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Auswegslos (Teil 2)

Das hier geht jetzt wahrscheinlich nahe an den Stil der Bücher, die ich in meiner Freizeit lese :D Nur so kurz vorweg xD Ich hoffe, ich habe es nicht allzu verbockt

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Von dem Geräusch eines zu Boden fallenden Gegenstandes aufgeschreckt fuhren wir hoch. Wir hatten unsere beiden Jacken auf dem Boden ausgebreitet, uns aneinandergekuschelt und tatsächlich ein wenig Schlaf finden können, doch an den war nun nicht mehr zu denken. Wie der Blitz schoss Liam hoch und stürzte vor. Eine kurze Stille trat ein, bevor er sich zu mir umdrehte und etwas hochhielt. Ich brauchte eine Weile, um es zu identifizieren: Eine Pistole.

„W-was?" Ich rappelte mich ebenfalls auf. „Was will er damit bezwecken? Sollen wir uns vielleicht selbst erschießen?"

Bevor Liam antworten konnte, begann das Handy zu plärren, das er möglichst weit weg von uns auf dem Boden platziert hatte. Während er noch immer wie versteinert dastand, hechtete ich hinüber und riss ungläubig die Augen auf. „Jemand ruft an!"

„Wie bitte?!"

Ohne nachzudenken betätigte ich den grünen Hörer und aktivierte die Freisprechtaste.

„Hallo, meine Lieben!", tönte eine zum Kotzen gut gelaunte Stimme blechern aus dem kleinen Lautsprecher. „Wie ich sehe, habt ihr unsere Kontaktmöglichkeit schon entdeckt." Vergnügt räusperte er sich, während wir uns entsetzt ansahen. Das war Wood. Eindeutig. „Und das kleine Spielzeug, das ich euch eben durch die Falltür geworfen habe, habt ihr vermutlich auch schon eingehend begutachtet. Dann werde ich euch mal die Spielregeln erklären. Die sind wirklich ganz einfach." Unfähig zu sprechen standen wir mit offenen Mündern da und lauschten seinen Anordnungen. „An der Pistole ist ein Tütchen befestigt. Darin ist eine Kugel enthalten. Kapiert? Eine einzige Kugel."

Mir dämmerte Schreckliches.

„Die Sache ist ganz einfach: Einer von euch stirbt, der andere kommt frei. Noch Fragen?" Er kicherte genüsslich. „Ihr zwei seid einfach soooo knuffig miteinander. Viel Spaß."

Das darauffolgende Tuten verkündete das Ende des Telefonats.

Liam ließ das Handy zu Boden fallen, das mit einem leisen Klappern aufschlug. Der Akkudeckel löste sich und sprang davon, bevor er von der gegenüberliegenden Wand gestoppt wurde und in zwei Teile zerbrach.

Liam sank in die Hocke, schleuderte die Waffe von sich und vergrub das Gesicht in den Händen. Benommen ging ich neben ihm in die Knie und versuchte verzweifelt, die Realität zu fassen. Mein Freund hatte zu schluchzen begonnen und murmelte immer wieder Bruchstücke eines Satzes vor sich hin, der sich verdächtig nach „Alles meine Schuld" anhörte. Ich legte ihm eine zitternde Hand auf die Schulter. „Liam, beruhige dich!" Guter Witz. Ich schluckte so lange, bis ich meine eigenen Tränen erfolgreich verdrückt hatte. „Wir kommen hier raus. Bitte, Liam!"

„Das glaubst du doch selber nicht!", schrie Liam mich urplötzlich an. „Hör doch endlich auf, dir selbst leere Hoffnungen einzureden!"

War es diese unendliche Erschöpfung, die Hoffnungslosigkeit, die Verzweiflung – jedenfalls spürte ich nun ebenfalls Wut in mir aufsteigen. „Kein Grund, mich anzubrüllen! Würdest du wenigstens versuchen, deinen gesunden Verstand zu benutzen, könnten wir vielleicht sogar eine Lösung finden!"

„Meinen gedunden Verstand, ja genau!", höhnte er. „Deshalb hast du dich ja sofort auf die scheiß Tür gestürzt, als sie zugefallen ist, genau die Reaktion, die Wood sich erhofft hat!"

„Ach ja?", fauchte ich. „Jetzt bin also ICH schuld? Das war ja wieder klar, dass du einen Sündenbock brauchst! Wäre es nach mir gegangen, wären wir nicht mal ausgestiegen!"

„Und wieso hast du es dann gemacht?" Liams Augen blitzten vor Wut. „Wärst du doch sitzengeblieben, dann müsste ich mich jetzt wenigstens nicht mit dir streiten und hätte meine Ruhe!"

Bei diesen Worten begann sich ein Kloß in meinem Hals zu bilden. „Ach, so ist das also! Wärst du lieber alleine hier?" Mir sprangen Tränen in die Augen, die ich wütend wegzwinkert. „Dann kann ich mich ja gleich selbst erschießen!"

Die Wucht meiner eigenen Worte traf mich in der nächsten Sekunde so sehr, dass ich ein paar Schritte zurücktaumelte. Plötzlich schienen die Wände auf mich zuzukommen, mich zu erdrücken, mir den Sauerstoff zu nehmen. Diese scheiß Klaustrophobie. Wie ich es hasste. Keuchend rang ich nach Luft, während ich die Arme um meinen Körper schlang und verzweifelt versuchte, das beengende Gefühl zu verdrängen, das mir den Atem zu rauben drohte.

Liam schien endlich bemerkt zu haben, dass etwas nicht stimmte, denn er sprang mit einem alarmierten Gesichtsausdruck auf und kam auf mich zu. „Niall? Alles in Ordnung?"

Am liebsten hätte ich mich an dem Schuldbewusstsein in seinen Augen geweidet, aber das ging im Moment herzlich schlecht. Irgendetwas schien den Weg in meine Lungen zu verschließen, als ich immer hektischer nach Luft schnappte.

„Niall! Sag doch was!", schrie Liam. Er packte mich an den Schultern, aber ich brachte keinen Ton heraus. „Scheiße, es tut mir leid! Es tut mir leid, ich wollte nicht so abgehen, oh Gott! Hast du dein Spray dabei?"

Ich klammerte mich an ihm fest und schüttelte den Kopf. Wood hatte ganz genau gewusst, was er tun musste, um unseren Aufenthalt hier zur reinsten Hölle zu machen. Ein Handy ohne Guthaben, eine Pistole mit einer Kugel, und mein Spray, das ich zur Not überall mit hin nahm, hatte er mir auch abgenommen.

„Stemm dich mit den Armen auf die Knie!"

Japsend befolgte ich seinen Rat und versuchte, in seinen braunen Augen Ruhe zu finden, als er sein Gesicht auf dieselbe Höhe brachte und meinen Blick mit seinem festhielt. „Tief ein- und ausatmen, okay? Langsam."

Es funktionierte. Extrem langsam und qualvoll, aber es wirkte. Als nur noch ein leises Pfeifen beim Einatmen auf den Vorfall hinwies, ließ ich mich mit dem Rücken an die Wand sinken und genoss das Gefühl, mit dem der Sauerstoff in meine Lungen drang. Liams Hände zitterten fast so schlimm wie meine eigenen, als er unsere Finger miteinander verschränkte. „Es tut mir leid. All das, was ich eben da herumgebrüllt habe, ich meine es nicht so. Ich bin einfach durchgedreht. Ich weiß, damit kann man so etwas nicht entschuldigen, aber ..."

Ich brachte ihn mit einem Kuss zum Schweigen. „Schon okay. Ich war auch nicht gerade freundlich. Wir sind beide durchgedreht."

Liam biss sich auf die Lippe. „Das klingt jetzt wirklich egoistisch, aber ... ich bin froh, dass ich nicht alleine bin. Dass du bei mir bist."

Das kam aus so tiefstem Herzen, dass sich in mir eine wohlige Wärme bis in die Fingerspitzen ausbreitete und mir ein kleines Lächeln aufs Gesicht zauberte.

Leider war die nicht allzu rosige Situation damit nicht aufgehoben. Keiner von uns hatte die Pistole seit dem Streit angefasst, geschweige denn einen Blick darauf geworfen. Wir wussten, worauf Wood hoffte. Er wollte, dass sich einer von uns selbst erschoss und der andere um ihn weinte. Das war es ja, was ihn dazu brachte, meistens Paare als seine Opfer zu wählen. Er liebte es einfach, Menschen zu sehen, die der Verzweiflung nahe waren.

Und jetzt waren wir seine neuen Spielfiguren. Liam und ich. Niam, wie uns unsere Kollegen so herzlich nannten.

Es gab keinen Ausweg. Zumindest nicht von unserer Seite her. Wir konnten nur hoffen, dass die anderen erraten konnten, was ich ihnen bei meinem letzten Funkruf mitteilen wollte, und auf schnellstem Wege hierherkamen.

Meine Eltern waren immer dagegen gewesen, dass ich bei der Polizei anfing, aber da es schon immer mein größter Wunsch gewesen war, hatte ich mich durchgesetzt. Und die paar Jahre, in denen ich den Job nun schon ausführte, hatten sie jeden Tag damit gerechnet, dass ich irgendwann nicht mehr heimkehren würde, dass mir irgendetwas passierte. Und tja ... jetzt hatten sich ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt.


Wie lange saßen wir eigentlich schon hier? Ich hatte schon jegliches Zeitgefühl verloren.

Minute für Minute starrte ich die Luke in der Decke an, durch die das immer schwächer werdende Licht hereindrang – ein Zeichen dafür, dass sich der Tag dem Ende zuneigte, aber es versetzte mich trotzdem in Panik. Nicht mehr lange, und es würde stockdunkel sein. Keine Glühlampe, keine Kerze, nichts. Einfach nur kahle, graue Wände, die eine unmenschliche Kälte in den Raum strahlten. Vielleicht konnten wir Woods Plan einfach umgehen, indem wir beide starben. Die Liste der Möglichkeiten war ellenlang. Erfrieren, Verdursten, Verhungern, Luft anhalten, Kopf an die Wand schlagen, sich mit einem spitzen Stein die Pulsadern aufschlitzen ... und die Pistole. Das war der Gegenstand, der mir am meisten Angst machte. Was, wenn wir noch ewig hier saßen und zuhnemend labiler wurden? Nicht umsonst hatte ich Psychologie in mein Studium miteinbezogen. Ich hatte erwartet, somit Suizidversuche besser verstehen zu können, Mörder besser einschätzen zu können. Aber dass man darüber Bescheid wusste, hieß noch lange nicht, dass man es von sich selbst fernhalten konnte. Irgendwann würde der Moment kommen, in dem ich mit dem Gedanken spielen würde, einfach die Pistole zu packen, sie an meine Schläfe zu halten und ...

STOPP!

Ich presste mir die Handballen auf die Augen. So weit durfte ich nicht denken. So weit würde es nicht kommen. Unser ganzes Team war da draußen. Louis, Harry, Zayn ...

„Glaubst du, sie suchen schon nach uns?", erklang wie auf Kommando Liams matte Stimme. Wie schon die ganze Zeit saßen wir praktisch aufeinander, um uns gegenseitig zu wärmen. Es war einfach erbärmlich kalt und nass. Der Schnitt, den ich mir gleich in den ersten fünf Minuten unseres Aufenthalts hier zugezogen hatte, brannte stetig vor sich hin und war angeschwollen, aber ich hatte Liam nichts davon gesagt. Er machte sich schon genug Sorgen, da sollte er sich nicht auch noch mit diesem Scheiß herumschlagen müssen. Ich war schon mal angeschossen worden, da war so ein Kratzer doch ein Klacks, oder?

„Natürlich tun sie das." Ich wandte meinen Blick von den wertvollen Lichtstrahlen. „Wahrscheinlich stellen sie gerade die ganze Stadt auf den Kopf." Bei der Vorstellung musste ich lächeln. Louis hatte schon immer einen Hand ins Dramatische gehabt. Wenn es ihm ermöglicht wäre, würde er zweifellos die Armee einschalten.

„Niall?"

„Hm?" Ich drehte meinen Kopf, um ihn ansehen zu können.

„Kannst du mir etwas versprechen?"

Sofort meldete sich das mulmige Gefühl in mir wieder zu Wort, als ich zögerlich nickte.

Er seufzte. „Versprich mir, dass du die Pistole nicht anrührst. Nie. Er will, dass einer von uns für den anderen Selbstmord begeht. Bitte, versprich mir, dass du es nicht tust."

Ich schwieg. Wie sollte ich ihm so etwas versprechen? In Verzweiflung waren Menschen fähig, Dinge zu tun, an die sie normalerweise nicht einmal dachten! „Dann versprich du mir dasselbe", erwiderte ich schließlich tonlos.

Als Antwort drückte er nur meine Hand und ließ wieder Stille eintreten.

Ich lehnte meinen Kopf an seine Schulter und versuchte zu vergessen, dass keiner von uns ein klares Versprechen abgegeben hatte.

Ich würde mich für Liam vor eine Kugel werfen, und das wusste er. Gleichzeitig wusste ich auch, dass er dasselbe für mich tun würde, aber das wollte ich nicht.

Lieber sterbe ich.

Tief in meinem Hinterkopf wusste ich, dass Liam genau in diesem Moment genau diesen Satz ebenfalls dachte.

Minuten verstrichen. Stunden. Vielleicht auch Tage.

Und langsam machte sich Hoffnungslosigkeit breit. Ich war so ergriffen von dem bedrückenden Gefühl der Dunkelheit und der Enge, dass Hunger und Durst nebensächlich geworden waren. Wir versuchten, uns gegenseitig Mut zu machen und abzulenken, indem wir uns Geschichten erzählten, Melodien summten und in der Nähe des anderen etwas Trost fanden.

Aber es reichte einfach nicht. Liam gab sich alle Mühe, es zu verstecken, aber wusste, dass ihm seine Kopfverletzung zu schaffen machte. Er war kreidebleich, schwankte beim Stehen leicht und musste sich an mir festklammern, um nicht umzufallen. Außerdem waren seine Lippen blutleer und bläulich verfärbt – die Kälte musste ihm schon bis auf die Knochen gedrungen sein. Ein paar Mal hatte ich dezent versucht, ihn dazu zu überzeugen, auch meine Jacke anzuziehen, aber das hatte er vehement abgelehnt. Ich wünschte, ich hätte an jenem verhängnisvollen Tag zusätzlich zur Softshelljacke noch einen wasserabweisenden Anorak übergeworfen, dann hätten wir uns wenigstens auf etwas setzen können, denn der Boden hatte unglücklicherweise die gleiche Temperatur wie die Wände. Zu langes Sitzen würde also nur eine Blasenentzündung auslösen.

Aus den Augenwinkeln sah ich, wie sich Liam kurz den Kopf hielt, sich jedoch schnell gerader hinstellte, als er meinen besorgten Blick bemerkte. Innerlich seufzte ich. Wieso war er nur so sturköpfig? „Li, du musst dich hinlegen. Sonst fällst du mir irgendwann noch so um. Du kannst meine Jacke haben, ich friere nicht so sehr." Das stimmte sogar halbwegs, aber Liam blockte das Angebot trotzdem ab. „Niall, mir geht's gut."

„Nein, das tut es nicht." Ich rappelte mich aus meiner sitzenden Position auf, um durch den Raum auf ihn zuzugehen. Bevor er sich wegducken konnte, hatte ich schon eine Hand auf seine Stirn gelegt – und hätte sie fast mit einem entsetzten Japser weggezogen. „Meine Güte, du glühst ja förmlich!"

„Na dann", murmelte er. „Dann brauch ich ja wirklich keine Jacke."

Ich starrte ihn so lange an, bis er hilflos die Arme in die Luft warf und jammerte: „Das war ein Witz, Mann!"

Meine Gesichtsmuskulatur war wie eingerostet, als ich sie zu einem Lächeln bewegte. „Hab ich dir schonmal gesagt, dass ich dich liebe?"

Liam nahm meine Hände und zog mich zu sich hin. „Mehrmals."

„Liam, du hast Fieber."

„Na und?"

„Was UND?! Du musst dich warm halten. Hör endlich auf, so bockig zu sein, und nimm meine Jacke. Sonst kriegst du das ganze nächste Jahr keinen Kuss mehr."

Zu meinem Ärger, aber gleichzeitig auch zu meiner Erleichterung, begann er zu lachen. „Das hältst du sowieso nicht durch. Also, ich sage immer noch nein."

„Okay, wie du willst." Ich wollte ganz frech einen Schritt von ihm wegtreten, doch schon schnellten seine Arme vor und hielten mich fest, sodass er es tatsächlich schaffte, mir einen Kuss auf die Lippen zu drücken." Er grinste mich an. „Siehst du?"

Es tat richtig gut, das erste Mal seit Langem wieder ein wenig zu lachen und mit meinem Freund herumzualbern. Ziemlich unpassend und lächerlich, aber wie ein heilendes Pflaster für die angeschlagene Seele.

Doch leider löste sich der Moment eine Sekunde später in Luft auf, als Liam nach meinem Arm griff und dabei unbewusst die Wunde berührte, sodass ich einen kleinen Schmerzenslaut nicht unterdrücken konnte. Erschrocken zuckte er zusammen und musterte mich mit besorgten Augen. „Was ist los? Hab ich dir irgendwie wehgetan?"

Ich biss die Zähne zusammen und unterdrückte einen Fluch. „N-nein, alles gut."

Liam studierte mein gequältes Gesicht. „Erzähl keinen Mist." Sein Blick fiel auf meinen Arm, den ich instinktiv an meinen Körper gepresst hielt. „Zeig her."

Ich schüttelte störrisch den Kopf. „Das ist ... Nichts." Ich konnte förmlich sehen, wie es in seinem Kopf arbeitete, als er sich vorbeugte. „Niall."

Er würde nicht nachgeben. „Schön." Seufzend schälte ich mich aus der Jacke, um ihm anschließend den gesunden Arm hinzuhalten, doch natürlich ließ er sich nicht verarschen – er verdrehte lediglich die Augen und schüttelte den Kopf. „Den anderen."

Kaum hatte ich widerwillig auch den ausgestreckt, hatte Liam das getrocknete Blut am Ärmel meines Shirts schon entdeckt, denn er schnappte entsetzt nach Luft. „Was hast du nur angestellt?"

Ich zuckte die Schultern. „Das war gleich am Anfang, als du noch bewusstlos warst. Da bin ich irgendwie gegen einen spitzen Stein geschrammt."

Vorsichtig zog Liam den Stoff zurück, bis der Blick auf die Wunde freigelegt war, die – zugegebenermaßen – einen nicht gerade gesunden Eindruck machte: Um den etwas tieferen Schnitt herum hatte sich die Haut in einer Mischung aus gelb und dunkelrot verfärbt, das schon ältere Blut, das ich nicht wegwischen hatte können, bildete eine Kruste, und der Arm war angeschwollen und pochte schmerzhaft.

Liam starrte mich entsetzt an. „Wieso hast du nichts gesagt?", rief er aufgebracht und betrachtete die Wunde von allen Richtungen, als würde sie dadurch schneller heilen. „Mann, du könntest jetzt eine Blutvergiftung bekommen!"

Ich erwiderte seinen Blick ausdruckslos. Wo ich gerade wieder ein Fünkchen Hoffnung auf einen guten Ausgang verspürt hatte, war nun alle Lebensfreude aus mir gewichen. „Na und? Dann krieg ich eben eine."

Liam packte mich an den Schultern. „Was willst du damit sagen?"

„Dass ich dann eben eine kriege! Was ist so schlimm daran? Wir gehen hier drin doch sowieso drauf, da ist es mir ziemlich egal, auf welche Weise. Dann hab ich jetzt eine Todesmöglichkeit mehr. Vielleicht spür ich da ja weniger ..." Meine Stimme schweifte ab, als ich realisierte, was ich da eben von mir gegeben hatte. In Liams Gesicht stand der blanke Horror. „Sag sowas nie wieder." Seine Unterlippe bebte. „Hörst du? Nie wieder."

Ich suchte verzweifelt nach Worten, fand jedoch keine. Ich hatte Liam eben gesagt, dass es mir egal war, ob ich draufging oder nicht, wo eigentlich Liam von Anfang an derjenige mit dem etwas labileren Zustand gewesen war.

In einer fließenden Bewegung schob ich den Ärmel wieder über die Wunde und ignorierte den stechenden Schmerz, der dabei durch meine Glieder fuhr. Jetzt saßen wir hier also, Liam hatte Fieber und wahrscheinlich eine Gehirnerschütterung, und ich hatte mir den Arm aufgeschlitzt, der jetzt auf bestem Wege zu einer Blutvergiftung war.

Dunkelheit, Kälte, Angst.

Ich hatte es so satt. Ich wollte nicht mehr.

Womit hatten wir uns das verdient?

Ich wollte hier raus. Einfach nur raus. Nie wieder würde ich mich über Regenwetter beschweren, oder über die Hitze der Sonne. Sofern ich all das je wieder erleben sollte, was ich mittlerweile stark anzweifelte.

Ohne irgendwelche weiteren Worte ließen wir uns wie immer Arm in Arm nieder und ignorierten die Tatsache, dass jeder von uns vermutlich gerade über den Tod nachdachte.

Als ich wieder erwachte, war das Licht, das durch die Luke drang, heller geworden, weshalb ich davon ausging, dass ich wohl die Nacht verschlafen hatte – oder ich hatte einfach nur Halluzinationen. Durchaus vorstellbar. Ich hatte keine Ahnung, wie lange wir schon hier festsaßen, aber im Prinzip konnte es nicht länger als ein paar Tage sein, sonst wären wir schon lange verhungert oder verdurstet. Irgendwie erschienen mir diese beiden Aspekte so ... nebensächlich. Mein Rachen war schmerzhaft trocken und mein Körper schrie nur so nach Flüssigkeit, aber ich hatte mir das Gefühl des Verdurstens irgendwie schlimmer vorgestellt. Hatte uns dieser Kriminelle während unserer Bewusstlosigkeit vielleicht etwas gespritzt? Damit wir länger lebten und er länger seinen Spaß hatte? Gab es so ein Mittel überhaupt? Ich wusste es nicht. Und es war mir auch scheißegal.

Ich tastete neben mich, um nach Liams Hand zu greifen, die mir immer wieder neuen Halt gegeben hatte, doch ich griff ins Leere. Stöhnend schob ich mich in eine bequemere Position, bis mir auffiel, dass ich auf dem Boden lag und die Jacken als Decke über mir ausgebreitet worden waren. Wäre ich voll bei Kräften gewesen, wäre ich aufgesprungen und hätte nach Liam gebrüllt, aber jetzt brachte ich nur ein kraftloses Flüstern seines Namens zustande. Trotzdem schien ich erhört worden zu sein, denn als Antwort bekam ich Klappern und leises Fluchen. „Liam, was machst du da?", krächzte ich und versuchte, meiner schwachen Stimme mehr Energie zukommen zu lassen. Als er nicht antwortete stemmte ich mich auf alle Viere und blinzelte in die Richtung, aus der ich die Geräusche vernommen hatte.

Sofort war ich hellwach.

Liam stand in der Ecke des großen Raumes, die wir immer gemieden hatten, und hielt etwas in der Hand. Etwas, das verdächtig nach ... einer Pistole aussah. Er schien damit zu kämpfen, mit seinen zitternden Fingern die Kugel einzulegen, weshalb er gar nicht bemerkte, dass ich mittlerweile auf den Beinen war. Erst als ich ein paar unsichere Schritte auf ihn zu machte und dabei versehentlich einen von der Decke gefallenen Stein davonkickte, fuhr er herum. Seine Augen weiteten sich, als er mich sah. Im ersten Moment dachte ich, er wolle mich erschießen, aber als ich kapierte, was er wirklich vorhatte, drang mir der Schreck bis auf die Knochen. „Liam?" Mit frischem Adrenalin wollte ich auf ihn zustürzen, aber er streckte abwehrend eine Hand aus und rief: „Bleib wo du bist!" Er riss die Pistole hoch, bis sie auf Höhe seiner Stirn war, und sofort begann das Blut in meinen Adern vor Angst zu brodeln. „Li, hör auf mit dem Scheiß!" Meine Stimme rutschte beim letzten Wort eine Oktave nach oben. „Tu das Ding weg!"

„Nenn mir einen Grund, wieso ich das tun sollte." Sein Finger am Abzug zitterte gefährlich. „Wood hat seine Regeln unmissverständlich gemacht: Einer muss sterben, damit der andere leben kann und befreit wird. Ich folge nur dem Spielplan."

„Aber genau das dürfen wir nicht tun!" Zögerlich wagte ich es, noch einen Schritt vorzutreten. „Willst du Wood diese Genugtuung wirklich gönnen? Nachdem wir ihn schon monatelang verfolgen?"

„Ja genau!" Liams Stimme gewann an Lautstärke. „Wir verfolgen ihn monatelang, und am Ende hat er UNS, und nicht umgekehrt! Das ist eine Schande!"

„Mann, Liam!" Ich raufte mir die Haare. Meine Augen brannten vor mühsam zurückgehaltenen Tränen. „Was soll ich denn ohne dich machen? Li, bitte, das kannst du mir nicht antun." Ich hatte das Gefühl, als würde der Boden unter meinen Füßen schwanken, als hätte mir jemand jeden Halt weggerissen, den ich je im Leben hatte.

„Ich bin schuld an diesem Scheiß. Ich allein." Wie in Trance murmelte er diese Worte vor sich hin. „Ich wäre an deinem Tod schuld, Niall. Du hast was Besseres verdient. Du musst hier raus."

„Auch wenn du das jetzt durchziehst, wird er mich trotzdem nicht freilassen!", schrie ich ihn an, in der Hoffnung, so wenigstens halbwegs in seinen verwirrten Geist vorzudringen. „Ich werde hier drin trotzdem sterben. Langsam und qualvoll. Und allein. Willst du das?"

Liams Unterlippe begann zu zittern. „Hör auf, deine miesen Polizistentricks anzuwenden."

„Die hast du allesamt selbst auch gelernt", wisperte ich, während ich mich noch einen Schritt weiterschob. Er war so auf meine Augen fixiert, dass er nichts von dem um sich herum wahrnahm. Hatte Wood vielleicht Kameras installiert, um das Drama besser verfolgen zu können? Wahrscheinlich saß er gerade mit Cola und Popcorn bei sich zu Hause vor dem Ferseher und schaute sich genüsslich unser Dilemma an. Dieser Mensch war so ein Nichts. So etwas dürfte nicht existieren.

„Niall, bitte schau weg", unterbrach Liam mit erstaunlich ruhiger Stimme meinen Gedankenfluss. Das Klicken, mit dem er die Pistole entsicherte, hallte in meinen Ohren wider. „Ich liebe dich." Eine Träne rann über seine Wange, als er den Finger an den Abzug legte.

Ohne weitere Verzögerung sprang ich vorwärts, knallte in ihn hinein und riss ihn mit mir zu Boden. Ein ohrenbetäubend lauter Schuss löste sich, als wir übereinander auf den harten Untergrund krachten, was mir alle Luft aus den Lungen presste.

Einen entsetzlichen Moment lang war es still. Totenstill.

Liam, der praktisch auf mir gelandet war, bewegte sich nicht.

Oh Gott.

Fanatisch begann ich an seiner Schulter zu rütteln. „Scheiße, Liam!? Hey!"

Als ich schon Luft geholt hatte, um wie ein Irrer loszubrüllen, begann er sich plötzlich zu bewegen und rollte sich ächzend von mir herunter. „S-shit."

Sofort war ich auf den Knien und beugte mich über ihn. „Bist du verletzt? Hat dich der Schuss getroffen? Oh mein Gott, sag schon was!"

Zu meiner Bestürzung schlug er die Hände vors Gesicht und begann hemmungslos zu schluchzen. „Warum hast du mich nicht gelassen? Ich hätte dem ein Ende gesetzt! Jetzt ist der eine Schuss weg und wir sterben beide und ..."

Beim Klang seiner verzweifelten Stimme und den Worten, die seinen Mund verließen, schien mein Herz in tausend Stücke zu zerbrechen. Sanft, als wäre eben nichts passiert, legte ich die Arme um seinen zitternden Körper und zog ihn an mich, bis sein Kopf an meiner Brust ruhte. Normalerweise bestand Liam darauf, dass es andersherum war, aber jetzt wollte ich ihn einfach nur im Arm halten und seine Nähe spüren, die ich um ein Haar verloren hätte. „Vorschlag: Entweder wir sterben beide, oder wir überleben beide. Getrennt gibt's nicht, okay?", flüsterte ich ihm ins Ohr. „Ich kann nicht ohne dich."

Es dauerte lange, bis seine Tränen versiegt waren und er in einen unruhigen Schlaf der Erschöpfung hinübergeglitten war. Ich hatte immerzu das Gefühl, seinem Beispiel zu folgen und gleich eine Million Tränen vergießen zu müssen, aber letztendlich war ich schon so leer, dass ich nicht einmal mehr Energie zum Weinen hatte.

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Ich glaube, so etwas Ernstes habe ich noch nie geschrieben *-* Ich weiß nicht, inwiefern es mir gelungen ist, also wäre ich über ein wenig Feedback dankbar ;)

Also, AnneHoranx3 ich glaube fast, wir haben den gleichen Geschmack, was Bücher angeht :D Ich bin leidenschaftliche Thriller- und Krimileserin xD

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