Criminal? (Ziall)
Hallooo :)) Nach Jahren melde ich mich mal wieder mit einer Kurzgeschichte, nachdem mich das Fanfiction-Fieber aus irgendeinem Grund wieder voll im Griff hat. Ich weiß ja nicht, wie viele Leute dieses Buch hier überhaupt noch auf dem Schirm haben, aber WHATEVER! Viel Spaß beim Lesen <3
Kurz: Ziall trifft während eines Banküberfalls aufeinander.
---
N I A L L
Die ganze Sache war lediglich auf einen ungünstigen Zufall zurückzuführen.
Ein ungünstiger Zufall in Form von meiner Dummheit, eine Viertelstunde vor dem Start des Wochenendtrips mit meinem besten Freund Liam festzustellen, dass mein Bargeld nicht einmal mehr für die Zugfahrt gereicht hätte. Und da es hier auf dem Land erfahrungsgemäß leider nicht möglich war, ein Zugticket mit Karte zu bezahlen, und ich mich persönlich mit Bargeld viel wohler fühlte, hatte ich mich zu einem kurzen Abstecher zur Bank entschlossen.
Jedenfalls war ich davon ausgegangen, dass es ein kurzer Abstecher werden würde.
Es war ein Freitagnachmittag, ein sonniger Spätsommertag, an dem es die Leute in Massen zu allerlei Unternehmungen ins Freie hinauszog. Dementsprechend überfüllt war auch der große Hauptraum der Bank. Ich stöhnte ernüchtert auf, als ich die langen Warteschlangen sah. Vor jedem einzelnen der drei Geldautomaten tummelten sich Leute mit Portemonnaies, die ungeduldig mit den Füßen scharrten, konzentriert an ihren Smartphones klebten oder einfach nur Löcher in die Luft starrten.
Missmutig reihte ich mich dort ein, wo ich die wenigsten anstehenden Leute vermutete, und zog sofort mein Handy hervor, um Liam zu informieren, dass ich mich wohl verspäten würde. Wie so oft. Manchmal fragte ich mich wirklich, wie Liam und ich es seit dem Kindergarten schafften, so gut miteinander befreundet zu sein. Unterschiedlicher hätten wir wirklich nicht sein können: Liam war ein höchst korrekter Mensch, legte großen Wert auf Ordnung und Pünktlichkeit, und plante grundsätzlich alles perfekt im Vorfeld komplet durch.
Ich dagegen ... nun ja. Ich lebte für das Chaos. Nein, das war untertrieben. Ich war das Chaos in Person. Das war auch der Grund, wieso ich während meines Studiums nicht wie die meisten anderen Studenten in eine WG gezogen war, sondern mir eine billige 1-Zimmer-Wohnung gesucht hatte. Meine Eltern, bei denen ich nun während der Semesterferien übergangsweise wieder wohnte, hatten es schon längst aufgegeben, mir die Kunst der Pünktlichkeit und des Organisiertseins einbläuen zu wollen.
Liam nicht. Wann immer er mein Zimmer betrat, egal ob in meiner Wohnung oder in meinem Elternhaus, sah er aus, als wollte er mich am liebsten im stets überquellenden Mülleimer ersticken. Er hatte auch schon mehrfach angedroht, mich mit Staubsauger und Putzlappen so lange einzusperren, bis ich das ganze Durcheinander beseitigt hatte, was ihm jedoch nur Gelächter von mir eingebracht hatte.
Aber so sehr wir einander auch neckten und wie hart unsere Prinzipien manchmal aufeinandertrafen, so waren wir wie Brüder. Von klein auf seit dem Kindergarten hatte Liam als der Ältere von uns beiden mich unter seine Fittiche genommen, sodass wir mehr oder weniger zusammen aufgewachsen waren. Seit ich denken konnte, waren wir wie Pech und Schwefel gewesen und würden alles füreinander tun.
Trotzdem würde er wie eine Furie über mich herfallen, wenn ich heute nun auch nur fünf Minuten zu spät am Bahnhof erschien.
Mürrisch tippte ich die Nachricht an ihn zu Ende und stellte mein Handy dann auf stumm, damit ich wenigstens nicht sofort mit vorwurfsvollen Reden konfrontiert wurde. Dieses bisschen Galgenfrist, während ich hier anstehen musste, würde ich mir noch gönnen.
Gähnend versenkte ich die Hände in den Hosentaschen und ging dann dazu über, die Menschen um mich herum zu beobachten. Da heutzutage ohnehin die meisten Leute in jeder freien Sekunde blind für alle Umwelteinflüsse an ihren Handys klebten, konnte man es sich durchaus leisten, jemanden eine ganze Weile anzustarren und zu analysieren, ohne dass derjenige es merkte.
Mäßig interessiert ließ ich meinen Blick von einem Bankbesucher zum nächsten wandern, begutachtete die Mitarbeiter, die eifrig Kunden berieten oder sich an Unterlagen zu schaffen machten, und trat immer wieder einen Schritt vorwärts, wenn sich die Möglichkeit dazu ergab.
Dabei dauerte es nicht lange, bis mir ein junger Mann ins Auge stach, der nahe des Ein- und Ausgangs herumlungerte. Er trug eine schwarze Skinny Jeans und darüber ein vertikal schwarz-weiß gestreiftes Hemd, dessen oberste Knöpfe er offengelassen hatte und somit ansatzweise die Konturen eines Tattoos zur Schau stellte. Locker über seine Schulter geworfen hatte er eine schwarze Lederjacke bei sich, die er mit dem kleinen Finger seiner linken, gleichermaßen tätowierten Hand in Position hielt. Sein dichtes Haar war von einem tiefen, tintigen Schwarz und fiel ihm in ungebändigten Strähnen wild in die Stirn. In seiner anderen Hand hielt er ein Handy, das er jedoch nicht anblickte, sondern lediglich scheinbar geistesabwesend mit den Fingerkuppen darauf herumtrommelte.
Aber es war weder sein auffallend in dunklen Tönen gehaltenes Erscheinungsbild, noch die offensichtlich einen Großteil seines Körpers bedeckenden Tattoos, was mich magisch anzog.
Es waren seine Augen, die mich fesselten. Sogar aus dieser Distanz konnte ich das warme Karamellbraun in ihnen sehen, das eine faszinierende Mischung aus strahlender Helligkeit und zugleich mysteriös wirkender Dunkelheit offenbarte. Ich war so im Bann dieses wunderschönen Augenaufschlags gefangen, dass ich das Fortschreiten der Warteschlange vor mir erst bemerkte, als mich von hinten jemand anrempelte und mir ein missmutiges „Wird das heute noch was?" ins Ohr brummte.
Eine Entschuldigung murmelnd schloss ich eilig zum Rest der Wartenden auf und drehte mich dann wieder neugierig zu dem jungen Mann um – doch bis ich mich auf Zehenspitzen über die Köpfe der übrigen Menschen hinweg gereckt hatte, war er verschwunden. Enttäuscht ließ ich meinen Blick suchend umherwandern, konnte ihn jedoch nirgends mehr entdecken. Vermutlich hatte er dort drüben am Eingang nur auf irgendjemanden gewartet und hatte die Bank nun mit dieser Person wieder verlassen. Vielleicht mit einer Person, die seine Freundin war.
Der Gedanke versetzte mir einen weiteren Stich der Enttäuschung. So sehr man es mir vielleicht vom bloßen Äußeren her nicht unbedingt zutraute, so verfügte ich doch über ein relativ loses Mundwerk und hatte kein Problem damit, jemanden anzubaggern, der mir gefiel.
Dieser Typ hatte mir definitiv gefallen. Und definitiv hätte ich mein Glück versucht, wenn er nur länger hier gewesen wäre. Aber gut. Das Leben war eben kein Wunschkonzert.
Das sollte ich heute überdeutlich zu spüren bekommen.
Als ich mich wieder nach vorne drehte, bemerkte ich, dass es offenbar Probleme mit der Elektronik gab. Die junge Frau, die sich eben noch am Geldautomaten zu schaffen gemacht hatte, stand nun mit hilflos erhobenen Händen da und winkte einem der Mitarbeiter hinter dem Tresen zu. Der ältere Herr, dessen Geschäftshemd an den ungünstigsten Orten schweißnasse Stellen aufwies, verdrehte die Augen und stellte seine Kaffeetasse hin, um sich schwerfällig auf den Weg zu machen.
„Hier geht auch nichts mehr", meldete eine kleine Gruppe Teenagermädchen, die allesamt mit Handtaschen und identischen Langhaarfrisuren um den Automaten ganz rechts nahe am Eingang herumstanden.
Der Typ, der mich eben von hinten angerempelt hatte, grunzte abfällig. „Seid ihr alle blind? Die Lichter sind auch aus. Das ist ein Stromausfall."
Innerlich aufstöhnend fuhr ich mir mit den Händen vorsichtig durch mein wie immer sorgfältig frisiertes Haar – ich war ja wirklich ein sehr toleranter, lockerer Mensch, aber wenn ich etwas nicht abkonnte, dann eine schlecht sitzende Frisur auf meinem eigenen Kopf.
Stromausfall. Na wunderbar. Das bedeutete wohl, dass es mindestens eine Viertelstunde dauern würde, bis sie das Problem gefunden und schließlich behoben hatten.
Kurz entschlossen steckte ich meine Karte weg und bahnte mir einen Weg durch die ungehaltenen Leute zurück hindurch in Richtung Ausgang. Dabei trat ich dem Typen hinter mir auf den Fuß, aber da der mich zuvor angerempelt hatte, erachtete ich das als fair.
So sehr Liam mich damit die nächsten drei Wochen aufziehen würde, würde ich mir wohl oder übel das Geld für die Zugfahrt von ihm leihen müssen. Lieber das, als die Alternative, den jetzigen Zug zu verpassen und zwei Stunden am Bahnhof in der größten Pampa auf den nächsten zu warten. Zusammen mit einem motzenden Liam.
Vergesst es.
Wäre ich fünf Sekunden früher zu diesem Entschloss gekommen, hätte ich die Tür vermutlich noch erreicht.
Ich hätte die Tür erreicht, wäre arglos nach draußen gegangen und mit dem Auto weggefahren, hätte Liam am Bahnhof getroffen, mich ein bisschen mit ihm gestritten, und dann hätten wir während der Zugfahrt von der ganzen schlimmen Sache in den Nachrichten gehört.
Aber natürlich hatte das Schicksal andere Pläne mit mir.
Ich war noch etwa einen Meter vom Sonnenschein draußen entfernt, als sich die bei dem schönen Wetter eigentlich durchgehend offenstehenden Schiebetüren direkt vor meiner Nase zu verschließen begannen. Verwirrt hielt ich inne und wollte den Scanner oberhalb des Rahmes mithilfe einiger Bewegungen auf mich aufmerksam machen, wurde jedoch von beunruhigendemTumult davon abgehalten.
„AUF DEN BODEN!", dröhnte es im nächsten Moment plötzlich durch das gesamte Bankareal. "JETZT SOFORT!"
Die Kunden zuckten erschrocken zusammen und blickten desorientiert in alle HImmelsrichtungen. Niemand schien so recht zu begreifen, was vor sich ging, und ich konnte es keinem verübeln. Das Blut in meinen Adern gefror zu Eis, zusammen mit meinen Gliedmaßen, sodass ich am Ende wie erstarrt auf der Stelle zu verharren begann.
War das etwa ein ... Überfall?
Nein. Niemals.
Das passierte doch nicht wirklich? Die Wahrscheinlichkeit, dass hier auf dem Land ein Banküberfall stattfand und noch dazu ausgerechnet ICH mich in jener Bank befand ... diese Wahrscheinlichkeit ging doch gegen Null.
Sicherlich war das nur ein Scherz. Wenn auch ein ziemlich schlechter Scherz.
Die Tatsache, dass eine Sekunde später panisches Gekreische meine Trommelfelle erzittern ließ und auch die Tür vor mir nach wie vor unbarmherzig verschlossen blieb, belehrte mich eines Besseren.
„Auf den Boden! AUF DEN BODEN!", wiederholte die Männerstimme in beachtlicher Lautstärke. Als endlich Bewegung in mich kam und ich unkoordiniert mit tauben Beinen einen halben Meter zur Seite taumelte, erhaschte ich einen Blick auf den Besitzer der Stimme.
Dunkelblauer Overall, schwarze Sturmhaube mit Löchern für Augen und Mund, etwas skurril kombiniert mit nach vorne hin spitz zulaufenden Stiefeletten. Auf einem Faschingsball hätte ich diesen Aufzug als Kostüm begeistert gefeiert, doch die Tatsache, dass dieser großgewachsene, breitschultrige Mann eine Pistole in der Hand hielt, ließ meinen Humor dahinschwinden.
„Fuck", murmelte ich zu mir selbst. Mit der Hand tastete ich im Schutz meines Rückens nach meinem Smartphone, das ich immer in der hinteren Hosentasche meiner Jeans mit mir herumzutragen pflegte. Aus den Augenwinkeln bekam ich mit, wie zwei weitere Vermummte die ängstlichen Bediensteten aus ihren angrenzenden Büros stießen und bei den restlichen Leuten in der Mitte des Kundenareals zusammentrieben. Die Angestellten, die am Schalter gestanden hatten, saßen nun zusammengekauert vor ihrem Tresen auf dem Boden.
Und ich stand noch immer wie der letzte Blödmann an der geschlossenen Tür. Wenn ich nur irgendwie unbemerkt mein Handy in die Finger kriegen und einen Notruf tätigen könnte, dann ...
„Hey, du!"
Wie vom Blitz getroffen zuckte ich zusammen, während meine Hände reflexartig nach oben schossen, um zu demonstrieren, dass sie leer waren. Einer der drei Täter kam bedrohlich auf mich zu gedampft, und ich musste all meinen Mut zusammennehmen, um nicht den Verstand zu verlieren und schreiend gegen die verschlossene Tür hinter mir zu trommeln.
„Weg von der Tür!", fauchte er mich an. „WEG VON DER SCHEISS TÜR! Nach hinten und hinsetzen! HINSETZEN!" Sein Geschrei hätte er sich sparen können. Der Lauf der Pistole allein hätte auch schon gereicht, um mich voller Furcht vor ihm zurückzuweichen und seinen Befehl befolgen zu lassen.
Meine Knie gaben von selbst unter mir nach, nachdem ich mich von ihm zu den Angestellten am Schalter hinüberbugsieren lassen hatte und im nächsten Moment auf dem kratzigen Teppichboden saß, den Rücken flach an den Tresen hinter mir gepresst.
Mit einem Rauschen schossen die Jalousien an der Glasfront des Eingangs gen Boden, verhinderten jeglichen Einblick von draußen und tauchten das Innere der Bank in schummriges Dämmerlicht. Die Türen zu den Büros wurden zugeschlagen und sämtliche Fenster gewissenhaft überprüft, während die Geiseln zitternd und teilweise schluchzend auf dem Boden verharrten und die koordinierten Bewegungen der Täter aus weit aufgerissenen Augen verfolgten.
Stoßweise atmend verschränkte ich meine Finger ineinander, die Hände verkrampft an die Brust gepresst, die Knie halb angezogen. Als könnte ich mich so gegebenenfalls vor den Kugeln der Schusswaffen schützen.
Das kann nicht real sein. Das ist nur ein Alptraum. Ganz sicher.
Eine direkt vor meinem Gesicht auffordernd ausgestreckte Hand riss mich aus meiner inneren Selbstmitleidstirade. Eingeschüchtert hob ich den Kopf, woraufhin mein Blick auf gefährlich funkelnde Augen traf. Deren Farbe erinnerte mich vage an mit Schokolade vermischtes Karamell (glaubt mir, mit dieser Kombination kenne ich mich aus), was einen Erinnerunsfunken in mir aufkeimen ließ, doch da ich mich nebenbei auch noch mit einer vermutlich geladenen Schusswaffe konfrontiert sah, hatte mein Gehirn mit anderen Prioritäten zu kämpfen.
„W-was?"
„Handy", orderte der Mann knapp. Seine Stimme war einerseits leise, als sei er es normalerweise nicht gewohnt, in einem solchen Tonfall zu sprechen, und andererseits so kalt, dass sich die feinen Härchen auf meinen Armen aufstellten. „Und von dir auch."
Die stark geschminkte Dame im Hosenanzug neben mir, an die die letzten beiden Worte adressiert waren, schüttelte mit bebender Unterlippe den Kopf. „Ich h-habe kein Handy dabei." Ihre manikürten Hände spielten nervös mit den Knöpfen ihres Oberteils.
Der Typ schwieg für ungefähr zehn Sekunden. Dann riss er urplötzlich die Waffe empor, entsicherte sie blitzschnell mit einem gut hörbaren Klicken und feuerte einen Schuss ab. Instinktiv riss ich die Unterarme vor mein Gesicht, während die Frau neben mir mit einem Aufschrei heftig zusammenzuckte.
Glücklicherweise in die Decke.
Der Blick des Mannes war pures Eis. "Die nächste Kugel hat ein anderes Ziel."
Die Frau kämpfte mit ihren unablässig bebenden Händen, bevor sie schließlich in die Innentasche ihres Blazers griff und ein weißes Smartphone zutage förderte. Mein Trommelfell dröhnte von dem Schuss in nächster Nähe, während ich mit fest aufeinandergedrückten Augenlidern dem unbändigen Impuls widerstand, mich hier und jetzt zu einer Kugel zusammenrollen, mein Gesicht in den Boden zu pressen und nie wieder aufzustehen.
Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich eine solche Todesangst verspürt.
Du könntest hier drin sterben. Vielleicht auch schon in drei Sekunden.
Ein ersticktes Keuchen verließ meinen Mund, als sich ohne jegliche Vorwarnung kühles Metall in meine rechte Schläfe bohrte. Augenblicklich begannen sich meine Gedanken zu verselbstständigen. Oh Gott. Oh Gott. War das etwa eine ...
„Sieh mich an." Der Druck gegen meine Schläfe verstärkte sich, als ich dem Befehl nicht sofort Folge leistete. Im nächsten Moment spürte ich warmen Atem ganz dicht an meinem Ohr. „Bist du taub, Blondie? Sieh. Mich. An."
Mein Atem stockte. Unerträgliche Angst und der Schock über die plötzliche körperliche Nähe schnürten mir die Kehle zu. Irgendwo weiter vorne im Raum war Gerangel zu hören, gefolgt von dem unverkennbaren Geräusch eines Faustschlags und einem Schmerzensschrei. Mit Widerstand kam man hier nicht weit, soviel hatte ich mittlerweile begriffen.
Meine Lider flatterten unkontrolliert, als ich zögerlich die Augen aufschlug – und direkt in jenes Schokokaramell blickte, das vorhin schon zaghaft an den Alarmglocken in meinem Kopf angeklopft hatte. Das restliche Gesicht des Mannes war selbstverständlich hinter dem dunklen Stoff der Sturmhaube verborgen, aber die Augen reichten aus, um die Zahnräder in meinem Gehirn in Bewegung zu bringen. Diese Augen. Ich kannte diese Augen.
Dann erinnerte mich der todbringende Lauf der Waffe an meinem Kopf wieder daran, weshalb ich hier saß und besagte Augen als exklusive Nahaufnahme zu sehen bekam.
Mit zusammengebissenen Zähnen holte ich tief Luft, um den bedrohlichen Blick meines Gegenübers so herausfordernd wie möglich zu erwidern. „Was ist denn?"
Der Typ starrte mich einen Moment lang an, bevor er ein Kichern von sich gab. Er kicherte. Ein Bankräuber, der aller Wahrscheinlichkeit nach nicht davor zurückschrecken würde, jeden hier im Raum umzulegen, kicherte wie ein kleines Kind.
Ich war verwirrt.
„Du bist süß."
Korrektur. Jetzt war ich verwirrt.
Der Moment der Fassungslosigkeit dauerte nur für den Bruchteil einer Sekunde an, denn einen Atemzug später landete wie aus dem Nichts die kräftige Hand des Mannes direkt neben meinem Gesicht an der glatten Holzoberfläche des Tresens, an dem ich lehnte. Das Goldbraun seiner Augen erinnerte mich plötzlich nicht mehr an Karamell, sondern eher an das lodernde Feuer der Hölle.
„Dein Handy, Blondie", knurrte er mir ins Ohr. „Oder möchtest du einen Test hiervon?" Spielerisch klopfte er mit einem Finger auf den Lauf seiner Waffe an meiner Schläfe.
Ich schluckte. Ich wollte mein Handy nicht abgeben. Wenn ich es nicht mehr hatte, war ich ja vollkommen nutzlos, richtig? Dann war ich komplett hilflos, ohne jegliche Möglichkeit, Hilfe zu rufen.
„WIRD'S BALD!?", brüllte er mich so laut an, dass sämtliche Leute im Umkreis die Gesichter in ihren Händen verbargen oder sich vor Schock bebend abwandten – offensichtlich befürchtend, der Typ könnte mich direkt vor ihren Augen erschießen.
Trotz der Panik, die unablässig durch jede Faser meines Körpers jagte, spürte ich allmählich Wut in mir aufsteigen. Ich war keine Spielfigur, mit der man machen konnte, was man wollte. Ebenso wenig wie all die anderen Leute hier drin.
Mein Kiefer malmte vor sich hin, als ich hinter mich griff, um nach meinem Handy zu fischen. Dabei erwiderte ich den Blick des Kriminellen unverwandt und mit betonter Ruhe. Sollte er ruhig wissen, dass ich kein armseliges Würstchen war, das zu seinen Füßen um sein Leben wimmern würde. Grimmig hielt ich ihm das Handy hin, ließ es jedoch nicht sofort los, als er es ergreifen wollte. Seine Augen wurden schmal und das bedrohliche Lodern kehrte in sie zurück, doch ich unterbrach den Blickkontakt nicht. Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, während der die Frau neben mir besorgniserregend hefti zu hyperventilieren begonnen hatte, löste ich meine Finger von dem Smartphone und überließ es ihm vollständig.
Ich musste vollkommen durchgeknallt sein. Wer widersetzte sich schon einem gemeingefährlichen Kriminellen, der einem eine geladene Waffe an den Kopf hielt, und forderte diesen zu einem Blickduell heraus? Das konnte nicht ohne Konsequenzen bleiben. Sicherlich würde er mir gleich einen Schlag ins Gesicht versetzen. Oder mir ins Knie schießen.
Erneut wallte Panik in mir auf. Bitte nicht.
Zu meinem Erstaunen (und zu meiner bodenlosen Erleichterung) kicherte er lediglich erneut und tätschelte doch tatsächlich mit einer behandschuhten Hand meine Wange, bevor er in einer fließenden Bewegung aufsprang. Mein Handy ließ er in seiner Hosentasche verschwinden.
Zittrig stieß ich den Schwall Luft aus, den ich die vergangenen Sekunden über voller Anspannung in meinen Lungen gehalten hatte. Das Adrenalin, das eben noch in einem Höchstmaß durch meine Adern geschossen war, verflüchtigte sich zu einem großen Teil, sodass sich der halsbrecherische Mut, den ich eben noch verspürt hatte, in Luft auflöste.
„Das war ganz schön mutig", murmelte mir die Frau mit dem Blazer neben mir aus unbewegten Mundwinkeln zu. Ihre Wangen waren tränennass und mit Mascara verschmiert. „Ich hatte wirklich Angst, er würde einfach ..." Sie brach ab und biss sich auf die Unterlippe.
Am liebsten wäre ich ihrem Beispiel gefolgt und hätte hemmungslos zu heulen begonnen, doch das würde den gesamten Eindruck zunichtemachen, den dieser eine Typ von mir gewonnen hatte. Daher beließ ich es bei einem gequälten Lächeln. „Sie waren aber auch nicht schlecht. Nicht jeder hätte sich das getraut."
Sie nahm das Kompliment mit einem Schniefen zur Kenntnis, wagte es aber offenbar nicht mehr, etwas zu erwidern. Zu Recht, denn direkt gegenüber von uns hatte sich der Kleinste der drei Täter direkt vor der mit Jalousien verhangenen Eingangsfront positioniert. Die Arme hielt er scheinbar locker vor der Brust verschränkt, doch ich sah, dass sein Zeigefinger bedächtig am Abzug seiner Waffe verharrte.
Diese Verbrecher schienen nicht davor zurückzuschrecken, jemanden zu töten. Es war klar, dass wir es hier nicht mit Amateuren zu tun hatten.
Vage spürte ich einen bohrenden Blick aus karamellfarbenen Augen auf mir ruhen, und als ich mich umsah, bemerkte ich, dass der Typ mit meinem Handy mich beobachtete.
Fuck. Offenbar hatte ich dem mehr ans Bein gepinkelt, als ich angenommen hatte.
Das konnte ja noch lustig werden.
----
Wenn sich eines nicht geändert hat, dann dass ich mich nicht kurz fassen kann. Es werden hier auf Wattpad mindestens 3 Teile, oops :D (Insgesamt: 10.269 Wörter, 20 Wordseiten)
Vielen, vielen Dank an alle Leserinnen und Leser, die dieses Buch auf krasse 90k Reads gebracht haben! Auch wenn ich mich in den letzten Jahren sehr rargemacht habe, bin ich euch unfassbar dankbar für eure Unterstützung <3
Vote, Comment, Follow - whatever feels right to you! Ich freu mich über alles <3
Liebe Grüße
Andi
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro