Entführt (Teil 2)
LIAM
Als ich nach einer Viertelstunde mit halbwegs beruhigtem Gemüt wieder den Showraum betrat, saßen schon wieder alle ungeduldig in den Startlöchern und schienen genervt auf mich zu warten, nur einer fehlte ...
„Da bist du ja endlich!", begrüßte Ken mich überschwänglich und wollte noch etwas hinzufügen, doch Louis unterbrach ihn gnadenlos: „Wo hast du denn Niall gelassen?"
Verwirrt starrte ich ihn an. „Niall? Wieso, ich hab ihn nicht gesehen."
Louis runzelte die Stirn und warf einen Blick auf die Uhr. „Nicht? Wo steckt er dann? Wir wissen ja, dass er nicht gerade ein Pünktlichkeitskönig ist, aber so spät würde nicht mal er kommen." Er warf mir einen vielsagenden Blick zu. „Und du auch nicht."
„Tut mir leid." In Gedanken fügte ich zwar ein fettes NICHT hinzu, aber das musste er ja nicht unbedingt wissen. „Wo ist er denn hin?"
Harry zuckte die Schultern. „Er ist dir nachgelaufen. Wo bist DU eigentlich hin?"
Wie auf Kommando lief ich rot an. „Ich war auf der Dachterrasse."
„Wie zum Geier bist du da raufgekommen?", wollte Harry entgeistert wissen, während Louis in schallendes Gelächter ausbrach, was ich mit einem schiefen Grinsen quittierte und schnippisch antwortete: „Ich habe eben ein Gespür für sowas."
„Warten wir einfach noch ein Weilchen." Ken, der unserer Unterhaltung mehr oder weniger interessiert gelauscht hatte, lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Wahrscheinlich sucht er noch nach dir."
Ich schenkte ihm ein säuerliches Lächeln, das sich eher wie ein Zähnefletschen anfühlte, und stand auf. „Ich gehe mal runter. Vielleicht ist er nach draußen gegangen."
Als hätten sie nur auf das Stichwort gewartet, sprangen Louis und Harry gleichzeitig auf und folgten mir zur Tür. Bevor Ken oder Nate protestieren konnten, waren wir schon alle drei aus dem Raum geschlüpft und hatten die Tür hinter uns zugeschlagen, um den beiden unmissversändlich zu verstehen zu geben, dass ihre Begleitung nicht erwünscht war.
Kaum waren wir außer Hörweite ließ ich mit einem lauten Zischen die angestaute Luft aus meinen Lungen entweichen. „Holy, die beiden nerven mich vielleicht, ich sag's euch!", grummelte ich, worauf Harry mir beruhigend auf die Schulter klopfte. „Wir haben es bald hinter uns. Besonders wenn Niall die nächste halbe Stunde nicht auftaucht, denn dann ist nämlich schon Termin-Ende." Er klang dabei so vergnügt, dass ich trotz allem lachen musste.
„Genau." Louis baute sich vor Harry auf (was etwas lächerlich aussah, weil dieser ihn um zwei Köpfe überragte) und stach ihm den Zeigefinger in die Brust. „Und deshalb bleibst du auch hier und sagst Niall, dass er sich sofort wieder verstecken soll, falls er hier auftaucht."
Harry zog einen Schmollmund, befolgte jedoch die Anweisung und blieb stehen. „Na dann viel Spaß. Aber informiert mich bitte, wenn er vom Dach gefallen ist und ihr Hilfe beim Verarzten braucht."
Ungläubig den Kopf schüttelnd verdrehte ich die Augen. Furchtbar war das mit den zweien. Süß waren sie trotzdem, wie sie immer wieder vor laufender Live-Kamera probierten, so viele Larry-Proofs wie möglich vom Stapel zu lassen ... whatever. Ich schob Louis auf die Treppe zu. „Los jetzt. Bevor Ken und Nate womöglich rauskommen und helfen wollen."
Während Louis und ich die Stufen hinunterliefen, sah ich aus den Augenwinkeln noch, wie Harry sich hinter ein Sofa zwängte, damit die Interviewer ihn nicht entdecken konnten, wenn sie aus dem Zimmer kamen.
„Meine Fresse", knurrte Louis, sobald wir am Fuß der Treppe angekommen waren. „Haben die noch nie was von Lichtschaltern gehört?"
Ich musste leise lachen, als ich sah, wie er mit beiden Händen von oben bis unten die Wände abtastete und einfach nicht fündig werden wollte, bis er mit einem verärgerten Brummen aufgab und mir den Gang hinunterfolgte, der fast stockdunkel vor uns lag – nur in einiger Entfernung war am anderen Ende schwacher Lichtschein zu sehen, der vermutlich von den Straßenlampen stammte und durch eine verglaste Türe nach innen drang.
„Sieht irgendwie unheimlich aus", kommentierte Louis, der offenbar ausgerechnet jetzt eine unaufhaltsame Freude am sinnloses-Zeug-Reden entwickelt zu haben schien.
„LouLou wird doch wohl nicht etwa Schiss haben?", zog ich ihn grinsend auf und wollte ihm einen Rippenstoß versetzen, doch dann stieß ich mit dem Fuß gegen etwas Weiches, Leichtes, das durch den Stoß ein paar Zentimeter weitersegelte. Verdutzt bückte ich mich danach und hätte es beinahe wieder fallengelassen, als ich bemerkte, dass es sich um ein zusammengeknülltes Taschentuch handelte. Zeitgleich rümpfte Louis die Nase. „Was stinkt hier eigentlich so?" Ungestüm wie er war, riss er mir das Tuch aus der Hand und schnupperte daran, woraufhin er es sofort so weit es ging von sich weghielt und zu husten begann. „Meine Fresse, was ist das denn?"
Mit einem wütenden Blick in seine Richtung holte ich mir das Tuch zurück und hob es etwas vorsichtiger als er vorhin an meine Nase – ein süßlicher, stechender Geruch ging davon aus, der mich an Lösungsmittel erinnerte. Wer bitteschön schüttete Lösungsmittel auf ein Taschentuch, knüllte es zusammen und ließ es dann mitten im Gang liegen?
„Ich komm mir grad vor wie bei einer von diesen Kinderdetektivserien." Louis lachte. „Da gab es doch auch immer diese mit Chloroform getränkten Taschentücher, damit es nicht zu brutal wurde."
Ich schaute ihn zweifelnd an und widersetzte mich dem Drang, ihm endlich eine Kopfnuss zu geben, die er sich über die letzten Tage mal wieder redlichst verdient hätte. „Du bist auch so ein Clown. Wie sollte hier denn ein Chloroformtuch herkommen, hä?"
Louis holte gerade Luft, um zu einer Wasserfallrede anzusetzen, als plötzlich ein Knacken ertönte; offenbar war er auf etwas getreten. „Ups." Gespielt ächzend hob er es zu einer genaueren Begutachtung auf. Neugierig trat ich näher, bis ich erkennen konnte, dass er ein Handy in der Hand hielt, dessen Akkudeckel durch den Tritt auseinandergebrochen war und ein Teil davon noch auf dem Boden lag. Hilflos verdrehte ich die Augen. „Mann, Louis! Musst du immer alles zerstören? Wer weiß, wem das gehört! Ich würde ..."
„Niall", fiel mir Louis plötzlich einsilbig ins Wort.
Verständnislos sah ich erst ihn und dann den leeren Gang vor uns an. „Wo?"
„Ach, du Hirsch! Das Handy. Das ist doch das von Niall, oder?"
Innerhalb einer Millisekunde hatte ich ihm das Mobiltelefon aus den Händen gerissen. „Woher willst du ..." Noch während ich die Frage formulierte, stach mir das 1D-Logo ins Auge, das Niall neben die Innenkamera seines Handys zu kleben pflegte, sodass außer Zweifel stand, wem das Gerät gehörte. Stirnrunzelnd sah ich zwischen den beiden Gegenständen in meinen Händen hin und her. Louis schüttelte grinsend den Kopf. „Was zur Hölle ist das hier? Ein mit Lösungsmittel getränktes Taschentuch und Nialls Handy. Was für eine seltsame Kombi. Wir sollten ..." Als hätte jemand einen Knopf gedrückt, erlosch sein Lächeln plötzlich so schnell, dass mir mulmig wurde. „Was ist los?" Beunruhigt stieß ich ihn ein wenig mit der Schulter an.
„Liam, ich will wirklich kein Schwarzseher sein, aber ist das nicht irgendwie ... beängstigend?"
„Was?"
Louis seufzte. „Ein Tuch, das nach Chloroform stinkt, sofern dieses Zeug so riecht, und dazu Nialls Handy auf dem Boden?" Mit zitternden Händen nahm er mir die Gegenstände ab und hielt sie nebeneinander vor mein Gesicht. „Verstehst du nicht?"
Und da fiel es mir wie Schuppen von den Augen, was er meinte. „WAS?!"
Anhand meines entsetzten Gesichtsausdrucks erkannnte Louis, dass ich verstanden hatte, worauf er anspielte, denn er nickte langsam, ein furchtsames Funkeln in den Augen. Augenblicklich wandte ich mich von ihm ab und stapfte laut trampelnd den Gang weiter hinunter. „Niall!", schrie ich in die Richtung des Lichts. „Falls das hier ein kranker Scherz sein soll, es nicht NICHT witzig!"
Die darauf folgende Stille trieb Gänsehaut über meine Arme. Es war ... unheimlich. „Niall!"
In diesem Moment wurde oben eine Tür aufgerissen und Pauls Stimme schallte durch das Treppenhaus; offenbar war er während des ersten Teils des Interviews von uns unbemerkt angekommen und hatte sich sofort in den Gemeinschaftsraum verkrümelt, sodass wir ihm nicht begegnet waren. „Was ist da unten los?"
Trampelnde Schritte mehrerer Leute näherten sich uns, und wenige Sekunden später drückten sich Paul und Harry gleichzeitig die schmale Treppe hinunter, sodass sie beinahe aneinandergeklammert gegen die unten stehende Mülltonne gerannt wären. Unter anderen Umständen hätte ich die Szene vermutlich lustig gefunden, aber jetzt hatte ich ganz andere, kalte Gedanken.
Wortlos hielt Louis Paul das Tuch hin, der es erst misstrauisch musterte, bevor er aus einiger Entfernung daran roch und sich dann mit verzogenem Gesicht die Nase zuhielt. „Das ist Chloroform. Wo zum Henker hast du das her, Tommo?" Er durchbohrte Louis mit warnenden Blicken, als erwartete er einen weiteren Streich von dem Witzbold, aber Louis deutete auf den Boden. „Lag da. Zusammen mit dem hier." Er reichte dem Bodyguard Nialls Handy.
„Wir suchen ihn schon die ganze Zeit", fügte ich tonlos hinzu, und das brachte Paul letztendlich dazu, mit einer fahrigen Bewegung die große Stabtaschenlampe von der Halterung an seinem Gürtel zu befreien und den Rest des Gangs abzuleuchten, da es offenbar wirklich kein Licht gab, wobei er jedoch sonst nichts mehr feststellen konnte. Dann griff er nach seinem Handy, während wir ihn fragend anstarrten.
„Geht nach oben", befahl er mit leiser Stimme und hob das Mobiltelefon an sein Ohr. „Los!"
„Wen rufst du an?", wollte ich wissen, während die anderen drei widerwillig die Treppe erklommen.
Paul wirkte angespannt. „Nialls altes Handy. Das schleppt er doch die ganze Zeit noch mit sich rum, als ob er sich nicht davon trennen könnte."
Daraufhin schwieg ich, weil ich ganz genau wusste, dass Niall das Handy nur deshalb nicht nicht weggeben konnte, weil er Fotos von sich und Zayn darauf gespeichert hatte.
Paul lauschte dem Freizeichen so gebannt, dass er gar nicht bemerkte, dass ich im Gegensatz zu den anderen entgegen seiner Anweisung noch immer neben ihm stand.
„Junge, geh schon ran!", murmelte er und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, doch nach einiger Zeit ließ er das Handy sinken und bedachte mich mit einem besorgten Blick. „Liam, ich hoffe wirklich, es ist nicht so, wie ich gerade denke."
Ein kalter Schauer lief mir das Rückgrat hinunter, doch bevor ich antworten konnte, schrie plötzlich Louis die Treppe herunter: „Leute, wir haben eine SMS von Niall bekommen!"
Wie vom Blitz getroffen rasten wir los, sodass wir uns beinahe ineinander verhedderten, als wir uns ins Ankleidezimmer drückten, wo Harry und Louis bereits über einem ihrer Handys hingen und offenbar darauf warteten, dass es endlich die Nachrichten lud.
„Himmelhergott!" Louis sah aus, als ob er es am liebsten in seine Moleküle zerlegt hätte. „Dass dieses Teil nicht ein EINZIGES Mal schnell sein kann!"
Als hätte es nur auf dieses Stichwort gewartet, öffnete sich nun das Programm und legte den Blick auf eine lange Nachricht frei. Harry runzelte die Stirn. „Wieso schreibt er dir nicht einfach über WhatsApp? Ich ..."
„HOLY SHIT!" Louis machte einen Satz nach hinten und krachte voll in einen der mit Kleidung beladenen Stühle.
Paul entriss ihm das Handy und scrollte sich selbst durch den Text, worauf seine Wangen leichenblass wurden. Binnen weniger Sekunden hing ich über seiner Schulter, doch was ich da zu lesen bekam, brachte buchstäblich den Boden unter meinen Füßen zum Schwanken.
Hey Kiddies!
Vermisst ihr jemanden? Ist dieser Jemand vielleicht blond und ziemlich ungehorsam? Dann wissen wir genau, wo er ist.
Legt euch ein wenig Geld zurecht, wir werden euch beobachten und euch eine Nachricht zukommen lassen, wie ihr es uns zu übergeben habt.
Keine Polizei. Falls doch, können wir für nichts mehr garantieren, was Blondie angeht.
Mit wunderschönen Grüßen.
Darunter stand eine erschreckend hohe Geldsumme, die jedem anderen die Kinnlade bis in den Keller hinunterklappen hätte lassen, doch ich dachte im Augenblick nur an eines: Niall. Ein seltsames Taubheitsgefühl breitete sich von meinen Fingerspitzen ausgehend in meinem ganzen Körper aus, als ich begriff, was das hieß.
Niall war entführt worden. Keine fünfzehn Meter von uns entfernt, und doch hatte keiner etwas mitbekommen. Ausgerechnet Niall. Nicht dass ich glücklich gewesen wäre, wenn es einen jemanden von uns dreien getroffen hätte, aber es war eben ... Niall! Er war der Sonnenschein der Band, er versprühte förmlich Leben und gute Laune, brachte Menschen zum Lachen, war voll Sorglosigkeit ... und ausgerechnet ihm wiederfuhr so etwas Schreckliches, ihm, der es am wenigsten von allen verdient hatte. Wieso hatte ich auch einfach abhauen müssen! Ich hätte wissen müssen, dass Niall mir hinterherlaufen würde, um mich aufzumuntern!
Bevor ich diesen Gedankenfluss weiterspinnen konnte, bemerkte ich, dass Paul hektisch auf seinem Handy herumtippte, sodass ich alarmiert vorschnellte. „Was tust du da?!" Wenn er jetzt gerade dabei war, die Polizei zu rufen, würde ich sein Handy ins Klo werfen müssen.
„Ein paar Kollegen. Wir müssen das Handy orten."
Harry schnaubte. „Die sind doch nicht blöd! Die werden das Teil gleich nach dem Anruf zerstrümmert und weggeworfen haben."
„Kostet uns ein Versuch was?", gab Paul gereizt zurück und begann dann mit schneller Stimme ins Handy zu sprechen.
Louis saß noch immer in dem Berg aus heruntergefallener Kleidung, hatte die Arme um die Knie geschlungen und starrte mit leerem Blick den Boden an. Noch immer wie betäubt ließ ich mich neben ihn fallen, während Harry auf der anderen Seite Platz nahm.
„Wer macht sowas?", flüsterte Louis, dem das Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand.
„Verdammte Arschlöcher." Harry hatte die Hände so fest zu Fäusten geballt, dass die Knöchel weiß hervortraten. „Das ist einfach nur feige. Sich den Kleinsten von uns als Zielscheibe setzen, ihn betäuben und dann eine Erpressungsnachricht schicken. Diese Leute wissen ganz genau, wieso sie sich ausgerechnet Niall geschnappt haben." Er warf uns finstere Blicke zu. „Ich hoffe, keiner von denen hat ein persönliches Interesse an ihm."
NIALL
Als ich zu mir kam, war es schon wieder dunkel. Soll heißen, ziemlich dunkel. Es war gerade hell genug, dass ich schemenhaft einen kleinen Raum mit grauen Betonmauern ausmachen konnte, dem von einem schmalen Fenster, das dem Zugang eines Luftschachts ähnelte, etwas Licht gespendet wurde. Stöhnend versuchte ich, mich aus meiner unkomfortablen Position zu stemmen, musste jedoch mehr oder minder entsetzt feststellen, dass ich meine Hände nicht bewegen konnte. Versuchshalber zog ich ein paar Mal daran, doch sie waren ohne jeglichen Spielraum hinter meinem Rücken an einem Haken in der Wand festgezurrt.
Ein wohlbekanntes Gefühl begann in meiner Magengegend zu rumoren: Leise, sich langsam aufbauende Panik, die nur darauf wartete, nach einer gewissen Zeit irgendwie Freiheit zu erlangen. Ich unterdrückte den Drang, haltlos nach Hilfe zu schreien und konzentrierte mich darauf, ruhig zu atmen und zum Hyperventilieren überzugehen. Meine Augenlider wogen eine gefühlte Tonne, sodass ich verzweifelt damit kämpfen musste, sie offenzuhalten, während mein Kopf pochte, als hätte ich ihn wiederholte Male gegen die Wand geschlagen.
Und dann überfiel mich die Erinnerung wie eine besonders schreckliche Hiobsbotschaft. Ich war nach unten gegangen, um Liam zu suchen. Dort hatten mich die zwei Männer geschnappt. Das war natürlich eine hoffnungslos gekürzte Version des eigentlichen Geschehens, aber sie reichte aus, um die Panik in mir noch schneller ansteigen zu lassen.
Ich presste die Lippen aufeinander und riss ein weiteres Mal an den Fesseln. Wieso musste es hier so dunkel sein? Ich hasste die Dunkelheit. Wenn es dunkel war, sah man nicht, wer noch alles mit einem im Raum war. Außerdem gab es Lebewesen, die einen selbst ohne Licht sehen konnten, sodass man ihnen hilflos ausgeliefert war. Was, wenn das gerade der Fall war?
Hör auf, an sowas zu denken, Superhirn!
Ich kauerte mich so klein wie möglich an der kalten Wand zusammen und versuchte, meine ebenso eiskalten Hände an meinem Körper zu wärmen. Die Unterlage, auf der man mich abgesetzt hatte, war zwar weich, aber auch nicht sonderlich bequem, sodass mir nach dieser Zeit, in der ich nun schon hier war, jeder Knochen wehtat und ich jeden gereizten Muskel schmerzen spüren konnte.
Ein zittriger Atemzug drang in meine Lunge, als ich den Verlust meiner beiden Handys feststellen musste, worauf ich mich schon wieder dazu zwingen musste, nicht hemmungslos zu heulen zu beginnen. Hatten sie sie weggeworfen? Das neue Gerät war mir scheißegal, aber das alte ... die Fotos von Zayn und mir. Sie alle wären rettungslos weg. Unwiederbringlich. Außer vielleicht, dass Zayn sie noch gespeichert hatte, aber erstens würde ich ihn wohl ohnehin nie mehr wieder persönlich treffen, und zweitens hatte er vermutlich alles gelöscht, was mit der Band ... und mit mir zu tun hatte. Immerhin hatte er meine Gefühle nie erwidert und hasste mich nun dafür, dass ich mich nicht mehr meldete. Okay, ich hatte mich wirklich nicht mehr gemeldet. Er aber auch nicht. Unsere letzte Begegnung mit ihm war sehr kühl und distanziert gewesen und hatte mir fast das Herz in Stücke zerrissen.
Aber dann war da noch Liam. Bei dem Gedanken an ihn huschte mir ein kleines Lächeln übers Gesicht. Ich wünschte, wir wären jetzt zusammen irgendwo an einem ungestörten Ort, an dem wir vertraut miteinander sprechen konnten. Er war mir wohl näher, als Zayn es jemals hätte sein können.
Ich ließ meinen Kopf auf die angezogenen Knie fallen und fühlte mich so schlecht wie noch nie. Was wollten diese Leute von mir? Immerhin hatten sie mich so grob gepackt, dass ich sogar jetzt noch förmlich ihren festen Griff um meine Arme spüren konnte, die schmerzhaft pochten.
Ich hätte mir noch gerne einige Todesarten aus der erschreckend langen Liste herausgesucht und sie mir bildlich ausgemalt, als urplötzlich eine Tür aufgerissen wurde, sodass künstliches Licht den Raum flutete. Gequält schloss ich die Augen und wandte mich von der sich rechts von mir befindlichen Lichtquelle ab. Schwere Schritte kamen auf mich zu.
„Sieh mich an, Horan. Ich weiß, dass du wach bist."
Mit klopfendem Herzen blieb ich in meiner Position und betete inständig, dass er sich bitte wieder verpissen mochte, doch er dachte nicht daran und brüllte: „Bist du taub? Mach die Augen auf! Oder soll ich mein neues Messer an dir austesten?"
Der Befehl war so laut, dass buchstäblich die Wände erzitterten. Langsam schlug ich die Augen auf und richtete meinen Blick nach oben, in der Hoffnung, wenigstens das Gesicht meines Entführers zu sehen, bevor er mich geradewegs ins Jenseits beförderte, doch das war von einer klischeehaften schwarzen Sturmhaube bedeckt, sodass ich keinen Millimeter davon ausmachen konnte. Na, immerhin wusste ich, dass es sich um einen Mann handelte.
„Na, sieh mal einer an", grinste der Typ im nächsten Moment so hämisch, dass ich ihm am liebsten einen Fuß in die Eier gerammt hätte. „Blondie lebt. Mal sehen, wie lange noch." Den letzten Satz fügte er nur ganz leise, wie für sich bestimmt hinzu, aber ich hatte ihn trotzdem mehr als gut vernommen, sodass sich vor dumpfer Furcht alles in mir verkrampfen zu schien. Mit größter Mühe blieb ich still; etwas Sinnvolles hätte ich im Moment ohnehin nicht herausbekommen.
„Wie auch immer, wir haben deinen netten Freunden schon eine ebenso nette Nachricht über deinen Verbleib zukommen lassen." Lässig schnippte er einen imaginären Fussel vom Ärmel seiner dunklen Jacke. „Ich hoffe, dass sie unsere Forderungen befolgen", meinte er gleichgültig. „Ich hoffe es für dich. Sonst können sie ihre Band zu dritt weiterführen ... und das wäre doch äußerst schade."
Ich folgte ihm misstrauisch mit den Augen, als er im Raum auf und ab zu gehen begann, bis er sich zu meinem Entsetzen mir gegenüber auf den Boden kauerte und mich durch die Augenlöcher in seiner Sturmhaube amüsiert anschaute – zumindest bildete ich mir ein, dass es ein amüsierter Ausdruck war.
„Boybands wie ihr sind normalerweise sehr nervig. Aber man kann ganz schön Geld einsacken, wenn man es richtig anstellt. Und deine Kollegen würden doch jede Summe für dich zahlen, hab ich recht."
Ich schwieg verbissen und starrte ihn einfach nur in brodelnder Wut an. Umso mehr erschreckte ich, als ich für einen Augenblick nicht aufpasste und im nächsten schon etwas Kaltes, überraschend Weiches an meiner Wange spürte – seine Hand, die langsam die Konturen meiner Wangenknochen nachzog.
Oh Gott. Eine neue Panikwelle überschwappte mich und sorgte dafür, dass ich wie automatisch meinen Kopf zur Seite drehte, um seiner unangenehmen Berührung entgehen zu können. Sogar unter dem dünnen schwarzen Stoff konnte ich deutlich erkennen, wie er seine Mundwinkel zu einer verärgerten Grimasse verzog, bevor wie aus dem Nichts seine andere Hand vorschnellte und mir eine harte Ohrfeige versetzte. Er hatte so viel Kraft in den Schlag gelegt, dass ich wortwörtlich zur Seite flog und mich auf einem Ellbogen abstützen musste, um nicht mein ganzes Gewicht an meine noch immer festgebundenen Hände zu hängen. Ein kleiner Schmerz stach in meiner Unterlippe, als ich schon etwas auf den Kragen meines hellgrauen T-Shirts tropfen spürte. Ich musste gar nicht hinsehen, um zu wissen, worum es sich handelte.
Viel zu spät merkte ich, wie plötzlich ein Schatten über mich fiel, doch als er an den Fesseln zu ziehen begann, wusste ich, dass er sie wahrscheinlich nur lösen wollte, weshalb auch immer.
„Ich mache dich jetzt los, Kleiner." Das bedrohliche Zischen befand sich direkt neben meinem Ohr, sodass ich seinen ekligen, heißen Atem an meiner Wange fühlen konnte. „Versuch bloß nicht, abzuhauen. Würde dir sowieso nichts bringen."
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Nialler sitzt in der Sch*eiße.
Das nächste Update dauert wahrscheinlich auch nicht allzulange :D
Lasst mir doch ein Vötchen und ein Kommi da, ich freu mich immer total, wenn dabei sinnfreie Diskussionen entstehen xD
Bis zum nächsten Kapi!
Andi :)
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