Julian Weigl & Hendrik Bonmann
Zufrieden schaute ich auf meinem Mann, der in unserem großen Ehebett lag und tief und fest schlief.
Ich lächelte, denn so entspannt, wie er gerade war, hatte ich ihn lange Zeit vorher nicht gesehen.
Unser gemeinsames Leben stand noch nie so wirklich unter einem guten Stern. Aber es hatte uns nicht gestört, denn wir liebten uns. Und das war alles was zählte.
Ich hatte Julian kennengelernt, da war er 19 und ich 20 Jahre gewesen. Ich hatte ihn das erste Mal beim Training gesehen und ich wusste gleich, dass ich mein gesamtes Leben mit ihm verbringen wollte. Ich war verliebt, gleich von Beginn an, Liebe auf den ersten Blick.
Mit Julian reden, konnte ich nicht, aber anstarren, das tat ich. Die beiden Romans lachten über mich, aber das war mir wirklich egal.
Erst ein Jahr später kam Julian auf mich zu und fragte mich, ob wir mal zusammen ins Kino gehen wollen. Nur wir beide.
Ich strahlte und nickte.
Ein halbes Jahr später küsste er mich das erste Mal. Es war, als würde ich auf Wolke sieben schweben. Ich grinste wie ein Verrückter und redete über nichts anderes mehr. Nur wie toll sich Julians Lippen anfühlten, wie schön es sich anfühlte, meine Hände in Julians Nacken zu legen.
Doch dieses schöne Gefühl, diese wunderschöne Zeit war schneller vorbei als ich es gedacht hatte.
Ich berichtete meinen Eltern und meinen beiden Brüdern von Julian. Das ich ihn lieben würde und mit ihm zusammen sei.
Mein ältester Bruder Sebastian und mein Vater stellten sich sofort gegen mich. Sie schrien mich an und warfen mich aus sofort und ohne weiteres aus dem Haus.
Ich fuhr zu Julian und erzählte ihm davon. Ich war so fertig mit der Welt und brach in Julians Armen zusammen. Dieser hielt mich einfach fest und war für mich da. Lange Zeit konnte ich nicht mehr lächeln, egal was die anderen versuchten. Mein Vater hatte mir noch eine Nachricht geschickt, wo er mich vor die Wahl stellte: Meine Familie oder Julian.
Ich konnte diese Wahl nicht treffen, doch dann traf ich sie. Julian sagte ich nicht, ich blockte einfach jeden Kontakt mit ihm. Ich konnte mich einfach nicht gegen meine Familie stellen.
Irgendwann redete ich mit meinem mittleren Bruder Max. Ich musste endlich mit jemanden reden und auf Max konnte ich immer zählen. Er überzeugte mich, wieder mit Julian zu reden. Meinen Vater und Sebastian einfach zu ignorieren und meine Beziehung mit Julian zu retten. Erst hatte ich Angst, dann aber folgte ich seinem Rat.
Ich hatte in diesem Sommer Dortmund verlassen gehabt, jetzt kam ich für dieses Gespräch wieder.
Als ich bei Julian klingelte, öffnete mir eine Person, die ich nie als Julian identifiziert hätte. Abgemagert, eingefallene Wangen und verweinte Augen. Julian war schon immer sehr schlank, aber in dem Moment war er nur noch Haut und Knochen.
Tränen liefen mir über die Wange und ich hatte ein nur "Julian?" geflüstert.
Dieser erwachte aus seiner Starre und rannte auf mich zu. Er schlang seine dürren Arme um mich und drückte sein Gesicht in meine Brust.
Ich hielt ihn fest und wollte ihn nie wieder los lassen. Ihn so zu sehen, tat einfach nur so sehr weh und ich bereute alles, was ich je getan hatte.
Nachdem wir uns beide einigermaßen beruhigt hatten, erklärte ich ihm alles. Warum ich das getan hatte und warum ich nicht mehr mit ihm geredet hatte.
Und Julian?
Er verstand mich und unterstützte mich. Er sagte mir, er hätte genau das gleiche getan. Aber er war auch froh, dass ich mit ihm sprach.
In dem Moment wusste, warum ich diesen Jungen so sehr liebte. Denn er war in jeglicher Hinsicht perfekt.
Für die nächsten Monate führten wir eine perfekte aber versteckte Fernbeziehung. Versteckt, weil ich nicht wollte, dass mein Vater oder Sebastian irgendwas davon mitbekamen. Sie wären dann sicherlich wütend und würden mich oder sogar Julian etwas antun. Und das könnte ich mir nie verzeihen.
Jede freie Minute verbrachte ich mit Julian. Ich rief ihn an, wir skypten oder wir schrieben über WhatsApp.
Doch eines Tages - es war ein halbes Jahr vergangen, seit ich und Julian wieder zusammen waren - konnte ich ihn nicht erreichen. Egal, was ich versuchte.
Verzweifelt rief ich bei Roman, bei Marco, bei Marius und auch bei Julians besten Freunde an. Doch niemand hatte Julian gesehen.
Plötzlich bekam ich einen Anruf und Sebastian lachte mich hämisch aus. Ein kalter Schauer fuhr über mein Körper.
Als ich dann noch im Hintergrund Julians panische Schreie hörte, war ich völlig verzweifelt.
Sofort schaltete ich die Polizei ein, doch sie konnten auch nicht viel für mich tun. Sie versuchten schon ihr bestes, doch Julian fanden sie nicht.
Zwei Monate später hatte man Julian immer noch nicht gefunden. Dann klingelte es plötzlich an meiner Tür und ein mir fremder Mann lächelte mich sanft an. Dann übergab er mir die kostbare Fracht in seinen Armen. Als ich auf diese schaute, sah ich etwas, was ich nie gedacht hatte.
Mein kleines Julchen, aber in einer Verfassung, die schrecklich war. Bewusstlos, abgemagert, voller Hämatome und blauen Flecken. Ich wollte gar nicht wissen, was mein Engel durchmachen musste.
Sanft legte ich ihn in meinem Bett ab und versorgte seine offensichtlichen Wunden. Ich saß bei Julian und strich ihm vorsichtig die Haare aus dem Gesicht. Sanft drückte ich ihm einen Kuss auf die Stirn, stand dann vorsichtig auf und kochte eine leichte Suppe.
Als ich einen lauten Schrei hörte, lief ich schnell wieder ins Schlafzimmer. Dort sah ich einen zitternden Julian, der mich verstört ansah.
"Julian?"
"Wer... Wer bist du?", hatte er mich gefragt.
Auf diese Frage war ich nicht vorbereitet gewesen und Tränen liefen mir über die Wange. Hatte Julian wirklich vergessen, wer ich war? Was hatte Sebastian nur mit meinem Engel gemacht?
Es vergingen Monate und Julian lebte vor sich hin. Er saß nur da, starrte ins Nichts und tat nichts, rein gar nichts. Ich versuchte alles, sorgte mich um ihn und auch hatte ich Julians Freunde eingeladen. Aber Julian reagierte nicht.
Bis zu dem einen Abend. Wir saßen gerade gemeinsam im Wohnzimmer und schauten einen Kinderfilm. Vor all den anderen Filmen hatte Julian Angst. Er sagte nichts, aber er zitterte panisch. Selbst vor Komödien hatte er Angst.
Plötzlich griff er meine Hand, die erste Tat, die er von sich aus machte. Überrascht blickte ich ihn an und ein ganz leichtes Lächeln legte sich auf sein Gesicht.
"Danke Hendrik", hatte er geflüstert und sich vorsichtig an mich gelehnt, "du hast mich nie aufgegeben. Danke dafür..."
"Ich würde dich nie aufgeben", flüsterte ich zurück und drückte den Jungen in meinem Armen feste an mich.
Es dauerte noch sehr lange, ehe Julian berichtete, was ihm widerfahren ist. Er hatte sich in eine psychologische Betreuung begeben. Es tat ihm gut, reden zu können. Er kam immer fröhlicher zu mir nach Hause, das Lächeln wurde immer größer und irgendwann kehrte auch wieder sein strahlendes Grinsen wieder.
Gut fünf Jahre nach der Entführung hatte Julian und ich geheiratet. Ich war wirklich zufrieden, endlich waren Julian und ich glücklich.
Sebastian und mein Vater waren im Gefängnis und niemand würde Julian und mir irgendwas antun.
Ich hatte mit meiner Karriere aufgehört, während Julian schon nach seiner Entführung nicht mehr weiter gemacht hatte. Er hatte Angst und Panik gehabt. Als ich einen Versuch machte, ihn mit in die Umkleide zu nehmen, begann er zu schreien und um sich zu schlagen.
Nach seiner Aufarbeitung hatte er es nochmal versucht, aber seine Vergangenheit holte ihn wieder ein.
Er hatte sein Glück in vielen anderen Dingen versucht und hatte etwas neues gefunden, was ihn glücklich machte und das machte mich auch glücklich.
Julian wurde ein fantastischer Koch und machte ein Restaurant auf. Freunde und Verwandte wurden zu Stammgästen. Nachdem ich auch aufhörte, half ich Julian und übernahm den ganzen Papierkram.
Um unser kleines Glück noch zu vervollständigen, adoptierten wir einen kleinen Jungen. Er war gerade mal ein paar Tage alt, als Julian ihn das erste Mal in seinen Armen hielt. Ich stand hinter ihnen und schaute auf meine kleine Familie.
Zwar war unser Leben nicht perfekt gelaufen, so überhaupt nicht perfekt, aber jetzt?
Jetzt mit unserem kleinen Nils auf dem Arm konnte nichts diesen Augenblick noch perfekter machen.
"Unser perfektes kleines Glück...", flüsterte ich.
"Das ist es wirklich", hauchte Julian zurück, "ich liebe dich, Hendrik..."
"Ich dich auch..."
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