...
Und dann fiel mein Blick auf den blonden Typen unter mir, der sich nun ganz offensichtlich ein Grinsen verkneifen musste, sich aber eilig um ein neutrales Gesicht bemühte, als er bemerkte, dass ich ihn beobachtete.
Moment mal.
Fassungslos starrte ich auf ihn hinab.
Hatte ... hatte dieses Wiesel es etwa geschafft, sich in unser Equipment zu hacken und die Verbindung zu blocken? Während ich auf dem Schreibtisch gesessen und nach ihm Ausschau gehalten hatte?
Offensichtlich.
Okay.
Jetzt reichte es mir.
Wütend erhob ich mich ein Stück, um ihn mit einem kräftigen Stoß auf den Rücken zu rollen, sodass ich ihm ins Gesicht sehen konnte, die Pistole nun drohend an seiner Schläfe platziert.
Suchend sah ich mich um, bis ich auf dem Schreibtisch eine LED-Standleuchte entdeckte, deren Kabel mitsamt Schalter auf der Rückseite des Tisches herabhing. Kurzerhand betätigte ich den On/Off-Knopf und im nächsten Moment flutete grelles, bläuliches Licht den Raum. Die Nachtsichtfunktion meiner Kontaktlinsen deaktivierte sich und wich meinem gewöhnlichen Sichtfeld.
Dann wandte ich mich wieder meinem Gegner zu, der überraschenderweise noch immer keinen Fluchtversuch unternommen hatte.
Kurz war ich irritiert.
Der Kerl war jünger als ich angenommen hatte, vermutlich sogar noch einige Jahre jünger als ich selbst. Jetzt, bei einigermaßen gewöhnlichen Lichtverhältnissen, stellte ich darüber hinaus fest, dass seine Haarfarbe keineswegs grellblond war, sondern nur die Spitzen hell eingefärbt und die darunter nachwachsenden Haare von einem dunklen, natürlichen Braun waren.
Sein Gesicht wurde von einigen Schrammen geziert, seine Unterlippe war geplatzt und neben seinem linken Auge befand sich ein blutiger Cut – doch auch unter all den kleinen Verletzungen waren seine weichen, fast sanftmütigen Gesichtszüge nicht zu übersehen.
Kurzum: Dieser Typ wirkte nicht wie ein eiskalter Auftragskiller. Beim besten Willen nicht.
Andrerseits wirkte er jedoch auch definitiv nicht wie ein knallharter Hacker, der in Sekundenschnelle ein Hochsicherheitsschloss sowie die aufs Äußerste abgesicherten Systeme unserer Ausrüstung knacken konnte.
Fazit: Ich würde ihn dermaßen fertigmachen.
Bevor ich jedoch verbal über ihn herfallen konnte, wurde die Tür aufgetreten.
Harry stolperte herein, von oben bis unten nass und mit grünen Grasflecken an den Knien, die wohl von seiner Kollision mit dem Boden herrührten. Seine Locken trieften und hingen ihm traurig und kringelig bis auf die Schultern hinab, hier und da von feuchten Spinnweben verziert. Der Blick seiner grünen Augen war wild und ungezähmt, als er im Raum umherirrte, bis er schließlich an mir und dem möchtegernblonden Auftragskiller hängenblieb.
Einen Moment lang wirkte er verwirrt. „Lo-... Will, alles klar?"
Ich verdrehte die Augen und wischte mir mit der Schulterpartie meiner Jacke ein Rinnsal Blut vom Kinn, das mir aus der angeschlagenen Nase gelaufen war.
„Alles bestens. Sieht man das nicht?" Wütend deutete ich auf den jungen Mann unter mir. „Babyface hier hat unsere Kommunikationskanäle blockiert. Sieht ganz so aus, als hätten wir es mit einem nerdigen Klugscheißer zu tun."
Harry runzelte die Stirn und nahm sich dann ausgiebig Zeit, um unseren Gegner zu scannen. „Das soll ein Auftragskiller sein?" Er schnaubte. „Nimm's mir nicht übel, aber der sieht aus wie siebzehn."
Nun regte sich der junge Mann endlich, vorsichtig darauf bedacht, keine zu plötzlichen Bewegungen zu machen. Vor der geladenen Waffe an seinem Kopf hatte er offenbar Respekt.
Wenigstens das.
Argwöhnisch sah er zwischen Harry und mir hin und her. Furcht war keine zu entdecken. „Wer seid ihr?"
Fast hätte ich gelacht. „Meine Fresse. Halt lieber die Luft an, Kleiner. Ich bezweifle, dass du in der Position bist, Fragen zu stellen."
Knapp nickte ich Harry zu, woraufhin der seine Waffe hob, um den Typen in Schach zu halten, sodass ich meine eigene wegstecken konnte.
Stattdessen machte ich mich daran, sorgfältig die Taschen des potenziellen Auftragsmörders zu durchsuchen, wobei ich die ganze Zeit über seinen finsteren Blick auf mir brennen spürte. Sicherlich juckte es ihn in den Fingern, mir erneut sein Knie zwischen die Beine zu rammen.
Dieser kleine Wichser.
Zu meiner Irritation konnte ich jedoch nichts bei ihm feststellen, womit man jemanden töten oder wenigstens verletzen hätte können. Lediglich das stinknormal wirkende Smartphone sowie eine schmale Schatulle konnte ich aus den Taschen seiner Jacke und seiner Hose bergen.
Prompt wollte er sich aufrichten, als ich das Smartphone zu untersuchen begann, doch das Klicken von Harrys Waffe reichte aus, um ihn wieder zurücksinken zu lassen, die Hand, die nicht von mir festgehalten wurde, brav auf Höhe seines Kopfs erhoben.
Weiterhin verfolgte er mit Argusaugen, wie ich den Bildschirm des Handys aktivierte und versuchte, mich durch den PIN zu beißen, doch zu meiner Frustration wollte es mir nicht gelingen.
Natürlich nicht. Mit gewöhnlichen PINs normalsterblicher Leute kam ich sehr gut klar. Aber da Babyface hier alles andere als ein Normalsterblicher war, hatte er sicherlich auch bei seinem Handy ein paar zusätzliche Sicherheitstricks eingebaut.
Als ich irgendwann sein selbstgefälliges Grinsen bemerkte, gab ich auf und ließ das Gerät in der Innentasche meiner Jacke verschwinden. „Keine Sorge, Kleiner. Das schaffe ich schon noch."
Ich wartete seine Reaktion gar nicht ab, sondern klappte als nächstes die Schatulle auf – und wurde prompt mit einer beachtlichen Sammlung an Abhörwanzen konfrontiert.
Was zum-...
Verwirrt drehte ich mich zu Harry herum, um ihm den Inhalt unter die Nase zu halten, doch auch der schüttelte nur ratlos den Kopf.
Dieser kleine Klugscheißer hatte Ms. Livsey nicht im Schlaf überraschen und töten wollen, sondern war hier aufgetaucht, um ihr Haus zu verwanzen – nichts, was Kriminelle taten, wenn sie eine Person so schnell wie möglich von der Erdoberfläche verschwinden lassen wollten.
Mit einem harten Ausdruck im Gesicht wandte ich mich wieder dem Überwältigten zu. „Name?"
Natürlich schwieg er.
Seufzend zückte ich wieder meine eigene Pistole, um mit ihrem Lauf sein Kinn anzuheben.
„Dein. Name." Mein Tonfall war wie Stahl.
Der Kiefer des jungen Mannes malmte, sichtlich abwägend, wie viel er uns mitteilen sollte.
„Neil." Er hielt inne. „Neil ... Horton."
Ja.
Ganz bestimmt.
Harry hinter mir gab Nilpferdgeräusche von sich.
Ungeduldig verdrehte ich die Augen und verstärkte den Druck meiner Waffe gegen seinen Hals. „Verarsch mich nicht, Babyface. Du magst ein fantastischer Hacker sein, das gebe ich zu. Aber Lügen? Lass es bitte einfach. Also?"
Frustriert knirschte er mit den Zähnen. „Niall Horan."
Zufrieden ließ ich meine Glock wieder verschwinden. „Siehst du? Geht doch. Nächste Frage. Für wen arbeitest du?"
„Ich arbeite für niemanden."
Forschend musterte ich ihn, angestrengt nach Anzeichen danach suchend, dass er uns erneut eine Lüge auftischte, konnte jedoch beim besten Willen keines finden. Das hieß aber noch lange nichts.
Ich schüttelte den Kopf. „Ich habe gesagt, verarsch mich nicht. Für wen arbeitest du?"
Nun wurde Babyface – Niall – sichtlich unruhig. Sein nervöser Blick flackerte in Richtung meiner Waffe, die ich andächtig in den Händen drehte, als befürchtete er, ich könnte ihm nicht glauben und ihn kurzerhand anschießen.
„Ich sagte doch schon, ich arbeite für niemanden!"
„Für niemanden?" Mit Nachdruck riss ich die Schatulle mit den Abhörwanzen empor. „Für wen solltest du dann Livseys Haus verwanzen, hm? Zu deiner eigenen Belustigung? Einfach aus Spaß an der Freude? Komm schon. Also, raus mit der Sprache! Was ist dein Ziel? Wolltest du erst herausfinden, wie viel Livsey wirklich weiß, bevor du sie tötest? Oder geht es um etwas ganz anderes?"
Niall sträubte sich gegen meinen Griff, mit dem ich seinen Arm umklammert hielt. „Von mir erfahrt ihr überhaupt nichts! Ich weiß nicht einmal, wer ihr seid! Seid ihr etwa Auftragskiller? Die Mafia? Lasst mich endlich gehen, ich habe nichts mit alldem hier zu schaffen!"
Allmählich wurde ich ungeduldig. Dieser Klugscheißer dachte doch wirklich, er könnte uns an der Nase herumführen und uns dazu bewegen, ihn einfach laufen zu lassen, nachdem wir ihn beim Einbruch in ein Haus erwischt hatten, in dem eine von der organisierten Kriminalität bedrohte Person wohnte.
Ohne meinen Blick von ihm zu nehmen, beugte ich mich aufs Neue zu ihm hinab und brachte unsere Gesichter auf Augenhöhe.
Mit gesenkter Stimme begann ich zu sprechen. „Weißt du was, Niall? Vielleicht sind wir Auftragskiller. Vielleicht sind wir hier, um Informationen zu sammeln. Informationen, die du uns offenbar liefern kannst. Und soll ich dir noch etwas verraten?"
Meine Augen bohrten sich in seine, in denen ich nun zum ersten Mal seit Beginn dieser Konfrontation so etwas wie Angst aufflackern sehen konnte. Nur ganz schwach und merkbar unterdrückt, aber dennoch wahrnehmbar.
„Wir können dich hier und jetzt erschießen", flüsterte ich ihm zu. „Genau hier in diesem Raum. Ms. Livsey wird sich morgen Früh fragen, warum ein Toter in ihrem Arbeitszimmer liegt, und vermutlich ausflippen, aber niemand wird je herausfinden können, was geschehen ist. Wir hinterlassen nämlich keine Spuren. Nie."
Ich legte eine zäh verstreichende Pause ein, um meinen Worten Wirkung zu verleihen. Meinen absolut leeren Worten.
„Also", fuhr ich dann seelenruhig fort. „Versuchen wir es noch einmal. Für wen oder meinetwegen wofür arbeitest du?"
Kurz herrschte Stille.
„Fick dich!", spuckte Niall mir dann prompt und so zornig entgegen, dass ich unwillkürlich zusammenzuckte. Eine Mischung aus Furcht und Wut züngelte in seinen blauen Augen. „Ihr arbeitet doch sowieso für diese Livsey-Bitch! Richtet ihr doch bitte aus, dass wir uns nicht herumschubsen lassen! Erschießt mich doch, nur zu! Das ist es doch sowieso, womit ihr uns schon seit Wochen droht. Na los! Worauf wartet ihr noch?"
Obwohl seine Stimme bebte, unterbrach er den Blickkontakt mit mir keine Sekunde lang, und wieder kam ich nicht umhin, beeindruckt zu sein.
Entweder war er furchtbar leichtsinnig, extrem verzweifelt oder einfach nur sehr mutig. Ich persönlich tippte auf eine merkwürdige Mischung aus allen drei Komponenten, ein bisschen gespickt mit einem schweren Fall von Klugscheißeritis.
Außerdem war ich mir ziemlich sicher, dass das hier zu nichts führen würde. Offenbar war es der falsche Weg gewesen, ihn glauben zu lassen, dass wir einer kriminellen Organisation angehörten. Damit hatte ich ihn nur in Panik versetzt. Und seiner Reaktion nach zu urteilen, gehörte er selbst ebenso wenig zu einer davon wie wir selbst.
Resigniert wandte ich mich Harry zu. „Ich glaube, wir sind hier fertig. Ruf Lee an und sag ihm auf die altmodische Art, dass der Einsatz beendet ist, nachdem unser Klugscheißerbabyface hier ja nach wie vor unser Equipment blockiert."
Ich hielt inne, um dem vor sich hin trotzenden Niall einen gönnerhaften Blick zuzuwerfen. „Und richte ihm aus, dass wir einen Gast mitbringen."
Während Harry wortlos sein Diensthandy zückte, riss Niall Mund und Augen auf und begann prompt zu zappeln. Ganz offensichtlich war er von dieser Idee nicht ganz so angetan. „Was? Nein! Niemals! Eher lasse ich mich erschießen!"
Er überrumpelte mich damit, indem er sich plötzlich vom Boden aufbäumte und es zu allem Überfluss tatsächlich fertigbrachte, mich von sich herunterzustoßen.
Mit einem überraschten Ausruf landete ich auf meinen vier Buchstaben und krachte mit dem Hinterkopf gegen die Schreibtischkante, schaffte es diesmal jedoch trotz der Sterne vor meinen Augen, meine Waffe festzuhalten.
„H, Achtung!"
Doch diese Warnung wäre gar nicht nötig gewesen.
Niall war noch gar nicht richtig auf die Beine gekommen, da hatte Harry sein Handy bereits kurzerhand fallengelassen und einen Sprung nach vorne vollführt. In einer fließenden, kräftigen Bewegung schnappte er sich den Kragen von Nialls Lederjacke und stieß ihn zielgerichtet mit dem Rücken voraus gegen die Tür.
Und ehe dieser zu einem seiner berüchtigten Tritte ausholen konnte, hatte Harry schon einen seiner Betäubungspfeile in seinem Nacken versenkt.
Niall wirkte für einen Moment überrascht, dann verwirrt, als er etwas unkoordiniert in seinen Nacken griff und nach dem winzigen Pfeil tastete. Sein verschleierter Blick glitt erst zu Harry, dann zu mir. Ganz klar war nun offenbar etwas passiert, das er ausnahmsweise mal nicht verstand. Geschah ihm recht.
„Was ..."
Was auch immer er uns noch mitteilen hätte wollen, es erübrigte sich in dem Augenblick, in dem die Beine unter ihm nachgaben und er um ein Haar mit der Stirn voran an die Kommode geknallt wäre, hätte Harry ihn nicht geistesgegenwärtig gepackt.
„Okay. Wow." Stöhnend zog ich mich am Schreibtisch empor und musste mich dann an der Kante festklammern, um Herr über den Schwindel zu werden. „Was für eine Furie."
Nachdenklich sah Harry auf unser neuestes Opfer hinab, nachdem er ihn leblos zu Boden hatte sacken lassen. In seinen smaragdgrünen Augen spiegelte sich die gleiche Verwirrung, die gleiche Ratlosigkeit wider, mit der ich selbst zu kämpfen hatte.
„Ich frage mich wirklich, wer er ist", merkte er an. „Also ... im Sinne von, was er vorhatte. Ich meine, er hätte sich lieber erschießen lassen, statt uns irgendetwas mitzuteilen. So etwas sagt sich nicht leichtfertig."
Ich grunzte in unwilliger Zustimmung. „Und das kleine Biest konnte unsere Ausrüstung hacken. Das ist völlig unmöglich. Eigentlich."
Grimmig wischte ich mir mit dem Ärmel meiner Jacke das Blut aus dem Gesicht, das offenbar noch immer aus meiner Nase rann. „Sag mal, was ist eigentlich mit Ms. Livsey? Wie konnte die diesen Radau nur verschlafen? Babyface hat ja gekreischt wie am Spieß."
Harry schüttelte den Kopf. „Die ist nicht da. Nachdem ich im Gang deine Spur verloren hatte, habe ich erst in Livseys privatem Schlafzimmer nachgesehen, mein Wissensstand war schließlich der, dass wir es mit einem Auftragsmörder zu tun haben, aber das war leer. Und da sie nicht schon längst heulend angelaufen gekommen ist ... tja, ich gehe davon aus, dass sie nicht zu Hause ist."
Ich starrte ihn an. „Was? Und wieso wussten wir nichts davon? Hat sie sich davongeschlichen, oder was?"
Ratlos zuckte mein Partner die Schultern, bevor er sich daran machte, den betäubten Niall vom Boden zu schälen. „Wie auch immer. Lass uns endlich von hier verschwinden, bevor der hier womöglich vorzeitig aufwacht. Komm. Pack mal mit an."
Grummelnd kam ich der Aufforderung nach.
Wenn es nach mir ginge, hätten wir diesen kleinen Scheißer auch wie einen Teppich hinter uns herziehen und als positiven Nebeneffekt den Boden kehren können. Aber nun gut, nach wie vor wollte ich natürlich nicht zu sehr gegen das Prinzip der Vermeidung unnötiger Gewalt verstoßen.
Und darüber, dass wir diesen Niall Horan, das klugscheißerische Babyface, mit in die Zentrale schleppen sollten, am besten unbeschadet, nachdem wir nichts aus ihm herausbringen hatten können, waren wir uns schließlich einig.
Liam würde sich freuen.
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Jetzt sind wir schon bei 4/5, was die Charaktere betrifft😇 Vermutungen, welches Side Ship noch auftaucht?🤭
Und ... ein wenig Real-Talk: Ich hätte Teil 1 fast wieder gelöscht.
Warum? Weil ich extrem verunsichert war.
Warum 2.0? Weil ich bei nicht einmal 10 Votes auf knapp 120 Reads nicht das Gefühl hatte, dass irgendjemand die Story gerne liest und sie gut findet.
Was Schreiben betrifft, lasse ich mich inzwischen nicht mehr leicht verunsichern. Wirklich nicht. Der entsprechende Tag war nur leider von Grund auf schon kein guter für mich und dann hat diese fehlende Resonanz natürlich voll eingeschlagen🙈
Leute ... man glaubt es nicht, aber diese Sternchen haben tatsächlich einen verdammt großen Einfluss darauf, wie man sich als Autor:in fühlt - da spreche ich garantiert nicht nur für mich, sondern auch für alle anderen, die hier schreiben.
Wir stecken Arbeit, Zeit und Emotion in unsere Geschichten, manchmal dauert es ganze Monate, bis eine simple Kurzgeschichte vollendet ist, und wir brennen dafür, euch die Resultate lesen zu lassen - im Gegensatz dazu ist ein winziger Klick auf den Stern, wenn einem etwas gefällt, doch ein Klacks, oder?
Mir ist bewusst, dass nun gewiss einige genervt aufgeseufzt haben, weil schon wieder jemand mit diesen blöden Votes daherkommt.😅
Aber ... nun ja. Es ist eben so.
Lasst uns doch einfach wertschätzend miteinander umgehen😇 Danke!
All the love
Andi❤
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