Dark Hunters ("Vampire" Fortsetzung!)
Nach dieser langen Zeit am Anfang ein liebes HALLOOO an alle, die noch hier sind! <3
Diese Kurzgeschichte ist eine Fortsetzung von meinem Buch "VAMPIRE", die sich so viele gewünscht haben! Wer es nicht gelesen hat, wird hier vermutlich nicht besonders gut an die Handlung anschließen können, auch wenn ich versucht habe, die wichtigen Details noch einmal zu erklären :/
Ich freue mich natürlich trotzdem über jeden Leser, jedes einzelne Vötchen und jedes Kommi <3
Viel Spaß beim Lesen!
NIALL
Mit einem seltsamen Gefühl betrat ich den Vorlesungssaal und ließ meinen Blick über die Dutzenden von fröhlich plaudernden Studenten schweifen, von denen sich etliche heute zum ersten Vorlesungstag nach den Semesterferien nach langer Zeit endlich wieder sahen und auch dementsprechend viel Gesprächsbedarf hatten.
Ich war bereits gestern Abend mit dem Zug in der Stadt angekommen, damit ich in aller Ruhe meine Habseligkeiten wie gewohnt in unserem Wohnheimzimmer verteilen konnte.
Richtig, in unserem Wohnheimzimmer. Auch wenn man es über die unschöne Geschichte während der Semesterferien leicht vergaß, teilte ich mir hier als Student noch immer mit Liam ein Zimmer dieses Wohnheims. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass er, pünktlich wie er gewöhnlich zu sein pflegte, ebenfalls schon am Abend vor Semesterbeginn eintreffen würde, doch da hatte ich mich offenbar in ihm getäuscht, denn auch als ich mich heute Morgen schlaftrunken aus dem wieder ungewohnt gewordenen Bett gequält hatte, um zum Frühstücken den Speisesaal aufzusuchen, hatte ich immer noch nirgendwo eine Spur von meinem besten Kumpel entdecken können.
Bester Kumpel. Ich wünschte, Liam würde unsere Beziehung mit den gleichen Augen sehen.
Ich konnte nur hoffen, dass er sich mit seinen Hoffnungen etwas bedeckt hielt, denn ich hatte keine Lust, ihn nach einem eher weniger lustigen Zusammenstoß mit Zayn vom Boden aufkratzen zu müssen. Wirklich nicht. Zayn hatte unweigerlich deutlich gemacht, dass er Liam den Hals umdrehen würde, falls er auch nur ein einziges Mal versuchte, einen Schritt in meine Richtung zu machen, der mehr als nur Freundschaft zum Ausdruck brachte.
Nun könnte man verwirrt den Kopf schütteln und meinen, dass Zayn ja nicht einmal in der Stadt war und praktisch keine Ahnung hatte, was Liam und ich die ganze Zeit über taten, aber zu der Situation kam erleuchtend hinzu, dass Zayn und ich Gefährten waren.
Kurze Zusammenfassung: Ich hatte mich in einer absoluten Notsituation von ihm beißen lassen und seitdem konnte Zayn mich überall aufspüren, er konnte extreme Gefühle meinerseits wahrnehmen und konnte mir noch besser als vorher von den Augen ablesen, was ich im Moment dachte.
Und ich? Ich konnte im Prinzip überhaupt nichts. Gut, okay, wenn ich als sein Gefährte starb, würde es Zayn innerlich zerreißen, aber das zählte ich mal nicht zu den atemberaubendsten Auswirkungen einer Gefährtenverbindung.
Und was geschah mit dem Menschen, wenn sein Vampir zu Tode kam? Keine Ahnung. Ich hatte jedenfalls kein Interesse daran, es in naher Zukunft auszuprobieren.
Schlussfolgerung: Es war für alle Beteiligten am besten, wenn sich einfach keiner von uns umbringen ließ. Auch wenn das leichter gesagt war als getan, wie ich in den vergangenen Ferien leidvoll hatte feststellen müssen.
Erst als mich jemand achtlos von hinten anrempelte, realisierte ich, dass ich noch immer direkt vor der Tür stand und somit teilweise den Durchgang für die anderen eintreffenden Studenten blockierte. Entschlossen gab ich mir einen kleinen Ruck und setzte mich in Bewegung. Ich hatte im vergangenen Semester einige neue Leute kennengelernt, doch die Wahrscheinlichkeit, dass ich sie in diesem Getümmel auf Anhieb fand, war denkbar gering, also folgte ich einer Gruppe anderer Studenten die schmale Seitentreppe des Stufensaals hinunter und schob mich etwa in der Mitte des Raumes in eine Sitzreihe, in der noch drei Plätze frei waren.
Mit einem nagenden Gefühl der Einsamkeit blickte ich mich so unauffällig wie möglich um, doch keines der Gesichter kam mir bekannt vor. Klar, hier und da saß mal jemand, dessen Gesichtszüge ich aus dem letzten Semester vage im Gedächtnis, aber noch nie ein Wort mit ihm gewechselt hatte.
Das zweite Semester begann ja schon mal super.
Missmutig zerrte ich Block und Kugelschreiber aus meinem Rucksack, um beides auf den winzigen Klapptisch zu knallen. Ich hatte große Lust darauf, diesen blöden Vorlesungssaal sofort wieder zu verlassen und mir die vermutlich tausend mathematischen Formeln, die der für seine schrecklichen Skripte berüchtigte Dozent mit großer Wahrscheinlichkeit für diese Stunde geplant hatte, aus dem Internet auszudrucken, doch bevor ich diesem Wunschdenken Folge leisten konnte, ließ sich jemand neben mir auf den freien Sitz fallen.
„So viel negative Energie." Der junge Mann schüttelte mit einem Tss-Geräusch den Kopf. „Und ich dachte, du bringst mehr Begeisterung für dein Biologiestudium auf."
„Liam!" Bevor ich mir eine andere Reaktion zulegen konnte, hatte ich schon die Arme um ihn geschlungen. So leid es mir tat, ihm missverständliche Signale zu senden, ich hatte diesen überdimensionalen Teddybären einfach vermisst. „Wo steckst du nur?!"
Liam zuckte die Schultern . „Ich bin erst heute Morgen von daheim losgefahren. Meine Schwester hat heute Geburtstag, da wollte ich nicht einen läppischen Tag vorher schon abhauen. So konnte ich ihr wenigstens noch persönlich gratulieren."
Welch ehrenhafte Einstellung dieser Mann doch hatte. Davon könnten sich andere gerne eine Scheibe abschneiden. Grimmig dachte ich an Jace zurück, der mich vor einigen Wochen im Wald mit einem Messer hatte aufspießen wollen, um sich an Zayn dafür zu rächen, dass er aus dem Clan verstoßen worden war. Gerettet hatte mich ausgerechnet Zayns Vater, der Menschen hasste, allen voran meine wunderbare Familie, deren Mitglieder sich zum größten Teil aus Vampirjägern zusammensetzten.
Wo dieser gegenseitige Hass herrührte, war damit schon mal klar. Aber zumindest versuchten sie seit den jüngsten Ereignissen nicht mehr ständig, sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen und einander, wenn auch aus Versehen, umzubringen.
Und Liam ... tja. Der wusste praktisch von nichts.
Er kannte Zayn zwar vom Sehen her, aber er dachte nach wie vor, dass er entweder mein Ex oder mein persönlicher verrückter Stalker war, der immer dann auftauchte, wenn jemand sich an mich heranmachen wollte. Sehr zu Liams Leidwesen natürlich.
Unsere kurze Unterhaltung endete, als der Dozent mit einem viel zu lauten Brüllen ins Mikrofon den Beginn der Vorlesung ankündigte und im gleichen Atemzug darauf hinwies, das jeder, der desinteressiert war, den Saal sofort verlassen könne.
Wenn er wüsste, wie nah ich dran war, dieses Angebot anzunehmen, hätte nicht Liam neben mir gesessen, der sich eifrig Notizen zu machen begann.
Missmutig schaute ich auf mein eigenes kariertes Blockblatt, bevor ich zum Stift griff und seufzend anfing, ein Kästchen nach dem anderen auszumalen.
Als wir in der Mittagspause anstatt in der Mensa, die zum Bersten überfüllt gewesen war, frierend auf einer Bank draußen vor der Uni saßen und vorbeigehende Leute beobachteten, stach mir ein Typ ins Auge, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite halb versteckt an einem Baum lehnte und wie wir die vorüber eilenden Menschen musterte. Allerdings tat er das nicht mit diesem mäßigen Interesse, das aussagte, das man eigentlich sonst keine Hobbys hatte, nein, seine Augen waren schmal, als er sogar angestrengt in fahrende Autos blickte, als erwartete er, jemand wollte ihn aus dem Fenster heraus erschießen.
Ich wollte Liam gerade auf ihn hinweisen, als der Blick des Typs auf mich fiel, der ich ihn immer noch ungeniert anstarrte, worauf er im nächsten Moment urplötzlich aufsprang und über die Grünanlage davon sprintete, bis er hinter einem der geschlossenen Kioske verschwand. Stirnrunzelnd starrte ich noch eine Weile die Bäume an, dann zuckte ich die Schultern und schaltete mein Gehör wieder ein – Liam hatte die ganze Zeit über ununterbrochen gequasselt und überhaupt nicht bemerkt, dass ich mit den Gedanken ganz woanders gewesen war.
Als eine peinliche Pause entstand, ging mir auf, dass er wohl eine Frage gestellt haben musste, denn er sah mich fragend mit seinen braunen Teddyaugen an, und ob eine Augenbraue, als ich zu stottern begann.
„Ähm, also ... gewissermaßen ..."
Ich wurde von einer weiblichen Stimme gerettet, die einer eben an uns herantretenden Frau mittleren Alters gehörte. „Entschuldigen Sie die Störung?"
Liams irritierter Gesichtsausdruck wich einem einladenden Lächeln. „Ja, bitte?" Meinen schrägen Seitenblick ignorierte er gekonnt.
Im nächsten Moment hielt sie uns eine Karte unter die Nase. „Spezialeinheit. Haben Sie diesen Mann gesehen?" Bevor wir auf dem Ausweis ihren Namen entziffern konnten, hatte sie ihn schon durch ein Foto ausgewechselt, das einen grimmig dreinblickenden jungen Mann zeigte.
Er kam mir erstaunlich bekannt vor.
Unwillkürlich zuckte ich zusammen, als mir aufging, dass es sich um denselben handelte, der vor wenigen Sekunde noch dort drüben am Baum gelehnt hatte und abgehauen war. Nun kapierte ich auch, dass er keineswegs vor mir die Flucht ergriffen, sondern vermutlich schon vor uns die Frau entdeckt hatte, die mehr als offensichtlich nach ihm Ausschau hielt.
Argwöhnisch musterte ich sie, registrierte ihre perfekt anliegende schwarzweiße Kleidung, den Notizblock in ihrer Hand und den strengen Knoten, zu dem sie ihr blondes Haar zurückgebunden hatte.
Ganz oben auf meiner Sympathie-Liste landete sie mit ihrem ersten, ziemlich steifen Eindruck schon einmal nicht.
Wie zu meiner Bestätigung kniff sie nun ihre Lippen zu einem Strich zusammen, bevor sie ungehalten sagte: „Ich erwarte eine sofortige Rückmeldung. Ansonsten werden Sie beide von uns hören wegen schwerwiegender Behinderung der Ermittlungen."
„Das wollen wir natürlich nicht", gab ich sarkastisch zurück, während ich mir innerlich schon ausmalte, wie schön es wäre, dieser dummen Nudel eine Hand voll Dreck ins perfekt geschminkte Gesicht zu schmieren. „Nein, ich habe ihn nicht gesehen." Ich wusste ja nicht, was der arme Typ verbrochen hatte oder wieso sie ihn unbedingt aufspüren wollte, aber ich würde ihr bestimmt keine Hilfe sein. „Du etwa?", wandte ich mich an Liam, der den Gesuchten in seiner Laberei ohnehin nicht gesehen hatte, sodass er ratlos den Kopf schüttelte.
„Nein, tut mir leid."
Die Frau bedachte uns mit säuerlichen Blicken. „Vielen Dank. Schönen Tag noch."
Und weg war sie. Nicht in die Richtung, in die ihr Opfer geflohen war, wohlgemerkt.
Ich verkniff mir jegliche Grimasse in die Richtung ihres Rückens, während Liam sie verwirrt anstarrte. „Was war das denn bitte?"
Ich zuckte die Schultern. „Was weiß ich. Ihr Problem."
Liam schien kein besonderes Interesse an diesem kleinen Zwischenfall zu haben, denn er runzelte nur kurz die Stirn, bevor er wieder damit begann, mich begeistert zuzuschwallen.
Nach meinem üblichen täglichen Telefonat mit Zayn, das sich auch während meiner Zeit daheim eingebürgert hatte, da es uns durch die Feindseligkeiten zwischen unseren Familien teilweise schwergefallen war, jeden Tag wenigstens ein Treffen zu arrangieren, strahlte ich übers ganze Gesicht, als ich mein Handy auf meinen Schreibtisch legte und auf das Bad zusteuerte, um meine abendliche Dusche zu nehmen.
Liam beobachtete mich mit einem seltsamen Ausdruck auf dem Gesicht. „Lass mich raten. Dein Lover."
Ich war mir nicht sicher, ob er wusste, dass Zayn und ich nun fest und offiziell zusammen waren, aber offenbar konnte er es erahnen, seinem gepressten Tonfall nach zu urteilen. Ich müsste lügen, um zu sagen, dass er mir irgendwie leidtat. Es war nie schön, jemandem, den man eigentlich mochte, einen Korb geben zu müssen – aber was wollte man schon tun, wenn man denjenigen „nur" im freundschaftlichen Sinne mochte, während die Liebe schon für jemand anderen reserviert war?
Liam war wirklich ein netter Junge. Für mich eben nett im Sinne von bester Kumpel, den man sich vorstellen konnte.
Wieso sollte ich ihn also anflunkern? Zögerlich bestätigte ich seine Vermutung mit einem vagen Nicken. „Er ... kommt in einer Stunde zu einem kurzen Besuch vorbei."
Ich sah ihm nur zu deutlich an, wie er vergeblich versuchte, sich für mich zu freuen, jedoch an einem kleinen Lächeln fast scheiterte. „Das ist toll, Ni. Viel Spaß euch beiden." Dann wandte er sich wieder seinem Laptop auf dem Schreibtisch zu, und ich hatte das Gefühl, dass er damit seine entgleisenden Gesichtszüge verbergen wollte.
Mit diesem Dämpfer der Freude vollendete ich meinen Weg und betrachtete mich im Spiegel, wobei mir besonders die helle, aus zwei Punkten bestehende Narbe an der rechten Seite meines Halses ins Auge stach. Die Stelle, an der Zayn mich zu seinem Gefährten, seinen festen Partner gemacht hatte, sodass ich nun immerzu in meinem Herzen seine Präsenz spüren konnte. Ich fühlte es, wenn er gedanklich bei mir war, oder zumindest bildete ich mir es ein.
Ein schöner Gedanke war es auf jeden Fall.
Als ich um acht Uhr schließlich eilig in meine Nikes schlüpfte und Liam einen Abschiedsgruß zurufen wollte, hielt ich mich im letzten Moment zurück, als ich bemerkte, dass er mit seinen riesigen Kopfhörern dasaß und konzentriert auf den Bildschirm seines Laptops starrte, wo er mit der Maus hier und da einen Balken verschob und immer wieder angestrengt zu lauschen schien – offenbar war er wieder einmal mit dem Hobby seines Lebens beschäftigt, Musik zu mischen, eigene Aufnahmen zu machen und alle möglichen Tonspuren übereinander zu legen.
Wahrscheinlich wollte er sich im Moment eher von der Tatsache ablenken, dass der Mensch, in den er verliebt war, in der nächsten Stunde mit einem anderen Typen abhängen und keinen Gedanken mehr an ihn selbst verschwenden wurde.
In einem seltsamen Anflug von Schuldbewusstsein biss ich mir auf die Lippe, bevor ich leise die Tür öffnete und hinausschlüpfte, ohne Liam noch einmal auf mich aufmerksam zu machen. Was nicht sein musste, musste eben nicht sein.
Als Treffpunkt hatten wir den kleinen Park vor der Universität vereinbart, in den der mysteriöse Typ geflohen war. Aber selbst wenn er sich dort noch irgendwo aufhielt, würde Zayn ihn im Falle eines Angriffs ohnehin restlos plattmachen, und das mit einer Schnelligkeit, bei der ich nicht einmal mehr einen Finger rühren könnte.
Da man der Bereitschaft des Aufzugs ab acht Uhr nicht mehr so ganz trauen konnte, schlug ich den Weg die Treppe hinunter ein, wobei ich mein gut gelauntes Summen zu meinem Missfallen unterdrücken musste, da in diesem Treppenhaus auch die leisesten Klänge in jeden Winkel hallten und alle möglichen genervten Bewohner auf den Plan rief.
Bis ich ganz unten angekommen war, begegnete mir keine Menschenseele, doch kaum war ich aus dem Treppenhaus in den großen Flur im Erdgeschoss getreten, erregte ein leises Scheppern meine Aufmerksamkeit. Nach ein paar vorsichtigen Schritten in Richtung der Geräuschquelle stellte ich fest, dass es aus dem Gemeinschaftsraum des Erdgeschosses kam und mit einem Mal verstummte, als mein linker Knöchel beim Auftreten ein ungesund klingendes Knacken von sich gab.
Die Augen verdrehend blieb ich stehen.
Typisch.
Ich sollte anderen Leuten einfach ihre Privatsphäre lassen und zusehen, dass ich zum Park kam, bevor Zayn womöglich annahm, ich sei einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen. Oder ich hätte mich versehentlich selbst im Klo hinuntergespült.
Beide Gedankengänge waren diesem vampirischen Idioten zuzutrauen. Aber er war eben auch MEIN vampirischer Idiot.
Doch bevor ich mich umdrehen und meinen Weg fortsetzen konnte, ertönte wieder etwas – diesmal hörte es sich an wie ein schmerzerfülltes Ächzen. Alarmiert warf ich einen Blick über die Schulter, ob vielleicht noch irgendjemand in Sicht war, und setzte mich in Bewegung.
An der breiten Glastür zum mit Sofas vollgestopften Gemeinschaftsraum verharrte ich einen Augenblick und versuchte, die Situation mit wenigen Blicken zu erfassen, doch ich konnte nichts entdecken, was irgendwie falsch, mysteriös oder verdächtig war, sodass ich mich schon im Rest des Ganges umsehen wollte, als mir etwas ins Auge stach, das so ganz und gar nicht der Normalität entsprach.
Ein Paar Beine ragte hinter einem der vordersten Sofas hervor. Beine mit violett geblümten Sportschuhen an den Füßen, die sich nicht bewegten.
Ach du Kacke.
Mit wenigen Schritten hatte ich den Abstand überbrückt und hechtete mehr oder weniger geschickt über das Sofa hinweg, bis ich bei dem Mädchen angelangt war, das bewegungslos dahinter auf dem Rücken ausgestreckt auf dem Boden lag und offenbar das Bewusstsein verloren hatte.
Besorgt kniete ich neben ihr nieder und tätschelte nach einigem Zögern ihre Wange. „Hallo? Kannst du mich hören?"
Mal abgesehen davon, dass ihr dabei eine rostrote Strähne von der Stirn rutschte und zwischen ihren halb geöffneten Lippen landete, passierte nichts.
Seufzend tastete ich nach meinem Handy, um Liam zu informieren, der als Hilfskraft beim Notarzt tätig war. Vermutlich hatte sie einen Kreislaufkollaps erlitten, hatte zu wenig getrunken oder weiß der Geier, was noch alles eine Bewusstlosigkeit hervorrufen konnte – atmen tat sie auf jeden Fall.
Bevor ich jedoch den grünen Hörer betätigen konnte, fiel mir noch ein Detail auf, das mich beunruhigte.
Dort war etwas Rotes unterhalb ihres Kinns. Eine ... rote Flüssigkeit, die sich langsam zwischen all den Haarsträhnen hindurch einen Weg gen Boden bahnte und aussah wie ...
Blut.
Mein Körper handelte ohne mein Gehirn, als ich wie ferngesteuert die Hand ausstreckte, um die rote Haarmähne beiseitezuschieben, woraufhin ich entsetzt zurückprallte, einen kleinen Hopser rückwärts machte und mit dem Rücken gegen die harte Rückenlehne des Sofas knallte.
Die Wunde, bestehend aus zwei feinen, aber dennoch relativ tiefen Löchern, die sich seitlich an ihrem Hals schräg unter ihrem Ohr befanden und wie die Hölle bluteten, kam mir nur allzu bekannt vor.
Sie sah aus wie ein Biss. Wie der Biss eines Vampirs.
Als aus einer anderen Ecke des Raums wieder ein Scharren ertönte, war ich binnen einer halben Sekunde auf den Beinen und wirbelte in jede erdenkliche Richtung, hektisch versuchend, den Verursacher des Geräusches ausfindig zu machen, doch bevor ich auch nur einmal zwinkern konnte, knallte plötzlich jemand gegen mich, warf mich buchstäblich von den Füßen und beförderte mich über einen Tisch hinweg in eine andere Lücke zwischen den Sofas, sodass mir vom Aufprall die Luft wegblieb.
Sie blieb leider auch noch ein wenig länger weg, denn im nächsten Moment lag auch schon jemand auf mir und presste den ganzen Restanteil an Sauerstoff aus meinen Lungen, sodass ich nur noch ein gequältes Ächzen hervorbrachte. „Was zum ...?!"
„Fresse", knurrte mir eine männliche Stimme ins Ohr. „Beweg dich ein einziges Mal, und du endest so wie deine Kollegin da drüben."
Irgendetwas an dem Ton des Mannes ließ mich aufhorchen. Klar, die blanke Wut sowie die Angriffslustigkeit waren nicht zu überhören, aber es schwangen auch noch andere Emotionen darin mit. Täuschte ich mich, oder konnte ich da einen Hauch von ... Verzweiflung wahrnehmen? Trauer? Es war mir nicht möglich, genaueres zu definieren – zudem ich allmählich das Gefühl bekam, meine Rippen müssten gleich brechen.
„Verpiss dich, Mann", presste ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich kann nicht atmen."
Der Typ, dessen Gesicht ich immer noch nicht genau sehen konnte, lachte nur. „Und was, wenn nicht? Willst du mich dann etwa umbringen?" Nun triefte seine Stimme nur so vor Bitterkeit.
Damit konnte ich mich auch später noch auseinandersetzen. Erst einmal musste ich diesen nervigen Koloss von übermenschlich starken Vampir von mir herunterbekommen, bevor ich einen jämmerlichen Erstickungstod starb.
„Ich vielleicht nicht. Aber mein Freund."
Wieder bekam ich dieses zittrige Lachen als Antwort, als wäre er nervös. „Dein Freund? Dann sehen wir mal, was dein Freund sagt, wenn ich dir ein neues Tattoo verpasse." Sein Gesicht tauchte nun direkt über meinem auf, sodass ich in feuerrote Augen blickte, ähnlich wie die von Zayn, wenn er sich entweder furchtbar aufregte, oder wenn er seinen Blutdurst nicht zu unterdrücken vermochte.
Dieser Dummkopf von Vampir wollte mich beißen. Und er schien sich nicht einmal darüber zu wundern, dass ich angesichts seiner unnatürlich roten Augen nicht vor Panik ausflippte und in höchsten Tönen zu kreischen begann.
„Nicht!", schrie ich mit überraschend viel Luft, als ich seinen kalten Atem bereits auf meiner Haut spürte. Ich wusste ja nicht, was mit Zayn geschah, wenn ich von einem anderen Vampir gebissen wurde, aber ich wollte es auf keinen Fall ausprobieren. „Du hast ja keine Ahnung, was du damit anrichten könntest!"
„Was könnte ich denn damit anrichten, hm? Du scheinst ja schon deine Erfahrungen gemacht zu ..." Er stockte urplötzlich mitten im Satz, als hätte er etwas schier Unglaubliches gesehen. „Was zum Teufel ist ... da sind ... du bist ..."
Sein Griff lockerte sich und im nächsten Augenblick saß er plötzlich neben mir anstatt auf mir, und starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an, in denen das Rot allmählich zu verblassen begann und einem durchdringenden Blau wich, das mich an die Farbe meiner eigenen Iris erinnerte.
Das Entsetzen darüber, was in den nächsten Sekunden hätte passieren können, saß mir noch immer tief in den Knochen und ließ meinen Atem stoßweise gehen, als ich von dem Typen, dessen Mund nun sperrangelweit offenstand, so weit wie möglich wegrutschte und mir die flache Hand auf den Hals legte, aus Furcht, die beiden hellen Narbenpunkte, die ich sozusagen als Teil von Zayn immerzu mit mir führte, könnten plötzlich auf Nimmerwiedersehen verschwunden sein.
Dem Vampir entging meine Reaktion nicht, denn sein Gesichtsausdruck zeigte erst Verwirrung, dann Fassungslosigkeit, bis er plötzlich in offensichtlicher Erkenntnis weich wurde. „Du bist ein Gefährte."
Ich sagte nichts, sondern erwiderte seinen Blick möglichst unerschrocken, auch wenn die direkte Bedrohung nun gebannt war. Er kam mir so bekannt vor. Als hätte ich ihn erst irgendwo gesehen.
„Wo ist ..." Mein Gegenüber schluckte sichtlich. „Wo ist dein Gefährte? Und wieso ..."
„Wieso ich ihm nicht willenlos unterworfen bin?", vollendete ich seinen angefangenen Satz bissig. „Weil halt. Das geht dich überhaupt nichts an. Und jetzt verpiss dich lieber, bevor er kommt und dich in Stücke zerreißt."
Ich hatte nicht zu viel versprochen. Bevor der Typ nämlich ein Wort erwidern konnte, ertönte das Quietschen von Gummisohlen auf dem steinernen Gang, dann platzte jemand in einer solchen Geschwindigkeit herein, dass man förmlich nur noch die Staubwolke von ihm sehen konnte, und stürzte sich mit einem Wutschrei auf den anderen Vampir. Der wusste gar nicht, wie ihm geschah, als Zayn ihn fauchend mit einem Würgegriff auf die Tischfläche rammte und ihn dort festhielt.
„Du kleines Stück Scheiße meiner Art." Seine Stimme war nicht mehr als ein wutentbranntes Zischen. „Rühr diesen Menschen noch ein einziges Mal an, und ich verspreche dir, dass ich dich finden und töten werde. Hast du das verstanden?"
Langsam erhob ich mich von meiner unbequemen Position auf dem Boden und stellte verblüfft fest, dass die Augen des unbekannten Vampirs blau blieben und nicht in die aggressive rote Farbe wechselten, die davon zeugen würde, dass er kämpfen wollte.
Und genau in dieser Sekunden durchzuckte mich die Erkenntnis wie ein Lichtblitz. „Ich kenne dich! Du warst heute Mittag im Park!"
Zayn wirbelte zu mir herum, und das Rot seiner eigenen Augen lichtete sich ein wenig. „Der da? Ich werde ihn ...!"
„Krieg dich wieder ein, Gefährte", krächzte der junge Vampir. „Ich habe nicht vor, deinem Freund was zu tun."
Mir lag ein sarkastisches Nicht mehr auf der Zunge, das ich mir jedoch verkniff, da Zayn ihn vermutlich sonst hier und jetzt ausgenommen hätte.
Letzterer ließ ihn mit einem letzten feindseligen Knurren auf den Tisch zurückfallen, bevor er seine Arme um mich schlang und mir einen innigen, wenn auch kurzen Kuss auf die Lippen drückte. „Ich hab dich so vermisst."
Ich lachte in seine Schulter. Trotz seiner eisigen Körpertemperatur fühlte ich mich bei ihm pudelwohl. „Es waren nur zwei Tage, Zayn."
„Trotzdem." Er schoss dem anderen Typen einen wütenden Blick zu „Die haben offenbar gereicht, dass du wieder alles Übel magisch anziehst. Ich ..." Er zögerte kurz. „Ich habe deine Panik gespürt."
Ein warmes Gefühl wallte in mir auf, als ich ihn anlächelte. „Schön zu wissen, dass du mich nicht sterben lassen würdest."
Bevor Zayn antworten konnte, sah ich aus den Augenwinkeln, wie sich der andere Mann mit einem schmerzerfüllten Ausdruck auf dem Gesicht abwandte und sich mit einer Hand an der Tischplatte festklammerte, als müsste er sich selbst vor dem Fallen bewahren.
„Hey. Alles gut?"
Er antwortete mit einem knappen Nicken und holte tief Luft, bevor er sich zu uns umdrehte und zuerst mir und dann Zayn die Hand hinhielt, wobei Letzterer ein wenig länger zögerte, sie zu ergreifen und zu schütteln.
„Ich bin Ken." Er biss sich kurz auf die Lippe. „Gewissermaßen bin ich auf der Flucht."
„Auf der Flucht?", fragte Zayn zweifelnd, während ich zeitgleich ein „Das hab ich mir fast gedacht" in die Runde warf.
„Vampirjäger." Nervös spielte Ken am Saum seines Shirts herum, das an einigen Stellen zerrissen war und sogar Brandspuren aufwies. „Seit einigen Wochen fliehe ich schon vor ihnen."
„Du ... Moment mal, was?" Zum ersten Mal in seinem Leben kapierte Zayn offenbar nicht sofort, worum es ging. „Wo ist dein Clan?"
Kens Augen schimmerten verdächtig feucht und ich kam nicht umhin, ihn anzustarren. Vampire konnten weinen? „Ich wurde verstoßen. Weil ..." Er warf einen Blick auf unsere verschränkten Finger. „Weil ich was mit einem Menschenmädchen am Laufen hatte." Seine Augen wirkten wie zerbrochenes Glas. „Sie war meine Gefährtin."
Während mir vor Schock und Mitgefühl die Spucke wegblieb, hakte Zayn, rücksichtslos wie immer, noch einmal nach, als müsste er sich wirklich vergewissern. „Sie war deine Gefährtin?!"
Kens Hände ballten sich zu Fäusten, als wollte er seine eigenen Knochen brechen. „Sie ist tot", flüsterte er schließlich mit belegter Stimme. „Sie haben sie umgebracht. Jenny ist mit mir geflohen. Wir standen beide auf der Abschussliste. Ich auf der der Vampirjäger, Jenny auf der meines ehemaligen Clans. Wir waren mit einem gestohlenen Wagen unterwegs, als sie uns mitten auf der Straße aufgelauert und auf uns geschossen haben." Seine Stimme zitterte vor unterdrückten Tränen. „Sie haben sie durchs Beifahrerfenster getroffen. Und ich ..." Er holte geräuschvoll Luft. „Ich konnte sie nicht retten. Nur mich selbst. Ihre Leiche wurde angeblich nie gefunden."
Bei diesen Worten lief es mir eiskalt den Rücken hinunter, als ich daran zurückdachte, was Jace einst zu mir gesagt hatte, als er mich aus Rache an Zayn töten wollte.
Wenn ich dich töte, wird Zayn nie wieder er selbst sein. Ein Teil von ihm wird für immer fehlen.
Eine Gefährtenverbindung aus Liebe war etwas ganz Besonderes.
Und Ken hatte seine Gefährtin an Vampirjäger verloren.
Das erklärte seine gebrochenen Augen. Die Ausstrahlung unendlicher Traurigkeit. Die Hoffnungslosigkeit, die Trauer, die ständige Nervosität. Der Verlust seiner Gefährtin hatte ihn bis ins Mark getroffen, ihn zu einer ganz anderen Person werden lassen, als die, die er einst gewesen war.
Zayn schien Ähnliches zu denken, denn er umklammerte meine Hand noch fester, als wollte er sie nie wieder loslassen, bevor er einen Schritt auf den todunglücklichen Vampir zutrat. „Wir können dir helfen. Alleine hast du keine Chance."
Ken lachte bitter auf. „Helfen? Wie denn? Willst du einen neuen Clan herzaubern? Einen Clan, der ein Mitglied akzeptiert, das sich in einen Menschen verliebt hat? Zeig mir bitte so einen. Ich glaube nämlich nicht daran."
Zayn warf mir einen Blick zu, mit dem er mich förmlich anstrahlte. „Ich glaube, damit können wir dienen."
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Teil 2 ist in Arbeit :-)
Liebe Grüße
Andi
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