Des Bürgermeisters Sohn (Teil 2)
Es war wohl mehr Glück als Schicksal, als Zayn auf halbem Wege zu dem Malereibetrieb mit dem Wagen neben mir hielt und mich aufsammelte. Anhand der besorgten Seitenblicke, die er mir immer wieder zuwarf, während ich meinen eigenen schweigend aus dem Fenster gerichtet hielt, konnte ich erkennen, dass ihm enorm viele Fragen auf dem Herzen brannten, aber taktvoll genug war, keine davon zu stellen. An seinem Arbeitsplatz angekommen stellte er Motor und Radio ab und wandte sich mir zu. „Willst du darüber reden?".
Ich seufzte – seit der kurzen Begrüßung das erste, das ich von mir gab. „Mein Vater".
Zayns Augen weiteten sich. „Er hat mich also erkannt".
Ratlos fuhr ich mir mit der Hand durch die Haare, die Tatsache, dass ich meine Frisur somit dem Untergang weihte, komplett ignorierend, und nickte. „Er will nicht, dass ich mich mit dir abgebe".
„Aber er weiß nicht, dass wir ...", sprach Zayn vorsichtig weiter, doch ich unterbrach ihn schnell, bevor er sich selbst eine Schlussfolgerung zurechtlegen konnte. „Nein. Er denkt lediglich, dass du mich in krumme Geschäfte hineinziehen könntest". Verächtlich schnaubend betätigte ich den Türgriff. „So ein vermaledeiter Unsinn".
Zayn murmelte etwas Unverständliches, während er ebenfalls ausstieg und auf mich wartete, bis ich das Auto umrundet hatte, bevor wir gemeinsam auf den Eingang zuliefen. Im Arbeitsraum angekommen bedeutete mir Zayn, mich auf den Schreibtisch zu setzen, während er selbst sich vor einem am Boden liegenden Plakat niederließ, es kurz mit zusammengekniffenen Augen betrachtete und dann nach einem der untschiedlich dicken Bleistifte griff, mit dem er in Sekundenschnelle weiterzeichnete. Mit halb offen stehendem Mund verfolgte ich seine raschen Bewegungen. Himmel, wo hatte dieser Junge so gut Zeichnen gelernt? Zayn bemerkte meinen Gesichtsausdruck und grinste. „Es war neben der Musik schon immer mein Haupthobby".
Noch immer zu fasziniert, um einen grammatikalisch richtigen Satz von mir zu geben, nickte ich nur geistesabwesend und sah gespannt zu, wie er die „Skizze", wie er es nannte (für mich war das schon ein Kunstwerk), vollendete und das Plakat zu den unzähligen anderen legte, die sich bereits in einer Ecke des großen Raumes stapelten.
„Warum seid ihr eigentlich hierher gezogen?". Ich wusste selbst nicht, warum ich diese Frage stellte – vermutlich kam es mir nur seltsam vor, dass jemand wie Zayn in eine solch verpennte, überfromme Gemeinde ziehen sollte, nur um dort einen Job in einem Malereibetrieb zu bekommen. Zayn zuckte die Schultern und begann, die Stifte aufzusammeln. „Zu Hause konnte ich nicht bleiben".
Meine Augenbrauen schossen in die Höhe. „Wieso das denn?".
Er warf mir einen verzweifelten Blick zu. „Niall ... du würdest es nicht verstehen. Ich werde es dir erzählen, nur jetzt noch nicht".
Ein mulmiges Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. Was hatte das zu bedeuten? Besorgt musterte meinen Freund, bis er leise zu lachen anfing, die Stifte in eine Schachtel fallen ließ und dann auf mich zukam, um sich neben mich auf die Schreibtischoberfläche zu setzen. „Du machst dir schon wieder viel zu viele Sorgen".
„Sollte ich mir denn keine machen?".
Er legte den Arm um mich und zog mich näher an sich heran. Ich genoss die Wärme, die von ihm ausging und atmete seinen wunderbaren Duft tief ein, in der Hoffnung, noch so lange wie möglich so sitzenbleiben zu können. „Um mich muss man sich im Normalfall keine Sorgen machen".
„Im Normalfall", wiederholte ich zweifelnd, was Zayn erneut zum Lachen brachte. „Abgesehen davon könntest du mir auch nicht helfen". Als sich meine Augenbrauen mit jedem Wort, das er von sich gab, ein Stück weiter näherten, richtete er sich auf. „Ach, lass jetzt gut sein. Bevor du mir noch zum Weinen anfängst".
Gespielt empört versetzte ich ihm einen Rippenstoß. Zum Weinen bringen konnte mich offenbar nur ein Vater, dem sein Sohn völlig egal war, doch das sagte ich Zayn natürlich nicht, sondern rutschte vom Schreibtisch, um die übrigen Zeichnungen, die an der Wand hingen, unter die Lupe zu nehmen. „Kann ich bei dir bleiben? Zumindest bis morgen?".
Zayn schien erst überrascht zu sein, doch dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. „Natürlich. Du kannst auch länger bleiben, wenn du willst". Ich sah, wie er ein Kichern unterdrückte. „Meine Güte, du weißt ja nicht mal, wo ich wohne. Ich kann nicht glauben, dass wir uns erst seit dieser kurzen Zeit kennen. Mir kommt es so vor, als wären wir schon jahrelang zusammen".
Bei diesen Worten wurde mir ganz warm ums Herz. Tja, das war es wohl, was man in der Fachsprache als Liebe-auf-den-ersten-Blick bezeichnete. „Danke. Ich kann im Moment unmöglich nach Hause. Dad macht Hackfleisch aus mir".
Den Abend verbrachten wir hauptsächlich damit, auf Zayns Sofa herumzuliegen, uns gegenseitig zu beobachten, wenn der andere gerade nicht hinsah, und nebenbei den Fernseher laufen zu haben, dem ohnehin niemand Beachtung schenkte. Zayn hatte noch ein wenig von seiner alten Heimat in der Stadt erzählt – und zum ersten mal war ich froh darüber, in der friedlichen Pampa zu leben, wo höchstens einmal im Jahr ein Kind das andere mit dem Fahrrad über den Haufen fuhr, aber es sonst ereignislos zuging. Als Zayn erwähnte, dass sein Vater ziemlich homophob draufwar, zuckte ich unwillkürlich zusammen und musste an meinen eigenen denken – wenn er wüsste, wie es mit seinem Sohn aussah ... Himmel!
„Willst du wirklich morgen schon zurück?". Diese Frage stellte er mir gefühlte fünfmal an diesem Abend, und jedes mal beantwortete ich sie mit einem hilflosen Schulterzucken, da ich es wirklich nicht wusste. Jedoch stand meine Entscheidung am nächsten Morgen nach einem Blick auf mein Handy fest: Elf neue Nachrichten von meinem Dad (allesamt stinkwütend und voller Drohungen der „wenn du nicht augenblicklich heimkommst, dann ..." - Art), fast genauso viele von meiner Mum, in denen sie sich überwiegend nach meinem Wohlbefinden erkundigte, und zuletzt noch ein paar von meinem besten Kumpel Louis, der mich fragte, wo zur Hölle ich steckte. Da er der einzige war, der über mich Bescheid wusste und mich zu hundert Prozent auch nicht an meine Eltern verpfeifen würde, berichtete ich ihm die Wahrheit. Doch alles in allem fühlte ich mich wohler dabei, an diesem Tag nicht nach Hause zurückzukehren. Ich wusste, dass ich die Sache damit nicht aus der Welt schaffen, sondern sie nur aufschieben konnte, aber im Moment hatte ich echt keinen Bock auf endlose Streitereien und Hausarrest.
Natürlich genoss ich den ganzen Tag mit Zayn in vollen Zügen, und versuchte, die bittere Realität für die vierundzwanzig Stunden auszublenden, was mir die meiste Zeit auch erfolgreich gelang. Am darauffolgenden Montag fuhren wir zusammen zur Schule – da es hier ohnehin nur diese und eine kleine Berufsschule gab, waren wir natürlich auf derselben, wobei es mir nun höchst fraglich erschien, wie ich Zayn diese drei Wochen oder so, die er schon hier war, kein einziges mal über den Weg hatte laufen können, aber es war nicht geschehen, denn an jemanden wie ihn hätte ich mich mit Sicherheit erinnert. Da wir viel zu früh dran waren, ernteten wir glücklicherweise keine neugierigen oder seltsamen Blicke, als wir gemeinsam das Gebäude betraten und Hand in Hand die Aula durchquerten, bevor wir uns aufteilten und uns zu unseren jeweiligen Kursräumen begaben.
Kaum hatte ich meine Tasche (naja, wohl eher eine von Zayn) vor der Tür zu Boden fallen lassen, knallte schon jemand von der Seite in mich rein und versuchte, meinen Kopf in den Schwitzkasten zu nehmen. „Louis!". Lachend schüttelte ich meinen besten Freund von mir ab, der an mir hing wie ein Klammeräffchen. „Was soll das?".
„Horan, du spinnst", schimpfte Louis, sobald er die Arme von meinem Hals gelöst hatte, los. „Wie kannst du nur einfach so abhauen, ohne mir was davon zu sagen? Und wieso weiß ich nichts davon, dass du plötzlich vergeben bist?". Louis selbst hatte einen festen Freund, der zwar eine Jahrgangsstufe unter uns war, aber dennoch zu meinem engsten Freundeskreis zählte.
„Ich weiß es ja selbst erst seit Freitag", gab ich vergnügt zurück. „Und äh ... das Abhauen war ganz spontan, als mir das Gelaber meines Dads aus dem Hals rausgehangen ist".
„Dann war es also dieser gutaussehende Typ mit den Tatoos und der Lederjacke, mit dem du hereingekommen bist?", bohrte Louis weiter, der das Ganze unfassbar spannend zu finden schien.
Ich nickte lächelnd, was mir allerdings in der nächsten Sekunde verging, als Louis hinzufügte: „Dein Dad hat auf der Suche nach dir die halbe Gemeinde abkutschiert. Den Nachbarn hat er erzählt, du seist auf Exkursion mit der Schule".
Verächtlich schnaubend lehnte ich mich an das Fensterbrett. Allmählich füllte Schülergeplapper die Luft und hallte in den Gängen wider. „Ich habe keine Lust, da jemals zurückzukehren. Weißt du zufällig, wann er wieder geschäftlich unterwegs ist?".
Louis seufzte und schüttelte den Kopf. „Ni, du kannst dich nicht ewig drücken. Irgendwann wirst du heimkommen müssen – und so ungern ich es sage – je früher, desto besser".
Nach dem leicht unerfreulich endenden Gespräch mit Louis wandelte ich mehr wie ein Toter als ein Lebender durch den Rest des Vormittages, verkackte zwei unangekündigte Tests und brachte meine Deutschlehrerin buchstäblich zur Verzweiflung, als sie dieselbe Frage ganze dreimal wiederholen musste, bis ich deren Sinn vollends in mein Gehirn aufgenomman hatte. Zayn bekam ich kein einziges mal zu Gesicht; offenbar befand er sich immer am anderen Ende des Schulhauses. Der Gedanke an eine geheime Beziehung zwischen dem braven Bürgemeister-Söhnchen und einem Badboy ließ mich aufgeregt werden und mein Herz höher schlagen, doch natürlich brachte das auch etliche Risiken mit sich. Wie auch immer, erst einmal musste ich die Sache mit meinem Vater klären, und das würde ein hartes Stück Arbeit werden bei seinem (und zugegebenermaßen auch meinem) unverbesserlichen Sturkopf.
Wie sich herausstellte, sollten noch ganz andere Probleme meinen Weg kreuzen. Genau genommen kreuzten sie meinen Weg nicht, sondern stürzten sich auf mich, kaum dass ich das Schulhaus verlassen hatte.
Ich hatte gerade meine scheinbar endlose Suche nach Zayn aufgegeben und die Tasche an der gottverlassenen Bushaltestelle auf die Bank fallen lassen, als plötzlich jemand von hinten seinen Arm um meinen Hals schlang und mich grob zurückzog. Da ich davon ausging, dass es sich lediglich um Louis handelte, der mir wieder mal einen Herzinfarkt verpassen wollte, wehrte ich mich die ersten drei Millisekunden nicht und wollte ihn eben anmotzen, diesen Scheiß doch endlich sein zu lassen, als mir aufging, dass mein Angreifer eindeutig zu groß war, um Louis zu sein – außerdem waren sie gleich zu zweit, meine Chancen also gleich null. Blind trat ich nach hinten, worauf mir ein schmerzerfülltes Stöhnen meine Treffsicherheit bestätigte. Leider konnte ich mich nicht lange an meinem Triumph weiden, denn im nächsten Moment hatte mir einer der beiden einen Faustschlag ins Gesicht verpasst, der mich erstmal halb ausknockte und meine Knie einknicken ließ. „Hast du's jetzt, Kleiner?", zischte mir jemand ins Ohr, dessen Mund sich ganz nahe an meinem Gesicht befinden musste, da ich seinen warmen Atem an meiner Wange kitzeln spürte. Unfähig mich zu bewegen, hielt ich einfach meine Augen geschlossen und hoffte inständig, dass sie mich mit irgendjemandem verwechselten, doch als mir der Typ die nächste Frage stellte, wusste ich, dass sie mit mir genau ihr Zielobjekt in den Fängen hielten. „Wo ist Malik?".
Ich erstarrte. „W-was?". Meine Stimme war heiser und undeutlich, was aber auch an dem Blut liegen konnte, dass mir aus der Nase rann. Als ich mühsam die Augenlider hob, stand einer der beiden vor mir – überdimensionale Muskeln, unzählige Piercings und weitflächige Tätowierungen ließen mich wissen, dass ich noch tiefer in der Scheiße saß, als ich angenommen hatte – falls ich überhaupt in der Lage gewesen war, einen logischen Gedanken zu fassen.
Der Typ hinter mir verstärkte seinen Griff, sodass ich einen kleinen Schmerzenslaut unterdrücken musste, der meine Kehle verlassen wollte. „Ich habe gefragt: Wo. Ist. Malik".
Als ich Luft holte, um ihnen sonst was an den Kopf zu knallen, unterbrach mich jemand, bevor ich auch nur ein Wort hervorbringen konnte. „Und jetzt sag nicht, dass du nicht weißt, von wem wir sprechen". Er lachte verächtlich. „Wir wissen ganz genau, in welcher Beziehung du zu ihm stehst". Er fuhr sich mit einer seiner Pranken über die rasierte Glatze. „Also. Wo ist er".
„Ich habe ... keine Ahnung", würgte ich hervor, was zum Teil ja auch der Wahrheit entsprach
„Verarsch uns nicht!", brüllte der Typ, griff in seine hintere Hosentasche und hielt im nächsten Moment ein langes Messer in der Hand.
ZAYN
Konnte es denn wirklich möglich sein, dass ich Niall nirgendwo entdecken konnte? Ich wusste seine Kursräume war ungefähr, aber jedes mal, wenn ich dort auftauchte, war er nirgendwo zu sehen. Als ich ihn auch um vier Uhr nach Unterrichtsschluss nicht entdecken konnte, machte sich allmählich ein bohrendes Gefühl in der Magengegend in mir breit.
Gedankenverloren trabte ich die Treppe zur Aula hinunter, als ich an der letzten Stufe hart frontal mit jemandem zusammenstieß, sodass sich meine beschrifteten (und bemalten) Blätter und die Mappen des anderen Mannes völlig miteinander vermischt auf den Boden ergossen. „Oh, tut mir l ...", begann ich, stockte jedoch, als ich sah, um wen es sich handelte.
Es war Mr. Horan, der Bürgermeister, Nialls Vater.
Seine zuerst gestresste und genervte Miene wandelte sich zu einem Ausdruck purer Fassungslosigkeit, als er mich wiedererkannte und auch noch den Rest seines Gepäcks fallenließ. „Du bist doch dieser Zayn", knurrte er so tief, dass ich unwillkürlich zusammenzuckte. Mit einer solchen Feindseligkeit hatte ich nicht gerechnet, obwohl ich gewusst hatte, dass er nicht gerade ein Fan von meiner Person war.
„Äh. Ja?", brachte ich nach einigem Herumdrucksen hervor; es klang mehr wie eine Frage.
Er sah sich verstohlen um und trat dann einen Schritt näher an mich heran. „Dann kannst du mir ja sicher sagen, wo sich mein Sohn aufhält".
Ich bückte mich, raffte schnell meine Blätter zusammen und ging dann eilig an ihm vorbei in Richtung Ausgang. „Und wenn er gar nicht will, dass Sie davon erfahren?".
An seinen durch die Aula hallenden Schritten konnte ich erahnen, dass er mir hinterherlief. „Lachhaft! Man merkt deutlich den schlechten Einfluss, der in letzter Zeit auf ihn ausgeübt wird!".
„Ist es nicht Nialls eigene Entscheidung, mit wem er befreundet ist? Es ist schließlich sein Leben", gab ich zurück, bevor ich nachdenken konnte. Verdammt. Das hätte jetzt nicht sein müssen. Ich beschleunigte meine Geschwindigkeit noch ein wenig, bis am Ende der Einfahrt bereits die Hecke in Sicht kam, hinter der sich die Bushaltestelle befand.
„Du kennst Niall doch überhaupt nicht!". Überraschend schnell war er bei mir und stellte sich mir in den Weg, womit er mich ebenfalls zum Stehenbleiben zwang; seine Mappen hatte er offensichtlich in der Aula auf dem Boden liegengelassen.
„Anscheinend kennen SIE ihn nicht", konterte ich, wie immer ohne jegliche Benutzung meiner Gehrinzellen. Meine Reflexe mussten es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, mich immer tiefer in die Tinte zu reiten. Er wollte gerade etwas wahrscheinlich eher weniger Freundliches entgegnen, als uns eine laute Stimme herumfahren ließ. Da war jemand an der Bushaltestelle. Mein Gefühl sagte mir, dass da etwas faul war. Den Blick starr auf die Hecke gerichtet lief ich zielstrebig an Mr Horan vorbei auf die Geräuschquelle zu.
„Wo willst du hin?", zischte dieser verärgert. „Wir klären das hier und jetzt! Ich will meinen Sohn wieder zu ...". Seine Stimme brach, als wir um die Ecke kamen und die erschreckende Szene erblickten, die sich uns bot.
Zwei bullige Männer, die ich nur zu gut kannte hielten grob Niall – MEINEN Niall – fest, der nur schwach bei Bewusstsein zu sein schien. Seine Wange war bläulich verfärbt und aus seiner Nase tropfte Blut. Und einer der beiden hatte ein Messer dabei. Ohne lange nachzudenken stürmte ich auf die beiden zu und versetzte dem, der mit der Waffe vor Niall stand, einen harten Stoß, der ihn über seine klobigen, obercoolen Stiefel stolpern und zu Boden gehen ließ, wo er schreiend liegenblieb; offenbar hatte er sich den Fuß verstaucht oder Sonstiges. Tat mir kein bisschen leid, dieser Arsch hatte es sowas von verdient. In Millisekundenschnelle knöpfte ich mir den anderen vor, die Überraschung noch immer auf meiner Seite, und gab ihm einen einwandfreien Kinnhaken, der ihn zu seinem Kumpel beförderte. Zum Glück ließ er Niall davor los, der ein paar Schritte taumelte und dann gegen mich fiel. „Ni? Geht es dir gut?".
Die Nase im rauen Leder meiner Jacke vergraben, murmelte er etwas Unverständliches. Schnell führte ich ihn zu der Bank hinüber, auf der er die von mir geliehene Tasche abgelegt hatte, und drückte ihn darauf, bevor er ganz zusammenklappen konnte, und kehrte dann zu den beiden Arschlöchern zurück, um den, der Niall festgehalten hatte, am Kragen hochzuziehen und ihm einen Schlag in die Magengrube zu verpassen. „Wo ist denn euer Boss? Traut er sich nicht her, was? Ihr könnt ihm ausrichten, dass ich der Polizei all seine dreckigen Geheimnisse erzähle und seine Verstecke auffliegen lasse, wenn ihr Niall noch ein einziges mal anrührt, kapiert?", bellte ich ihm ins Gesicht. Noch nie hatte ich es gewagt, einen von ihnen so zu behandeln, aber die Tatsache, dass sie über Niall herfielen, der von nichts wusste, machte mich blind vor Wut. Ich schubste ihn zurück zu seinen Kumpel, den er mühsam hochhievte. „Und jetzt verpisst euch, bevor ich sie gleich anrufe". Zu meiner Verwundern taten sie wie geheißen. Ich hoffte, sie würden sich an meine Drohung halten und mich in Zukunft in Ruhe lassen.
„Zayn?", erklang Nialls schwache Stimme hinter mir. Mit drei großen Schritten war ich bei ihm und hatte ihn in die Arme genommen – ein toller Vater stand noch immer mit offenem Mund da und glotzte geschockt. „Es tut mir furchtbar leid, Ni, ich wollte nicht, dass du da mit reingezogen wirst".
„Wo hineingezogen", murmelte er, die Augen halb geschlossen, offenbar hatten sie ihm einen ziemlich heftigen Schlag verpasst. Bei dem Gedanken wurde ich schon wieder rasend vor Wut, versuchte aber mit Mühe, meine Emotionen unter Kontrolle zu halten.
Seufzend erklärte ich ihm die Kurzfassung der Dinge. „Mein Vater gehört so einer miserablen Gruppe an, die sehr aktiv im Drogenhandel sind und Geschäfte mit den bekanntesten Verbrechern machen. Ich war nie epicht darauf, bei der schrägen Sache mitzuwirken, weswegen ich seit meinem sechzehnten Lebenjahr immer wieder den Wohnort wechsle, in der Hoffnung, dass sie mich nicht finden, aber mein Vater schickt die ganze Zeit seine Leute hinter mir her. Die beiden da sind seine engsten Handlanger, aber vor mir haben sie trotzdem Schiss wie ein Zwerg vor einem Elefanten".
„Wieso hast du nichts davon erzählt?".
„Ich dachte ...". Ich zögerte. „Ich dachte, damit vergraule ich dich nur. Und das wollte ich nicht, wo ich gerade in dir den Sinn meines Lebens wiedergefunden habe".
„Schluss jetzt!", ertönte die Stimme seines Vaters, der nun endlich realisiert zu habe schien, was eben passiert war, und auf uns zukam. „Was zum Geier läuft hier?".
Ich warf Niall einen hilflosen Blick zu. Was jetzt? Er wusste nichts von uns. Doch Niall schien alles egal geworden zu sein, denn in einer einzigen fließenden Bewegung hatte er meinen Kopf zu sich herabgezogen und drückte mir einen langen, innigen Kuss auf den Mund – vor den Augen seines Vaters, dem erneut die Kinnlade nach unten klappte und schwer zu schlucken schien. Als wir uns nach etlichen Sekunden wieder voneinander gelöst hatten, sah Niall herausfordernd zu seinem Vater auf. „Das ist los, Dad. Ein Problem damit?". Seine Stimme war eisig. Die Tatsache, dass er gerade eben beinahe von Leuten MEINES Vaters zusammengeschlagen worden wäre, schien ihn nicht im Geringsten zu kümmern.
Mr Horan holte tief Luft und erwiderte erstaunlich gefasst: „Nein, Niall, das habe ich nicht. Mir wäre nur eine andere Wahl deines Partners lieber gewesen".
Ich versuchte, zu ignorieren, wie diese Worte wehtaten, doch Niall merkte es selbstverständlich trotzdem und warf seinem Vater einen finsteren Blick zu. „Ich finde ihn perfekt".
Seit sein Vater wusste, dass er, erstens, schwul und zweitens mit mir zusammen war, war er ziemlich kleinlaut, stauchte Niall wegen des Abhauens kein bisschen zusammen, sondern fuhr uns beide schweigend zu sich nach Hause, wo wir uns allesamt um den Küchentisch setzten einander ernst anstarrten. Nialls Mum war bei seinem blutigen Anblick sofort mit einem Entsetzensschrei losgestürmt, um einen Kühlbeutel zu holen, den er sich jetzt dankbar auf die linke Gesichtshälfte drückte, an der die rote Schwellung nun nicht mehr zu übersehen war.
Seltsamerweise wurde alles viel einfacher, als wir es uns ausgemalt hatten. Seine Mutter schloss mich seltsamerweise sogleich ins Herz, kaum dass ich Hand in Hand mit Niall das Haus betreten und sie begrüßt hatte. Sein Vater war äußerst skeptisch, beäugte mich immer wieder misstrauisch, schien sich aber im Laufe des Gesprächs immer mehr zu entspannen, als er sah, wie Niall und ich miteinander umgingen. Schließlich einigten wir uns darauf, dass sie wohlwollend auf unsere Beziehung sehen würden, solange die Geschäfte meines Vaters Niall nicht auf irgendeine Weise in Gefahr brachten oder ihm ein zweites mal zustieß, was heute geschehen war.
So saßen wir beide nach einer halben Stunde völlig baff, nur noch zu zweit nebeneinander am Tisch, starrten uns an und konnten unser Glück kaum fassen.
„Hättest du gedacht, dass es so leicht wird?". Der Unglauben in meiner Stimme sprach Bände. Niall lachte atemlos. „Muss wohl daran liegen, dass du mich heute aus dem Schlamassel gerettet hast".
„Immer wieder mit Vergnügen". Ich beugte mich vor und umfing seine Lippen in einem Kuss.
„Zayn?".
„Ja?".
„Ich liebe dich".
Ich merkte, wie sich ein strahlendes Lächeln auf meinem Gesicht ausbreitete und in meinem ganzen Körper eine angenehme, wundervolle Wärme mit sich brachte, wie ich sie noch nie in meinem Leben gefühlt hatte. „Ich dich auch".
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So, hiermit wäre also auch meine zweite Kurzgeschichte fertig :D Tut mir wirklich leid, dass alles so gerafft und unausführlich ist, aber ich wollte nicht auch noch mit einem dritten Teil daherkommen. Mal sehen, vielleicht mach ich aus dieser hier mal eine Lange, damit ich alles so detailliert schreiben kann, wie ich es normalerweise gerne tue :) Zum Beispiel hätte ich die Sache mit seinem Vater nicht ganz so einfach verlaufen lassen, die Leute von Zayns Vater hätten nicht aufgegeben, und so weiter ... naja, ist eben eine Kurzgeschichte :D
Naja, dann widme ich mich mal dem nächsten Kapitel meiner "Forbidden"-Story, das höchstwahrscheinlich auch noch heute Abend kommen wird (immerhin ist die Story schon ganz fertig, sodass ich nur noch mal alles auf die Logik überprüfen muss :D)
Wie immer freue ich mich über Feedback und Votes! <3 (Und wie üblich ist auch dieser Teil noch nicht korrekturgelesen, da ich ihn vor ungefähr drei Sekunden fertiggeschrieben habe :D)
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