Auftragskiller (Teil 3)
„Hey, Lou". Mit seinem üblichen himmelserstrahlenden Grinsen im Gesicht gesellte sich Harry zu uns und ich musste schwer schlucken. Heute war es so weit. Nach einer weiteren Woche Beobachtung und Erforschung hatte ich den heutigen Tag als den richtigen Zeitpunkt festgesetzt, diesem Auftrag, an dem ich ohnehin schon viel länger herumarbeitete als ich sollte, endlich ein Ende zu setzen. Die Pistole, die ich in der Innentasche meiner Lederjacke verstaut hatte, schien förmlich an meinem Körper zu brennen und mich anzuklagen, doch ich holte tief Luft und verdrängte alle Emotionen, die förmlich gegen mein Vorhaben schrien. „Hallo, Harry".
Niall winkte ihm nur kurz mit einem seiner Vokabelhefte zu, das er allerdings ohnehin nicht in Benutzung nahm, da er schon die ganze Zeit mit den Augen den Gang nach Liam absuchte, der heute außergewöhnlich spät zu sein schien – normalerweise war Liam der Musterschüler in Person. „Also treffen wir uns, äh, heute Abend ... noch?", fragte ich mit leicht zittriger Stimme an Harry gewandt, der mich verwundert musterte und sich vermutlich fragte, was zur Hölle ich plötzlich für ein Problem damit hatte, einen klar strukturierten Satz herauszubringen.
„Klar". Dann fiel ihm noch etwas Grandioses ein. „Niall, du und Liam könntet doch auch vorbeikommen".
„Gerne. Wobei?", murmelte Niall gedankenverloren zurück.
Harry seufzte und riss ihm das Heft aus der Hand. „Wir wollten noch in diesen einen Club unten am See gehen". Erwartungsvoll blickte er ihn an. „Zu viert wär es doch gleich noch unterhaltsamer".
„Liam hasst Weggehen", antwortete Niall skeptisch, nickte aber dann langsam. „Ich schleife ihn mit. Zur Not mische ich ihm etwas in sein Mittagessen, das ihn willenlos werden lässt".
„Willenlos werden". Harry grinste über beide Ohren. „Dann kannst du ja sonst was mit ihm anstellen".
Genervt verdrehte Niall die Augen und versetzte seinem Kumpel einen Stoß, der ihn lachend gegen mich rempeln ließ. „Fresse, Styles. Traust du mir so etwas wirklich zu?".
„Eigentlich schon".
Ich konnte nicht anders, ich musste lachen, verschluckte mich aber dann beinahe an meiner eigenen Spucke, als mir wieder in den Sinn kam, was ich Harry heute antun musste. Morgen würde er nicht mehr hier sein, wir würden keine blöden Scherze mehr zu hören bekommen, nie wieder würden mich seine smaragdgrünen Augen schalkhaft anstrahlen.
LOUIS, HÖR AUF! Am liebsten hätte ich mir jedes Haar einzeln ausgerissen. Was war nur los mit mir? Noch nie hatte ich meine Aufträge so dermaßen mit meinem Privatleben vermischt, oder war einer Zielperson so nahe gekommen, dass ich direkte Zuneigung zu ihr verspürte. Und wenn Niall und Liam heute Abend auch dabei waren ... das würde die Sache nicht gerade einfacher machen. Gott! Zayn würde mich umbringen, soviel stand fest.
„Louis". Jemand fuhr mit seiner Hand vor meinem Gesicht auf und ab. „Erde an Louis. Marsmännchen übernehmen die Welt". Eindeutig Niall.
„Hä?".
„Zehn Uhr passt, nehme ich an". Es klang eher wie eine Feststellung, als hätte ich bereits gar keine Wahl mehr – Niall-like eben.
„Ja", stimmte ich kurzerhand zu, mit dem bitteren Hintergedanken, dass ich ja jetzt nichts mehr mit Zayn abstimmen musste, nachdem er mir den Auftrag alleine überlassen hatte. Das würde heute Abend die größte Katastrophe meines ganzen bisherigen Lebens werden.
-
Der Tag an sich verlief ziemlich ruhig. Wir schrieben einen Überraschungstest, der mir scheißegal war, da ich morgen ohnehin nicht mehr hier sein würde, Harry und ich mussten einen furiösen Liam von Mark herunterziehen, der Niall für irgendeinen blöden Spruch eine blutige Nase verpasst hatte (und dafür von diesem schon einen Tritt zwischen die Beine kassiert hatte, aber Liam legte Wert auf Doppelrache) und wir konnten Mathe schwänzen, da uns Mark daraufhin allesamt im Sanitätsraum einschloss. Je näher der Abend rückte, desto nervöser wurde ich, vor allem, weil Harry einfach ein Sonnenschein in Person war: Immer am Lächeln, immer für Streiche und Party aufgelegt und einfach immer so verdammt gut aussehend.
Und doch hatte ich eine Aufgabe zu erfüllen, die mir Gift und Galle hochkommen ließ. Ich schluckte das Gefühl, mich jeden Moment übergeben zu müssen, erfolgreich hinunter und machte Harry, der eben den Club betreten hatte, mit einem kurzen Winken auf mich aufmerksam. In der Innentasche der Jacke hatte ich meine Pistole verstaut, ebenso das Messer an seinem üblichen Platz. Nicht umsonst hatte ich ausgerechnet diesen Club hier gewählt: Hier wurde keiner darauf überprüft, ob er Waffen mit hineinschmuggelte und es gab auch sonst keine Kontrollen, vor denen ich mich verstecken müsste.
„Irgendetwas hast du heute doch". Harry musterte mich mit einem durchdringenden Blick aus seinen grünen Augen. „Du bist schon den ganzen Tag so komisch".
„Äh ...". Bevor ich irgendeinen Scheiß von mir geben konnte, wurde ich von Niall unterbrochen, der nun hereinplatzte und mit hochrotem Kopf auf uns zu getrampelt kam. „WISST IHR WAS?!".
Erschrocken zuckten wir gleichzeitig einen Schritt zurück, hoffend, dass sich sein Zorn nicht gegen uns richtete, denn das wäre vermutlich übel ausgegangen – von seinem Kopf stiegen schon fast Rauchwolken auf. Bei uns angekommen, holte er tief Luft, sodass ich schon dachte, dass er jetzt völlig in die Luft ging, doch zu meiner Bestürzung schlug er plötzlich die Hände vors Gesicht. „Liam will ne Pause".
„Wie bitte?". Normalerweise war ich eigentlich nicht so schwer von Begriff, aber jetzt kapierte ich ehrlich gesagt gar nichts mehr, sodass ich ihn nur mit einem blanken Gesichtsausdruck anstarrte, bis er meinen Blick mit verzweifelten Augen erwiderte. „Von mir. Er will eine Pause von mir".
„Er hat mit dir ... schlussgemacht?!", fuhr Harry auf und packte Niall an den Schultern – und wieder einmal war ich gerührt von seiner Art, sich um alles und jeden Sorgen zu machen, so wie in diesem Falle um Niall, den ich noch nie so aufgelöst gesehen hatte, wie er an diesem Abend war.
„N...nein, er will eine Pause". Seine Stimme war zittrig. „Ich hab ihm gesagt, er muss mich nicht ständig vor Mark beschützen, da ist er sofort aus der Haut gefahren, warum zur Hölle ich mich auch ständig mit dem in die Haare kriegen muss, warum ich immer Streit anfange und so weiter. Ich hab eben ... ein paar unschöne Dinge geantwortet, dann hat er irgendetwas davon beschrien, dass er mich für eine Weile nicht mehr sehen will". Gegen Ende hin brach seine Stimme weg, woraufhin Harry ihn in eine feste Umarmung an sich zog. Etwas unsicher stand ich daneben, unschlüssig, was ich tun sollte, immerhin wurde ich in meinem Job nicht unbedingt oft mit solchen Situationen konfrontiert.
„Jetzt mach dir keinen Kopf, Ni. Er kriegt sich schon wieder ein. Ihr habt es bis jetzt ohnehin so streitfrei geschafft, da werdet ihr euch jetzt nicht nach dem einen einzigen gleich trennen", versuchte Harry ihn zu beruhgien, doch Niall zuckte nur die Schultern und löste sich mit geröteten Augen von ihm. „Außerdem denkt er anscheinend, ich hab was mit dir am Laufen". Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass er mich meinte. WHAT? „Was?! Tickt der noch ganz richtig? Nichts gegen dich, Niall, aber du bist mit Sicherheit nicht mein Typ". Ich spürte Harrys forschenden Blick in meinem Nacken, ignorierte jedoch das unangenehme Gefühl, unter seiner Beobachtung zu stehen und legte Niall nun auch meinerseits etwas unbeholfen einen Arm um die Schulter. Mein ganzes Leben lang hatte ich nie jemanden trösten müssen, geschweige denn mich für jemanden genug interessieren, um ihm körperlich näher zu kommen (mal abgesehen von Zayn, der mein bester Freund war), sodass ich es äußerst seltsam fand, nun so plötzlich damit anzufangen. Dammit. Dieser verkackte Fall ging mir wirklich näher als alles andere in meinem bisherigen Leben. „Wie lange bist du schon mit Liam zusammen?".
„Ein Jahr, vier Monate und fünf Tage", antwortete er ohne zu zögern, und ich war beeindruckt. Dieser Junge musste Liam ganz schön gern haben. Falls dieser nun wirklich mit ihm Schluss machen sollte, wegen so einer Lappalie, dann würde ich zweifellos Amok laufen und Liam eine kleine Waffen-Show abhalten. „Ich will ihn auf keinen Fall verlieren".
„Das wirst du nicht", grollte Harry, dem man seinen Ärger über Liam deutlich ansah. „Dafür sorgen wir. Morgen werden Lou und ich mit ihm reden".
Ich wollte schon begeistert zustimmen, als mir einfiel, dass es kein Morgen geben würde. Fast hätte ich wie ein kleines Mädchen gekreischt und das gesamte Gebäude mit bloßen Händen bis auf seine Grundmauern niedergerissen. Fuck! Alles war immer reibungslos wie am Schnürchen verlaufen, diese hirnverbrannten Penner fürchteten das „Horrorteam" und „Louis den Größten" oder welche Namen auch immer man uns so verpasst hatte, und nun war mein ganzes Leben auf den Kopf gestellt worden, und das von einem drei Jahre jüngeren Kerl mit dunklen Locken und grünen Augen, der noch dazu charmant, lustig und besorgt war und .... ach Herrgott nochmal! Wie oft habe ich das jetzt schon aufgezählt?! Und genau das war das Problem! Ich kannte ausschließlich gute Seiten an ihm (mal abgesehen davon, dass er Nialls Radiergummi mit einem Bleistift durchbohrt und Liam mit seinem Zirkel gepiekst hatte, aber okay), sodass ich keinen Grund sah, seinem Leben ein Ende zu setzen. Stattdessen trachtete ich eher nach seinem Stiefvater, dessen Beweggründe mir noch immer ein Rätsel waren. Nie war ich richtig mit ihm ins Gespräch gekommen und wenn, dann nur über belangloses Zeug und schon gar nicht etwas, das direkt seinen Stiefsohn betraf.
Angesichts dieser Tatsachen blieb es bei mir nur bei einem matten Nicken, doch da Harry und Niall ohnehin gerade mit Diskutieren beschäftigt waren, fiel ihnen das gar nicht auf.
„Ich schlage vor, wir lassen das Feiern heute".
„Ihr müsst nicht wegen mir jetzt alle eure Pläne in die Tonne treten", widersprach Niall vehement, doch Harry schnitt ihm im selben Tonfall mit einem nachdrücklichen „Doch" das Wort ab, bevor er uns beide auf den Ausgang zu bugsierte. Irgendwie war ich zu verblüfft, um irgendwie zu reagieren, sodass wir uns kurze Zeit später in meinem Auto befanden und heimwärts fuhren. Mit jedem Meter, den wir zurücklegten, verstärkte sich das flaue Gefühl in meiner Magengegend, bis mir so speiübel war, dass ich geradewegs aus dem Fenster hätte kotzen können. Ugh, Louis!
„Wir könnten uns noch bei mir treffen", bot Harry an, woraufhin Niall heftig nickte und ein „Ja, bitte" murmelte.
Shit. Die Sache wurde immer komplizierter. Wie sollte das nur enden?
„Wir müssen aber leise sein, mein Stiefdad ist noch in seinem Arbeitszimmer", informierte uns Harry flüsternd, während wir uns alle in den Flur drückten und uns in die Richtung seines Zimmers schlichen. Das Letzte, was ich wollte, war Mr Twist auf uns aufmerksam zu machen – da waren wir uns einig, denke ich.
Niall ließ sich der Länge nach auf Harrys Bett fallen und vergrub das Gesicht im Kissen, ich setzte mich auf einen der Stühle und Harry selbst nahm an seinem Schreibtisch Platz, um den Laptop einzuschalten. „Sollen wir einfach ne DVD gucken?". Da ich nur die Schultern zuckte und Niall ein gedämpftes Murmeln hören ließ, begann er in einer Schublade zu kramen. Als er nach drei Minuten und fünfundzwanzig Sekunden (ich hatte mitgezählt) immer noch nicht fündig geworden war, wühlte sich Niall aus dem Bett und schurfte auf die Tür zu. „Ich hole uns was zu Trinken".
Harry tauchte für einen Moment grinsend unter dem Schreibtisch hervor. „Du fühlst dich hier ohnehin schon seit ungefähr zehn Jahren wie zu Hause".
Das entlockte Niall ein kleines Lächeln, „stimmt", bevor er aus dem Raum trat – und als wenige Sekunden später auch noch die Toilettentür zu hören war, wusste ich, dass ich nun vermutlich genau fünf Minuten Zeit hatte, meinen Auftrag zu erfüllen. Mit zitternden Fingern zog ich den Reißverschluss meiner Jacke herunter und ließ langsam eine Hand zur Innentasche wandern; Harry, der nach wie vor mit dem Rücken zu mir saß und leise fluchend seine verdammten DVDs suchte, bekam nichts davon mit. Mein Herz schmerzte förmlich, als ich geübt leise die Pistole entsicherte und den Schalldämpfer anbrachte, bevor ich verzweifelt zu dem ahnungslosen Harry blickte. Ich konnte das doch nicht machen!
Mit festem Griff umklammerte ich die Waffe, bis meine Knöchel weiß wurden, und versuchte, meinen ungleichmäßigen Atem unter Kontrolle zu bringen.
Jetzt war der Augenblick endgültig gekommen.
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Heheheheh, ich bin gemein, aber dafür hab ich früher geupdatet! :D Grund? Ich hab zwar eigentlich keinen Plan, was das bedeutet, aber bei diesem OS-Büchlein wird #911 in Fanfiction angezeigt, was ich als Erfolg gewertet und mich so gefreut habe, dass jetzt schon das nächste Kapitelchen gekommen ist :D
In den letzten Tagen ist es mit Reads und Votes ver*dammt steil bergauf gegangen, also DANKE, LEUTE!!!!
Und vielen Dank für all die VOTES und KOMMIS! :)
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